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4.24. NS-Festkultur (Christoph Kühberger)

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4.24.1. Festkultur in der NS-Zeit als „Ersatzreligion“

Als Österreich an das nationalsozialistische Deutschland angeschlossen wurde, versuchten die neuen Machthaber, die „Ostmark“ in die NS-Festkultur vollständig zu integrieren. Vor allem die Feierlichkeiten um den Anschluss wurden mit großem Aufwand als Massenspektakel inszeniert. Doch die gesetzliche Neuordnung des Feiertagsrechtes ließ auf sich warten, sodass etwa der ständestaatliche 1. Mai (Gedenktag an die Proklamation der Verfassung) erst 1940 ersetzt wurde.

Um ein Fest als solches bezeichnen zu können, benötigt es Geselligkeit, Rituale, Teilnehmer/innen und eine vorübergehende Aufhebung der Ordnung. Alles Teile, die man auch bei politischen Festen der Nationalsozialisten findet. Doch die Geselligkeit wurde im NS-Regime eher dazu missbraucht, um Gäste anzulocken, denn die nationalsozialistischen Feste zeichnen sich durch Starrheit und Disziplin aus, weshalb man den geselligen Teil aus dem offiziellen verbannte. Um den politischen Willen durchzusetzen, versuchte man, eine Art „Ersatzreligion“ anzubieten, die gleich wie die Kirche über eigene Feste und Rituale verfügte. Man führte eigene Lieder und zeremonielle Handlungen ein und hatte eigene Symbole. Durch eine derartige Ausgestaltung der Feiern gelang es, über die Gefühlsebene das nationalsozialistische Weltbild zu verbreiten. Damit diese Feste auch funktionierten, brauchte das Regime die Bevölkerung, die mitfeierte. Erstmals wurde den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei offiziellen Feiern vermittelt, dass sie als „Mitwirkende“ ein aktiver Teil eines handelnden Ganzen wären. Diese Ausgestaltung vermochte es, den Alltag vergessen zu lassen, und machte es den Machthabern auch leicht, die Stimmung zu politischer Beeinflussung auszunutzen.

4.24.2. Umsetzung der Festkultur durch das NS-Regime

Die NS-Festkultur setzte in ihrer Umsetzung vor allem auf zwei Bereiche, nämlich auf das vorpolitische Volkstümliche und auf Ereignisse der Parteigeschichte. Die Nationalsozialisten behaupteten, dass die christlichen Kirchen die „germanischen Wurzeln“ verwischt hätten, und dass sich im bäuerlichen Festjahr das „urdeutsche Kulturgut“ gehalten hätte.

Mit einer manipulierten Wissenschaft wurde dies auch „bewiesen“. Da wurde der ursprünglich amerikanische Muttertag zum nordischen oder zumindest skandinavischen Brauch, der evangelische Adventkranz aus dem 19. Jahrhundert zum „heidnischen Brauchtum“ und der zwar als Arbeiterfest begangene 1. Mai zum Frühlingsfest und zum Hochzeitstag von Wotan und Freia. Neben diesen Umdeutungen zur Schaffung einer großen deutschen Vergangenheit waren es die Feste, die an die nationalsozialistische Parteigeschichte erinnerten – Tag der Machtergreifung (30. Jänner), Tag der Verkündigung des Parteiprogrammes (24. Februar), Gedenktag der Gefallenen für die Bewegung (9. November) – oder jene Feste, die Partei und Hitler in den Mittelpunkt stellten (Reichsparteitage im September, Geburtstag Hitlers am 20. April). Die dort erfundenen Rituale (Lieder, Märsche, Fahnen etc.), meist in Anlehnung an militärische oder bündische Formen, wurden als „politisches Brauchtum“ der NSDAP bezeichnet.

Die so entwickelte Festkultur machte auch vor dem Privaten nicht Halt und versuchte – vor allem ab den 1940er-Jahren – Familienfeste zu beeinflussen, immer in der Absicht, das Volk kontrollieren und lenken zu können.

4.24.3. Der nationalsozialistische Tag der Deutschen Mutter

Der Muttertag, ein erfundenes Fest, dessen Verbreitung Anfang des 20. Jahrhunderts von den Vereinigten Staaten aus Europa erfasste, wurde von den Nationalsozialisten für bevölkerungs- und geschlechterpolitische Propaganda missbraucht. Zudem wurde das Fest, das 1923 in Deutschland auf Betreiben der Blumenhändler das erste Mal gefeiert wurde, zum „germanischen Brauchtum“ erhoben und in eine Naturmystik eingebettet.

Der „Völkische Beobachter“ sah in der Schaffung des Muttertags den Beweis für die „völkische Kraft“. Die eigentliche kulturelle Entwicklungslinie lasse sich über die „Heilige Mutter Erde“ der jungen Idealisten des 20. Jahrhunderts über den Frauen- und Marienkult des Hochmittelalters bis zu der „Göttin der Fruchtbarkeit unserer Vorfahren“ verfolgen.[181] Der Muttertag wurde damit in einen „germanischen Naturkult“ eingepflanzt.

Die Nationalsozialisten konnten sich schlecht eingestehen, dass das Fest ursprünglich aus Amerika stammte und so gar nichts mit deutscher Geschichte und Kultur gemein hatte. Offiziell setzte man daher auf die Interpretation, dass der Muttertag aus den skandinavischen Ländern stamme.[182] Der nationalsozialistische Tag der Deutschen Mutter war aber keinesfalls ein „uraltes germanisches Fest“, sondern nur mit völkisch-germanischer Symbolik aufgeladen und mit volkstümlichen Elementen bespickt, um eine „urdeutsche Vergangenheit“ und damit eine große deutsche Tradition vorzugaukeln.[183]

Literatur

[Behrenbeck 1996] Behrenbeck, Sabine: Der Kult um die toten Helden. Nationalsozialistische Mythen, Rituale und Symbole 1923 bis 1945. Vierow b. Greifswald 1996 (Kölner Beiträge zur Nationsforschung 2).

[Freitag 1997] Freitag, Werner (Hg.): Das Dritte Reich im Fest. Führermythos, Feierlaune und Verweigerung in Westfalen 1933–1945. [Begleitbuch zur Wanderausstellung des Westfälischen Museumsamtes LWL, Münster „Alle sollen fröhlich sein! Das ,Dritte Reich‘ im Fest“]. Bielefeld 1997.

[Kerschbaumer 1988] Kerschbaumer, Gert: Faszination Drittes Reich. Kunst und Alltag der Kulturmetropole Salzburg. Mit einem Vorwort von Gerhard Amanshauser. Salzburg [1988].

[Kühberger 2002b] Kühberger, Christoph: Muttertag unterm Hakenkreuz – volkstümliches oder politisches Fest? In: Oberösterreichische Heimatblätter 56/1–2 (2002), S. 29–48.



[183] [Kühberger 2002b], S. 47–48.

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