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5.20. „Stille Nacht“ – ein Flachgauer Hirtenlied (Gerlinde Haid)

5.20.1. Hirtenlied aus dem Flachgau

Das folgende Lied ist nicht das berühmteste Weihnachtslied der Welt, stammt aber – ebenso wie dieses – aus Salzburg, hat den gleichen Anfang und hat ebenfalls mit dem Weihnachtsfestkreis zu tun. Es ist ein Weihnachts- und Ansingelied, den Hirten in den Mund gelegt, die ihr Opfer an die Krippe bringen und den Hausleuten die beiden Viehpatrone, den heiligen Georg und den heiligen Leonhard, ins Haus und alles Unglück hinaus wünschen. Bei einer volksmusikalischen Feldforschung in Salzburg haben es uns Pfarrer Andreas Radauer (geb. 1934) und seine Schwester Hanni Dürager (geb. 1930) vorgesungen (vgl. Abbildung).

Abbildung 5.3. „Stille Nacht“ in einer Variante aus dem Flachgau

„Stille Nacht“ in einer Variante aus dem Flachgau

Sie erzählten, dass sie, als sie noch Kinder waren, dieses Lied zu Neujahr, weiß gekleidet, bei Nachbarn und Verwandten sangen und dazu auch noch einen Spruch aufsagten. Das Lied hatten sie von ihrer Thalgauer Großmutter (geb. ca. 1880) gelernt.[1719] Die Entdeckung dieses Liedes erregte allenthalben großes Erstaunen, vor allem als durch Journalisten die Neuigkeit verbreitet wurde, es handle sich bei diesem schlichten Lied um die Urfassung des bekannten Liedes von Franz Xaver Gruber und Joseph Mohr. Das dürfte jedoch nicht der Fall sein.

Viel wahrscheinlicher ist, dass Sänger aus dem Volk das prägnante Anfangsmotiv von „Stille Nacht“ benützt haben, weil es eben bekannt war, um daraus dieses hübsche bäuerliche Ansingelied zu gestalten. In einer Studie, die Hermann Fritz diesem Lied gewidmet hat, spricht er von einem „assoziativen Schöpfungsakt“[1720] und stellt fest, dass sich bis auf die drei Schlusstakte die ganze Hirtenliedmelodie aus Grubers Komposition ableiten lässt.

Verwendete Literatur

[HaidG 1986] Haid, Gerlinde: „Stille Nacht“ – ein Hirtenlied aus dem Flachgau. In: Blätter der Stille-Nacht-Gesellschaft Folge 19–21 (1986), S. 1 f.

[Fritz 1994] Fritz, Hermann: Melodievarianten von „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ in vergleichender Untersuchung. In: Hochradner, Thomas; Walterskirchen, Gerhard (Hg.): 175 Jahre „Stille Nacht! Heilige Nacht!“. Symposiumsbericht. Salzburg 1994 (Veröffentlichungen zur Salzburger Musikgeschichte 5), S. 147–157.



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