Startseite: Bräuche im Salzburger LandFolge 1: Im Winter und zur WeihnachtszeitFolge 3: In Familie und GesellschaftBegleitheft (in Arbeit)ZitierempfehlungVolltextsucheHilfe

9.18. „Das Salzburger Große Welttheater“ - Hugo von Hofmannsthals Programmstück der Salzburger Festspiele und die „Konservative Revolution“[2896] (Karl Müller) - Langtext

9.18.1. Aspektesammlung

Hugo von Hofmannsthals Calderón-Adaption „Das Salzburger Große Welttheater“ wurde im dritten Salzburger Festspielsommer 1922 in der katholischen Kollegienkirche in Salzburg uraufgeführt. Die Inszenierung erlebte damals insgesamt 14 Aufführungen unter der Regie von Max Reinhardt. Im Jahre 1925 stand das Drama wieder auf dem Programm – anlässlich der Eröffnung des neuen Salzburger Festspielhauses. 1936 dachte man an eine Neuinszenierung unter Max Reinhardt, aber da das Projekt „als das Budget zu stark belastend“ eingestuft wurde, wollte man es später verwirklichen. Ein Jahr danach bot die Salzburger Festspielhaus-Gemeinde dem Regisseur an, das „Welttheater“ in der Felsenreitschule zu gestalten – als Ersatz für eine „Fledermaus“-Inszenierung, für die Reinhardt zu teuere Umbauten im Stadttheater gefordert hatte. Das Jahr 1938 machte aber einen Strich durch diese Rechnung. Auch Österreichs erste Bühne, das Burgtheater, nahm sich in der Zwischenkriegszeit des Stückes an: Vor dem Zweiten Weltkrieg erlebte es in den Jahren 1931 und 1937 insgesamt etwa 50 Aufführungen, in der zweiten Nachkriegszeit wurde es am Burgtheater an die 20 Mal gespielt, und zwar in der Spielzeit 1950/51.[2897]

Der österreichische Bundespräsident sprach in seiner Eröffnungsrede der Salzburger Festspiele des Jahres 1999 davon, dass die Festspiele gemäß der Idee der Gründungsväter „Heilstätten der Seele“ seien und in ihrer „grenzenlosen Offenheit und Übernationalität“ „beste österreichische Tradition“ darstellten und zugleich „europäischen Geist“ atmeten. Er traf mit seiner unverhüllten Kritik an der künstlerischen Leitung Gerard Mortiers, die – so darf man lesen – entgegen dem Geist Hofmannsthals und Reinhardts modernistische „Konfrontation statt Harmonie, Provokation statt Gleichklang, Spektakel statt Werktreue, ‚Stückezertrümmerung‘ statt humanistischem Bildungstheater“ betreiben würde, sicher ein wichtiges historisches Identitätselement der Festspielgründer. Aber betrachten wir die zentralen Inhalte und konkreten politisch-gesellschaftlichen Ziele des ästhetischen Projektes von damals genauer.[2898] Sehen wir näher hin und fragen wir, wie es um die „grenzenlose Offenheit“ des Festspielprojektes stand.

Denkt der gelernte Salzburger an Salzburg oder, wie Hugo von Hofmannsthal formulierte, an das „Herz vom Herzen Europas“,[2899] und an dessen vorerst nur zögerlich, aber letztlich fest zur gewinnträchtigen touristomanischen Brust genommene Kunst-Heiligtum, muss er, so wie der Bundespräsident auch, unweigerlich an „Andacht“, „Heilung“, „Bindung“ und „Erlösung“ denken. Dabei erinnert er sich an die Gründungsurkunden des Festspiels und vergegenwärtigt sich dessen historische theatrale Weihe-Praxen. Aber auch andere Aspekte liturgieähnlicher „strategischer Skriptanordnungen“[2900] kommen ihm in den Sinn: Gründungsmythologisches z. B. in Form eines stammestümelnden Raunens vom bayerisch-österreichischen theatralischen Urtrieb, den er, Hofmannsthal selbst, habe gewähren lassen, als es darum gegangen sei, „musikalisch theatralische Festspiele in Salzburg zu veranstalten“.[2901]

Auch an das avantgardistische Bestreben der Festspielgründer, neue, zu magischen Weihestätten der Kunst erkorene Räume und Orte (z. B. den Salzburger Domplatz, den Park von Hellbrunn als geplanten Ort des neu zu errichtenden Festspiel-Tempels) zu entdecken, und zwar in der Tradition der lebenserneuernd wirken wollenden Gesamtkunstwerk-Idee, erinnert er sich. Ebenso kommt ihm die angestrebte Verschwisterung der zur Religion erklärten Kunst in den Sinn, was ein wichtiger Beitrag zu einem politisch-gesellschaftlichen Prozess darstelle, den Hofmannsthal als „konservative [...] Revolution von einem Umfange [ersehnte], wie die europäische Geschichte ihn nicht“ kenne.[2902] Alle diese Momente sind Teile dieser Salzburger „sakralen Erzählung“, die freilich immer nur „die eine Vorstellung von der Welt“ konstruieren wollte.[2903]

Das Salzburger Festspielprojekt von Hugo von Hofmannsthal und Max Reinhardt war nur die ästhetisch ausgefeilteste und zugleich ideell/ideologisch komplexeste Initiative – zwar mitten aus dem Ersten Weltkrieg heraus entwickelt, aber, wie erst jüngst Judith Beniston zeigen konnte, „far from [...] a short-term reaction to the devastation and unheavels caused by the First World War: [...] The conservative modernism [...] took its place alongside a Catholic cultural revival which had been ongoing since the early 1890s and which had its roots [nicht zuletzt: K. M.] in the generational revolt provoked by the liberal crises of the 1870s.“[2904] Auch andere „sakrale Erzählungen“ und theatrale „Liturgien“ der Jahre zwischen 1918 und 1938 wären zu beschreiben, deren konstituierende Elemente, historische Bedingungsfaktoren und Kontexte analysiert und verglichen werden könnten. Sie alle waren Antworten auf bedrängende modernekritische Erfahrungen, dienten dem Ziel der „Vereinheitlichung“, wie unterschiedlich auch die jeweiligen Propagandaformeln lauten mochten: „Alle Zweiteilungen, in die der Geist das Leben polarisiert hatte, sind im Geiste zu überwinden und in geistige Einheit überzuführen“, wie Hofmannsthal in seiner programmatischen Rede „Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation“ (1927) sagte.[2905]

Das offensichtlich nach dem Zusammenbruch von 1918 generell dringliche „Bedürfnis nach einem Halt“,[2906] wie es Robert Musil nannte, wird eben nicht nur an dem von den renommierten Kunst-Priestern initiierten Salzburg-Projekt greifbar, jener „seltsamen Kulturenklave“ und jenem „apolitische[n] Politikum ersten Ranges“,[2907] sondern auch an jener explizit politisierenden Fest- und Weihespielkultur, die von und in allen Parteilagern gepflegt wurde, in der Sozialdemokratie ebenso wie von den so genannten Vaterländischen und Christlichsozialen, von den Deutsch- Völkischen ebenso wie von den Nationalsozialisten – nach dem Motto: „Gemeinschaften können nur bestehen, wenn sie eine spirituelle Ebene, eine Art von sakralem Diskurs, Mythen und Riten entwickeln.“[2908] (vgl. Müller, Karl: Vaterländische und nazistische Fest- und Weihespiele im Österreich der Zwischenkriegszeit.)

9.18.2. Zeitgenössische Reaktionen und Stellungnahmen

Schon im ersten Salzburger Festspielsommer des Jahres 1920 sollte Hugo von Hofmannsthals Calderón-Adaption „Das Salzburger Große Welttheater“, dieses geistliche Spiel, „dem Schatz von Mythen und Allegorien [entspringend], die das Mittelalter ausgeformt und den späteren Jahrhunderten übermacht hat“,[2909] in der Salzburger Kollegienkirche (Universitätskirche) gegeben werden. Es war als programmatische Kunstliturgie des Festspiels gedacht. Dazu kam es aber vorerst nicht. Erst als der Salzburger Erzbischof Ignatius Rieder seine Zustimmung zu einer Inszenierung in der genannten Kirche gab und feststand, dass die Einnahmen in einen Fonds zur Kirchenrenovierung flossen, setzten Reinhardt und Hofmannsthal den kirchlichen Spielort durch, nachdem es in katholischen Kreisen unter Hinweis auf die Sakralität des Ortes heftige Kritik am geplanten Aufführungsort gegeben hatte. Auch antisemitische Stimmen mischten sich darunter – „weil es dem sittlichen Empfinden der Mehrheit unseres Volkes widerspricht, wenn man Gotteshäuser in Komödienhäuser umwandelt, in denen rassenfremde und religionsfeindliche Elemente uns ihre undeutschen Künste darbieten.“[2910]

Während der Festspielberichterstatter Felix Salten begeistert über das Stück und die Inszenierung (Regisseur: Max Reinhardt, Bühnenbild: Alfred Roller) als einem Voranschreiten für „in ihrem Innern verwirrte, in ihrer Andacht verwaiste und sehnsüchtige Menschen“[2911] der Nachkriegszeit sprach, beschrieb Alfred Polgar seine Eindrücke und die Wirkungsabsichten der „sakralen Erzählung“ folgendermaßen:

„Den Niedersitzenden ergreift die kühle Weite, die hallende Dämmrigkeit des Raums: irgendwie fühlt er sich in seiner Einzelschaft reduziert. Er wird, schon dadurch, daß er da ist, Teil einer Gemeinde. Die barocke Pracht der Chöre und Altäre [...] ‚stimmen jede Nerve‘, wenn auch nicht zur Andacht, so doch zur Bereitschaft für Andächtiges. Hebt das Spiel an, so sitzt eine, wenn auch nicht sterilisierte, so doch gedämpfte Zuschauergemeinde da.“[2912]

Es solle eben „Gottesdienst“ gespielt und „Theater“ zelebriert werden.[2913] Indem er den weihevollen Kunstschein als Surrogat entlarvt, fährt er ironisierend fort: „Ein paar Kilometer von dem glühenden Salzburg ist See, Berg, Waldeinsamkeit. Ohne Aufwand wird dem Zuschauer Erbauung, Friede, Versöhnung mit dem Leben, mit dem Tod. Von jeder Bergspitze predigen die Engel. Schönheit und Weisheit sind eins, und so ‚ungeheures Licht‘ stürzt gnadenvoll hernieder, daß man eine grüne Brille aufsetzen muß.“[2914]

Nachdem auch Karl Kraus diese Uraufführung in der katholischen Kollegienkirche miterlebt hatte, konnte man in der November-Fackel des Jahres 1922 nicht nur von seiner „Abscheu“, von „Fieberhitze und Schüttelfrost“ lesen, „wo Zeitgenossen sich in Krämpfen der Entzückung winden“, sondern auch erfahren, dass er (der tief religiöse Kraus) als Folge des ethisch- ästhetischen Schocks nach 12-jähriger Mitgliedschaft in der katholischen Kirche aus dieser wieder ausgetreten ist.

„Ich weiß ja nicht, ob eine Kirche noch geschändet werden kann, die während eines Weltkrieges, der als internationales Gaunerstück sicherlich nur der Prolog im großen Welttheater war, das Walten der giftigen Gase gesegnet und nach ihm die Muttergottes mit der Kriegsmedaille dekoriert hat. Wenn aber an dieser Kirche, aus der Gott schon ausgetreten sein dürfte, bevor sie den Welttheateragenten ihre Kulissen und den Komödianten ihren Weihrauch zur Verfügung stellte, wenn an dieser Kirche noch etwas zu schänden war, so dürfte es doch jener Altar sein, der den Herren Reinhardt, Moissi und Hofmannsthal, diesen tribus parvis impostoribus als Versatzstück gedient hat, damit sie an ihm etwas verrichten, was ein blasphemischer Hohn ist auf alle Notdurft dieser Menschheit. [...] Es mag ja gewiß erstaunlich sein, daß ich, statt in die Kirche einzutreten, um mir ein Urteil über ein Stück des Herrn Hofmannsthal zu bilden, aus ihr austrete. Aber zu jenem befähigt mich allein schon mein Geruchsvermögen für alle Unechtheit, mein Spürsinn für das Talmi einer ‚goldenen Gnadenkette‘ und ein unzerstörbares Gefühl für den Takt der Zeit, die auf Leichenfeldern nicht Festspiele zu veranstalten hat, jedoch auch die Lektüre einer einzigen Szene, die ich für einen so aberwitzigen Dreck halte, daß ich selbst dieser unverlegensten aller Epochen nicht zugetraut hätte, so etwas mit den höchsten Begriffen der Menschheit in Verbindung zu bringen [...]. Dies, was Herrn Hofmannsthal betrifft. [...]“[2915]

In die Schusslinie von Karl Kraus geriet insbesondere der „perfekte Auslagenregisseur“ Max Reinhardt, dessen Arbeit auf die einlullende Bedienung der Sinne sowie auf eine Form der „Offenbarung“ ausgerichtet sei, die aber nichts anderes darstelle als „Wirkung auf die neue Degeneration“, und zwar im „Vakuum des Zeitgefühls“.[2916]

Viele zeitgenössische Beobachter, unabhängig davon, ob sie Agnostiker, Konvertiten, assimilierte Juden oder traditionelle Katholiken waren, erkannten also – jeder auf seine Weise – die tragenden Säulen dieser säkularen ästhetischen Liturgie und deren historische Bedingungen sowie Folgen: z. B. die alt-neue Form allegorischer Ästhetik oder die Beziehung zwischen zivilisatorischer Zerrüttungserfahrung und der spezifischen Form und Funktion einer restaurativen Rettungs- und Erlösungs-Ideologie, über die freilich Karl Kraus hellsichtig schrieb: „[...] und wenn nicht alles trügt, so wird, eben weil alles trügt, bald die Zeit anbrechen, wo man [...] eine Konzession zur Restauration der Monarchie übertragen wird.“[2917]

Es muss erwähnt werden, dass manche zeitgenössische Beobachter einige Bausteine des Festspielprojektes nicht ausreichend bis gar nicht wahrnahmen, so z. B. die Fixiertheit des adaptierten Welttheater-Konzepts auf den polaren Gegensatz von „Abendland“ und „Asien“ oder auf jenen von „Eigenem“ und „Fremdem“. Hofmannsthal selbst skizzierte diese Polarität am Beispiel der Schauspielkunst des Alexander Moissi sehr deutlich, der in der Uraufführung des „Salzburger Großen Welttheaters“ die zentrale Figur des Bettlers verkörperte: „[...] so umwehte auch seinen [Moissis] Bettler etwas Russisches, und das Gespenst des Bolschewismus stand sehr deutlich hinter seinen außerordentlichen, sparsamen und unvergeßlichen Gebärden, seine Stimme aber, in der ein italienischer Timbre ist, ließ die Zeilen gelegentlich in einer wunderbaren Weise behandeln, die unvergleichlich passend war zu der marmornen Kirche, in der so viel vom italienischen katholischen Geist der vergangenen Jahrhunderte sich ausdrückte.“[2918] Man könnte auch sagen: Das „Russische“, das „Gespenst des Bolschewismus“ sollte heilbar und gebannt werden im Ambiente eines Kirchenraumes, voll des „katholischen Geistes der vergangenen Jahrhunderte“.

9.18.3. Das allegorische Spiel des Lebens

Hofmannsthal lässt die Menschen in den ihnen von Gott zugeteilten Lebensrollen das Spiel des Lebens aufführen. Dem König, der Schönheit, der (Nonne) Weisheit, dem Reichen, dem Bauern und dem Bettler, der eigentlichen Hauptfigur des Stückes, kommt es in der a priori ständisch- hierarchischen, sozial undurchlässigen und transzendent verankerten „Gemeinschaft“ zu, „Recht“ zu tun. Jeder hat an seinem Platz „das Gebäude einer tausendjährigen Weltordnung“ zu schützen. Gerade der Bettler, nicht jedoch die herrschende Schicht, wird schließlich in einer Konfliktsituation gezeigt, in der nach Hofmannsthal das tausendjährige Gebäude zur Disposition steht und – überlebt: Die als Gottes Plan dargestellte Ordnung setzt sich durch. Insbesondere in der Figur des Bettlers, unterstützt vom Widersacher, also dem Teufel, werden Züge individueller und auch kollektiver Emanzipationsgelüste greifbar, die jedoch allesamt als Gefahren des anarchistischen Chaos ge- und verbannt werden. Angesichts der schrecklichen Lebenssituation des Bettlers kommt es einem Wunder gleich, dass dieser im letzten Augenblick, als er Gewalt anwenden will, in einer Trance-Szene „blitzschnell“ wie „in einem Mysterium“ gewandelt wird und damit sich selbst und die „ganze Welt“ vor dem Untergang rettet: christliche Wandlung, angereichert durch den Hinweis, dass aus diesem Akt Traumhaftes, Archaisches und deshalb Göttliches greifbar werde. Der Bettler hat durch seine Nicht-Tat eine neue, gottnahe, gemeinschaftsgemäße und ordnungserhaltende Identität gewonnen.

Hofmannsthals Welttheater kann als Ausdruck jener „um sich greifenden Fortschrittsskepsis und Zukunftsangst“, die in der Nachkriegszeit zu einer „Aushöhlung des historischen Bewusstseins und einem Wiedererstarken mythologischer und christlicher Denkweisen geführt“ hat, verstanden werden.[2919]

Sein „Salzburger Großes Welttheater“ ist an zentralen Stellen eine kritische Auseinandersetzung mit den aufklärerischen Begriffen der Freiheit und Gleichheit. So thematisiert der Bettler[2920] den Begriff der Freiheit ausgerechnet im Augenblick seiner trancehaften Wandlung und Gewandeltheit, die aus seinem antirevolutionären Nicht-Handeln erfließt: Er lässt die schon erhobene Axt der Gewalt plötzlich sinken. Sagt er bei der Zuteilung seiner Rolle noch provokant und aufbegehrend: „Gib mir eine Rolle, in der Freiheit ist, soviel als eines braucht, um nicht zu ersticken [...]“ (Dramen III, 120) und muss er sich dabei vom Engel „aufklären“ lassen:

„Aber wer Freiheit hat und ist ihrer würdig, der fragt: wozu habe ich Freiheit? und ruht nicht, bis er erkennt, welche Frucht sie bringe. Die Frucht aber der Freiheit ist eine: das rechte zu tun [Dramen III, 120] [...] ‚Tuet recht! Gott über euch!‘ [Dramen III, 115]“, sodass er sich bitter beklagt: „Betrüg mich nicht!“ (Dramen III, 120), so heißt es nach der Trance-Szene aus dem Munde des „lernfähigen“, gefügigen und jetzt erleuchteten Bettlers:

„Von Freiheit war das Wort und welcher Art die wäre./ Ich war – mein Seel – nicht frei, als ich in finstrem Drang/ Scharf Eisen über diese schwang, [...] Freiheit ist alleweil nah,/ Doch greifst du hart nach ihr, so ist sie jählings fern;/ Kaum schmiegst du dich sanft, so ist sie wieder da/ Und weht von dir hinan bis an die Himmelsstern.“ (Dramen III, 149)

Die vor seiner Wandlung (Metanoia) geforderte Einlösung seiner Freiheits- und Gleichheitsrechte ist für ihn jetzt kein Thema mehr: Was er an sich selbst als Erringung wahrer Freiheit und als ein Zu-sich-selber-Kommen verherrlicht, ist die Anerkennung des Vorgegebenen, der gegebenen göttlichen Ordnung. Er fügt sich willig und redet nun als einer, der dies sogar lustvoll tut. Er ist nicht fähig, ständisch-hierarchisches Denken zu überwinden:

„Doch in dem Spiel bin ich der Bettler halt/ Von dem ich Wesen anhab und Gestalt./ Was soll ich denn von denen wollen?/ Ich kann doch nicht hinein in ihre Rollen [...]/ Und setz ich stracks mich auf den Thron für ihn/ Und sitz dort breit zu meinen Lebenstagen,/ So sitzt Hans Wurst zu Thron, das Blatt bleibt ungewendet,/ Und diese Welt wie eh und je geschändet.“ (Dramen III, 148).

Diese Haltung wird sakralisiert, „die politisch-soziale Revolution [dem Publikum] als Illusion“ angepriesen.[2921] Die tausendjährige Weltordnung bleibt durch den Trance-Akt des Bettlers in ihrer göttlichen Legitimiertheit unangetastet.

Im engen Konnex mit der Thematisierung von Freiheit und Gleichheit bzw. der vom Bettler vorbildlich gelebten „Bindung“ an die gegebene Ordnung, steht das Verhalten des Bettlers in der Todesszene des Stückes. Bevor das Schlusstableau in Szene gesetzt wird, ist diese der Höhepunkt der Bindungsidee des „Welttheaters“.

Als der Tod auftritt, leuchtet des Bettlers Gesicht auf, er breitet die Arme aus und erwartet lustvoll die „große Huld“, die ihm der Tod bereiten möge (Dramen III, 160). Schließlich begrüßen des Bettlers und der Weisheit Seele den Tod mit folgenden Worten: „O frohes Verlangen, o wachsendes Licht! [...] O blitzendes Tagen“ (Dramen III, 162). Im Gegensatz dazu erweisen sich der König, der Reiche, der Bauer und die Schönheit angesichts des Todes als zaghaft, angstvoll, klein und schwach. Ihr glänzendes, großes, starkes und mächtiges Sein enthüllt sich als Schein, so wie sich der arme und schwache Bettler als reich und stark entpuppt, weil er den Tod als integralen Bestandteil der göttlichen Weltordnung akzeptiert, ja sogar herbeisehnt.

Des Bettlers Appell, den Tod auf diese Weise zu akzeptieren, könnte die Darstellung abgeklärten Menschentums sein, stünde dieser Appell des Bettlers nicht in einem Kontext, dessen Kalkül in die Denunziation jenes Individuums als „wertlos“ mündet, das es nicht schafft, seine egoistischen Freiheits- und Gleichheitsbedürfnisse zu bändigen und zähmen.

Es scheint, als ob die Opfer-, Demuts- und Hingabementalität deswegen als besonders problemlos angepriesen werden könnte, weil des Bettlers Veränderungswünsche a priori den Charakter der Gewalttätigkeit zugeschrieben bekommen.

Anlässlich eines Berichtes über die Salzburger Festspiele des Jahres 1922 für das amerikanische Magazin „The Dial“ lobt Hofmannsthal besonders den Darsteller des Bettlers, Alexander Moissi. Dabei legt er die im Stück nicht explizierten, aber dem zeitgenössischen Publikum wohlvertrauten Dimensionen seines Stückes offen. Er schrieb:

„Moissi spielte den Bettler und war außerordentlich und von einer Internationalität der Gebärde, die merkwürdig zu diesem so zusammengemischten Publikum passte, obwohl die Gestalt selbst, so international sie ihrer symbolischen Natur nach ist, doch vielleicht vertragen hätte, in einer bestimmteren Art als eine deutsche oder österreichische Gestalt gezeichnet zu werden. Aber Moissi ist seiner Herkunft nach ein Albaner, seiner Erziehung nach Italiener, seiner theatralischen Kultur nach halb Deutscher halb Russe, denn er spielt nichts lieber als Tolstoi und hat in dieser Gefühlswelt sozusagen Wurzeln geschlagen, – so umwehte auch seinen Bettler etwas Russisches, und das Gespensts des Bolschewismus stand sehr deutlich hinter seinen außerordentlichen, sparsamen und unvergesslichen Gebärden, seine Stimme aber, in der ein italienischer Timbre ist, ließ die Zeilen gelegentlich in einer wunderbaren Weise behandeln, die unvergleichlich passend war zu der marmornen Kirche, in der so viel vom italienischen katholischen Geist der vergangenen Jahrhunderte sich ausdrückte.“[2922] Das „Russische“, das „Gespenst des Bolschewismus“ sollte heilbar im Ambiente eines Kirchenraumes sein, voll des „katholischen Geistes der vergangenen Jahrhunderte“.

Die Herrschenden kommen in diesem Stück nie in die prekäre Lage, offene Gewalt anwenden zu müssen. Solcherart bleiben sie unbefleckt. Einerseits bekommen sie dadurch gar nicht die Möglichkeit, das ihnen vom Herrn auferlegte, weltliche „Recht-Tun“ zu beweisen, um eine Erleuchtung, eine Saulus-Paulus-Wendung wie die des Bettlers erfahren zu dürfen, andererseits scheinen sie eine solche Erleuchtung gar nicht zu benötigen: Die einzige „Strafe“, die ihnen Gott und der Dichter auferlegen, ist ihre Verzagtheit und Angst angesichts ihres Todes. Auf den himmlischen Lohn brauchen aber auch sie nicht zu verzichten – die himmlische Strafe fällt für sie erträglich aus: Während der Bettler für seine pazifizierende Tat, sein Nicht-Handeln, gemeinsam mit dem Engel und der Weisheit in den Palast des Meisters einziehen darf, dürfen die Schönheit, der König und der Bauer – genau in dieser Abstufung – „seitlich dem Eingang“ knien, und der Reiche auch, aber „tiefer unten, im Dunkel“ (Dramen III, 163). Dem Bettler wird derart höchster Lohn deswegen zuteil, weil ihm „die Verteilung der Macht und der Glücksgüter [...] eine gleichgültige Sache“ geworden ist.[2923]

Erlaubt man sich, herrschaftskritische Passagen insbesondere aus den fünf Szenen des Spiels, die der zentralen Wandlungsszene vorangehen, aus dem Spielkontext zu isolieren, so kann die Erwartung aufkommen, das Spiel laufe auf eine Analyse von Macht und Machtmissbrauch hinaus oder entwickle sich zu einem Plädoyer für eine Veränderung im Sinne sozialer Gerechtigkeit. In der Tat lassen folgende Sätze solches erhoffen:

„[Welt]: Viel befehlen und anschaffen, herrisch und gut leben, das große Wort führen, andere seine Macht fühlen lassen: das ist eine gute Rolle. Stöß und Püffe hinnehmen, harte Worte hinunterschlucken, sich ducken, den Mund halten, wenn andere reden: das ist eine schlechte Rolle [...]“ (Dramen III, 114)

„[Seele/Bettler]: Die Jammerrolle spiel ich nicht! Und es soll sie kein anderer auch nicht spielen!“ (Dramen III, 119)

„[Widersacher]: Ich protestiere gegen Vergewaltigung! Es ist eh und immer geklagt worden, dass eine blinde tyrannische Gewalt hat geschaltet über die Menschen schon im Mutterleib – von zweien Zwillingen ungeboren beide, unschuldig beide, zum voraus den Jakob begnadet, den Esau verworfen! Soll das so weitergehen und in unserer erleuchteten Zeit dergleichen Willkür fortrasen?“ (Dramen III, 119)

Die zitierten Sätze kommen aber aus dem Mund des anmaßenden „Heidenweibes“ Frau Welt, weiters aus dem Mund des anarchistischen „Zerstörers“ (RuA II, 288), das heißt des noch nicht gewandelten Bettlers, und aus dem Mund des als gelehrt und intellektuell dargestellten Widersachers, also des Teufels. Sie stehen außerdem in einem Kontext, in dem die Karfreitagsworte Jesu, die der Engel zitiert, von zentraler Bedeutung sind: „Hast du diese Worte gelesen: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Und auch diese: Aber nicht mein, sondern dein Wille geschehe – ? [...] Nimm auf dich! Schmiege dich!“ (Dramen III, 121)

Es gibt Passagen, die herrschaftsanalytische Ansätze zeigen, so wenn z. B. der Vorwitz und die (Nonne) Weisheit den König, den Reichen und den Bauern in ihrer Machtpräpotenz, Verblendung und Dummheit kritisch kommentieren (Dramen III, 122, 125), oder wenn als Kehrseite der Modernisierungsbestrebungen des Königs Machterweiterung, Krieg und Verderben erkannt werden. Ein anderes Beispiel ist des Bettlers Analyse der Manipulationsinstrumentarien der Macht (z. B. geltendes Recht, affirmative Bücher [Dramen III, 132, 143]), die für das Publikum Anlass sein könnten, über Machtkontrolle zu räsonieren, wäre es nicht die erklärte Absicht der Reinhardtschen Inszenierung, a priori eine andächtige Zuschauergemeinde zu schaffen.

Aber Hofmannsthals Spiel fokussiert die aus Ohnmacht und Wut gespeisten Gewaltabsichten des Bettlers, denunziert des Bettlers aufrührerische Absicht, „Ordnung zu machen“ (Dramen III, 143), als gewalttätige „Drohung des Chaos an die geordnete Welt“ (RuA II, 287) und lässt die Behauptungen der Herrschenden, die den Bettler als Teufelsgespons, als dreckig, tierisch und schmarotzerhaft, als ein Nichts abhalftern, nicht einmal von der ansonsten leise herrschaftskritischen Weisheit beeinspruchen. Im Gegenteil: Des Bettlers Einforderung von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit wird in gegenemanzipatorischer Diktion pariert: Im Hinnehmen liege Heldenhaftes und ein „ungeheueres Vorrecht“(Dramen III, 121). Was für den Bettler legitimes Anliegen und die Formulierung berechtigter Ansprüche ist, wird von der Weisheit als Trotz tituliert, dem der „saphirene Gerichtshof“ (Dramen III, 131) einfach nicht antworte und wird angesichts des zu bewahrenden „Ganze[n], dieses würdigen Leib[s]“ (Dramen III, 136) als maßlos gebrandmarkt (Dramen III, 131).

Stehen am Anfang des Wandlungsspiels Hofmannsthals Herrschafts-Analyse, die Situation einer Ausgesetztheit, einer Vereinzelung und geplante, gewalttätige Auflehnung, so am Ende gegenemanzipatorische Selbstbescheidung, Appelle an Verzicht, freilich an die Adresse des Bettlers gerichtet, und die Verherrlichung des Verzeihens – das Ganze barock-theatralisch sakralisiert.

Hofmannsthals ethisch-ästhetische Reaktion auf die „Entzauberung der Welt“ (Max Weber) ist eine nach 1918 offenbar dringend benötigte restaurative Vision einer ständisch-hierarchischen, im Transzendenten verankerten Gemeinschaft, eine Gemeinschaft als Abbild des göttlichen Ordnungswillens, in der zwar theoretisch auch die Herrschenden aufgefordert sind, „Recht“ zu tun, praktisch aber die gesamte Last des „Recht“-Tuns bei den a priori Benachteiligten bleibt.

Die Botschaft, die von Salzburg ausstrahlen sollte, war gemäß Hofmannsthalscher Synthese- Beschwörungen gedacht, „um das naivste Publikum ebenso zu fesseln wie den Höchstgebildeten“.[2924] Mit seiner Kunst vor dem Dom, in der Kollegienkirche und dann im Festspieltempel sollte „dieser[...] außerordentliche[...] Wirrwarr inkohärenter Individuen und Denkarten zu einem Publikum amalgamiert“ werden. „Das Verdienst, diesen Wirrwarr [...] zu einem vollkommen einheitlichen und wahrhaft naiven Publikum [amalgamiert zu haben], das sich in fast kindlicher Weise ‚nehmen ließ‘, liegt ganz bei der Inszenierung Reinhardts“, schreibt Hofmannsthal in einem seiner „Wiener Briefe“.[2925] Michael Steinberg spricht in diesem Zusammenhang zur Recht von „a romantic redefinition of society as a community, an aesthetic totality.“[2926]

9.18.4. as Salzburger Festspiel als konservativ-revolutionäre Antwort auf den Krieg

Von Salzburg aus, dem „Herz[en] vom Herzen Europas“[2927] , sollte die Botschaft des „Welttheaters“ in die Welt ausstrahlen. Hofmannsthals „Salzburger Großes Welttheater“ kann man als Versuch verstehen, nach dem Zusammenbruch und Auseinanderbrechen des Habsburgerreiches im Jahre 1918 und in der Konfrontation mit der neuen Republik, dem kleinstaatlichen Deutsch- Österreich, weltanschauliche und politische Orientierung zu gewinnen, Sinn zu stiften, ein geschlossenes Weltbild zu vermitteln und es als allgemein verbindlich in orientierungsarmer Zeit anzupreisen.

Als das Reich der Habsburger nicht mehr zu retten war und dringend Bedarf nach Selbstverständigung gegeben war, war Hofmannsthals Festspiel ein Beitrag für das, was er selbst „die Sicherung des geistigen Raumes“ nannte,[2928] initiiert und getragen von einem von Hofmannsthal beschworenen „synthesesuchenden Geist“. Dieser, verkörpert in ihm selbst, und in seinem Rückgriff des in barock-katholischer Tradition stehenden Welttheater-Spiels, sollte helfen, diese jetzt als genuin österreichisch markierte Weltbetrachtung feierlich unter der deutsch- österreichischen Nation zu verbreiten, ihr alt-neue Orientierung und damit Stabilität zu verschaffen. „Its purpose was the rediscovery and reconstitution of a transcendent Austrian cultural heritage which would help to bridge the gulf that separated the empire from the small Austrian republic“, schreibt Michael P. Steinberg in seinem Buch „The Meaning of the Salzburg Festival. Austria as Theater and Ideology, 1890–1938“. Kontinuität, Rettung zumindest auf der Bühne, Rettung für Geist und Seele – Restauration oder wie Hofmannsthal formulierte: „Form, eine neue deutsche Wirklichkeit, an der die ganze Nation teilnehmen könne.“[2929]

Die kulturellen Pläne, die Hofmannsthal während des Ersten Weltkrieges entwickelte und nach dem, wie er meinte, Purgatorium des Krieges zusätzlich zu befördern trachtete, bekamen nach 1918 den Stellenwert eines revolutionären Aktes der Sinnstiftung gegen eine der „schwersten geistigen Krisen“, wie sie seiner Ansicht nach die Nachkriegszeit darstellte.

Noch 1915 meinte Hofmannsthal in seiner Antwort auf eine Rundfrage der Stockholmer Zeitung „Svenska Dagbladet“ zum Thema „Krieg und Kultur“, man könne hinsichtlich des Krieges keineswegs davon sprechen, dass Grillparzers Befürchtung „Von der Humanität – durch Nationalität – zur Bestialität“ durch diesen Krieg Wirklichkeit geworden sei. Denn:

„Wir ahnen, dass [...] die geistige Welt dadurch, daß Europa diesen Weg gegangen ist, bereichert wurde um Elemente, deren Kostbarkeit der ‚Humanus‘ des achtzehnten Säkulums weder wahrnehmen noch vermuten konnte.“[2930]

Grillparzer „hätte alles, [...] wovon wir heute den gewaltsamsten und großartigsten Ausbruch erleben, mit Bitterkeit abgelehnt [...] Wir vermögen nicht so zu urteilen.“ Den Krieg nannte er eine „grandiose Dissonanz“, die die Kraft und den Sinn habe, die europäische „Mission Österreichs“ zu beglaubigen. Hoffnungsvoll sei er, Hofmannsthal, denn es gehe im und durch den Krieg darum, „dass neue Autorität zu Tage tritt, dass diese Autorität sich verkörpere [...] in rein geistigen [Formen], dem Wiedererwachen des religiösen Geistes und dem in den Massen latenten Ehrfurchtssinne gemäß“, und dass der „hohe Begriff des Volkes, welchen dieser Krieg uns wieder geoffenbart hat“[2931], wieder zu seinem Recht komme.

Im Jahre 1922 konstatierte Hofmannsthal nun in seinem Aufsatz „Blick auf den geistigen Zustand Europas“ eine der „schwersten geistigen Krisen [...] seit dem sechzehnten Jahrhundert“, also seit der Reformation, einen „schwindelnden Weltzustand.“[2932] Die Nachkriegszeit war für ihn nun aus den Fugen. Das Reden von der „Verantwortung gegenüber den Völkern, die mit uns – um Europas willen und von Europas uraltem Willen her – in die Einheit dieses Reiches gebunden sind“, wie es noch 1915 geheißen hatte, gab keinen Sinn mehr. Wofür Hofmannsthal eingetreten war, nämlich dass sich „ein neues mit ungeahnter Flügelkraft begnadetes Europa [...] aus dem selbstgewollten Brande seines Nestes emporhebe“, war gescheitert. Kein neues Europa gab es, sondern einen deutsch-österreichischen Kleinstaat, eine demokratische Verfassung und nicht zuletzt ein sich den Idealen der bürgerlichen Aufklärung verpflichtet fühlendes, aber sich klassenkämpferisch-revolutionär gerierendes rotes Wien. Dagegen verordnete Hofmannsthal „Bindung“ und „geglaubte Ganzheit“.

Viele Schriften Hofmannsthals – bereits seit etwa 1906/07, insbesondere „Die Briefe des Zurückgekehrten“, aber auch „Der Dichter und diese Zeit“ und „Vom dichterischen Dasein“[2933] – haben Anteil an dem skizzierten Denkraum des Welttheaters. Dazu gehören auch seine apokalyptischen Überlegungen zur „Philosophie des Geldes“, wie er sie, angeregt von Georg Simmels gleichnamigen Thesen aus dem Jahre 1900, angestellt hat, indem er den allegorischen Mammon als fundamentale Lebens- und Wert-Zerstörung begriff: „Hat das Geld [...] nicht die Kraft, sich an die Stelle Gottes zu setzen?“, heißt es in seinen „Notizen zu einer Rede“, die Hofmannsthal im März 1917 unter dem Titel „Die Idee Europa“ gehalten hat.

In der „Rede auf Beethoven“ anlässlich der Wiederkehr des 150. Geburtstages des Komponisten aus dem Jahr 1920, beklagt der Autor dass „die Nation [...] im Geistigen nicht einerlei Sprache“[2934] spreche, sodass sie gar keine habe. Beklagt wird die innere Zerklüftung der Nationen und Völker. Er plädiert für die geistig-seelische „Einheit“ – „wie ein einziger metallener Stab [...] einen vollen Ton gebend unterm Hammerschlag des Schicksals.“[2935]

Und 1927, in seiner Rede „Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation“[2936] , gesprochen an der Münchener Universität, formuliert Hofmannsthal die inzwischen klassisch gewordenen, aber schon in seiner Beethoven-Rede von 1920 in nuce vorhandenen Heilungssätze gegen eine „zerklüftete“ Nation, gegen „Vereinzelung“ und Atomisierung:

„Alle Zweiteilungen, in die der Geist das Leben polarisiert hatte, sind im Geiste zu überwinden und in geistige Einheit überzuführen; alles im äußeren Zerklüftete muss hineingerissen werden ins eigene Innere und dort in eines gedichtet werden, damit außen Einheit werde, denn nur dem in sich Ganzen wird die Welt zur Einheit. Hier bricht dieses einsame, auf sich gestellte Ich des titanisch Suchenden durch zur höchsten Gemeinschaft, indem es in sich einigt, was mit tausend Klüften ein seit Jahrhunderten nicht mehr zur Kultur gebundenes Volkstum spaltet. Hier werden diese Einzelnen zu Verbundenen, diese verstreuten wertlosen (!) Individuen zum Kern der Nation.“

Dies sei eine „innere Gegenbewegung gegen jene Geistesumwälzung des sechzehnten Jahrhunderts, die wir in ihren zwei Aspekten Renaissance und Reformation zu nennen pflegen. „Also: Gegenemanzipatorisches und Gegenreformatorisches ist angesagt. Von nichts anderem sei die Rede als von einer „konservativen Revolution von einem Umfange, wie die europäische Geschichte ihn nicht kennt. Ihr Ziel ist Form, eine neue deutsche Wirklichkeit, an der die ganze Nation teilnehmen könne.“[2937]

Hofmannsthal verwendete ein Wort an prominenter Stelle, was damals in zeitgeistigem Gebrauch war, den Begriff der „Konservativen Revolution“.[2938] Die Forschung zu dieser geistig und institutionell heterogenen Bewegung ist sich in der Skizzierung des geistig-seelischen und politisch-ideologischen Raumes, in dem sich die Konservativen Revolutionäre bewegten, einig. Zumindest von „zwei Bedeutungskreisen“ wird gesprochen.[2939] Als Erstes von dem „engeren, politisch-weltanschaulichen“ Aspekt, in dem die Orientierungen Antiliberalismus, Antiparlamentarismus und -demokratismus, Anti-Kapitalismus und Anti-Rationalismus heißen. Eng damit verknüpft wird ein zweiter Bedeutungskreis hervorgehoben, nämlich der Aspekt einer „ethisch-ästhetischen Rebellion“, eine „Gegenbewegung gegen den Prozess der individuellen und gesellschaftlichen Emanzipation“. 1920 sagte Hofmannsthal in seiner Beethoven-Rede:

„Angegriffen ist diese Nation im Tiefsten [...] Verschuldung fühlt sie gegen den eigenen Genius und will ihr Herz emporheben über die Verschuldung. In den Einzelnen sucht sie sich wieder herzustellen [...] Das Wort der gemeinsamen Sprache, das alle binden sollte zur Einheit, hält alle tausendfach auseinander wie Ketzer und Widerketzer. Die Nation hat im Geistigen nicht einerlei Sprache, so hat sie keinerlei. Ihr fehlt aber und abermals der Seelenmittelpunkt, so liegt sie da, ihres eigenen Daseins nicht mächtig und mit fremden, verworrenen Gedanken wie ein Krankes. Aber die Einzelnen sind des Hohen noch eingedenk, und noch tragen sie in sich aufgebaut den Thron der geistigen Leidenschaft, von wo der glühende Gedanke, nach allen Seiten ausladend, hineilt, zu umfassen ein Ewiges, nie ganz zu Umfassendes.“[2940]

Das „Kranke“ zu heilen, die „verworrenen Gedanken“ zu klären, den „glühenden Gedanken, nach allen Seiten ausladend“ zu verbreiten, „im Geistigen die einerlei Sprache“ befördern – dazu dienten u. a. die Salzburg-Aktivitäten gemäß dem Motto Hofmannsthals, das in seinen „Aufzeichnungen aus dem Nachlass [1928]“steht: „Es handelt sich nicht darum: wie kommt Geist in diese Politik – sondern wie politisiert man diesen Geist.“[2941] Oder anders formuliert: „darum wollen wir Festspiele schaffen, damit das Richtige und der Nation Gemäße hier in zulänglicher Weise getan werde.“[2942]

Das Welttheater im Schoße der Festspiele zu Salzburg sollte ein Ausgangspunkt dieses geistig- seelischen Heilungsprozesses der zerklüfteten Nation sein, indem das Richtige, der Nation Gemäße, das Sichere und Feste vermittelt werde. Hofmannsthal selbst wollte seinen besonderen Beitrag leisten: Dabei stilisiert er sich selbst – Ideen und Terminologie des Literarhistorikers und Stammesideologen Josef Nadler aufgreifend – zu einem jener großen Einzelnen, aus denen eine „süddeutsche Stammeseigentümlichkeit“[2943] durchbreche und zu alt-neuen dichterischen Ergebnissen führe – „ich habe diese Fackel [u. a. im „Welttheater“ K. M.] aufgenommen, die hier bei uns noch glimmend auf dem Boden lag.“[2944] Er habe „den Urtrieb des bayrisch- österreichischen Stammes gewähren lassen.“[2945]

„Der Festspielgedanke ist der eigentliche Kunstgedanke des bayrisch-österreichischen Stammes. [...] Südlichdeutsches Gesamtleben tritt hier hervor; der gewaltige Unterbau ist mittelalterlich, in Gluck war der Vorgipfel, in Mozart war der wahrhaftige Gipfel und das Zentrum: dramatisches Wesen und Musikwesen ist eins – hohes Schauspiel und Oper, stets nur begrifflich geschieden, im Barocktheater des siebzehnten Jahrhunderts schon vereinigt, in der Tat untrennbar. Hier tritt Weimar an Salzburg heran; was an Goethe wahrhaft theatralisches Element war [...] ist ein großartiges Übereinanderschichten aller theatralischen Formen, die dem süddeutschen Boden entsprossen sind: vom Mysterium und der Moralität über das Puppenspiel und das jesuitische Schuldrama zur höfischen Oper mit Chören, Maschinen und Aufzügen. [...] So tritt Weimar zu Salzburg [...] Süddeutsche Stammeseigentümlichkeit tritt scharf hervor und zugleich tritt das Zusammenhaltende vor die Seele. Nicht anders kann als in solcher Polarität das im tiefsten polare deutsche Wesen sich ausdrücken; so war es zu den Zeiten des alten ehrwürdigen Reiches, so soll es wieder sein.“[2946]

Zwischen 1920 und 1927 also: Das Salzburger Welttheater-Projekt und die theatralische Praxis nach dem Motto: „Denn nicht Freiheit ist es, was sie [die Zeitgenossen] zu suchen aus sind, sondern Bindung“. So lautet die verdichtete Formel in seiner Rede von 1927 – das Salzburger Festspiel also eine der „seltsamen Kulturenklave[n]“, „ein apolitisches Politikum ersten Ranges“,[2947] wie es von Friedrich Heer treffend genannt wurde.

9.18.5. Andere zeitgenössische "Bewältigungen"

Nur angedeutet kann hier werden, dass es auch andere zeitgenössische Antworten aus Österreich auf die „Zweiteilungen, in die der Geist das Leben polarisiert hatte“ (Hofmannsthal),[2948] gegeben hat, die jedoch keine „sakralen Erzählungen“ oder gar „Liturgien“ sein, sondern „nur“ schlichte, aber offene Vernunft-Antworten geben wollten. Ich erinnere z. B. an jene „heilige“ Stelle in Arthur Schnitzlers „Professor Bernhardi“ (1912), in der sich der katholische Priester und der assimilierte jüdische Arzt und Wissenschafter, zwei Männer aus zwei nicht homogenisierbaren Welten über den „Abgrund“ hinweg kurz die Hand reichen: „[Bernhardi]: Gott, der Sie – so demütig schuf, und mich – so vermessen, dieser – unbegreifliche Gott wird schon seine Gründe dafür haben [...] [Priester]: „Lassen Sie uns – nicht hinabschauen – für einen Augenblick!“[2949]

Aus 1922, dem Uraufführungsjahr des Hofmannsthalschen „Welttheaters“, stammt Robert Musils Essay „Das hilflose Europa oder Reise vom Hundertsten ins Tausendste“,[2950] eine der scharfsinnigsten Analysen der geistig-seelischen Situation der Nachkriegszeit. Hier wird kein wie immer geartetes Heilungskonzept, angeboten, sondern die Wirklichkeit realistisch gesehen. Ähnlich wie Hofmannsthal spricht auch Musil davon, dass das zeitgenössische Leben „ohne Ordnungsbegriffe“ sei. Er konstatiert die auf keinen Nenner zu bringenden Auseinandersetzungen zwischen dem „ungegründeten Vernunft- und Fortschrittsglauben“ und den „bekannten Fetische[n] der Epoche, der Nation, der Rasse, des Katholizismus, des Intuitionsmenschen, welchen allen negativ gemeinsam ist eine sentimentale Nörgelei am Verstand und positiv das Bedürfnis nach einem Halt“.[2951] Musil spricht schließlich davon, dass das „Projekt Aufklärung“ „auf einer viel zu schmalen Denkensgrundlage unternommen“ worden sei, deswegen zusammengebrochen und einen „platten Schutthaufen“ hinterlassen habe.[2952] Seine Antwort, die er allen metaphysisch verbrämten Konzepten unter Betonung der aufklärerischen Vernunftkategorie entgegenhält, lautet:

„Dies ist nach meinem Glauben die Erkenntnis, welche sich unsere Zeit einbrennen müßte! Die Lösung liegt weder im Warten auf eine neue Ideologie, noch im Kampf der einander heute bestreitenden, sondern in der Schaffung gesellschaftlicher Bedingungen, unter denen ideologische Bemühungen überhaupt Stabilität und Tiefgang haben. [...] es ist gerade in geistigen Kreisen [...] kein Vorurteil so hartnäckig wie dieses, daß an aller Mißentwicklung der Zivilisation und vor allem an der seelischen Zersetzung der Verstand schuld sei, dem sie fröne. [...] Er [der Verstand] selbst ist in seinem Wesen nach ebenso bindend wie zerlegend, ja er ist wohl die stärkste bindende Kraft in den menschlichen Beziehungen, was merkwürdig oft von schöngeistigen Anklägern übersehen wird.“[2953]

Die nicht-allegorischen Positionen Schnitzlers und Musils gehören einer Zwischenposition an, in der Skepsis und (Selbst)-Ironie gegenüber absoluter Wahrheit ihren wichtigen Platz haben und die sich deswegen allen Sakralisierungen enthalten, auch wenn sie „heilige“ Augenblicke zulassen.

9.18.6. Ideologische Verbindungslinien und Instrumentalisierungen

Walter Weiss[2954] hat sowohl auf die gedanklichen und diskursiven Bezüge des Welttheater- Projektes zu Othmar Spanns „Vorlesungen über Abbruch und Neubau der Gesellschaft“ mit dem Titel „Der wahre Staat“[2955] aufmerksam gemacht, die bis in die dreißiger Jahre in mehreren Auflagen erschienen sind, als auch auf die Analogien zur „politischen Doktrin des österreichischen Ständestaates“, wie sie aus der Mai-Verfassung des Jahres 1934 ersichtlich wird.

Bei Othmar Spann hieß es: „Es wäre ein Fehler, wenn wir uns vorstellten, die Zeiten der Renaissance, der Aufklärung, des Kapitalismus seien solche, in der die Geschichte endgültige, absolute Schritte nach vorwärts getan hätte. [...] Darum gilt es, von der hereingebrochenen Atomisierung wieder zur Gliederung, von der Vereinzelung zur ständischen Vergemeinsamung und von der Mechanisierung zum Leben zu gelangen.“[2956] Der erste Satz der Präambel der autoritären Verfassung von 1934 lautete: „Im Namen Gottes, des Allmächtigen, von dem alles Recht ausgeht, erhält das österreichische Volk für seinen christlichen, deutschen Bundesstaat auf ständischer Grundlage diese Verfassung.“

Jetzt aber waren andere, jüngere Dichter da, die die angeblich not-wendende ethisch-ästhetische Umerziehung leisten sollten. Ich erinnere nur an den Fest- und Weihespiel-Dichter Rudolf Henz.[2957]

Die Verwertbarkeit der Ideen von einer „konservativen Revolution“ ging so weit, dass sich sowohl deutschbewusste als auch nationalsozialistische Ideologen über Hofmannsthal hermachten. Paul Kluckhohn und Heinz Kindermann belegen dies jeweils auf ihre spezifische Weise und illustrieren, „was in kritischen Zeiten Sehnsuchts- und Erlösungsformeln vermögen, wenn sich ihrer machtpolitische Vollstrecker bemächtigen [...,] und sollte als Lehrstück dafür dienen, wozu Denkmuster [...] durch angewandte Macht benutzt werden können.“[2958] Während Kluckhohn Ende 1932 in einer Vortragsserie mit dem Titel „Die Wendung in der Dichtung der Gegenwart“ Hofmannsthals Heilungs- und Bindungs-Ideologie als Vorbild für die angeblich moderne „Wendung zu den Kräften des Ursprungs“ (Volk, seiner Wesenheit gemäßen Ideen, Volkstum, Stamm, Landschaft, Familie, göttlicher Weltordnung, Gemeinschaften ursprünglicher Blutsverbundenheit usw.) entdeckt und dafür die von den Völkischen und Nationalsozialisten geschätzten Autoren ins Treffen führt, ordnet Heinz Kindermann Hofmannsthals Ansatz sogar „in die Tradition der Vorläufer zu Hitlers ‚Deutscher Erhebung‘“ ein.[2959] Im Jahre 1933 schrieb Kindermann in seiner Aufsatzsammlung „Des deutschen Dichters Sendung in der Gegenwart“:

„Die Besinnung der Deutschen auf ihre volkhafte Eigenheit [...] vollzieht sich notwendig unter den äußeren Zeichen eines politischen Wandels. Die politische Haltung eines Volkes ist [...] als Ergebnis einer vorangegangenen seelischen Umkehr der Nation möglich. An diesem Wandlungsvorgang [...] haben vorbereitend neben der Politik auch alle anderen aufbauenden Kräfte des Volkslebens teil: die Religion ebenso wie die Kunst, die Wirtschaft ebenso wie die Wissenschaft. [...] Sie alle hatten infolgedessen durch volks- und gemeinschaftsbewußte Leistungen seit langem schon – bewußt oder unbewußt – teil an der allmählich immer stärker werdenden Bereitschaft für das, was Moeller van den Bruck vorzeitig als erlösendes ‚Drittes Reich‘ beschwor, was Stefan George früh schon als ‚Neues Reich‘ herbeisehnte, was Hofmannsthal schon 1927 als ‚konservative Revolution‘ kommen sah, was Schauwecker ‚Aufbrauch der Nation‘ nannte, und was Adolf Hitler nach zähem, vierzehnjährigem Ringen als ‚Deutsche Erhebung‘ [...] durchsetzte.“[2960]

Wahrlich, ein Meisterstück eklektizistischen, politisierenden Missbrauchs der pazifistischen und restaurativen Anliegen Hofmannsthals.

Bindung, Ordnung, das Ganze, Synthese, Einfügen, begnadendes Hinnehmen, Unterordnen, Heilen, Einigen, Bewahren, Amalgamieren, Wiederherstellen versus Zerklüftung, Trennung, Zerstörung, Chaos, Anarchie, Krankheit, Bolschewismus, Aufbegehren – so lauten die Elemente eines polaren Diskurses, in dem in der Nachkriegszeit Salzburg ein Ort sein sollte, von dem aus das christlich-katholische Abendland und die deutsch-österreichische Nation bewahrt oder wiederhergestellt werden sollten. Das dürften auch, als am 19. August 1922, mitten in der Uraufführungsserie des „Welttheaters“, die feierliche Grundsteinlegung für das dann nie errichtete Festspielhaus in Hellbrunn stattfand, die damaligen Repräsentanten von Staat und Kirche, der damalige Bundespräsident und der Salzburger Erzbischof, akzeptiert haben, als sie als Vertreter sozusagen von Thron und Altar in Eintracht „die drei symbolischen Hammerschläge auf den Grundstein“ taten.[2961]



[2896] Erstveröffentlicht unter: [MüllerK 1992]. Vgl. [Fuhrich/Prossnitz 1990].

[2898] Klestil, Thomas: Rede von Bundespräsident Dr. Thomas Klestil zur Eröffnung der Salzburger Festspiele 1991 am 24. Juli 1999. Es ist das Verdienst von Ulrike Tanzer (Salzburg), diese Rede des Herrn Bundespräsidenten als Ausgangspunkt aktueller Auseinandersetzungen um die Salzburger Festspiel-Idee zitiert zu haben. In ihrem Vortrag „Das Spiel von Geld von Moral. Hugo von Hofmannsthals und Felix Mitterers ‚Jedermann‘-Bearbeitungen“, den sie im September 2000 im Rahmen der Tagung „The Austrian Theatre“ am St. Peter’s College/Oxford gehalten hat, verweist sie, ähnlich wie der Verfasser des vorliegenden Aufsatzes, auf die Spannung zwischen aktueller Rezeption und historischen Gegebenheiten. Vgl. [Tanzer 2001].

[2899] [Hofmannsthal 1979h], S. 261. Erstdruck: Verlag der Salzburger Festspielhaus-Gemeinde in Wien. Anonym als Faltprospekt. Klaus Zeyringer nennt dies mit Mircea Eliade („Le sacré et le profane“, Paris 1965) „axis mundi“: „Der heilige Ort als ‚axis mundi‘ – die ‚wahre Welt‘ befinde sich immer im Zentrum.“

[2906] [Musil 1978a], S. 1087.

[2907] [Heer 1981], S. 301.

[2910] Zitiert nach: [Fuhrich/Prossnitz 1990], S. 48.

[2915] [KrausK 1922a]: „Gesprochen vor einer Vorlesung des ‚Talisman‘ am 24. September (1922)“. (Auch in: [Wunberg 1972], S. 304, S. 306.)

[2917] [KrausK 1922b], S. 8. Kraus münzte den zitierten Satz auf Max Reinhardt und Felix Salten.

[2918] [Hofmannsthal 1979a], S. 293f. (Geschrieben für die führende amerikanische Literaturzeitschrift The Dial 74/3 (1923).

[2919] [Kaes 1983], XLVI: „Jenseits der im Verfall begriffenen, allzu vergänglichen zeitgenössischen Werte und Normen hofften die Schriftsteller, neue absolute Bindungen vorzufinden; Mythos und Religion sollten die Verzweiflung an der Geschichte und die rationalistische Zersetzung des Lebens überwinden helfen.“

[2920] Der Bettler ist eine Figur, die nach Hofmannsthals Meinung im Vergleich zur „passiven resignierten“ Fassung des Bettlers in den überlieferten, mittelalterlichen Mysterienspielen eine innovatorische Dimension erhält, und zwar insofern, als er als ein „aktiver Bettler“ auf dem Schaugerüst steht. ([Hofmannsthal 1979a], S. 287.)

[2933] [Hofmannsthal 1993], S. 544–571 (Erstdruck: Morgen. Wochenschrift für deutsche Kultur 1907; Kunst und Künstler. Illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe 1908). [Hofmannsthal 1979c], S. 54–81 (Erstdruck: Die Neue Rundschau 1907). [Hofmannsthal 1979d]. (Aus dem Nachlass).

[2936] Vgl. auch [Hofmannsthal 1980c], S. 632.

[2939] [Rudolph 1971], S. 264ff.

[2941] [Hofmannsthal 1979m], S. 593.

[2947] [Heer 1981], S. 301.

[2951] [Musil 1978a], S. 1087.

[2952] Zu Robert Musil vgl. auch [Kiesel 1989], hier S. 503.

[2953] [Musil 1978a], S. 1092.

[2955] [SpannO 1931], [Vorwort zur zweiten Auflage].

[2957] Schon 1929 wurde Rudolf Henz in seiner Funktion als Referent des „Volksbundes der Katholiken Österreichs“ Mitglied des Programmbeirates der RAVAG, 1931 zum Leiter/Direktor der Wissenschaftlichen Abteilung der RAVAG berufen (Zu Henzens Position als Radiomann vgl.: [Venus 1986]). 1934 wurde Henz Mitglied des Bundeskulturrates und bis 1938 mehrfach ausgezeichnet: Ritterkreuz des Österreichischen Verdienstordens, Ehrenzeichen pro Ecclesia et Pontifice, Ehrenkreuz I. Klasse für Kunst und Wissenschaft. Der biographische Abriss in der 1977 zu seinem 80. Geburtstag veröffentlichten Festschrift über die Zeit der NS Herrschaft lautet: „Besetzung Österreichs durch Adolf Hitler. Nach § 4 (aus politischen Gründen) wird der leidenschaftliche Kämpfer für Österreich fristlos und ohne Pension von der RAVAG entlassen. Militärische Dienstleistung vor dem Krieg (Mai bis Juni 1939) als Oberleutnant des Stabes der VI. Armee; Schriftsteller. Versicherungsagent, dann Vertreter der Tiroler Glasmalerei und Mosaikanstalt; als solcher Mitarbeiter des Denkmalsamtes, Restaurator alter Scheiben (Klosterneuburg, Laxenburg) und Leiter der Bergungsstelle alter Scheiben. Publiziert fünf Romane bei den beiden einzigen katholischen Verlagen „Alber“ (Zweigverlag von Herder) in München und der „Buchgemeinde Bonn“ ([Suchy 1977], S. 5). Rudolf Henz wurde in die RSK aufgenommen (vgl. Reichsschrifttumskammer (Hg.): Schriftsteller Verzeichnis. Berlin 1942, S. 83). Am 20. Dezember 1938 schrieb er in einem Brief an den Hauptamtsleiter Claus Selzner: „Erst im Vorjahre erhielt ich für meine Teilnahme an der olympischen Jury für Dichtkunst mit Dekret des Führers das olympische Ehrenzeichen II. Klasse.“ (Brief von Dr. Rudolf Henz an Herrn Hauptamtsleiter Claus Selzner vom 20. Dezember 1938, BDC, Henz – Im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes Nr. 16.353 – Claus Selzner, * 1899: Stellvertretender Leiter der NSBO, Organisationsleiter der Deutschen Arbeitsfront, SA Führer und Mitglied des Reichstags.) Er habe mit seiner Unterschrift sein „rückhaltloses Eintreten“ für den NS Staat besiegelt: „Als Militärakademiker und gut ausgezeichneter Frontkämpfer werde ich meine Pflicht als deutscher Offizier jederzeit erfüllen. Einen stärkeren Einsatz als das Leben des Soldaten aber kenne ich nicht. [...] Entweder kann ich mich für den Staat einsetzen oder nicht, ein Deuteln gibt es in dieser Frage nicht. [...] Ich möchte auch nicht als ein Ausgestoßener in diesem Reiche leben, schon als deutscher Schriftsteller und Soldat nicht.“ (BDC, Henz. In diesem Akt befinden sich auch kritische und neutrale Stellungnahmen zu Rudolf Henz von der NSDAP Gauleitung Niederdonau, vom Kreispersonalamt der Gauleitung Wien, der Reichsschrifttumskammer [M. Stebich] und diversen Funktionsträgern.)

[2958] [Kleinschmidt 1983], hier S. 470. An einer anderen Stelle heißt es: „Was [Hofmannsthal] als Äußerung der kulturellen Selbstbehauptung dient, die den Willen zum Widerstand gegenüber anders gearteten, als anarchistisch eingeschätzten Tendenzen in der Literatur und Kunst geistig wecken soll [und in die „Welttheater“-Ideologie mündet, K. M.], ist in seiner härteren und machtpolitisch orientierten Lesart das Gedankengut der völkischen Rechten und dann auch der Nationalsozialisten gewesen.“ (S. 473)

[2959] [Kaes 1983], S. 489.

[2960] [Kindermann 1933], S. 7. – Hans Hinkel, seit dem 30. Jänner 1933 der neue Staatskommissar im Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, gab dieser Publikation sein „Geleit“ mit auf den Weg: „In den Stunden, da diese Zeilen geschrieben werden, dröhnt durch Deutschland der Marschtritt der Regimenter der nationalen Revolution. Das Volk ist im Aufbruch. [...] Was an Morschem gestern noch Ewigkeiten zu überdauern schien, die erwachende Nation fegt es beiseite. Die Gemeinschaft all der Künder deutscher Art ist im Werden. [...] Nichts nützt den Feigen, Lauen und Absterbenden ihr Gegröle von ‚deutscher Barbarei‘. Vor dem lebendigen deutschen Volkstum zerstiebt das Gejammer der Ewig-Gestrigen. [...] Wieder hält die Welt vor Deutschland, das zu sich fand, den Atem an. Der Spuk der Wurzellosen ist zu Ende. Steht der Dichter im Volk, dann steht das Volk um ihn, für ihn.“ (Hans Hinkel, Berlin am Tag von Skagerrak 1933).

This document was generated 2022-07-27 10:33:19 | © 2021 Forum Salzburger Volkskultur | Impressum