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6.11. Karl Adrian: Die Sternsinger

6.11.1. Kommentar von Ulrike Kammerhofer-Aggermann

Heimatschutz und Restaurationspolitik

Nach dem Zusammenbruch der Monarchie standen die Bestrebungen unter dem Leitgedanken der Heimatpflege und der Bildung eines nationalen Selbstbewusstseins, wie Franz Grieshofer darstellt. Den im Heimatschutz engagierten Personen ging es um die Förderung von „Heimatliebe“ und um die Stärkung der „Vaterlandsliebe“. Diese ineinander übergehenden Motive gaben auch den ehemals lokal gebundenen, von eindeutig festgelegten Gruppen durchgeführten und mit bestimmten Zielen versehenen Bräuchen einen neuen Sinn. Sie waren nunmehr hochbewerteter Fundus für die Rekonstruktion eines kulturellen Erbes, das gleichzeitig auf regionaler und auf nationaler Ebene bestimmt wurde.[1952] Karl Adrians (17. 02. 1861–14. 10. 1949) Recherchen nach dem „ursprünglichen Volksleben“ fanden in seinem Buch „Von Salzburger Sittʼ und Brauch“, aber auch in frühen Tourismusinitiativen wie in der kulturpolitischen Arbeit des Landes ihren Niederschlag.

Aus heutiger Sicht ist zu bemerken, dass Karl Adrian stets um wissenschaftliche Debatte mit den Größen im Fach bestrebt war – das zeigen u. a. seine Korrespondententätigkeiten –, dass aber Volkskunde zum damaligen Zeitpunkt selbst noch eine phänomenologisch arbeitende Altertumswissenschaft war, der es an methodisch-theoretischen Konzepten im heutigen Wissenschaftsverständnis fehlte. So waren auch in der Wissenschaft – ebenso wie bei Adrian – vorbewertende Thesen und Auswahlkriterien in Verwendung. Zudem verquickte Adrian seine Forschungen stets mit gesellschaftspolitischen Zielen.

6.11.2. Die Sternsinger (Karl Adrian)[1953]

Im Festkreis des Jahres übt das Dreikönigsfest oder der „Obristtag“, wie es das Volk auch benennt, auf das Gemüt des letzteren einen besonderen Eindruck aus. Die Darstellung der drei Könige im Spiele läßt der Phantasie den weitesten Spielraum und in treuherzig naiver Weise kleidet es die Dichtung in Worte. Die Sternsinger gehen von Weihnachten bis nach heiligen drei Könige, so ungefähr bis 14 Tage nach Silvester. Das Sternsingen ist fast im ganzen Lande gebräuchlich, besonders in Oberndorf und in Hallein. Die Sternsinger aus dem letzten Orte kamen einst weit in den benachbarten Pongau, aber auch in den Pinzgau; ein alter Pinzgauer Sternsingerspruch sagt:

„Sternsinga, Sternschwinga, Ist sov’l fei, Ist so da Brau ‘s Loand aus und ei.“

Sobald das Ave-Maria-Läuten vom Kirchturm verklungen ist, ziehen sie von Haus zu Haus, überall gern gesehen und begrüßt. Sie tragen über den Kleidern ein weißes Hemd und auf dem Hut eine zylinderartige Erhöhung von buntem Papier, die von innen mittels eines Kerzchens beleuchtet wird; außen stehen die drei Buchstaben C + M + B (Kaspar, Melchior und Balthasar). In der Hand haben sie Stäbe und einer von ihnen einen großen, papierenen, mit der Darstellung der Geburt Christi oder der heiligen drei Könige bemalten Stern; auch dieser ist von innen beleuchtet und wird während des Gesanges fortwährend gedreht.

Manchmal ist der Stern auch aus Holz geschnitten, zwölfteilig und mit zerstoßenem Glasstaub überstreut, der in der Beleuchtung und beim Drehen flimmert wie die Wände eines Krippenberges. Die Teile desselben sind abwechselnd Strahlen und Flammen, die am Ende wieder kleinere aus Messingblech geschnittene Sterne zeigen. In der Mitte ist ein aus verschiedenfarbigem Staniol facettierter Stern aufgeklebt. Diese Form ist besonders im Pinzgau gebräuchlich. Statt des Sternes wird hie und da auch eine Vortragstange benutzt, die an ihrem oberen Ende zwei Plattformen zeigt. Die untere größere zeigt eine Krippendarstellung, die Anbetung der Hirten; die Figuren sind aus Holz geschnitzt und bemalt; auf der darüber sich erhebenden kleineren ist eine Almhütte, umgeben von Hirten, Schafen und Ziegen sichtbar; das Ende der Stange ist von einem vergoldeten Stern gekrönt. Auch diese Darstellung ist drehbar, wobei die Stange als Achse verwendet wird.

Die Sternsinger singen Lieder auf die Geburt Christi und auf die heiligen drei Könige; in manchen Orten führen sie ihre Lieder selbst dramatisch auf, wobei sich jeder beim Eintritte in die Stube selbst ankündigt:

„König Kaspar bin ich genannt, Komm daher aus Mohrenland.“

Das Ende ihres Gesanges ist gewöhnlich eine Bitte um ein Geschenk; sagt doch schon ein alter Regensburger Druck vom Jahre 1566:[1954]

„Herr Melcher sprach im grawen Bart: Potz plutz! potz darm! wie dürst mich so hart.“

Die Sternsinger waren meist Schiffleute aus Oberndorf und Hallein, die in der verdienstlosen Winterszeit sich dadurch eine kleine Einnahme verschafften. In früheren Zeiten, als noch manche Landkirchen der Orgel entbehrten, waren es die Kirchensänger, die zur Weihnachtszeit als Sternsinger umhergingen und sich dabei kleine Geschenke in Geld oder Naturalien verdienten; es war dies sehr oft ohnehin die einzige Entschädigung für die Mühe ihres Amtes. Diese Zunft der Kirchensänger bestand sowohl im Gebirge als auch im Salzburger Flachland bis fast auf das Jahr 1840; eine der berühmtesten Sängerfamilien waren die Öschlberger von Siezenheim.

Den Inhalt der Lieder der Sternsinger kennzeichnet Hartmann in trefflicher Weise mit folgenden Worten: „Was den Humor unserer Lieder betrifft, so möchte ich hervorheben, daß in denselben ja nicht das Heilige verspottet wird. Vielmehr zielt die Satire auf die eigene menschliche Unvollkommenheit gegenüber einer göttlichen Erscheinung und Offenbarung.“ Dem reiht sich würdig die Anschauung Weinholds an, wenn er sagt: „Die heilige Vergangenheit wird zur unmittelbaren Gegenwart. Das Volk sieht sich selbst in jenen Hirten und die Kinder begrüßen in dem Heiland ein Kind. Vertraulicher Ton, selbst ein Scherz vermählt sich mit der Andacht, ohne daß eine unstatthafte Verbindung entstünde; die Göttlichkeit wird nicht durch kindliche Lust beeinträchtigt.“

Von dem üblichen Sternsingen unterscheidet sich jenes der Bewohner von Tiefbrunnau in der Gemeinde Faistenau ganz gewaltig. Hier sind die Darsteller meist Bauernsöhne und Knechte, welche zu Pferde bei Fackelschein die ganze Nacht hindurch bis gegen 3 oder 4 Uhr früh von Gehöft zu Gehöft reiten und dort die alten Weihnachts- und Dreikönigslieder singen. Die heiligen drei Könige sind in hübscher Gewandung, ihnen wird ein großer, wunderschöner Stern vorgetragen. Der letzte Winter hat im Spiele eine kleine Veränderung gebracht, da sie sich, infolge der unerhört riesigen Schneemengen, anstatt der wirklichen Pferde künstlicher Gestelle mit Pferdeköpfen bedienten. Eine weitere Eigentümlichkeit ist, daß sie stets die beliebte Bauernfigur, der „Lippai“, begleitet und durch improvisierte oder der Rolle entsprechende Witze die Zuschauer erheitert. Er wird angesungen und antwortet darauf; vor Beginn des Singens ruft einer der Hirten aus der Begleitung der Könige: „Jetzt haben wir an fein und an grobn Lippai, geh‘ eina und lög dö nieda aufn Bodn.“ Dann folgt nachstehender Zwiegesang:

Chor: Lippai steh‘ auf vom Schlaf! Lippai: Wos muaß i toan? Chor: Daß du so früh schlafen gehst! Lippai: I schlaf schoan. Chor: Geh‘ mit uns her auf d‘ Weid, Schau was das Ding bedeut, Is so licht wie beim Tag. Lippai: Was wa denn das? Chor: ‘s Kindlein liegt auf dem Heu. Lippai: Und hat koan Bett. Chor: Der Esel und der Ochs dabei. Lippai: Dö frößens nöd. Chor: Die Engel seind oben, das Kind is geboren, und soll der Messias sein! Lippai: Nachard[1955] was fein. Chor: Wolln wir ihm a Opfer tragen? Lippai: Dös war wohl recht, ‘s Lampi toama selber habn, wann er’s nur möcht! Du allerschönstes Kind, du verzeihst unsere Sünd‘, wir wollens neama toan, geh‘ bitt i schoan. Chor: Lippai steh‘ oamal auf! Lippai: Geh gebts an Fried. Chor: Wir müssen suacha gehn, Lippai: I geh‘ halt nöd. Chor: ‘s Kindlein ist voller Not und is der wahre Gott, und hat kein Herberg nöt. Lippai: Dös glaub i nöt.

Darauf spricht einer aus dem Chor:

„Gold und Silba tuat all’s klinga, Lippai steh‘ auf, jetzt wollen wir bei der Höh‘ auch eins singa.“

Dann folgen Krippenlieder, wie zum Beispiel: „Es ziehn aus weiter Ferne“, „Ihr Hirten stehet alle auf“, „Heut hört man großes Wunder“. Von den eigentlichen Dreikönigsliedern möge ob seines naiv humorvollen Inhaltes nachstehendes als Beispiel dienen; es entstammt einer Handschrift aus Rauris und findet sich auch als Variante um eine Strophe kürzer in Hartmanns „Volkstümlichen Weihnachtsliedern“.

1. Brüder nu sechts, bin schon da von der Roas, Glabn mechts koan Mensch, was i hiez nied alls woas. Gsehn han i Sacha, brecha und macha ra woll mein Oas[1956]. ‘s Kindl und Mutter und was sißt (sic!) alls wa, a Ochs und an Esl, der Stall oba la. Armut ganz Haufa, hilf davon laufa sach i woll a. Und das war dessen, was mich so entsetzt, Aber zu gleicher Zeit mit recht großer Freid mein Herz ergötzt.

2. Wie i han g’opfert, da ging i von Stall, außen bei sach i, d‘ Soldaten schon all, lauter fremd Freßa, bugladö Rößa, Leut ohne Zahl. Gelt Bua es hamt uns die zwen nöt betrogn, wir glaubten zuerst, nur krad alls was dalogn, ja sie bekannten, zwanzig Elifanten wan a a mitzogn. Dö hamt ganze Mauern, auf’n Ruck daher tragn, mögens krad zuhi loan, woans nur krad schnaufa doan, hundert daschlagn.

3. Ich sach drei Herrn, der Krippen zugehn, aner war schwarz wie Zigäuner und schön. Sach aus an Drichal, dös gwölbt war wie a Bichal, ‘s Gold außa stehn. ‘s Golddrichal hat er dem Kindl verehrt, das war bereits dessen was Gegenlieb werscht. O Himmel Voda, weilst nur krad dada den Kindl was beschert. O wie vergun is den Kindl so wohl, jetzt mag sein Mutter d’von, daß ihm was kaufen kann um dessen Gold.

4. Aft kam der Alt, dem der Bart aha hangt, der ihm schier dreimal um d‘ Mitt‘ uma d’langt, ‘s Kind mit mein Späh’n han is daseh’n, wies ihm empfangt. O das hät mi bald zum Weinen bewegt, wie’s Kind den Glatzkopf die Handl auflegt. Aus diesem Triebe schau mit was Liebe er uns errett. Wer diese Demut und Lieb nid erkennt, dem fehlt die Würdigkeit, daß man ihn eine Zeit ein Menschen nennt.

5. Aft kam da Dritt, wol a randiga Mon, der tragt auf sein Haupt wie die andern a Kron. Und sein Verehren schmecket von Feren handig und schön. Gelt Bua der Alt hat an Weihrauch gebracht, der diesen Kind die größte Ehr zugedacht, wie zum Exempel in Salomons Tempel Gott man es macht. Gott ist, der sant ihnen zu einen Stern, und da sie ihn erkannt, gingens aus ihrem Land suchen den Herrn.

6. Siehst du, dem Heiland sind alle Leute gleich, er fragt koan oanzign’s, bist arm oder reich? Er sagt: Vertraue, auf meine Lieb baue, nur nid scheuch. Gott gibt uns Gnade, es leicht uns der Stern, daß wir ihn sehen bei nahe und fern, daß wir ihn Leiden, wie in Freuden dir folgen gern. Es soll im Leben uns nichts mehr verführn, wann wir nur sind so gscheid, daß wir zu keiner Zeit den Stern verlieren.



[1953] [Adrian 1924], S. 43–49.

[1954] [Anm. Adrian: HartmannAu 1875].

[1955] Anm. Adrian: Nachher.

[1956] Anm. Adrian: Eid.

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