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5.21. Sternsinger (Helga Maria Wolf)

5.21.1. Die Weisen aus dem Morgenland

Nach dem biblischen Bericht (Mt 2,1–12) huldigten gelehrte Heiden als Erste dem neugeborenen Jesus mit herrschaftlichen Geschenken. Demnach waren sie weder drei noch Könige und schon gar nicht Heilige. Das griechische Wort Magoi bezeichnete Astronomen, wie sie seit dem dritten vorchristlichen Jahrtausend in Mesopotamien wirkten, oder Astrologen, die um die Zeitenwende als Berater von Fürsten, Königen und reichen Leuten tätig waren. Die Gelehrten, die aus dem Osten kamen und dem „Stern“ über Jerusalem bis Bethlehem folgten, zählten wohl zu den letzten Vertretern dieser Tradition.

Die Heiligen Drei gelten als Patrone der Pilger und Reisenden (deshalb finden sich auf Gasthausschildern häufig Krone, Stern und Mohr), für einen guten Tod (die letzte Reise), gegen Zauberei, Unwetter und andere Übel. Seit dem Mittelalter hat man den Magiern Wundersames nachgesagt. Teilweise sind diese Erwartungen auf ihre kostümierten Nachfolger übergegangen. Im Zusammenhang mit den Ansingebräuchen und dem Angang zum Jahresbeginn gilt es manchen als schlechtes Omen, wenn der Besuch der Sternsinger ausbleibt. Noch anderer Glaube knüpfte sich an die Heiligen Drei : Mit an ihrem Tag geschnittenen Wünschelruten hoffte man, Gold, Silber und Wasser zu finden.

5.21.2. Die Dreizahl der Gaben

Origenes (185–254), der bedeutendste Lehrer der frühen griechischen Kirche, leitete aus der Dreizahl der Gaben die Dreizahl der Besucher ab. In den Rang von Königen gelangten die Sterndeuter im 6. Jahrhundert, damals tauchen auch die Namen auf. Ein Mosaik in Ravenna benennt den Ältesten Caspar (persisch: Schatzmeister), den Mittleren Balthasar (Lichtkönig) und den Jüngsten Melchior (Gottesschutz). Später machte man sie sowohl zu Vertretern der Lebensstufen Jugend, Mannesalter und Greis als auch zu Vertretern der damals bekannten Erdteile Asien, Europa und Afrika, wobei der Mohr den vornehmsten darstellte.

Auch die Geschenke erfuhren sinnbildliche Ausdeutung: Gold als königliches Geschenk, Weihrauch als Zeichen anbetender Verehrung und Myrrhe als Symbol der Selbstbeherrschung. Nach einer anderen Interpretation beziehen sich die Gaben auf Christus: Gold auf sein Königtum, Weihrauch auf die Göttlichkeit und Myrrhe auf sein Menschsein.[1721]

5.21.3. Ein Himmelszeichen als Wegweiser

Der „Stern“, der den Weisen den Weg wies, war eine seltene Konstellation der hellen Planeten Jupiter und Saturn, die im Jahr 2238 wieder stattfinden soll. Konradin Ferrari d’Occhieppo, Professor für theoretische Astronomie an der Universität Wien, hat das Geburtsdatum Jesu für die Nacht des 17. Jänner 7 v. Chr. errechnet. Die Weisen hätten am 15. September das Himmelszeichen des Messias erkannt und ihr Ziel am 12. November gegen 20 Uhr erreicht.[1722] Der „Stern“ wurde für einen Kometen gehalten, weil auf alten Darstellungen ein Lichtstrahl von ihm ausgehend zum Kind in der Krippe führt.

Dreikönigsspiele fanden schon um die erste Jahrtausendwende in den Kathedralen statt. Gesang begleitete die Prozession der Könige zum Altar, der die Krippe symbolisierte. Sie waren mit Mänteln und Kronen kostümiert, der leuchtende Stern schwebte an einem Seil vor ihnen her. Aus dem liturgischen Spiel entwickelten sich in den Städten prächtige Umzüge.[1723] Als im 18. Jahrhundert Marionettentheater die Volksschauspiele übernahmen, fand Kaspar (Kasperl) Eingang in das Puppenspiel.[1724]

5.21.4. Dreikönigskult

Mit der Übertragung der legendären Reliquien von Mailand nach Köln (1164) nahm der Dreikönigskult starken Aufschwung. Man verwahrte die angeblich von Kaiserin Helena (255–330) aufgefundenen Gebeine im größten und kostbarsten Schrein des Mittelalters und nahm diesen zum Anlass für den Bau des Kölner Doms. Im Wappen der Stadt finden sich seither drei Kronen. Von hier verbreiteten sich Kult und Verehrung der drei Könige im ganzen Abendland.

Zum 200. Jahrestag der Translation verfasste Johannes von Hildesheim eine populäre Legende. Der Karmelitermönch stellt die Magier als Vorbild der Priester dar, weil sie allem Anschein nach ohne Frauen zu Jesus unterwegs waren. Von Johann Wolfgang von Goethe wiederentdeckt, wurde die Legende 1822 gedruckt und beeinflusst seither Brauchspiele und Liedertexte.[1725] Außerdem widmete der Dichterfürst den Dreikönigssingern ein vergnügliches Epiphaniasgedicht, welches Ludwig Richter 1869 seinem bekannten Sternsinger-Holzschnitt beigefügt hat: „Die heiligen drei Könige mit ihrigem Stern, die essen und trinken, und zahlen nicht gern [...]“

5.21.5. Dreikönigsaktion: ein junger Brauch

1955 hat die Katholische Jungschar Österreichs der Tradition des Sternsingens eine neue Bedeutung gegeben. Mit einem Ertrag von 10,9 Millionen Euro im Jahr 2002 zählt ihre Dreikönigsaktion zu den größten Spendenorganisationen Österreichs. 80.000 Kinder und 30.000 Erwachsene ermöglichen „Hilfe unter gutem Stern“ für Not leidende Menschen in der „Dritten Welt“. 600 Projekte in 50 Ländern erreichen jährlich eine Million Menschen. Unterstützt werden Hilfsprojekte in den Bereichen Bildung, Sozialprogramme, Pastoralprogramme und Menschenrechtsarbeit. Seit 2001 ist die Dreikönigsaktion zum Führen des Spendengütesiegels berechtigt.

Die Sternsinger wollen nicht nur heischen, sie haben auch eine Botschaft. So hieß es 1984: „Die Sternsinger, die in diesen Tagen durch das Land ziehen, wollen ein Zeichen dafür geben, daß die Geburt Jesu Christi ein Grund der Freude und der Hoffnung ist und uns Mut gibt, daß wir einen neuen Anfang setzen.“ Zur zeitlosen Verkündigung kommen aktuelle Anliegen. Vor der 500-Jahr-Feier der Entdeckung Amerikas (1492) standen landlose Indios im Mittelpunkt der Kampagne, die auch bewusstseinsbildende Ansprüche stellte. 2002 besuchten die Sternsinger die Islamische Glaubensgemeinschaft in Wien. „Die Sternsinger überbringen die Botschaft vom friedlichen Zusammenleben auf unserer Erde. Die heiligen drei Könige folgen dem Stern, der eine Vision symbolisiert: Eine Welt ohne Hunger und Elend, eine Welt, auf der man überall menschenwürdig lebt. Die Spenden der Sternsingeraktion sollen ein Stück dieser Vision realisieren“, erfährt man auf deren Homepage.

5.21.6. Neuer Brauch mit alten Wurzeln

Eine Wurzel des Sternsingens liegt in den liturgischen Spielen, eine andere in den überlieferten Ansingeliedern mit Heischeumzügen der Schüler zum Jahreswechsel, eine weitere in der gegenreformatorischen Propaganda des 16. Jahrhunderts. Die ältesten Zeugnisse aus Süddeutschland berichten von Kindern, die von Haus zu Haus zogen und die gesammelten Gaben ihren armen Familien heimbrachten. Schüler, Handwerksburschen und Tagelöhner erhielten bald Konkurrenz. 1541 ist in Salzburg überliefert, dass die „Singer mit dem Stern“ am Fest Trium Regium eine Geldsumme erhielten. In Innsbruck bestimmte 1552 ein Ratsprotokoll: „Das Sternsingen soll man nicht gestatten, dieweil es ein Schmarotzerey.“ Der Buchdruck ermöglichte die rasche Verbreitung der Texte auf Flugblättern.[1726] Um 1600 war der Heischebrauch im Rheinland bekannt, seit dem frühen 17. Jahrhundert auch in den Niederlanden.

Erfahrungsgemäß gerieten rivalisierende Gruppen einander in die Haare. Leopold Schmidt vermutet darin den Grund für die wiederholten (aber bis ins 17. Jahrhundert nie generellen) Verbote. Diese kamen erst im Zuge der Aufklärung. Mit der Einführung der allgemeinen Volksschule hatten Schüler und Lehrer den Heischegang nicht mehr nötig, andere Sozialgruppen traten an ihre Stelle.[1727] Im 19. Jahrhundert waren die Bettelgänge weitverbreitet. Wohlhabende Gegenden kannten das Sternsingen nicht. In den 1930er-Jahren berichtete der geistliche Volksbildner Leopold Teufelsbauer: In Niederösterreich „bemühen sich heimatsinnige Priester und Lehrer, diese Sitte wieder aufleben zu lassen.“[1728]

5.21.7. Die erfolgreiche Belebung des Sternsingens

Durchschlagenden Erfolg hatte die Belebung des Sternsingens in den 1940er-Jahren durch eine städtische Privatinitiative: 1946 ging der Wiener Beamte Franz Pollheimer (1900–1986) mit seinen Kindern in der Pfarre Maria Treu (Wien 8, Piaristengasse 43–45) Sternsingen. Nach zwei Jahrzehnten erinnerte er sich in der Wochenzeitung „Die Furche“: „An eine Einführung des Sternsingens in Wien hat damals niemand im Entferntesten gedacht, zumal man ja gar nicht ahnen konnte, daß so etwas überhaupt in der Großstadt möglich wäre.“

Die positive Aufnahme ermutigte die Sternsinger, über die Nachbarschaft hinauszugehen. Sie zogen – in umgearbeiteten Kostümen des ehemaligen k. u. k. Carltheaters – von der Oper durch die Kärntner Straße zum Stephansdom. 1954 schätzte die Polizei 7.000 Zuschauer. Die Buben sangen beim Hochamt, das Kardinal Theodor Innitzer zelebrierte, und waren anschließend seine Gäste im Erzbischöflichen Palais. Der Bundespräsident, Minister und Spitäler wurden besucht, die Massenmedien interessierten sich für den Brauch, der rasch Nachahmer fand.

Je drei Jahre erbat Pollheimer Spenden für den Wiederaufbau des Stephansdoms und die Renovierung der Basilika Maria Treu, dann unterstützte er Flüchtlinge und Missionsprojekte, ehe der Brauch auf die Missions-Verkehrs-Arbeitsgemeinschaft (MIVA) und in großem Stil auf die Jungschar überging.[1729]

5.21.8. Die Jungschar-Dreikönigsaktion

Die Heiligen Drei Könige waren weder heilig noch drei noch Könige. Sie folgten auch keinem Kometen, sondern einer Planetenkonstellation, wie sie nur alle 2.000 Jahre vorkommt. Aber das tut ihrer Popularität keinen Abbruch, ganz im Gegenteil. Die Jungschar-Dreikönigsaktion zählt zu den größten Spendenorganisationen Österreichs. Der neue Brauch führt alte Traditionen weiter bis hin zum Haussegen „C+M+B“.

Die kostümierten „Könige“ haben einen Ausweis, der sie als „echte“ Sternsinger legitimiert. Sie bieten Sprüche und Lieder dar (in Wien ist „Es ziehn aus weiter Ferne ...“ das beliebteste) und bedanken sich mit einem bunten Informationsfolder bei den Spendern. Die Veranstalter vergessen aber auch nicht, den jungen Ehrenamtlichen zu danken.

1999 erhielten sie Aufmerksamkeiten, die in Dritte-Welt-Kooperativen gefertigt wurden. 2002 gab es die erste Sternsingerparty als gemeinsames Fest der Wiener Pfarren Wieden, St. Florian und St. Thekla. An dem Dankesfest für die Begleitpersonen der Sternsingeraktion nahmen rund 150 Jugendliche teil. Vermutlich wird der neue Brauch rasch Nachahmer finden.

5.21.9. Haussegen

Die Sternsinger setzen mittelalterliche Traditionen fort, wenn sie das Weihrauchfass schwingen und mit gesegneter Kreide C+M+B (oder K+M+B) und die Jahreszahl an die Türen schreiben. Die Buchstaben werden als „Christus mansionem benedicat“ („Christus, segne dieses Haus“) oder die Glück bringenden Initialen gelesen. Den gleichen Zweck sollten einst amulettartige Dreikönigszettel erfüllen, in denen die Heiligen Drei mit Jesus, Maria und Josef oder mit der Dreifaltigkeit auf eine Stufe gestellt werden. Volkstümlich deutete man das „K+M+B“ als „Kathl mach’s Bett“ oder „Katholisch musst bleiben“, neuerdings kirchenkritisch als „Kinder müssen betteln“.

Das Räuchern mit gesegneten Dingen stellt eine hygienische Maßnahme und eine alte Art der Unheilabwehr dar. Um den 6. Jänner ist es in Österreich allgemein bekannt.[1730] Aus dem Benediktionale 1989: „Zur Haussegnung zieht man betend und mit brennendem Weihrauch durch die Räume. Der emporsteigende Weihrauch ist Zeichen des Gebets und der geistlichen Freude. Die in Teilen des Sprachgebiets übliche jährliche Haussegnung an Epiphanie wird zumeist [...] von Familienangehörigen vorgenommen. Vielfach geschieht sie im Zusammenhang mit dem Sternsingen.“[1731]



[1721] [WimmerO/Melzer 1988], S. 221-225. – [Döring 1995]. – [Becker-Huberti 1998], S. 168.

[1725] [MoserDR 1993], S. 119 f.

[1727] [Schmidt 1981], Bd. 2, S. 179.

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