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8.9. Bruderschaften in Tamsweg (Anton Heitzmann) - Langtext

Ludwig Remling versteht unter „Bruderschaften” „(...) freiwillige, auf Dauer angelegte Personenvereinigungen mit primär religiösen, oft auch caritativen Aktivitäten, bestehend innerhalb oder neben der Pfarrei, wobei durch die Mitgliedschaft weder der kirchenrechtliche Status des einzelnen tangiert wird, noch sich im privaten Lebensbereich Veränderungen ergeben müssen.”[1521] Diese Definition entspricht der heutigen Regelung. Für unser Thema ist aber die Definition barocker Bruderschaften (und deren nicht kirchliches Nachleben bis in die heutige Zeit) wichtig. Die heutige Definition klammert eine Reihe von Bruderschaften, die Bräuche der barocken Vereinigungen weiter tragen, aus – wie z.B. die Zünfte und andere gewerbliche Vereinigungen[1522]die in Tamsweg durch die „Vereinigten” vertreten sind. Die Bruderschaften sind demnach an einer Kirche rechtsförmlich errichtete Vereinigungen von katholischen Laien und Geistlichen zur Förderung der Frömmigkeit und des Glaubens. Den Mitgliedern, die nicht an ein Gelübde gebunden sind, ist der Austritt jederzeit möglich.

8.9.1. Die Erzbruderschaft an der Wallfahrtskirche Sankt Leonhard zu Tamsweg

Die Frage der Herkunft des mittelalterlichen Bruderschaftswesens ist letztlich ungeklärt. Theologen vermuten den Ursprung schon im 4. Jahrhundert in Verbindung mit oströmischen Begräbnisvereinen und frühmittelalterlichen Gebetsverbrüderungen, die dann im Mittelalter verstärkt hervortraten (fraternitas) und auch karitative und soziale Aufgaben übernahmen.[1523]

Am 20. September 1433 konsekrierte Johannes Ebser, Bischof von Chiemsee und Weihbischof von Salzburg, die Wallfahrtskirche Sankt Leonhard bei Tamsweg. Bereits ein Jahr nach der Einweihung, am 28. Oktober 1434, wird zur Betreuung der Kirche und der Wallfahrer eine „Bruderschaft der Kramer zu St. Leonhart” erstmals urkundlich erwähnt. Diese Bruderschaft verfügte über eigene Zechmeister, die nicht unbedingt aus Tamsweg stammen mussten; so scheinen namentlich ein Ruprecht von Amberg (Bayern) sowie ein Chostlein von Schladming im Zusammenhang mit Kaufverträgen über bestimmte Grundstücke und Schwaiggüter auf.

Im Jahr 1437 meldet ein Ablassbrief des Generalvikars des Patriarchen Ludwig von Aquileia, dass ein Erhard Institor (Krämer), Bürger von Marburg in der Untersteiermark, als Mitglied der Bruderschaft von Sankt Leonhard die Bitte um Verleihung von Ablässen für den andächtigen Besuch des so genannten Kreuzaltares, der zugleich Bruderschaftsaltar in Sankt Leonhard war, vorgetragen hat. Im ältesten Urbar der „Gottsleichnams und Sannd Lienhards-Bruderschaft zu Tambsweg” (1496) scheinen die Gütererwerbungen der Bruderschaft der „Kramer” aus den Jahren 1434 und 1436 auf. Daraus schließt der Verfasser der Chronik des Marktes Tamsweg, Valentin Hatheyer, dass die Bruderschaft der „Kramer” in eine allgemeine Sankt-Leonhards- Bruderschaft übergegangen ist. Seit 1460 scheint diese Bruderschaft als Corporis- Christi und Sankt-Leonhards-Bruderschaft auf. Damals verlieh Papst Pius II. für das Fest des Heiligen Leonhard und für den Montag in der Fronleichnamsoktav den Mitgliedern der Sankt-Leonhards-Bruderschaft beim andächtigen Besuch der Kirche einen Ablass von fünf Jahren und fünf Quadragenen (ein Zeitraum von fünf mal 40 Tagen). Papst Pius sagt in dieser Ablassbulle, er habe vernommen, dass Wallfahrer aus verschiedenen Ländern nach Sankt Leonhard kommen und dass dort eine Bruderschaft bestehe, der auch Kaiser Friedrich III. angehöre, sowie viele Grafen, Freiherren, Ritter und vornehme Leute und viele andere Gläubige.[1524] Dies wird auch durch das zweite Bruderschaftsbuch belegt, das von ca. 1465 bis 1498/1508 geführt wurde und 4.766 eingetragene Mitglieder aufweist. Dieser Zeitraum stellt sicher die Blütezeit der Bruderschaft dar, wenn man die große Anzahl der Mitglieder in Betracht zieht.

Auf den 180 Blättern dieser Handschrift (Pfarrarchiv Tamsweg) sind die Namen der Mitglieder nach Wohnorten festgehalten. Ein Pergamentblatt sowie kleine Fragmente, die zum Binden des Bandes verwendet wurden, stammen offensichtlich von einem älteren Bruderschaftsbuch (etwa 1459), da sie ebenfalls Mitgliedernamen aufweisen. Diese wurden vom älteren auf das neue Buch kurzerhand übertragen. Eine detaillierte Auflistung der Mitglieder nach ihren Herkunftsorten ergibt folgendes Bild:

Tabelle 8.1.

Lungau424
übriges Salzburg574
Ober- und Niederösterreich1134
Wien78
Steiermark1319
Kärnten766
Krain/Görz28
Tirol124
Bayern/Württemberg/Baden205
Ungarn144


Aus dieser Aufstellung ergibt sich ein Schwergewicht der Mitgliederzahlen in Kärnten, in der Steiermark sowie im niederösterreichischen Donautal und Wiener Becken. Eine interessante Liste, die ein ganzes Stück Reichsgeschichte und habsburgischer Hausmachtspolitik widerspiegelt.

Die Liste zeigt einen Schwerpunkt in der Hausmacht Kaiser Friedrich III. (1415–1493; 1452 als letzter Kaiser in Rom gekrönt), der zuvor Gouverneur und Herzog (als Friedrich V.) von Innerösterreich war, zu dem Teile von Ober-, dann Niederösterreich, Steiermark, Kärnten, Krain und Istrien, etc. gehörten. Dazu war er von 1440–1452 Vormund des Ladislaus Postumus, König von Ungarn und von 1439–1446 des Sigmund von Tirol. Ab 1770 stand er mit Matthias Corvinus im Streit um die ungarischen Ländereien, denn er wurde 1459 zum König der Ungarn gekrönt. Tirol gewann sein Sohn, Maximilian I., nach dem Tod Sigmunds. Da der Kaiser selbst dieser Bruderschaft angehörte, dürfte sie wohl unter seinem besonderen Schutz gestanden sein.

Interessant ist, dass in diesem Bruderschaftsbuch alle Stände und Schichten ohne Rangordnung, die sonst im Mittelalter streng eingehalten wurde, nebeneinander auftreten. Das entspricht den kirchlichen Sonderregelungen für die Fronleichnams-Erzbruderschaft und deren abgeleitete Bruderschaften, die auch allen anderen Bruderschaften vorangehen und sie überragen sollten. Männer und Frauen konnten gleichberechtigt Mitglieder werden; in der Praxis wurde das allerdings vielfach nicht so gehandelt wie die Literatur über die Fronleichnamsbruderschaften zeigt. Wer Mitglied wurde, wollte durch seinen jährlichen oder durch einen einmaligen größeren Beitrag die Ablässe des Wallfahrtsortes und das gegenseitige Gebet erwerben. Mindestens ein Mitglied war mit dem Einsammeln der Beträge betraut und befand sich auf Wanderschaft von Ort zu Ort, um die einzelnen Mitglieder aufzusuchen.[1525]

Die Palette der Mitglieder umfasst nahezu alle Berufsgruppen, wobei unter den Gewerbetreibenden aller Orte die Fleischhacker vertreten sind. Dies lässt auf die Bedeutung des Heiligen Leonhard als Viehpatron schließen. Zahlreiche Mitglieder waren im Kunsthandwerk tätig, als Bürgermeister, Juristen, Händler oder im Bergbau. Bauern werden als solche nicht nachgewiesen, sie sind jedoch anhand bedeutender Namen vertreten (z. B. Suppan in Pichl bei Mariapfarr). Die vortridentinischen Bruderschaften, also alle vor der Mitte des 16. Jahrhunderts, richteten sich ausschließlich an eine städtische Bürgerschaft. Weiters finden sich viele Pfarrer sowie Prälaten, die zumeist mit Mitgliedern oder dem ganzen Konvent beigetreten sind.

Bei den Mitgliedern aus „Ofen – Pest” handelt es sich um berüchtigte Ungarnführer, die im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen dem Ungarnkönig Matthias Corvinus und Erzbischof Bernhard von Rohr gegen den deutschen Kaiser Friedrich III. (ab 1470; 1482 Besetzung von NÖ) in den Lungau gekommen waren und von 1479 bis 1490 in Sankt Leonhard ihr Hauptquartier eingerichtet hatten. Friedrich III. war selbst Mitglied der Bruderschaft, was ihn jedoch nicht daran hinderte, im Jahr 1480 Tamsweg einäschern zu lassen.

Neben dem kaiserlichen Küchenmeister mit vier Dienern, einem kaiserlichen Steuereinnehmer aus Nürnberg, zahlreichen Mitgliedern des Salzburger Hofstaates, der Salzburger Hofdienste und einigen Domherrn befinden sich auch Mitglieder aller bedeutenden Adels- und Gewerkenfamilien in diesem Bruderschaftsbuch. Schließlich waren auch die Erzbischöfe Bernhard von Rohr (1466–1482), Friedrich von Schaumburg (1489–1494), Siegmund von Hollenegg (1494–1495) und Leonhard von Keutschach, unter dessen Regierungszeit das Bruderschaftsbuch 1498 abgeschlossen wurde, Mitglieder der Bruderschaft.[1526]

Im Jahr 1508 wurde nach dem Muster des alten Bruderschaftsbuches ein neues angelegt. Die Eintragungen zeigen jedoch, dass das Interesse für die Bruderschaft im In- sowie im Ausland fast gänzlich geschwunden war.[1527] Das neue Bruderschaftsbuch wurde bis in das Jahr 1526 fortgeführt und beinhaltet auf den letzten Seiten Eintragungen der Jahre 1635 bis 1644. Die Mitgliedsbeiträge wurden großteils nur mehr sporadisch oder überhaupt nicht eingezahlt bzw. eingetragen und die Mitgliederzahl ist auf 349 gesunken. Sie teilt sich wie folgt auf:[1528]

Tabelle 8.2.

„Pairlant“ Salzburg32
übriges Salzburg19
Tamsweg70
übriger Lungau79
Steiermark90
Kärnten22
Niederösterreich32
Tirol3
Savoyen3
349


Wegen dieses Rückganges der Mitglieder und somit auch der Einkünfte war man bestrebt, die Bruderschaft neu zu beleben. „Eine diesbezügliche Urkunde aus dem Jahr 1514 berichtet, dass man zwar schon seit einer Reihe von Jahren zu dem genannten Zweck den Chorherrn von Friesach, Wolfgang Grebminger, bestellt hatte, dass man nun aber in einer Versammlung einer größeren Anzahl von Mitgliedern unter dem Vorsitz der Zechmeister der Bruderschaft, Paul Fraid und Hans Pürstl, den Beschluss gefasst habe, eine förmliche Stiftung einer täglichen Messe am Bruderschaftsaltar zu errichten, zur Besorgung derselben einen eigenen Priester anzustellen und diesem eine jährliche Besoldung von 32 Gulden aus den Einkünften der Bruderschaft anzuweisen.

Dafür sollte er wöchentlich fünf Heilige Messen und an jedem Freitag ein Heiliges Amt für die lebenden und verstorbenen Mitglieder der Bruderschaft halten. In Ausübung anderer priesterlicher Funktionen sollte er dem jeweiligen Pfarrer unterstellt sein. Diesem sollte das Recht zustehen, einen geeigneten Priester dem Erzbischof zur Ernennung vorzuschlagen. Am 7. Februar 1514 bestätigte Erzbischof Leonhard von Keutschach die Stiftung und Michael Huepher, Domherr von Passau als Pfarrer von Tamsweg, präsentierte den Matthias Kriechbaum, Priester der Diözese Salzburg, für diese Stelle, dem sie auch tatsächlich verliehen wurde. Trotz dieser Gründung scheint aber die Interesselosigkeit gegenüber der Bruderschaft in der folgenden Zeit der religiösen Wirren immer mehr zugenommen zu haben, für das Benefizium der Bruderschaft wurde bald kein eigener Priester mehr bestellt und unter dem Pfarrer Johann Grimming (1556–1579) wurde es für immer mit der Pfarrpfründe vereinigt”.[1529]

Zur Zeit der Reformation fanden auch im Lungau die religiösen Neuerungen Luthers regen Zuspruch. Als im Jahr 1555 der Domdechant Wilhelm von Trautmannsdorf im Auftrag des Erzbischofs Michael von Kuenburg eine Visitationsreise unternahm, um den religiösen Zustand des Landes zu untersuchen, verlangten in Tamsweg bereits die meisten Bewohner den Empfang des allerheiligsten Sakramentes des Altares unter beiden Gestalten. Die Kommunion auch unter der Gestalt des Weines war damals ein beständiges Begehren der „Abtrünnigen”.[1530] Nachdem im selben Jahr beim Augsburger Religionsfrieden den Obrigkeiten die Entscheidung über die Konfession der Untertanen (cuius regio, eius religio) gewährt wurde, waren die Salzburger Erzbischöfe immer bestrebt, die Bevölkerung zum katholischen Glauben zurückzuführen. Erzbischof Wolf Dietrich holte bereits 1596 die Kapuziner nach Salzburg, um die Ausbreitung der „Lutheraner” zu verhindern. Im Jahr 1633 sandte Erzbischof Paris Lodron die Kapuziner auch nach Tamsweg, die dann bis zur Fertigstellung ihres Klosters (1646, heute Bezirkshauptmannschaft) im Riemerhaus am Platz (Marktplatz, Nr. 169) wohnten.

Nachdem die Bruderschaft der Vergessenheit anheim gefallen war, bewilligte das Konsistorium zu Salzburg – auf Initiative von Pater Max von Deggendorf, Superior des Tamsweger Kapuzinerklosters – die Erneuerung der Bruderschaft, die dann endgültig am 28. Mai 1636 wiedererrichtet wurde. Einer Eintragung vom 14. April 1698 im Notlbuch des Marktgerichtes Tamsweg zufolge hieß sie: Corporis Christi und Sankt- Leonhards-Bruderschaft.[1531] Am 20. April, dem Fest der Heiligen drei Nägel, konnten die ersten Mitglieder in das Bruderschaftsbuch eingeschrieben werden. Bis zum Jahr 1644 wurde in dem 1508 begonnenen Bruderschaftsbuch die Zahl der Eintragungen auf insgesamt 409 erhöht.

Alte Rechnungen zeugen davon, dass die Bruderschaft bereits im 16. Jahrhundert am Karfreitag theatralische Prozessionen veranstaltete. Diese wurden von den Kapuzinern im Rahmen der Rekatholisierung im 17. Jahrhundert aufgegriffen und erweitert. Von der Bruderschaft wurden dann jährlich unter Leitung der Kapuziner zwei größere Prozessionen veranstaltet, die eine am Karfreitag, die andere am Hauptfest der Bruderschaft. Die Prozessionsordnungen sind in der Chronik des Andrä Kocher[1532] tradiert. Die Jahresrechnungen der Corporis-Christi-Bruderschaft aus der Zeit von 1720 bis 1769 erwähnen unter den Ausgaben für die große Prozession am Hauptfest der Bruderschaft die Entlohnung an „Essen und Trunk” für den Träger des Samsons. Als zur Zeit der Aufklärung Erzbischof Hieronymus Colloredo ein reines, von allen Nebensächlichkeiten und Äußerlichkeiten freies Christentum anstrebte, untersagte er 1782 das Herumtragen übergroßer Fahnen, geschnitzter Figuren und biblischer Darstellungen. Damals wurden neben dem Samson, der auf einem Ziegenbock reitende Luzifer, der Tod als Herrscher der Welt oder Judas mit dem Geldbeutel, dem zwei Teufel mit Blasbälgen einblasen, Christus zu verraten, sowie die Flagellanten und Disziplinanten aus der Prozession verbannt. Das früher beliebte Passionsspiel der Bruderschaft am Karfreitag wurde behördlicherseits abgeschafft und die Bruderschaftsprozession vom Montag in der Fronleichnamsoktav auf den Sonntag nach Fronleichnam (den so genannten „Bruderschaftssonntag”) verlegt.

In Salzburg hat sich eine bemerkenswerte Kostümbildersammlung erhalten, deren frühere Geschichte mit dem Namen der gräflichen Familie Kuenburg verbunden ist und die in den Jahren 1782 bis 1790 entstanden sein dürfte. Unter den Farbtafeln ist auch ein Mitglied der S. Corporis Christi Bruderschaft zu finden, bekleidet mit der scharlachroten Kutte, den Prozessionsstab mit der rechten Hand haltend.[1533]

Wann die Bruderschaft mit dem Titel „Erzbruderschaft” ausgezeichnet wurde, ist nicht bekannt. Ein „Bruderschafft- und Stund-Zetl der Pfarr Tambsweeg”[1534] aus dem Jahr 1750 nennt sie „Ertz-Bruderschafft deß zarten Fronleichnambs”. 1833 wurde mit Genehmigung des Ordinariates zu Salzburg ein Dokument veröffentlicht: „Unterricht für die Mitglieder der hochlöblichen Erzbruderschaft der immerwährenden Anbethung des allerheiligsten Altarssakramentes bei der Wallfahrtskirche Sankt Leonhard zu Tamsweg im Lungau”.

Im 19. Jahrhundert – vielleicht als Antwort der Kirche auf die Säkularisation mit deren wirtschaftlichen, politischen und sozialen Veränderungen – kontrollierten die Behörden die Bruderschaften streng und sahen in ihnen ein Instrument der Seelsorge. Das ursprüngliche Anliegen, den Heiligen Leonhard zu verehren, die Wallfahrer zu betreuen, zur Erhaltung der Tamsweger Sankt-Leonhardskirche und zur festlichen Gestaltung von Gottesdiensten und Prozessionen beizutragen, verlagerte sich zur Anbetung des Altarsakramentes. Bis in die Gegenwart hinein haben sich religiöse Übungen der Bruderschaft erhalten: Die Feier von Gottesdiensten am Lanz- und Nagelfest (Freitag der zweiten Osterwoche) und Fest Mariä Geburt (8. September) sowie der eucharistischen Prozession nach Sankt Leonhard am „Bruderschaftssonntag”. Da nach 1918 keine neuen Mitglieder eingeschrieben wurden, trat die Bruderschaft selbst nicht mehr in Erscheinung.

Während der Feierlichkeiten zum 550. Weihetag von Sankt Leonhard wurde in Tamsweg bedauert, dass es keine Bruderschaft an der Kirche mehr gebe. Schließlich ergriff im Dezember 1988 der damalige Kooperator von Tamsweg, Peter Unkelbach, die Initiative und verschickte eine Einladung zur Wiedererrichtung an 32 Männer, unter ihnen auch an den Erzbischof von Salzburg, Karl Berg, und an eine Frau, die inzwischen verstorbene Leonhardsmesnerin Marianne Resch. Am Lanz- und Nagelfest (7. April) des Jahres 1989 unterzeichneten 24 anwesende Personen eine Absichtserklärung zur Wiederbelebung der Bruderschaft. Bereits ein Jahr darauf, ebenfalls am Lanz- und Nagelfest (27. April 1990), überreichte Prälat Leonhard Lüftenegger während eines Festgottesdienstes in Sankt Leonhard das Gründungsdekret. Alterzbischof Dr. Georg Eder, der selbst Bruderschaftsmitglied ist, bestätigte die Wiederbelebung mit Wirkung vom Ostersonntag 1990. Nachdem der damalige Vorsteher (Rektor) der Bruderschaft, Franz Palffy, um das Geschenk des vollkommenen Ablasses für die Mitglieder gebeten hatte, wurde dieser am 25. Mai 1992 gewährt.

Nach den neuen Statuten verfolgt die Erzbruderschaft an der Wallfahrtskirche Sankt Leonhard zu Tamsweg folgende Zwecke:

  • Die private und gemeinschaftliche Anbetung und Verehrung der Eucharistie.

  • Die Bildung einer im Gebet, in liturgischen Feiern – vornehmlich der Eucharistiefeier - und in der Teilnahme an den von der Kirche verliehenen Segnungen verbundene geistig-religiöse Gemeinschaft.

  • Die Vertiefung des religiösen Lebens, die Heiligung der persönlichen Lebens- und Arbeitswelt, die Verwirklichung des Apostolates und karitativer Diakonie.

  • Die Verehrung des Heiligen Leonhard, die Förderung und Erhaltung der Leonhardskirche zu Tamsweg und der mit dieser Wallfahrtskirche verbundenen Gottesdienste, Wallfahrten, Prozessionen und kulturellen Veranstaltungen.

Zu den Aufgaben und Tätigkeiten der Mitglieder der Erzbruderschaft gehören insbesondere:

  • Besuch der eucharistischen Anbetung in den Pfarrkirchen der Mitglieder (besonders am Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag), der Ewigen Anbetung sowie des Stundgebetes;[1535]

  • Gemeinschaftliche Teilnahme an der eucharistischen Prozession zur Leonhardskirche am „Bruderschaftssonntag” als sichtbares Zeugnis des Glaubens an die reale Gegenwart Jesu Christi im Sakrament der Eucharistie;

  • Gebet miteinander und füreinander: privat an jedem Herz-Jesu-Freitag (erster Freitag im Monat) und gemeinsam an mehreren anderen Tagen;

  • Stiftung von jährlichen Messstipendien für die verstorbenen und lebenden Mitglieder der Erzbruderschaft und die Erbauer und Wohltäter der Leonhardskirche;

  • Mitwirken bei Gottesdiensten in der Leonhardskirche;

  • Belebung der Wallfahrt zur Leonhardskirche;

  • In Anlehnung an das Wirken und die Patronate des Heiligen Leonhard unter anderem Unterstützung folgender Anliegen: ideelle und materielle Hilfe für Notleidende; Einsatz für die Verwirklichung der Menschenrechte im Geiste Jesu Christi; Schutz des Lebens von der Empfängnis bis zum menschenwürdigen Sterben; Kontaktpflege zu seelisch und körperlich Kranken und Leidenden, Gefangenen und Unterdrückten;

  • Unterstützung der Pfarre Tamsweg bei der Pflege und dem baulichen Unterhalt der Leonhardskirche;

  • Schutz der zur Leonhardskirche gehörenden Kunstwerke;

  • Vorbereitung und Durchführung kultureller Veranstaltungen in der Leonhardskirche wie geistlicher Konzerte.

Die Erzbruderschaft versteht sich keineswegs als exklusive Vereinigung. Jeder katholische Christ ist (unabhängig von seinen finanziellen Möglichkeiten) als Mitglied willkommen. Die Erzbruderschaft ist in allen Belangen dem Erzbischof von Salzburg untergeordnet. Sie wird vom Vorstand geleitet, der von der Mitgliederversammlung gewählt wird. Mit Zustimmung des Hochwürdigen Herrn Alterzbischofs Dr. Georg Eder wurden bisher Tischlermeister Franz Palffy (1989–1992), Dr. Franz Hohensinn (1992–1998) und VL Anton Heitzmann (seit 1998) zu Rektoren bestellt. Die seelsorgliche Leitung und spirituelle Bildung der Mitglieder übernahm von 1989 bis 1998 Dr. Peter Unkelbach; seit 1998 wirkt Mag. Roland Kerschbaum als Bruderschaftskaplan.[1536]

Die Erzbruderschaft umfasst heute 221 Mitglieder, davon 110 Frauen und 111 Männer. Die Herkunftsorte dieser Mitglieder sind wie folgt verteilt:

Tabelle 8.3.

Tamsweg133
Lungau27
Stadt und Land Salzburg26
Wien18
Tirol4
Oberösterreich2
Niederösterreich5
Steiermark2
Deutschland4
221


8.9.2. Die Skapulierbruderschaft in Tamsweg

Der Name Skapulier leitet sich vom lateinischen „scapula” (= Schulter) ab. Es handelt sich dabei um einen Teil der Ordenstracht einiger katholischer Orden, um einen über Brust und Rücken fallenden, die Schultern überdeckenden Überwurf. Schon vor den Bestrebungen des Salzburger Erzbischofs Markus Sittikus (1612–1619), das Salzburger Bruderschaftswesen zu reformieren, versuchten die in die Stadt gerufenen Orden, ihre in den romanischen Ländern voll etablierten Fraternitätsketten hierorts heimisch werden zu lassen, jedoch ohne nennenswerten Erfolg. Die sinnlich greifbaren Zeichen, Gürtel und Skapuliere, welche die Mitglieder der jeweiligen Bruderschaften ständig am Leib zu tragen hatten, sollten sie an die Verbindung zum Orden und seine spezifischen Privilegien (z. B. gesteigerte Ablassgnaden) erinnern.[1537] Mit dem Skapulier konnten alle Gläubige, auch unmündige Kinder, durch einen dazu bevollmächtigten Priester bekleidet werden, jedoch mussten sie persönlich anwesend sein.

In den Jahren nach 1680 begannen die Karmeliter von Lienz, lungauische Pfarrangehörige in ihre Bruderschaft einzuschreiben. Durch ihre Marienverehrung und die Verbreitung des Skapuliers fanden die Karmeliter beim Volk besonderen Anklang. 1684 erteilte Frater Peter Thomas a Matre Carmeli dem Archidiakonal-Commissär Mayr die gedruckte Erlaubnis, die Einschreibung selbst zu besorgen und die Namen der Eingeschriebenen vierteljährlich nach Lienz bekannt zu geben. Diese Erlaubnis wurde am 9. November 1684 auch vom Consistorium bestätigt. Auf diese Weise etablierte sich aber bald in Tamsweg selbst eine Skapulierbruderschaft. Das Consistorium, darauf aufmerksam geworden, fragte am 11. August 1706 das Pfarramt, „qua authoritate” (unter welcher Autorität) die Bruderschaft errichtet worden sei. Da man von einer förmlichen Errichtung nichts berichten konnte, erfolgte der Auftrag, um Erection einzukommen.

Am 7. Oktober 1706 legte Archidiakonal-Commissär Sebastian Schallhammer das Gesuch vor und sicherte 100 fl aus eigener Tasche zu. Schließlich wurde die Bruderschaft am 19. Februar 1717 vom Consistorium in altüblicher Weise errichtet. Zu den gewöhnlichen Gottesdiensten kamen zwei Jahresmess-Stiftungen von 1719 und 1722; erstere von Andrä Ferner, Thorwärtel zu Moosham.[1538] Auf der Evangelienseite der Tamsweger Pfarrkirche befindet sich der Skapulieraltar, auf dessen Altarbild (Gregor IV. Lederwasch) die Heilige Maria einem Tamsweger Bürger das Skapulier überreicht. Dieser, wie auch der Josefsaltar, wurden auf Kosten des Dechants Schallhammer errichtet.[1539] Sowohl die Leonhardsbruderschaft als auch die Skapulierbruderschaft dürften zur Zeit der Gegenreformation eine wichtige Rolle gespielt haben. Im Lungauer Heimatmuseum Tamsweg befindet sich ein Bruderschaftsbild, auf dem zwei große Engel mit den Prozessionsstangen der beiden Bruderschaften einen Drachen vernichten, wohl ein Symbol für die Feinde des katholischen Glaubens. Links unten knien Leonhardsbrüder in ihren roten Kutten, rechts unten Mitglieder der Skapulierbruderschaft in blauer Gewandung.

Auch eine Reihe von Prozessionsstangen hat sich noch erhalten. Aus dem Jahr 1858 liegt folgende Jahresrechnung vor:

Tabelle 8.4.

Kapitalien in öffentlichen Fonds200 fl -- kr
bei Privaten537 fl 30 kr
Rückstände und Barschaft53 fl 54 kr
zusammen791 fl 24 kr
Lasten (Besoldungen, Stiftungsdeputate, Steuern)29 fl 25 kr 20


Wie die Leonhardsbruderschaft dürfte auch die Skapulierbruderschaft zur Zeit des Ersten Weltkrieges ein Ende gefunden haben. Heute erinnern nur noch der Skapulieraltar in der Pfarrkirche von Tamsweg sowie die große blaue Bruderschaftsfahne, die bei den Prozessionen von den Lasaberger Bauern mitgetragen wird, an die Existenz der Skapulierbruderschaft in Tamsweg.

8.9.3. Die Vereinigten zu Tamsweg

Bei den Vereinigten zu Tamsweg handelt es sich nicht um eine Bruderschaft im engeren Sinn, vielmehr findet sich ihr Ursprung im Zunftwesen, dessen Regeln vom 14. bis ins 19. Jahrhundert die festesten und brauchbarsten Ordnungen des Gemeinwesens bildeten. Etliche Salzburger Handwerke hatten die mittelalterliche Sprachregelung beibehalten, wonach sie ihre „Zechen” als „Bruderschaften” bezeichneten, insofern als sie auch Totenkultgemeinschaften waren.[1540] Es gehörte zum Stolz der Zunftmeister, der Gesellen und Lehrlinge, sich am Tag des Zunftheiligen oder an einem Tag des Jahresfestbrauches unter dem Zeichen der Zunft zu versammeln[1541] oder sich bei den großen Prozessionen mit der Zunftfahne zu präsentieren. Bei den Versammlungen der Gesamtheit der Innungsmitglieder wurde über all das entschieden, was für einen reibungslosen Ablauf des Gewerbes notwendig war. Zu diesen Anlässen traf man sich in einem dafür ausersehenen Gasthaus, der „Herberge”, von der man sich nach der abgehaltenen Zusammenkunft und dem gemeinsamen Mahl unter Musikbegleitung zum Gottesdienst in die Pfarrkirche begab.

Für die Handwerker in Tamsweg war es wegen der Kleinheit des Marktes (ca. 750 Einwohner) nicht immer leicht, eine eigene Zunft zu bilden. Schon um eine so genannte „Viertellade” errichten zu können, mussten drei Meister des selben Faches ansässig sein. Auch diese Viertelladen hielten ihre Treffen in der Herberge ab, stellten eigene Ordnungen auf, mussten diese jedoch vom Landesfürsten bestätigen lassen und waren der in Salzburg befindlichen Hauptlade angeschlossen. Die wenigen Gewerbetreibenden aber, die ob ihrer geringen Zahl nicht einmal das konnten, mussten bei den großen Prozessionen ganz hinten mit dem übrigen Volk mitpilgern. Auch sie waren bestrebt, sich in Tamsweg präsentieren zu können, also kam es zu verschiedenen Vereinigungen. Im Lungauer Heimatmuseum Tamsweg haben sich Zunftfahnen erhalten, die diese Vereinigungen belegen. Eine Fahne zeigt z. B. auf einer Seite die Heilige Katharina als Schutzpatronin der Wagner, auf der anderen den Heiligen Eligius als Schutzpatron der Hufschmiede. Auf einer weiteren Prozessionsfahne sind die Schutzpatrone der Lederer und Schuster, die Heiligen Crispin und Crispinianus, vereinigt.

Im Jahr 1737 fanden sich drei Meister verschiedener Gewerbe, die auch der Leonhardsbruderschaft angehörten – der Weißgerber Johann Josef Löcker, der Bindermeister Jakob Ferner und der Riemermeister Johann Georg Kopfmüller -, zusammen, um gemeinsam die Erlaubnis ihrer „geistlichen und weltlichen” Obrigkeit (Archidiakonalkommissär Sebastian Schallhammer, Freiherr Franz Felix Baron Schafmann – Pfleger in Moosham) zur gemeinsamen Abhaltung eines feierlichen Jahrtages einzuholen.

Sie erhielten daraufhin das Recht, in der 1737–1741 neu erbauten Pfarrkirche von Tamsweg einen eigenen Jahrtag, jeweils am Dienstag in der Fronleichnamsoktav, feierlich abzuhalten. Dieser Jahrtag sollte von den kleineren Zünften, den Nagelschmieden, Kupferschmieden, Huterern, Glaserern, Uhrmachern, Färbern, Kranzlmachern, Wirten ohne Braugenehmigung, Weißgerbern, Bindern etc., also Gewerbetreibenden, die keiner Tamsweger Handwerker-Innung angehörten, gestaltet werden. Als erster Herbergsvater scheint im Jahr 1738 Johann Georg Wind, Besitzer des Lebzelterbräus in Tamsweg (Nr. 8), auf. Alle Mitglieder mussten sich verpflichten, bei Beerdigung eines Bruders mit brennenden Kerzen zu erscheinen. Bei Eintritt in die Vereinigten waren dreißig Kreuzer Einverleibungsgebühr zu zahlen und jedes weitere Jahr sechs Kreuzer Auflagegeld. Alljährlich wurde ein Mitglied beauftragt, den Jahresgottesdienst und die Begräbnisse der Brüder anzusagen. Dafür durfte er beim Herbergsvater „ain Viertel Pier und umb ain Kreuzer Brodt”[1542] verzehren. Auch bei der Prozession konnte man nun mit einer eigenen Fahne mitprangen.

Durch die Gründung des Vereinigten wurde keine neue gewerberechtliche Situation geschaffen. Nach wie vor mussten die Abgaben an die jeweilige Hauptlade in Salzburg entrichtet werden, und auch die Lehrlinge erhielten wie ehedem dort ihre Freisprechung. Der Vereinigte hatte lediglich Einfluss auf das gesellschaftliche Leben des Marktes Tamsweg. Im Jahr 1748 begann man die Namen der Mitglieder, deren Zahl damals auf 27 angewachsen war, aufzuschreiben. Zur Zeit der Aufklärung, als die Kapuziner Tamsweg verlassen mussten und die beliebten Prozessionen, die sich zu wahren kirchlichen „Festspielen” entwickelt hatten, ihren barocken Glanz verloren, erfuhr auch der Vereinigte 1786 verschiedene Veränderungen. Die Einverleibungsgebühr wurde abgeschafft, sodass in Hinkunft nur mehr die Auflage zu entrichten war. Weiters sollten auch die „freien Künste” dem Vereinigten angehören dürfen. So findet man unter den 38 Mitgliedern auch den Maler Gregor Lederwasch und den Bader Josef Vogt.

Der Niedergang des Bergbaus, der Durchzug französischer Truppen (1797, 1801, 1810) sowie der Verlust der Eigenstaatlichkeit Salzburgs (1810) führten zum wirtschaftlichen Niedergang unserer Heimat. Gerade in dieser Zeit (1809) scheint bei den Vereinigten mit dem seit 1793 als Vereinigtenprotokollist bewährten bürgerlichen Chirurgen Josef Vogt der erste Kommissär („comihsair”) auf. Er hatte wohl die Agenden des Handwerks-Kommissärs zu erfüllen, der damals für die Freisprechung der Lehrlinge zuständig war. Paul Keusch und J. Noggler schrieben 1930 im Protokollbuch, dass ursprünglich der Herbergsvater (bis etwa 1870) bei den Vereinigten die führende Stelle bekleidete.

Als 1859 durch die Einführung der Gewerbefreiheit die Zünfte abgeschafft wurden, traten die, die in der Gemeinsamkeit einer Bruderschaft das Schöne einer ständischen Form erblickten, den Vereinigten bei. 1879 wird erstmals ein Junggesellenpräses erwähnt, aber erst Kommissär Georg Hochleitner (1981–1983) schuf ein Dienstbuch, in dem alle Rechte und Pflichten des Junggesellenpräses aufgelistet sind:

  • Der Präses darf an allen Besprechungen der Kommissäre teilnehmen und die Anliegen der Junggesellen vorbringen.

  • Er darf bei allen Vereinigten-Problemen konstruktiv mitwirken.

  • Er kann nach eigenem Ermessen während der Vereinigten-Oktav Anordnungen treffen, denen uneingeschränkt Folge zu leisten ist.

  • Er ist für die Utensilien der Junggesellen (Bärenfelle, Trommeln, Faschingsrössl etc.) verantwortlich.

  • Er hat die Kerzenmutter rechtzeitig zu bitten, die Junggesellenkerze zu schmücken und muss sich darum kümmern, dass sie während des Festmahls und beim Ball bewacht wird.

  • Ihm obliegt es, beim Festzug für die Einteilung der Wache für die Lade und für „Vereinigten-Zeitungsverkäufer” zu sorgen.

  • Vor dem Ball holt der Präses die Gattin des Kommissärs ab und hat die Ehre, den Vereinigtenball mit ihr zu eröffnen.

  • Beim Tod eines Junggesellen besorgt der Präses die Träger des Sarges.

  • Er ist verpflichtet, einen Vereinigten auf seinem letzten Weg zu geleiten.

  • Die Teilnahme an den Prangtagen mit den Junggesellen wird ihm besonders ans Herz gelegt.

  • Jeder Junggeselle, der einen Gesellenbrief oder ein Maturazeugnis hat und dem Vereinigten beitreten will, muss sich bei ihm melden, wobei ihm Aufgaben und Sinn des Vereinigten erklärt werden.

Auf dem Kerzenhalter der Junggesellenkerze steht die Jahreszahl 1880. Damals könnte auch die Kerzenmutter, die angeblich immer die Frau eines Kommissärs war, eingeführt worden sein. 1891 belief sich die Zahl der Vereinigten auf ca. 80 Mitglieder. 1893 wurde der Altpräsident Josef Lankmayr, gewesener Gellnwirt, für 60-jährige Mitgliedschaft mit einer Medaille geehrt. Dies ist das bisher älteste überlieferte Datum einer Mitgliederehrung. Medaillen für 50-jährige Mitgliedschaft sind seit 1909 belegt. 1897 wurde die erste überlieferte Vereinigtenzeitung gedruckt.

Wie lang der Russentanz schon bei den Vereinigten aufgeführt wird, lässt sich nicht feststellen. Als der Bergbau im Lungau noch blühte, sollen ihn weißrussische Bergleute hierher gebracht haben. Auch der Bandltanz, der Reiftanz und der Stelzentanz sind mit dem Vereinigten engstens verbunden. Reiftanz und Stelzentanz werden nicht mehr aufgeführt, letzterer wegen der Unfallgefahr. Die Anfänge des Bischofsamtes, dessen Aufgaben hauptsächlich im rituellen Bereich liegen, sind nicht bekannt. Wahrscheinlich entstand der Vereinigten-Bischof in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, da vor der Liberalisierung der Erzbischof von Salzburg hiezu kaum seine Einwilligung gegeben hätte.

Die Namen der drei Leviten, die zum Zeichen der Würde des Bischofs geschaffen wurden, sprechen für die Funktion, die sie ausüben: Der „Bandllevit” fängt mit einem geflochtenen goldfarbenen Band die zur Einweihung angesagten Vereinigten ein und bringt sie zum Bischof. Der „Weinlevit” hat einen Krug Wein und einen Becher, aus dem jeder „Eingeweihte” zu trinken bekommt und dafür auch seinen Obolus zu entrichten hat. Der „Sackllevit” trägt während des Einzuges zur Einweihungszeremonie das Bischofsbuch und nimmt den Obolus entgegen. Der Vereinigten-Schmied tritt nur einmal während der Regentschaft eines Kommissärs in Funktion. Er muss dem scheidenden Kommissär das Hufeisen vom Absatz des Schuhs reißen und dem neu gewählten als Zeichen seiner Würde und Macht auf die Schuhsohle nageln. Dem Vereinigten-Kassier obliegt es, das Auflaggeld der Mitglieder in der Herberge nach dem Kirchgang in Empfang zu nehmen und einzutragen. Rechtsstreitigkeiten innerhalb des Vereinigten schlichtet der Syndikus. Er tritt aber meistens nur in Erscheinung, um Aufregungen der Junggesellen bezüglich ihrer Kerze zu schlichten oder testamentarisch vermachte Spenden (z. B. ein Fass Bier) an die Vereinigten weiterzugeben.

Drei Bären in weißen Lammfellen mit langer roter Zunge und das Faschingsrössl begleiten die Junggesellen auf ihren Zügen zur Vesper, beim Trommeln, beim Gestrigen-Tag-Suchen und beim Geldbeutelwaschen. Bären- und Tiermasken waren schon bei den Fronleichnams- und Leiden-Christi-Spielen in Tamsweg dabei, wann sie jedoch in den Vereinigten gekommen sind, ist nicht belegbar. Bezüglich des "Vereinigtenladers” ist zu sagen, dass schon bei der Gründung 1738 in Artikel 5 vermerkt ist, dass „der Lader” beim „Herrn Vattern ein Viertl Pier und umb ein Khreizer Brodt”[1543] bekommen muss. Somit sind der Herbergsvater und der Lader die zwei Personen, die ihre Funktion bereits auf den Gründungstag zurückdatieren können. Der Herbergsvater hatte ursprünglich die Lade zu verwahren. Bei ihm wurde die Auflage bezahlt und der Jahrtag abgehalten. Die Funktion des Kommissärs entwickelte sich langsam. Seine heutige führende Stellung erhielt er, wie schon erwähnt, erst im späten 19. Jahrhundert und verleiht ihm besondere Privilegien und Pflichten:

8.9.4. Privilegien:

  • Alle Vereinigten haben in der Zeit vom „Andingen” bis zum „Abroaten” aufzustehen, wenn der Kommissär ein Lokal betritt, und ihm ihre Ehrerbietung zu erweisen.

  • Der Kommissär darf während seiner Amtszeit ihm nahe stehende Personen einladen.

  • Der Kommissär hat überall den Vortritt: Beim Kirchgang, beim Hausieren, beim Betreten der Herberge usw.

  • Er wird zu jedem großen Fest im Markt als Ehrengast eingeladen und immer herzlich als „Kommissär der Vereinigten” begrüßt.

8.9.5. Pflichten:

  • Der Kommissär ist der „Bewahrer der Lade” und für ihren Inhalt (Vereinigtenbücher) verantwortlich.

  • Er hat an jedem Begräbnis eines Vereinigten teilzunehmen.

  • Er muss für jeden verstorbenen Vereinigten eine Seelenmesse lesen lassen und diese auch bezahlen.

  • Er muss für seinen Nachfolger, den neu gewählten Kommissär, den Festzug ausrichten.

  • Für die Dauer der Vereinigtenwoche sind im Kommissärshaus alle Vereinigten zu Speis und Trank herzlich einzuladen.

  • Die Tamsweger Bürgermusik, die während der Woche für den musikalischen Rahmen sorgt, muss von ihm versorgt werden.

  • Der Kommissär muss ausgeglichen bilanzieren, muss sich um die Fahne kümmern, koordinieren und auch zahlen. Alles muss in Ordnung übergeben werden.

8.9.6. Die Kommissäre der Vereinigten

Josef Vogt, Chirurg (1809); Matthias Schöberl, Rechnungsführer (1817–1818); Matthias Schöberl, Inspector, Director (1819–1840); Matthias Kleidorfer, Seifensieder (1841–1854); Bartlmä Ferner, Oberbinder sen. (1855–1865); Peter Kleidorfer (1866); Franz Widtmann, Lederermeister (1867–1870); Bartlmä Ferner, Bindermeister jun. (1871- 1875); Jacob Mohr, Rösslwirt (1876–1877); Andrä Eichhorn, Seifensieder (1878–1879); Leonhard Mandl sen., Lederermeister (1880–1883); Jacob Mohr, Rösslwirt (1884–1887); Johann Esl, Metzger (1888–1889); Franz Perner, Glasermeister (1890–1894); Johann Schintlmeister, Kollerwirt (1895–1900); Johann Petzlberger, Brückenwirt (1901–1903); Eduard Irrgeher, Traubenwirt (1904–1906); Vital Esl, Fleischhauer und Gastwirt (1907–1909); Egid Binggl, Bäckermeister und Gastwirt (1910–1912); Josef Tarmann, Schuhmachermeister (1913–1918); Ferdinand Binggl, Gastwirt (1919–1921); Leonhard Mandl, Lederermeister (1922–1924); Anton Pfeffer, Schlossermeister (1925–1927); Alois Grall, Traubenwirt, Sägebesitzer (1928–1930); Johann Georg Hochleitner, Bäckermeister (1931–1933); Andrä Widmayer, Huf- und Wagenschmied (1934–1936); Josef Kandolf, Kaufmann (1937–1947); Richard Tarmann, Schuhmachermeister (1948–1950); Matthias Lüftenegger, Zimmermeister (1951–1953); Johann Schintlmeister, Gastwirt (1954–1956); Josef Santner, Kaufmann (1957–1959); Andrä Widmayer, Schmiedmeister (1960–1962); Albert Grundnigg, Tischlermeister (1963–1965); Josef Kandolf jun., Kaufmann (1966–1968); Josef Lüftenegger, Knappenwirt (1969–1971); Peter Gappmayer, Installateurmeister (1972–1974); Josef Ehrenreich, Baumeister (1975–1977); Karl Kandolf, Weinhändler (1978–1980); Johann Georg Hochleitner, Bäckermeister (1981–1983); August Santner, Baumeister (1984–1986); Hans Mayr, Malermeister (1987–1989); Franz Fritz, Steinmetzmeister (1990–1992); Gerhart Bernhofer, Malermeister (1993–1995); Karl Maier, Fleischhauermeister (1996–1998); Lambert Krist, Baumeister (1999–2001); Florian Frühstückl, Kaufmann (seit 2002).

8.9.7. Die Symbole der Vereinigten

Bundeslade und Bruderschaftsbücher: Die Vereinigten-Bundeslade, kurz „Lad” genannt, ist eine Truhe, deren oberste Lade noch aus der Zeit der Gründung stammt. Im Lauf der Zeit kamen jeweils drei größere Schubladen hinzu. Auf dem Deckel der obersten Lade ist der Spruch zu lesen: „Bleib treu den alten Sitten”. Auf den anderen Laden sind vorne und an den Seiten Handwerker in ihrer Berufskleidung und mit ihrem Handwerkszeug abgebildet. In der Lade befinden sich die Bruderschaftsbücher, Fotoalben sowie Rechnungsbelege und Gratulationsschreiben. In die Bruderschaftsbücher, es gibt vier, schreibt jeder Kommissär die wichtigsten Begebenheiten seiner Amtsperiode. Auch eine Mitgliederliste und die Namen der in der jeweiligen Periode verstorbenen Mitglieder werden eingetragen.

Die Fahne: Schon aus den Gründungsjahren ist eine Fahne beurkundet. Es war das Bedürfnis der damaligen Vereinigten, an den Prozessionen mit einer eigenen Fahne teilnehmen zu können. Aus dem Jahr 1855 existiert eine Rechnung für eine neue Fahne. Am 14. Juni 1964 weihte der spätere Erzbischof von Salzburg, Dr. Eduard Macheiner, eine Fahne, die auf der einen Seite die Heilige Dreifaltigkeit, auf der anderen den Heiligen Florian, den Patron gegen Feuergefahr, zeigt. Auf der jetzigen Fahne, die wie ihre Vorgänger in einem Kasten der Pfarrkirche aufbewahrt wird, zu dem nur der Fahnenträger einen Schlüssel hat, ist ebenfalls die Heilige Dreifaltigkeit zu sehen; auf der anderen Seite sind Zunftzeichen der Tamsweger Gewerbetreibenden abgebildet. Diese Fahne wurde von Kommissär Gerhart Bernhofer (1993–1995) in Auftrag gegeben und vom Künstler Werner Dürnberger entworfen.

Das Hufeisen: Das Hufeisen, ein Glückszeichen, wird dem Kommissär bei seiner Bestellung vom Vereinigten-Schmied als Zeichen seiner Würde auf den Schuh genagelt. Danach trägt er eine goldene Abbildung als Abzeichen. Auch die Würdenträger und übrigen Vereinigten tragen kleine Hufeisen auf dem linken Rockaufschlag.

Die Junggesellenkerze: Sie hat samt Leuchter eine Höhe von ca. 80 cm und ist mit Tannengrün und Buchs sowie rosa, gelben oder weißen Blüten und Hobelspänen geschmückt. Beim Bruderschaftsmahl und während des Balls wird sie von den Junggesellen bestens bewacht. Sollte es nämlich einem Verheirateten gelingen, sie auszublasen, müssen die Junggesellen einen Liter Bier bezahlen; wird sie gar gestohlen, kostet das ein Fass Bier. Die Hobelspäne sind zum Anzünden der Zigaretten – früher Pfeifen – bestimmt, denn das Anzünden mit einem Streichholz kostet einen halben Liter Bier.

Die Bischofsbücher: Die beiden Bischofsbücher, das zweite beginnt mit dem Jahr 1952, enthalten Weiheformeln, Hirtenbriefe, Wochenverrichtungen und Fotos.

Die Vereinigten-Zeitung: Anlässlich einer Kommissärswahl geben die Vereinigten eine Zeitung heraus, ein „Nachrichtenblatt über alle heiteren Vorkommnisse”, die sich während der letzten drei Jahre ereignet haben. Auf den ersten Seiten wird der neu gewählte Kommissär vorgestellt.

8.9.8. Veranstaltungen im Vereinsjahr

Das Andingen: Am Abend des Neujahrstages findet jedes Jahr in der Herberge (Gasthof „Gambswirt”) das Andingen statt. Hiebei richtet der Kommissär an alle Vereinigten die Frage, ob dieses Jahr wieder ein Jahrtag abgehalten werden soll. Aufgrund der allgemeinen Zustimmung wird dann der Termin festgelegt. Wahrscheinlich seit der letzten Erneuerung (1786), als der Jahrtag vom Dienstag nach Fronleichnam auf „einen anderen schicklichen Tag”[1544] verlegt wurde, findet die Vereinigten-Oktav im Jänner statt. Während des Andingens werden nach langer Debatte mit dem Herbergsvater Umfang und Preis des Bruderschaftsmahles ausgehandelt. Jedes dritte Jahr wird ein neuer Kommissär gewählt, im Jahr darauf ein neuer Junggesellenpräses. Auch alle anderen Ehrenämter werden am Neujahrstag vergeben. Diese Wahlen erfolgen nach längeren Wechselreden, die jeweils in verschiedene, nicht ernst gemeinte Wahlvorschläge münden. Als Gewählter gilt der, bei dem der Applaus der Vereinigten nicht abbricht. Neu gewählte Kommissäre, Bischöfe oder Junggesellenpräsides werden von den Junggesellen zum Kommissärstisch getragen. Nach einer Kommissärswahl brechen Bürgermusik und Junggesellen auf, die Frau des neu Gewählten zu holen.

Der Festzug: Er wird alle drei Jahre zu Ehren des neu gewählten Kommissärs ausgerichtet und dient zur Huldigung des Kommissärs. Viele Wagenaufbauten und Figuren nehmen Bezug auf sein Leben, seinen Beruf und seine Familie. Wie schon bei der Bruderschaftsprang der Leonhardsbruderschaft die einzelnen Handwerkszünfte ihre Wagen gestaltet haben, so arrangieren auch heute die Gewerbe der Zimmerer, Maurer, Maler usw. und andere Berufsgruppen, wie der Wirtschaftsverein, die Lehrer, die Beamten der Bezirkshauptmannschaft, die Marktgemeinde Tamsweg, die Liedertafel und andere. ihre eigenen Festwagen.

Die Bärenvesper: Montagabends findet die Vesper – die Vorabendfeier – statt. Um 17.00 Uhr beginnen die Junggesellen mit dem „Vesper-Trommeln”. Fünf Trommler, der Junggesellenpräses mit seiner Schar sowie die drei Bären und das Faschingsrössl besuchen der Reihe nach alle Häuser der Altkommissäre, die Häuser des Junggesellenpräses und der Kerzenmutter sowie selbstverständlich das Haus des Kommissärs und führen ihre Ehrentänze auf. Inzwischen haben sich die verheirateten Vereinigten in der Herberge eingefunden und unter den Klängen des Prebermarsches ziehen Kommissär, Altkommissäre, Bischof und Kassier in den Saal ein und nehmen am Kommissärstisch Platz. Die Bürgermusik intoniert die Bärenpolka, zu welcher die Bären zu Ehren der Kommissäre und aller Vereinigten tanzen. In der Zwischenzeit hat der Bischof die Festroben angelegt. Begleitet von seinen drei Leviten segnet er mit seinem „Tattel-Szepter” alle Vereinigten und verliest anschließend die Wochenverrichtung, den Ablauf der Vereinigten-Oktav. Danach kommt es zur Verlesung seines Hirtenbriefes.

Der Jahrtag: Der Dienstag ist der wichtigste Tag der Festwoche. Um 9.30 Uhr trifft man sich vor der Herberge „im besten Gewande” (Bruederschaftbuechlein, 1738) zum gemeinsamen Kirchgang. Die Kommissäre tragen Überrock und Zylinder, der amtierende Kommissär hat das große goldene Hufeisen angesteckt. Die verheirateten Vereinigten tragen eine rote, die Junggesellen und die Kommissäre eine weiße Nelke am Revers. Die Verheirateten tragen den „Buschn” rechts, die Ledigen links. Um 10.00 Uhr beginnt das Amt für die Lebenden und Verstorbenen des Vereinigten. Für die musikalische Umrahmung sorgt die Liedertafel, die sich größtenteils aus Vereinigten zusammensetzt, und eröffnet mit dem Lied „Wohin soll ich mich wenden”.

Nach dem Amt spielt die Tamsweger Bürgermusik den langen Zug zurück zur Herberge. Dort besteht die Möglichkeit, die Auflage zu bezahlen. Während die meisten Vereinigten auf eine Jause gehen, holen die Junggesellen die schön geschmückte Kerze bei der „Kerzenmutter” ab und bringen sie zur Herberge. Dort begrüßt um die Mittagszeit der Herr Vater Kommissär die Versammelten und eröffnet das Bruderschaftsmahl. Es erfolgt die Ehrung der Jubilare (50-jährige Mitgliedschaft), und man gedenkt derer, die seit dem letzten Jahrtag verstorben sind.

Nach dem Tischgebet beginnt das Mahl, währenddessen Glückwunschtelegramme und -briefe nicht anwesender Vereinigter verlesen werden. Gegen zwei Uhr bricht der Kommissär und mit ihm alle Vereinigten unter Vorantritt der Bürgermusik zum Hausieren auf. Von der Herberge ausgehend, ziehen sie streng im Uhrzeigersinn durch alle Gastlokale des Marktes. An diesem Tag zahlt jeder Vereinigte seine Zeche selbst, nur im Kommissärshaus ist jedes Mitglied, wie an allen anderen Tagen, herzlich eingeladen. Zum Vereinigtenball, den gegen 8.30 Uhr der Junggesellenpräses mit der Frau Kommissär eröffnet, sind auch die Ehefrauen der Verheirateten und die Bräute der Junggesellen eingeladen. Der Bischof, der mit seinem „Tattel-Szepter” wieder alle, die er erreichen kann, segnet, nimmt die Einweihung bestimmter Mitglieder vor, durch die man erst zum richtigen Vereinigten wird. Russentänzer, Frauengruppen und die Volkstanzgruppe verschönern durch Tanz und szenisches Spiel den Ablauf des Balles, der bis in die frühen Morgenstunden andauert.

Der Maschgera: Am Mittwoch ziehen schon um etwa 4.00 Uhr früh die Junggesellen, direkt vom Ball kommend, mit den Trommeln durch den Markt und halten die Tagreveille ab. So mancher Verheiratete sieht zu oder marschiert mit, was ihn aber, so wie jedes Zugesellen zu den Unverheirateten, je nach Strenge des Präses eine kleine oder größere Menge Bier kostet. Später machen die Junggesellen mit den Trommeln eine Runde durch Tamsweg, als Zeichen dass der „Maschgera” angebrochen ist. Um etwa zwei Uhr treffen sich die Vereinigten maskiert bei der Herberge, um dann entgegen dem Uhrzeiger die Runde durch alle Gasthöfe, den Dechantshof und die Kommissärshäuser zu machen. Auch die Bezirkshauptmannschaft und so manches Bürgerhaus sind gastfreundlich geöffnet. Beim „Maschgera” sind alle Vereinigten mit Getränk und Essen freigehalten. Bis Mitternacht sollten die Teilnehmer vollzählig in der Herberge eintreffen. Dort bedankt sich der Kommissär bei den Anwesenden für die Begleitung und die Ehre, die ihm erwiesen worden ist, denn nun ist das Fest für die Kommissäre und die Verheirateten zu Ende.

Das Gestrigen-Tag-Suchen: Die Junggesellen ziehen am Donnerstagabend mit Laternen und allerlei Lärmgeräten ausgestattet, heulend und jammernd durch den Markt und trauern dem allzu früh vergangenen „Gestrigen Tag” nach. Dabei werden wieder die gastlichen Stätten aufgesucht, wo man sie mit Speis und Trank labt.

Das Geldbeutelwaschen: Am Abend des Freitags werden die Geldbeutel einer gründlichen Reinigung unterzogen. Dabei ziehen die Burschen mit einem „Waschwandl” von Haus zu Haus und bejammern ihre leeren Geldtaschen. Weibliche Wesen sollten sich hüten, ihnen über den Weg zu laufen, denn sie könnten irrtümlich auch einer Generalreinigung unterzogen werden. Damit ist die Festwoche der Vereinigten beendet und es kehrt wieder Ruhe in alle Häuser ein.

Das Abroaten: Abroaten heißt so viel wie Abrechnen. Am ersten Samstag in der Fastenzeit sind außer den Honoratioren auch alle Vereinigten und die Bürgermusik geladen, wobei das noch übrig gebliebene Geld bei einem gemeinsamen Mahl in der Herberge verbraucht wird.

Während seines Bestehens wurde der Vereinigte immer auch von den politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der jeweiligen Zeit geprägt. So nahmen z. B. die Junggesellen mit der Junggesellenkerze am großen Festumzug teil, der 1933, anlässlich der 500-Jahr-Feier der Leonhardskirche, veranstaltet wurde. Zum Empfang von Hermann Göring am Marktplatz in Tamsweg im Jahr 1938 wurden auch die Vereinigten mit Kommissären, Bischof und Leviten aufgeboten. Als 1946 Mitglieder der amerikanischen Besatzungsmacht die Abhaltung des Vereinigten gestatteten, wurde Hauptmann (Capt.) Raymond H. Agee zum Ehrenmitglied (Honorary Member) ernannt. Anlässlich der 250-Jahr-Feier (1987), als Kommissär Hans Mayr sein Amt antrat, brachten die Vereinigten das Buch „Die Vereinigten zu Tamsweg” heraus, das von Vereinigten-Levit Mag. Kurt Melchard zusammengestellt wurde und die Grundlage für diesen Bericht bildet. Heute zählt die „Bruderschaft” ca. 870 Mitglieder und stellt somit den größten Verein Tamswegs dar. Gemäß dem Wahlspruch „Bleibt treu den alten Sitten!” wird der Vereinigte auch in Zukunft ein wichtiger gesellschaftlicher Faktor des Marktes Tamsweg bleiben.



[1521] Zitiert nach: [Klieber 1999], S. 21.

[1532] [Hatheyer 1955], S. 283–288. Die Chronik des Andrä Koche befindet sich im Privatbesitz der Familie Kocher, Reiterbauer, in Tamsweg.

[1535] Das Stundgebet entwickelte sich aus den 40-stündigen Gebeten, die in Tamsweg seit dem 18. Jahrhundert sowohl für die ehemalige Kapuzinerkirche als auch für die Pfarrkirche nachweisbar sind. Vgl. [Dürlinger 1863], S. 27f. In jüngster Zeit wurde das Stundgebet vom Fasching in die beginnende Fastenzeit verlegt.

[1542] [Vereinigten zu Tamsweg 1987], S. 19.

[1543] [Vereinigten zu Tamsweg 1987], S. 88.

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