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6.4. Karl Adrian: Das Halleiner Winter- und Sommerspiel

6.4.1. Kommentar von Ulrike Kammerhofer-Aggermann

Historische Deutungen

Karl Adrians (17. 02. 1861–14. 10. 1949) Werke sind heute als zeitgeschichtliche Schnitte zur Entstehung der Heimatbewegung, des Landesbewusstseins wie der Heimatpflege zu lesen. Eine Gültigkeit seiner Bewertungen und Ausdeutungen ist heute vielfach nicht mehr gegeben. Obwohl viele Diskrepanzen in Adrians Werken zu heutigem Wissen bestehen, haben sich die Herausgeberinnen entschieden, Adrian-Texte unter den „Historischen Texten“ des Bereichs „Zum Weiterlesen“ hier abzudrucken.

Damit wollen sie einerseits die Entstehung der Heimatpflege- und Volkskultur-Bewegungen im Lande Salzburg aufzeigen und zum anderen auch Quellen ins Bewusstsein rufen, die eine Entwicklungsphase vor der nationalsozialistischen Volkstumspflege zeigen. Die Blickpunkte und Begründungen sind bei Adrian noch deutlich andere: einerseits Altertumssehnsucht nach einer „großen geschichtlichen Zeit“ sowie ein Liebäugeln mit „naturmythischen Aspekten“ und andererseits der feste Glaube an eine wirtschaftliche, soziale und politische Stabilisierung der Gesellschaft durch das Aufleben bzw. Einführen von Bräuchen – als neuer Ständebewegung. Die später so durchdringend feststellbaren zwingenden völkischen Aspekte fehlen bei Adrian gänzlich.

6.4.2. Das Halleiner Winter- und Sommerspiel (Karl Adrian)[1919]

Nach Weihnachten sieht man in der Umgebung von Hallein häufig zwei merkwürdig gekleidete, halbwüchsige Burschen die Straße dahin wandern. Der eine ist vermummt bis zu den Ohren; er kommt daher in einem alten, abgetragenen Pelzrock, dessen Fell nach außen gedreht wurde, die Pelzhaube bis über die Ohren herabgezogen und die untere Gesichtshälfte in einen dicken Wollschal gehüllt. Die Hände stecken in groben Fäustlingen, über die Schulter hängt ihm ein Sack, dazu trägt er noch einen festen Stock; dieser stellt den Winter dar. Sein Begleiter ist der Sommer im weißen, lichten Gewande, einen blumengezierten Strohhut auf dem Kopfe; in der Hand hält er oft ein kleines Fichtenstämmchen, das mit flatternden Bändern aus buntem Papier geschmückt ist. Bald lenken beide den von der Straße abzweigenden Fußsteig ein und stapfen im „gschlazign“ Schnee dem nächstgelegenen Bauernhaus zu, um dort den Streit zwischen Sommer und Winter vorzuführen. Der Sommer beginnt:

Sommer: Ich tret herein zum Kindlfest,

ich grüße die Herren aufs allerbest.

Ich will grüßen die großen wie die klein,

sonst würd ich kein g’rechter Sommer sein.

Der Sommer wird ich genannt,

zieh dem Kaiser durch das Land,

bettl das Brot und verkauf’s wieder,

kommt der Winter, stoß i ‘n niada.

Winter: Halt still, still, was der Winter verkünden will,

es wird nun so kalt, daß alles tuat klinga,

und daß Buben und Dirndl zum Ofen springa.

1, 2, 3 springt der Fuchs übern Zaun,

kommen 7 alte Weiber mit Spieß und Spangen

möchten den roten Fuchsen fangen.

Sie haben ihn gefangen, sie haben ihm gezogen

aus seiner Haut den Pelz.

Also mei Summa hab noch was vergessen.

Bin 24 Wochen hintern Ofen gesessen.

Ich hab 24 Tauben im Stall,

dö friß ich mitsambt den Federn all.

Aba nur i, der Winter alloan,

Summa dir gib ich die Boan.

Nun singt der

Sommer: Ich gehe her fürs Österreich,

sieh von weitem den Sommer gleich.

Ja Herre, ja mein

da Summar is fein.

Winter: I kimm heraus vom Birg so gschwindt,

bring nichts als Schnee und Wind,

ja Herre, ja mein,

da Winta is fein.

Sommer: Der Sommer kann am Kirschbaum steign,

der Winter muß herunten bleibn.

Ja Herre mein ...

Winter: Steigst du hinauf, so fällst du herab,

so brichst du deine Paar Krucken ab.

Ja Herre mein ...

Sommer: Dö Öpfl tuar i ma zuaha biagn,

dö zeitögn tuar i en Sack einschiabn.

Ja Herre mein ...

Winter: Schiabst du’s ein, so druck is aus.

so hast nichts als Kern und Haut.

Ja Herre mein ...

Sommer: Lustig ist’s, wanns Wetter schön,

So kann ich zu mein Dierndl um d‘ Osteroa gehn,

Ja Herre mein ...

Winter: Vom Osteroa gehn hab ich öfter schon ghört,

Sie schmecken und stinken, sans abholen nöt wert.

Ja Herre mein ...

Sommer: Ich geh herein zwischen zwoa Zäun,

Führ meinen Woaz‘ und Korn schön ein.

Ja Herr mein ...

Winter: Führst du es ein, so drisch ich mir’s aus,

Machtma mei Gredl gute Dampfnudl draus.

Ja Herre mein ...

Sommer: Z‘ Johanni ist’s lustig, wenn’s Wetter ist schön,

kann ich zum mein Dierndl um d‘ Johannskrapfa gehn.

Ja Herre mein ...

Winter: Von dö Johannskrapfa, da muß ich lacha,

dö sand ja die mehran von Leinöl bacha.

Ja Herre mein ...

Sommer: Kimmt gen bald der Bartelmätag,

So baos i meine Äpfeln und Birn herab.

Ja Herre mein ...

Winter: Boas das herab, so klaub mas i auf,

so macht mir mein Gredl a guats Kletzenbrot draus.

Ja Herre mein ...

Sommer: Winter, wo bist denn du uma gfahrn?

Daß da dein Pelz so lausig is woarn.

Ja Herre mein ...

Winter: Sommer, wo bist denn du uma gfahrn?

Daß da dein Pfoad so ruaßig is woarn.

Ja Herre mein ...

Sommer: Winter, mit deiner langen Nasen,

taugst ön Schmied zum Feuer anblasen.

Ja Herre mein ...

Winter: Sommer, mit deine großen paar Augn,

taugst ön Bauern zum Oacheln klauben.

Ja Herre mein ...

Sommer: Wie was denn, won kein Somma nöt wa,

wurden die Kastn und Stadeln lahr.

Ja Herre mein ...

Winter: Wie was denn, wenn kein Winter nöt wa,

so kunntn die Herrn nöt Rennschlitten fahrn.

Ja Herre mein ...

Sommer: Winter, du bist a grober Gsöll,

jagst dö alten Weiber in d‘ Höll.

Ja Herre mein ...

Winter: Jag is hinein, so hoatz i brav ein,

so kinnan dö Luder brav singer und schrein.

Ja Herre mein ...

Sommer: Winter, itzt bringst mi glei in d‘ Hitz,

i hau der oans einö, daß ‘s Bluat herspritzt.

Ja Herre mein ...

Winter: Hau nur her, i weich dir nöt,

i bin der Winter und scheuch dö nöt.

Ja Herre mein ...

Sommer: Winter, du därfst mir gar nicht viel sagn,

I tua di glei bei der Tür ausjagen.

Ja Herre mein ...

Winter: Und eh i mi laß bei dir ausjagn,

tun wir eins raufen und tun eins schlagn

Ja Herre mein ...

Sommer: Gehen wir miteinander in Laberhaufen,

tun ma gen schlagn und raufen.

Ja Herre mein ...

Winter: Raufen und schlagen is no nöt gnua,

an Buckel voll Schläg kriegst auch dazua.

Ja Herre mein ...

Jetzt wird gerauft.

Winter: Sumer, itzt hast ma d‘ Hax abg’schlagn

jetzt kannst mi heim Buckelkraxen tragn.

Ja Herre mein ...

Sommer: Und eh’s ich dich tua Buckelkraxen tragn,

eh‘ tua i di da in Stubmboden eingrabn.

Ja Herre mein ...

Winter: Ja mein Sommer, du hast recht,

bist du mein Meister und ich bin dein Knecht.

Ja Herre mein ...

Sommer: Gelt mein Winter, ich hab dir getan,

mitn Raufen und Schlagen kannst du mir nicht an,

Ja Herre mein ...

Sommer und Winter: Sommer, reich mir deine Hand,

Winter, reich mir deine Hand,

Geh‘ wir mit einander ins Sommerland,

Winterland.

Ja Herre, ja mein,

alle zwoa san ma fein.[1920]

Hierauf singen Sommer und Winter folgendes Lied:

Geh’n ma herein zwischen zwoa Zäun,

bring ma den Frühling an Summa herein.

Und wer von uns den Summa will hab’n,

der muaß uns brav rote Dukaten zahl’n.

Rote Dukat’n wa a wenig viel,

a Fünfal, a Sechsal is a a guats Ziel.

Das Spiel wird vom Anfang bis zum Schlußliede von den Darstellern deklamiert. Vor Vinzenzi unterliegt der Sommer und bleibt am Boden besiegt liegen, nach diesem Tag der Winter, demgemäß wird auch der Text sinnentsprechend geändert. Nach der Besiegung werden die drei Strophen des eingefügten Liedes gesungen und die gespendeten Gaben in Empfang genommen.

Eine mit vorigem Spiele verwandte Sitte ist das Sommerbaumtragen der Oberndorfer Schiffer. Am Vorabend vor Pauli Bekehrung, den 24. Jänner, gehen die Schiffer mit dem Sommerbaum zu den Gastwirten und angeseheneren Bürgern. Dabei tragen sie ein kleines Fichten- oder Tannenbäumchen, das aufs reichste geschmückt ist. Insbesondere ist es mit Äpfeln, Bretzen (sic!), Pomeranzen und Feigen behängt; bunte, flatternde Bänder verleihen ihm ein farbenfrisches Aussehen. Damit betreten sie Haus für Haus und beschenken die Kinder, um anderseits wieder ein Trinkgeld hiefür entgegenzunehmen.



[1919] [Adrian 1924], S. 72–77.

[1920] Anm. Adrian: „Wintar und Summar“ (bei [Süß 1865], Volkslied 207) stimmt mit diesem dem Volksmunde entnommenen Liede fast wörtlich überein.

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