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11.12. Richard Andree: Ratschen, Klappern und Karfreitagsglocken

11.12.1. Richard Andree (1835–1912) (Ulrike Kammerhofer-Aggermann)

Richard Andree zählt zu den Vorläufern der Volkskunde im 19. Jahrhundert und führt uns damit in eine Zeit, in der sich das, was sich heute Volkskunde / Europäische Ethnologie / Vergleichende Kulturwissenschaft nennt, aus vielen, oft recht verworrenen Strängen, zu entwickeln begann. Der Braunschweiger Geograf und Ethnologe Richard Andree schloss sich der Lehre des Arztes und Ethnopsychologen Adolf Bastian (1826–1905) an. Er „versuchte, ethnographische Parallelen als über die ganze Erde verbreitete gleichartige Erschienungen auf dem Gebiet der Orakel, Bauopfer, des Vampyr- und Werwolfglaubens zu identifizieren, ohne indessen nach sozialer Eingebundenheit und Funktion zu fragen“.

So finden wir auch in Andrees Arbeiten frühe Ansätze der Völkerpsychologie, der Suche nach allgemeingültigen menschlichen Grundvorstellungen, den „Elementargedanken“, die heute vielfach überholt sind. Dennoch ist der Ansatz Andrees gegenüber dem „alles bewegenden Volksgeist“ der Romantiker oder dem von Fruchtbarkeitsmagie bewegten der Mythologen bereits wissenschaftlicher und moderner, bezieht er doch erreichbare Quellen mit ein, auch wenn die Quellenverwendung nicht immer heutigen Kriterien entspricht.[4071] Daher nennt Christoph Daxelmüller die Methode, die Richard Andree und seine Frau Marie Andree-Eysn für die Erhebung katholischer Frömmigkeit in Bayern (teils auch Salzburg) verwendeten, die „vergleichend-ahistorische Methode“. Die ethnografischen Parallelen erhielten „absoluten Vorrang vor der konkreten historischen, kulturellen und sozialen Einordnung“.[4072]

Richard Andree und Marie Andree-Eysn haben auf diese Weise aber viele Quellen aufgesucht und bearbeitet und einen frühen ethnopsychologischen Ansatz vertreten. Durch sie kam auch Rudolf Kriss zur Volksglaubensforschung, der durch seine Sammlung zur religiösen Volkskunde, die heute Bestandteil des Bayerischen Nationalmuseums in München ist, sowie durch seine Tätigkeit als Heimatpfleger von Berchtesgaden für unsere Region von Bedeutung ist. Kriss suchte mit psychologischer Zielsetzung nach dem „Überlieferungsgebundenen Anteil“ in den Hochreligionen und wandte sich bald außereuropäischen Forschungsbereichen zu.[4073] Diese Forschungen wurden auch als Angriff auf die biologistische Sichtweise der nationalen Strömungen verstanden und Rudolf Kriss wurde dafür ins KZ gebracht, entging aber glücklicherweise dem bereits verhängten Todesurteil.[4074]

Im folgenden Beitrag findet sich vielfach der ahistorische Vergleich, der die unterschiedlichen Bezugsbereiche und Einflusssphären der ähnlichen oder gleichen Erscheinungen oft außer Acht lässt. Dennoch bringt der Beitrag eine Fülle historischer Dokumente als Belege des Ratschens, die die Genese eines religiösen Brauches darstellen und einer pauschalen Zuweisung unter „germanische Lärmzauber“ widersprechen.

11.12.2. Richard Andree: Ratschen, Klappern und das Verstummen der Karfreitagsglocken[4075]

In die neuerdings von den Ethnographen vielfach besprochenen „Kulturkreise“ wird oft recht Zweifelhaftes hineingeheimnisst. Solchen mit einem Fragezeichen versehenen Kreisen können aber andere gegenübergestellt werden, die durchaus einen sicheren und auch geschichtlich nachweisbaren Zusammenhang haben, und dafür liefert uns die großartigste Organisation, die wir kennen, die katholische Kirche, ein Beispiel. Ihre Gebräuche und ihre Geräte gehen gleichförmig durch die ganze Welt, der schwarze Priester auf Haiti liest seine Messe so, wie der weiße in Rom, wobei allerdings bald feinere, bald gröbere Abweichungen zu bemerken sind, die durch Milieu und Rasse bedingt werden, ein Kapitel, dem einmal nachzugehen eine lohnende Aufgabe für einen Ethnologen wäre. All der Schmuck und Prunk, den jene Kirche ihren Gläubigen bietet, wiederholt sich in der alten, wie in der neuen Welt. Wie anziehend wirken bei uns zur Weihnachtszeit die „Krippen“ der katholischen Kirchen, und ins Indianische übersetzt kann man sie z. B. in Mexiko finden, dessen schöne Wachsfiguren auf spanische Krippen zurückgehen.[4076] Der Rosenkranz, buddhistischen Ursprungs, ist durch die katholische Kirche über die Erde verbreitet worden, und der „bekehrte“ Melanesier oder Indianer hat ihn, der ohnehin an seinen Schmuck anklingt, sich zum lieben Alltagsgerät erkoren. Als Keller-Leuzinger[4077] den brasilianischen Madeirastrom hinauffuhr, übten sich seine indianischen Ruderer in der Kunst, Rosenkranzperlen zu schnitzen und zu durchbohren, eine Kunst, die aus längst eingegangenen Jesuitenmissionen stammte. Wie das eindrucksvolle Ritual der katholischen Kirche von den Jesuiten im 16. Jahrhundert nach Japan übertragen wurde, wie man dort den Gottesdienst ganz wie in Europa handhabte, erkennen wir aus zahlreichen Briefen der damaligen Missionare; in der geschicktesten Weise verstanden diese es, alles dem Japaner zu akkommodieren, althergebrachte Formen beizubehalten und mit neuem, christlichen Gehalte zu erfüllen, wobei allerdings auch manche weniger nützliche und erbauliche Bräuche, wie die Geisselung, mit unterliefen. Aber auch hier wie in Europa verstummten in der Osterwoche die Glocken, wurden die Wände der Kirchen verhüllt und ertönten unter dem englischen Lobgesange erst am Karsamstage die Glocken wieder.[4078] Es ist dies ein Brauch, der seit alters ungemindert durch die ganze katholische Christenheit geht und eine Anzahl volkstümlicher Gebräuche im Gefolge hat, von denen hier die Rede sein soll.

Die Glocken verstummen [Anm.: Überschrift dem Original zugefügt]

Am Donnerstag vor Ostern setzte Jesus Christus das Abendmahl ein und ging dann nach dem Ölberge. Coena domini wird der Tag zur Erinnerung von der Kirche daher genannt. Bei der Messe läuten, unter dem englischen Lobgesange Gloria in excelsis, noch alle Glocken und die Orgel spielt feierlich. Aber sofort nach dem Schlusse des Lobgesanges verstummen allüberall, wo katholische Kirchen stehen, die Glocken zum Zeichen der Trauer, um erst am Karsamstag beim Gloria in der Messe wieder freudig zu erschallen. Und als ein weiteres Zeichen der Trauer in jenen drei Tagen werden nach der Vesper am Grünen Donnerstag alle Altäre ihrer Zierden beraubt, die Bilder werden verhüllt, und nur ein Kruzifix bleibt sichtbar, als Zeichen, dass Jesus am Abend dieses Tages, seiner Jünger beraubt, allein und verlassen war und am folgenden Tage entblösst am Kreuze hing. Trauer und Stille herrscht ringsum, vermisst wird der gewohnte Klang der Glocken, und die Sage bemächtigt sich ihrer, fragt, was aus ihnen geworden ist.

Glocken haben in der Sage von jeher eine wichtige Rolle gespielt. Man hat sie, die ja getauft sind, sich als eine Art belebter Wesen vorgestellt, die selbständig handeln können. Sie beginnen von selbst zu läuten, wenn ein wichtiges Ereignis bevorsteht, ein hervorragender Mann stirbt, ein Feind der Stadt naht. Sie haben Stimmen, ihrem Klang legt man Worte unter, sie bannen Gewitter, vertreiben böse Geister.[4079] Besonders verbreitet sind die Sagen von der Romreise der Glocken, welche mit unserm Thema zusammenhängen.


Nach Mitte der heiligen Wochen
Ziehn alle Glocken nach Rom,
Vom Glöcklein der Waldkapelle
Bis zur Riesenglocke im Dom.

So heisst es bei uns, und im vlämischen Belgien sprechen die Kinder:

Op witten donderdag / Gaan de klokken naar Roomen
All over hagen en boomen, / En Paschavond komen ze te huis.

Während, zum Zeichen der Trauer um den Tod des Herrn, vom Mittwoch bis zum Karsamstag die Glocken schweigen, erfolgt ihr lautes Getön wieder zur Feier der Auferstehung. Was geschieht mit ihnen in der Zwischenzeit? Hier und da ist wohl die Rede davon, dass die Glocken dann „sterben“;[4080] aber allgemein ist der Glaube an ihre Romreise, und ihr Aufenthalt in der ewigen Stadt wird sehr verschieden ausgeschmückt.

Nach Meinung der Pfälzer Kinder halten sie sich dort auf, um zu beichten und Milchbrote zu essen,[4081] und die Lothringer Kinder wissen, dass sie dort sogar Mahlzeit mit dem Papste halten.[4082] Sehr weit verbreitet ist der Kinderglaube, dass bei ihrer Heimkehr die Glocken die Ostereier mitbringen. In der Tuchmacherstadt Aachen wünschen sich die Kinder aber etwas anderes. Wenn die dortige Marienglocke nach Rom reist, werfen die Kinder ihr ein Stückchen Tuch nach und bitten sie, ihnen dafür ein neues Kleid am Karsamstag zurückzubringen.[4083] Selbst zum Transport von Menschen werden die Glocken benutzt; denn in der Bretagne erzählt man sich von einem Glöckner, der auf einer Osterglocke rittlings die Fahrt nach Rom machte.[4084]

Klappern, Ratschen und anderes [Anm.: Überschrift dem Original zugefügt]

Aber, wenn auch die Glocken verstummt sind und nicht mehr die Gläubigen zur Kirche rufen können, wenn selbst die Schellen und Altarglöcklein im Innern der Kirche nicht mehr erklingen dürfen, der Dienst der Kirche feiert nicht und geht seinen Weg. Da müssen andere Zeichen für die Gläubigen an Stelle des Glockenklanges treten; es ertönen, aber niemals harmonisch, andere Geräte, zum Teil uralter Herkunft aus der Vorglockenzeit. Das sind die Klappern und Ratschen für den Handgebrauch und die größeren Schallbretter, Tafeln und deren Nachfolger statt der Turmglocken. Ihr Gebrauch geht in das frühe Mittelalter zurück, wofür mehrere Beispiele vorliegen, von denen nur eines, auf die Karwoche bezügliches hier mitgeteilt werden soll. Es ist uns überliefert durch Symphosius Amalarius von Metz, der, ein Franke von Geburt, Schüler Alkuins war und um 857 starb. In seinem Hauptwerke De ecclesiasticis officiis libri IV, 21, das dem Kaiser Ludwig gewidmet war, ist davon die Rede, dass durch den Klang der sehr alten Schallbretter das Volk zur Kirche berufen wurde.[4085] Eine Andeutung in der Richtung, dass schon im 13. Jahrhundert vor der Osterzeit (und auch vor Weihnachten) Knaben auf den Straßen Lärm vollführten, um das Fest anzukündigen, finden wir bei Berthold von Regensburg;[4086] wenn auch nicht gesagt wird, dass es während des Schweigens der Glocken geschah und die Instrumente tubae waren.

Allgemein werden in der katholischen Welt an jenen drei Tagen heute jene Geräte als Glockenersatz benutzt, die wir zusammenfassend als Klappern und Ratschen bezeichnen wollen, und deren Benutzung mit vielerlei volkstümlichen Gebräuchen verknüpft ist. Sie führen, je nach Volk und Landschaft, zahlreiche verschiedene Benennungen, meist onomatopoetischer Art, sind mit dem Katholizismus über die Erde gewandert, nach Ost und West, und bilden den Kulturkreis der Ratschen. Ehe ich zu den sehr verschieden gestalteten Geräten selbst übergehe und die Lieder und Gebräuche bespreche, mit denen die Zeit des Glockenverstummens bei uns ausgefüllt wird, will ich an einem Beispiele zeigen, wie diese katholische Sitte sich in einem fernen Lande äußert, wo sie von christlichen Spaniern zu einem heidnisch-indianischen Volke gebracht wurde. Auch in Mexiko schweigen am Gründonnerstag nach der Nachmittagsmesse alle Glocken und verschwinden selbst die lärmenden Wagen von der Strasse. Statt dessen wird auf dem Turme der Kathedrale eine mächtige hölzerne Maschine gleich einem Wasserrade, la Matraca (die Rassel), errichtet, welche nun die Stunden angibt und statt des Läutens, bedient von ein paar Sträflingen oder Soldaten, ihren unharmonischen Lärm ertönen lässt. Das Rasseln steckt an, und zur Feier des Osterfestes ergreift jedermann, Alt und Jung, Hoch und Niedrig, eine kleine Rassel und zieht damit durch die Strassen, um dem Judas auf diese Art die Knochen zu zerschlagen; Judaspuppen, entweder von spanischen oder aztekischen Typus, werden verkauft, man hängt sie oder verbrennt sie. Es sind alte, einige Jahrhunderte zählende Typen, an denen der Mexikaner keinerlei Veränderung vorgenommen hat.[4087] Das Judasbrennen und die Ostereier sind aber allenthalben in der katholischen Christenheit dem Osterfeste folgende volkstümliche Gebräuche, auf die ich aber hier nicht näher eingehen kann.[4088]

Die Glocken sind also für drei Tage verstummt, und an ihre Stelle treten die Lärmgeräte in zweierlei Art. Erstens die grosse, meistens auf dem Kirchturm stehende Ratsche, welche die Tageszeiten zu verkündigen und den Beginn des Gottesdienstes anzuzeigen hat. Zweitens statt der im Inneren der Kirche beim Gottesdienste benutzten kleinen Schellen und Glöcklein eine zumeist hinter dem Altar versteckte Ratsche oder Klapper. Die Turmratsche gewöhnlich vom Mesner, die kleinen Geräte von den Ministranten bedient.

Ratschensprüche [Anm.: Überschrift dem Original zugefügt]

Genügt aber die große Turmratsche nicht oder ist sie überhaupt nicht vorhanden, dann übernehmen es die Ministranten und ihnen befreundete Schulknaben, in ihrer Weise Stundenzeit und Beginn des Gottesdienstes mit Handratschen und Handklappern im Orte auszurufen, währenddem sie nicht vergessen, auch Gaben zu heischen, meistens Ostereier. Dabei fehlen aber auch fromme Ermahnungen und fromme Lieder nicht, die in Deutschland vielfache Übereinstimmung zeigen: dass bei diesen Umzügen auch Lieder mit unterlaufen, die aus Missverständnis in die Osterzeit verlegt wurden,[4089] aber ursprünglich einem anderen Feste oder Heiligen angehören, ist eine häufig beobachtete Sache. Im nachstehenden Liede der Ratschbuben aus Friedland in Nordböhmen gehört z. B. nur der erste Vers der Osterzeit an, während der Rest einem Dreikönigsliede entnommen ist:


Klapper, klapper Gründodsch!
Bin ein kleiner König;
Gebt mer ne zu wenig,
Lasst mich ne zu lange stehn!
Muss a Häusl weiter gehn.

Sehr weit durch Süddeutschland ist der fromme Spruch der Ratschbuben verbreitet:

Wir ratschen, wir ratschen, den englischen
Gruss,
Den jeder katholische Christ beten muss.
Fallt nieder, fallt nieder auf eure Knie
Und betet fünf Vaterunser und Avemarie!

Die Tageszeit wird auch unter Ratschen mit bestimmten Sprüchen ausgerufen und dabei gesagt, ob es sich um die Morgen-, Mittags- oder Abendglocke handelt, wie in den Orten an der preußisch-holländischen Grenze.[4090] Schon am frühen Morgen sind die Ratschbuben bei ihrer Arbeit. So rufen sie in Ranschbach bei Landau in der Pfalz:


Steht auf ihr Leut! ’s isch Betenszeit,
Der Tag fängt an zu bleichen
Für die Armen und die Reichen
Betglock.[4091] 

Besonders wird die Mittagsglocke durch starkes Ratschen hervorgehoben, damit jeder Gläubige dann den Hut ziehen kann.

Mittagsglock
Rosestock.
Wenns nicht klingelt,
Da rappelts doch,

heißt es in Deutsch-Lothringen am Gründonnerstag, während am Karfreitag gerufen wird:

Mittagsglock
Bohneblatt,
Iwermorje ischt Oschtersunntag.[4092] 

Zum letzten Male spielen an manchen Orten die Ratscher ihre Rolle in der Nacht vom Karsamstag zum Ostersonntag. Noch einmal ertönen ihre Geräte mit dem Rufe: „He Leute, stehet auf, es ist Ostertag“ in den Eifeldörfern[4093] und zu Delbrück bei Paderborn singen dann die „Klapperjungen“ laut in die Osternacht hinaus: „Stohet, up, jung un olt, dainet Guod, dem heeren“![4094] Anderwärts übernahmen es die mit den Ratschen versehenen Nachtwächter, den Auferstehungsgruss um Mitternacht auszurufen, so in der alten Deutsch-Ordensstadt Lauchheim in Württemberg, wo sie sangen:


Die Glocke hat geschlagen,
Das ist zur halben Nacht,
Der Herr ist auferstanden
Und hat gross Genad euch bracht.

Zu einem neuen Leben
Macht eure Seel parat!
Bewahret Licht und Feuer,
Dass euch beschieht kein Schad.[4095]

Aber während des Ratschens wird auch für die Mühewaltung der Lohn verlangt, wobei es meist die Ostereier sind, auf welche es abgesehen ist.

Da komme de arme Rätscherknechte,
Suchen ihre Hasenrechte.
En dutzend Eier isch nit se viel,
Rätschen is ken Kinderspiel,

rufen sie in Deutsch-Lothringen,[4096] und in Schlesien (Neurode) heißt es:

Gelobt sei Jesus Christus zum grünen
Donnerschtije!
Seid gebäta ema Honigschnite,
A Usterae derzune,
Do seit-r-ne schine Muhme;
Umma Ziega-âttr (Ziegeneuter)
So seit-r-a guder Vetter.[4097] 

Mit diesen Beispielen dürften die wesentlichen Typen der sich ziemlich gleichbleibenden Rätschlieder und Sprüche gekennzeichnet sein.

Bei den Protestanten [Anm.: Überschrift dem Original zugefügt]

In protestantischen Ländern ist die katholische Sitte des Verstummens der Glocken in der Osterwoche abgekommen, damit sind auch die Ratschbuben verschwunden, aber sie leben noch in den mit Versen und Liedern auftretenden Ostereiersammlern. Hier und da haben sich Nachklänge aus katholischer Zeit erhalten, wie ja noch so mancher katholische Brauch im Bereiche der evangelischen Kirche in einzelnen Sitten sich, wenigstens rudimentär, erhielt (Wallfahrten, Quellenverehrung, Opfer, Märkte an Heiligentagen, Fastenspeisen u. dgl. – ein besonderes Kapitel). Wenn im Schaumburger Lande junge Burschen den Kirchturm besteigen und statt des Läutens die Glocken mit Hämmern schlagen, was dort „bimmeln“ heisst, so ist dieses vielleicht dorthin zu rechnen; es geschieht allerdings nicht zu Ostern, sondern Weihnachten.[4098] In dem evangelischen Orte Beuern in Hessen liessen, trotz mehrfacher Verbote im 18. Jahrhundert, sich die Burschen es nicht nehmen, gewaltsam in die Kirche einzudringen, um am Ostermorgen „den Has auszuläuten“, eine Entartung der ursprünglich ernsten Sitte.[4099] Und auch als Nachlang der katholischen Ostersitte kann man es betrachten, wenn die Sage im protestantischen Visbeck in Oldenburg und zu Neukirchen in der Wiedingharde, Holstein, erzählt, die in Sümpfen oder Teichen versunkenen Glocken erhielten am Ostertage ihre Stimmen wieder.[4100] Ebenso ist wohl auch als Überlebsel aus katholischer Zeit zu betrachten, wenn am Karfreitag in Fishlake, einem Dorfe an der Südostküste von Yorkshire, die Glocken früh morgens um 8 Uhr nicht wie gewöhnlich zur Kirche rufen, „but the great bell of the church is solemnly tolled as for a death or funeral“.[4101]

Ratschentypen [Anm.: Überschrift dem Original zugefügt]

Im katholischen Kirchendienst muss man, wie schon kurz bemerkt wurde, nach Grösse und Funktion zweierlei Arten von Ratschen unterscheiden, die grossen und die kleinen. Die ersteren dienen dazu, die verstummte Kirchenglocke zu ersetzen, stehen gewöhnlich auf dem Turme der Kirche, zeigen die Stunden an und rufen zum Gottesdienst. Die kleineren dagegen sind die Handratschen und Handklappern, die innerhalb der Kirche, bei der Messe, Wandelung usw. von den Ministranten bedient werden, während die grossen Turmratschen meist vom Mesner in Bewegung gesetzt werden. Können diese grösseren Geräte aus irgend einem Grunde nicht auf dem Kirchturme angebracht werden, dann stehen sie gewöhnlich vor der Kirche, auf dem Freithofe usw. Sie heißen dann in Bayern „Standratschen“.[4102]

Auch die grossen Turmratschen sind je nach den verschiedenen Ländern von verschiedener Art. Da es sich nur darum handelt, die in der Osterwoche verstummten Glocken zu vertreten, so hat man statt der gewöhnlichen Ratschen auch ganz andere Lärmmacher an ihre Stelle gesetzt. Aus der Kirche St. Cerneuf in Billom (Auvergne) finde ich dafür die Strombusschnecke erwähnt, anderwärts in Südfrankreich eine Art Posaune und in Spanien die Zambomba, eine grosse Trommel. Auf Korsika schiesst man sogar, um die Zeit des Kirchgangs anzuzeigen.

Gewöhnlich sind die grossen Lärmgeräte auf den Türmen auch richtige Ratschen, die durch Drehen in Bewegung gesetzt werden. Eine solche in Habelschwert in Schlesien nimmt einen Flächenraum von 0,75 x 1 m ein.[4103] In München kann man sie mitten durch den Strassenlärm in der Osterwoche hören. Zuweilen handelt es sich um Ratschen, die zweierlei Töne, einen dumpferen und einen helleren, abgeben. Eine solche Doppelratsche ertönt z. B. vom Kirchturme zu Mittel-Darching bei Holzkirchen in Oberbayern. Die Fig. 1[4104], die ich von ihr hier gebe, lässt erkennen, wie die zwei Töne entstehen, für deren Hervorbringung je eine besondere Kurbel den Apparat in Bewegung setzt.

Geografische Verbreitung [Anm.: Überschrift dem Original zugefügt]

Dass ursprünglich statt der mit der Hand gedrehten Ratschen die mit Klöppeln geschlagenen Schallbretter benutzt wurden, lässt sich nachweisen. Im katholischen Teile Württembergs, Rottenburger Gegend, heisst das Gerät Karfreitagsratsche oder Dofel. Der ganze Apparat besteht aus einem kastenförmigen Resonanzgehäuse, über dem eine zackenbesetzte Walze mit einer Kurbel gedreht wird, an der langgestielte Hämmer abgleiten, die ein starkes Geräusch hervorbringen.[4105] Aber die Bezeichnung Dofel (Tafel) deutet sicher darauf hin, dass man in jener Gegend ursprünglich ein Schallbrett anwendete, für welches in Süddeutschland der Ausdruck Tafel gebräuchlich ist. Man gebrauchte „täfern“ geradezu für das Läuten und Ratschen, wofür Schmeller[4106] einen Beleg vom Jahre 1519 aus dem Kloster Tegernsee anführt. Man „täferte“ dort in der Karwoche und beim Tode eines Klosterinsassen. Die grösseren Tafeln standen wohl auf dem Kirchturme, und wir haben ein Zeugnis dafür, dass sie geradezu „Char-Freytags-Glocken“ genannt wurden. So berichtet Rehtmeyer,[4107] dass unter den 17 Glocken des Braunschweiger Doms die Karfreitagsglocke „eine hölzerne gewesen, davon hängt noch (1707) ein hölzerner Hammer und ist nur am Char-Freytag, da andere Glocken nicht gezogen werden, im Papstthum damit geläutet.“ Wie der Hammer andeutet, muss es sich um ein geschlagenes Schallbrett gehandelt haben, um keine hölzerne „Glocke“. – In der Schweiz heisst (im Frei- und Kelleramt) das grosse auf dem Kirchturme aufgestellte Klappergerät, der Ersatz der Osterglocken, Rafele. Es ist dort schon im 18. Jahrhundert belegt.[4108]

Was nun die kleineren, von den Knaben in der Osterwoche benutzten Handratschen und Handklappern betrifft, so sind sie, wie schon diese beiden Ausdrücke andeuten, gewöhnlich von zweierlei Art und im landschaftlichen Gebrauche geschieden. Die Typen beider sind aus den Fig. 2 und 3 erkenntlich. Die Klapper ist das einfachere Gerät, das ursprüngliche, das aber auch schon eine Entwicklung durchgemacht haben muss, da es zunächst nur aus einem mit einem Hammer oder Klöppel mit der Hand geschlagenen Brett bestand. Dabei waren zwei Hände nötig; brachte man aber den Hammer über dem Brette in einem Scharnier beweglich an und schwang das Brett an einem Stiele, so war die heutige Klapper fertig, die mit einer Hand regiert wird. Als schon etwas komplizierter Mechanismus ist die Ratsche jünger als die einfachere Klapper. Bei der Ratsche entsteht der Ton dadurch, dass eine Anzahl elastischer Holzfedern oder nur ein dünnes Holzbrettchen gegen ein kleines Kammrad stossen, wobei die Bewegung des letzteren durch Drehen des Stieles mit der Hand hervorgebracht wird. Bei beiden Geräten ist der hervorgebrachte lärmende Ton sehr verschieden; er wird durch die Benennungen gekennzeichnet, die somit onomatopoetisch sind (klapp-klapp und rätsch-rätsch). Und solcher Art sind auch die verschiedenen mundartlichen Ausdrücke[4109] für das Gerät, wie aus der nachstehenden Zusammenstellung ersichtlich, die auch einige Anhaltspunkte für die geographische Verbreitung der Geräte gibt.

Geografische Verbreitung [Anm.: Überschrift dem Original zugefügt]

Kleppe oder Rauspel, einfache Klapper oder Rassel mit Kammrädchen an der deutsch-holländischen Grenze. [Zeitschrift des Vereins für rheinische und westfälische Volkskunde] 5 (1906), S. 148.

Klenkel, deutsche Gegend von Znaim in Mähren. [ÖZV 1895] 2 (1896), S. 310.

Klätter, „hölzerne Klapperorgel“ zu Delbrück bei Paderborn. [Zeitschrift des Vereins für rheinische und westfälische Volkskunde] 4 (1905), S. 21.

Kläpper oder Ratzeln in Deutsch-Lothringen, wogegen in Metz 1716 und 1758 Polizeiverordnungen erlassen wurden. [Lerond 1894], S. 62.

Klibberklaber oder Jarr, hölzerne Klapper in Luxemburg. [Fontaine 1883], S. 37.

Chlofele in Jonen, Schweiz, hölzerne Klapper, deren sich der Ministrant statt der Klingel in der Kirche bedient. [Schweizerisches Archiv für Volkskunde] 9 (1901), S. 144.

Rätschen im Kanton Glarus, der hinter dem Hochalter versteckte Klopfer. [Schweizerisches Archiv für Volkskunde] 4 (1898), S. 269.

Bilapp, ebenso in Merenschwand, Schweiz. [Schweizerisches Archiv für Volkskunde] 9 (1901), S. 144.

Klepaty, Klappern, ein mit Klöppeln geschlagenes Brett, wird von den Ruthenen in den Ostkarpaten benutzt statt der in der Osterwoche schweigenden Glocken. [Kaindl 1902], S. 244.

Gipe-Gep, hammerartige Handklapper in der Rottenburger Gegend Württembergs, wie Fig. 2. [Mitteilungen aus dem Verein der Königlichen Sammlung für Deutsche Volkskunde zu Berlin] 2 (1906), S. 163.

Schubklapper, Rumpel, Schnurre im nordwestlichen Deutsch-Böhmen. [John 1905], S. 59.

Klebern, das nachstehend näher beschriebene und abgebildete Gerät, welches nach G. Zeller ([Zeitschrift des Vereins für Volkskunde] 12 (1902), S. 215) im Salzburgischen hauptsächlich als Essglocke, aber auch während der Karwoche Verwendung findet (wo nicht durch Ratschen verdrängt). Im Brixental heisst dieses Schallgerät Klebei oder Klapperl. Einem vortrefflichen Kenner der Salzburger Volkskunde, Herrn Fachlehrer K. Adrian, verdanke ich nähere Auskunft über die Klebern, die er schon in der [Zeitschrift des Vereins für Volkskunde] 13 (1903), S. 436 besprochen hat, über die aber unter Beifügung von Fig. 4 und 5 nach seinem Briefe noch näheres gesagt werden kann. Die Klebern dient zunächst keinem kirchlichen Zwecke, sondern vertritt die Essglocke. Sie fand sich (denn jetzt ist sie nur durch Exemplare im Salzburger Museum vertreten) vereinzelt in der Gegend von Fuschl (Flachgau), häufiger im Oberpinzgau von Piesendorf bis Krimml. Im Pinzgau wurde sie auch Klapper, Schepper, hauptsächlich aber Glagl genannt. Meist war sie aus Ahornholz verfertigt, in ihrem vorderen Teil ausgehöhlt und mit einem an einem Lederriemen hängenden Holzklöppel (oder einer Bleikugel) versehen, der auf die Schallplatte aufschlug (Fig. 4). An dessen Stelle trat auch ein im Scharnier schwingender Holzhammer, wie ein Exemplar des Salzburger Museums aus Aufhausen bei Piesendorf im Pinzgau zeigt (Fig. 5). Diese größeren, 20 cm langen und 7 cm breiten Klebern haben aber, wie K. Adrian betont, kirchlichen Zwecken nicht gedient, dafür sind die kleineren, auf dem gleichen Prinzipe beruhenden Klappern da, bei denen der Hammer auf ein einfaches, nicht durchhöhltes Brett schlägt. Sie dienen in den letzten Tagen der Osterwoche statt der Altarglocke.

Klabatter (Aachen) bei [GrimmJ/GrimmW 1873], S. 887. Vgl. Kläpfelein, Klepfl, 965 Klapper bei [GrimmJ/GrimmW 1873], S. 955 und Schärre in [Meyer 1900], S. 100.

Klabbaerd, Klepberd, Klappe, Klippe, die in den Niederlanden vielfach gebräuchlichen Ausdrücke, mit denen am „Mitten Donderdag“ (unserm Gründonnerstag) die Knaben, Ostereier sammelnd, den Ort durchziehen. Das Klepberd ist dort etwas umständlicher hergestellt, als bei uns (wie Fig. 6 aus Hedersum), da der Hammer an einer Querschnur befestigt, zwischen zwei senkrechten Pflöcken auf das Schallbrett niederschwingt. [Cock/Teirlinck 1902] 7 (1907), S. 80. Weitere Ausdrücke in den Niederlanden für das österliche Lärmgerät sind: Klater, Kreckeleere, Krakere, Kreckel, Reutelare, Rotelare, Ruttelare. Als Ratel oder Rateltje wird dort besonders das Gerät bezeichnet (Fig. 7), welches unserer Ratsche entspricht. Es ist aber dieser gegenüber vervollkommnet, da es mit einem Resonanzkasten versehen ist. [Cock/Teirlinck 1902] 7 (1907), S. 284.

Rumpeln (Verbum) in Tirol. Nach [HörmannL 1909], S. 53 hat der „Grump Mittich“ seinen Namen von Gerumpe, rumpeln, Lärmmachen, da an diesem Tage bei der abendlichen Rumpelmette (Pumpermette) das erstemal mit den Ratschen „gerumpelt“ oder „gedammert“ wird. An manchen Orten Tirols wird in den letzten Tagen der Karwoche in der Kirche die „Dammermette“ gefeiert. „Dabei werden eine Anzahl Schlegel hinter dem Altar versteckt gehalten, bis die letzte Kerze verlöscht ist. Hierauf holt sich jeder einen oder zwei derselben und nun geht das ‚Dammern‘ (Klopfen, Hämmern) los, welches die Entrüstung über die böse Tat des Judas ausdrücken soll.“ Es ist also etwa dasselbe, als wenn die Juden am Purimfeste in den Synagogen mit Hämmern ihren Feind Haman totschlagen.[4110]

Nicht minder mannigfaltig nach Namen und Gestalt sind die österlichen Lärmgeräte in den romanischen Ländern. Mundartliche Wörterbücher würden hier die beste Auskunft geben.[4111] Indessen kann ich einiges hier mitteilen, und zwar nach einem mit Abbildungen versehenen Artikel der Londoner Zeitschrift The Graphic vom 1. April 1899. Der weitgereiste, ungenannte Verfasser schildert hier „the Bells of the holy weak“ und bemerkt, dass in romanischen Ländern der allgemein verbreitete Name Claquette (Fig. 8 und 9) sei. Das Gerät besteht dort aus einem länglichen harten Holzbrette, oben mit einer Öffnung für das Hineinstecken der Hand, die das Brett schwingt. Der lärmende Ton wird durch die in Haspen schwingenden eisernen Bügel hervorgebracht. Dieses Gerät findet sich in Italien, Spanien und Österreich. Die Namen dafür sind:

Tabella (Florenz),
Crepitaculo (Padua),
Trocola (Neapel, Rom) siehe Fig. 8 und 9,
Batarella (Rovigo),
Croccola (Palermo),
Tric-Trac (in den Abruzzen).

Statt der eisernen, den Lärm verursachenden Bügel hat man in Siena zwei eiserne Kugeln an Ketten angebracht, die beim Schwingen des Brettes durch ihr Rollen den Glockenersatz liefern (Fig. 10). Es fehlt übrigens in Italien nicht an Geräten, die ganz auf dem Prinzipe unserer Ratschen beruhen (Fig. 11), doch ist in unserer oben bezeichneten Quelle weder Name noch Ort dabei angegeben.

In Spanien und in den von ihm sprachlich abhängigen amerikanischen Ländern vertritt die Matraca die verstummten Osterglocken. Der Ausdruck (Klapper) wird sowohl für die grösseren Geräte auf den Türmen, als die Handklappern gebraucht. Die Matraca beruht auf dem Prinzipe der Kastagnette, Holz klappert gegen Holz (Fig. 12).

Die Rasseln und gleichwertigen Klapperinstrumente im kirchlichen Gebrauche sind auch zu Prozessionsinstrumenten geworden, wie dieses aus Kärnten bekannt ist, von wo aus dem Dorfe Plessnitz bei Leoben durch J. R. Bünker ein derartiger Brauch geschildert wird.[4112] In dem dortigen Johanniskirchlein befindet sich eine jener bekannten Johannisschüsseln mit dem Haupte des Täufers, das in der Nähe unter einem alten Kirschbaum gefunden worden sein soll. Dort steht jetzt eine Säule mit dem Bilde Gottvaters und zu diesem finden die Klapperprozessionen statt. In der Kirche befinden sich zu diesem Zwecke etwa 15 Instrumente von verschiedener Grösse und von der Art, wie die Fig. 13 zeigt. Wird der Apparat auf- und abgeschwungen, dann beginnen die Hämmer ihr Klapperkonzert, was man „Taferln“ nennt. Dieses findet „an einem bestimmten Tage“ statt. Die klappernde Prozession zieht zum Gottvaterbilde, betet dort und kehrt unter fortgesetztem Taferln zurück.

Ich habe mich hier fast nur auf jene Lärmgeräte beschränkt, die in der katholischen Welt zum kirchlichen Gebrauche benutzt werden und eine weite Verbreitung besitzen. Aber sie sind nur ein ganz kleiner Ausschnitt aus der ungeheuren Masse ganz gleicher, ähnlicher und verwandter Klappern und Rasseln, die über die ganze Erde verbreitet sind, bei Natur- wie Kulturvölkern vorkommen und in ein hohes Altertum hinaufreichen, in die Vorglockenzeit. Sie dienten mehr noch profanen wie kirchlichen Zwecken. Sehr verbreitet waren sie bei den Nachtwächtern, falls diese kein Horn besassen, beim Stundenausruf. Rättelkeerls heissen die Hamburger Nachtwächter nach ihren Geräten,[4113] und in Braunschweig unterschied man Rättelwächter mit der Ratsche und Tutwächter mit dem Tuthorn. Zum Zusammenruf der Gemeinde bedient sich, wo nicht der Gebotstock herumgeht, ihrer der Gemeindediener. [Auch Bettler und Aussätzige riefen durch eine Klapper die Mildtätigkeit der Begegnenden an; [GrimmJ/GrimmW 1873], S. 965.] Mit einem Klapperinstrument wie Fig. 8 waren im 18. Jahrhundert die österreichischen Briefträger ausgerüstet, um ihr Kommen anzuzeigen, wie eine Abbildung im Reichspostmuseum zu Berlin lehrt. Heute noch ist die Treiberklapper bei Jagden ein Gerät, wie die Fig. 6. Und die Bauernjungen vertreiben mit der Klapper die Sperlinge aus den Feldern. Über die weite Verbreitung und ganz überraschende Ähnlichkeit dieser Geräte, namentlich der einfachen mit Klöppeln geschlagenen Schallbretter, besitzen wir seit nicht langer Zeit eine ganze angeschwollene Literatur. Ich habe dazu[4114] die Veranlassung gegeben, indem ich das Signalbrett der Harzer Köhler, die jetzt verschwundene „Hillebille“, ans Licht zog und ähnliche Geräte damit verglich. Wer sich für diesen Kulturkreis, der seiner Natur nach gar nicht aus einer Quelle stammen kann, interessiert, findet das meiste zusammengetragen in der unten angeführten Stelle.[4115]

Für den kirchlichen Gebrauch der Schallbretter (άγια ξύλα) liegen sehr alte Zeugnisse vor. Als die Reliquien des 627 gestorbenen persischen Märtyrers Anastasius nach Cäsarea gebracht wurden, zog das Volk ihm in Prozession voll Jubel entgegen und schlug die heiligen Hölzer.[4116] Und in der orthodox-griechischen Christenheit leben sie bis zum heutigen Tage fort. In unseren Landen kamen sie als Ersatz sogar wieder zum Vorschein, wenn Gemeinden zu arm waren, sich Glocken anzuschaffen.[4117] Als im Jahre 1627 das Dorf Rhode bei Königslutter von Kaiserlichen Soldaten ausgeplündert wurde, zerschlugen diese die Kirchenglocken und führten das Metall hinweg. Da schrieb der Geistliche in das Kirchenbuch: „Weiln nun keine Glocke mehr vorhanden gewesen, damit man die Leute zum Gottdienste rufen konnte, hat man aus Noth ein Brett vor die Kirchtür hängen lassen müssen, an welchem der Küster mit zwei Hämmern anschlagen und zum Gottesdienst klappern müssen, welches man dann zwei Jahre lang also continuierte“.[4118] – Wer heute statt der Glocken das uralte Schallbrett (άγια ξύλα) bei christlichen Kirchen noch im täglichen Gebrauche sehen will, der muss sich allerdings schon nach der Balkanhalbinsel begeben. Dort findet er es, von Mönchen geschlagen, so benutzt, wie Fig. 14 es darstellt. Als, vor etwa 40 Jahren, der französische Reisende Henri Belle das griechisch-orthodoxe Kloster Stiris am Parnass besuchte, da wurden die Mönche durch die Simandra zum Gottesdienste zusammengerufen. Zwischen zwei Pfählen hing ein hölzernes mit Eisenstreifen beschlagenes Brett, auf welches zwei Mönche mit gekrümmten Hämmern schlugen, so dass kurze, dumpfe Töne entstanden.[4119] – Diese Schallbretter haben schon vor ein paar Jahrhunderten den gelehrten Leo Allatius interessiert, und er hat ihnen auch eine nähere Beschreibung gewidmet.[4120] Er setzt zunächst auseinander, dass die Türken, nachdem sie das byzantinische Reich unterworfen hatten, den Christen den Gebrauch der Glocken verboten und diese daher wieder zum Gebrauche der Schallbretter griffen, um den Beginn des Gottesdienstes zu bezeichnen. Allatius beschreibt dabei das Gerät so genau und die Art, wie es geschlagen wird, dass wir darüber vorzüglich unterrichtet werden und ich seine Beschreibung in der Anmerkung hier beifügen will.[4121]



[4071] [Sievers 2001], S. 41 f.

[4078] [HaasHans 1902], S. 322, 324, 326, 327.

[4079] Zahlreiche Glockensagen hat Sartori gesammelt. [Sartori 1897], S. 113 ff., aber die hier in Betracht kommende Romreise der Glocken nicht berücksichtigt.

[4081] [Bavaria 1860], hier Bd. 4 (1866), S. 393.

[4085] Necnon etiam altitudo signorum, quae fiebat per vasa aerea, deponitur, et lignorum sonus usquequaque humilior aeris sono, necessario pulsatur, ut conveniat populus ad Ecclesiam. Potest et in hoc humilior usus Ecclesiae Romanae designari antiquis temporibus, quam nunc sit, et praecipue tune, quando latitabat per cryptas propter persecutores: Nam adhuc junior Roma, quae antiquis temporibus sub uno Domino cum antiqua Roma regebatur, usum lignorum tenet, non propter aeris penuriam, sed propter vetustatem. In: [Migne].

[4088] Ein Judasliedchen der Kinder aus Köln bei [Erk/Böhme 1894], S. 139, Nr. 1230. Im Mieser Bezirk singen die ratschenden Buben nach [John 1905], S. 64 das alte Lied „O du armer Judas“. – Vgl. [Bäumker 1883]. – [Erk/Böhme 1894], S. 670, Nr. 1963.

[4089] [ÖZV 1895] 12 (1906), S. 213.

[4091] [Bronner 1908], S. 128. – [Meyer 1900], S. 100; Kerren und Rätschen, „S örschte Môle, s ander Môle, zamme, zamme in die Keriche!“ u.  a.

[4092] [Lerond 1894], S. 63. Dort ist aus St. Julien bei Metz auch ein französischer Dialektvers der „Rütscherknechte“ mitgeteilt.

[4098] [HesslerC 1904], S. 579. In Pommern wird am Abend vor den Fasten „gebeiert“: In: [Blätter für Pommersche Volkskunde] 5 (1897), S. 95.

[4100] [Strackerjan 1867], S. 212 bzw. [Strackerjan 1909], S. 319. – [Müllenhoff 1845], S. 118.

[4103] Abgebildet bei [OtteH 1884], S. 31.

[4104] Anm. der Redaktion: Der Aufsatz ist in dieser Version nicht illustriert.

[4105] Abbildung in [Mitteilungen aus dem Verein der Königlichen Sammlung für deutsche Volkskunde zu Berlin], 2 (1906), S. 163.

[4106] [Schmeller/Frommann 1872], Bd. 1, S. 587. (Tafeln, belegt aus dem 14. Jahrhundert bei [GrimmJ/GrimmW 1873], S. 21.)

[4107] [Rehtmeyer 1707], Bd. 1, S. 109.

[4109] [OtteH/Wernicke 1883], Bd. 1, S. 367 zitiert die lateinischen Bezeichnungen crepitacula ecclesiastica und crecellae.

[4110] [Panzer 1848], Bd. 2, S. 554 hat hier noch folgende Erklärung: „Die Pumpermetten, Chorgesang, der jetzt an den Vorabenden des Donnerstags, Freitags und Samstags in der Charwoche statt hat, ursprünglich aber in den horae matutinae gehalten zu werden pflegte. Ehemals sollen hierauf die Kirchgänger mit Stöcken, Hämmern Steinen usw. an die Bänke und Wände geschlagen und dieser Lärm soll dem Verräter Judas gegolten haben.“ [GrimmJ/GrimmW 1889], Sp. 2231 und [GrimmJ/GrimmW 1893], Sp. 1488: Rumpelmette.

[4111] In dem Werke von [Blavignac 1877], p. 394 sollen die Ratschen (traquet, matraca, tartarelle) behandelt sein. Dieses Werk konnte ich mir nicht verschaffen.

[4112] [MAG] 31 (1901), Sitzungsbericht, S. 119. Es kann sich hierbei auch um die Geräte handeln, welche die verstummten Osterglocken ersetzen.

[4113] [Richey 1755], S. 207. – [Zeitschrift für Volkskunde] 13 (1903), S. 437: In Südrussland.

[4115] [Andree 1901], S. 253. – [Zeitschrift des Vereins für Volkskunde] 6 (1896), S. 445. – [Zeitschrift des Vereins für Volkskunde] 7 (1897), S. 208. – [Zeitschrift des Vereins für Volkskunde] 8 (1898), S. 347. – [Zeitschrift des Vereins für Volkskunde] 15 (1905), S. 93. – [Zeitschrift des Vereins für Volkskunde] 16 (1906), S. 430. – Auch [ÖZV 1895] 15 (1909), S. 40. Freßglocken in den Alpen.

[4116] [Wetzer/Welte 1882], Bd. 5, S. 697.

[4117] Zum Beispiel [Digot 1856], S. 182.

[4119] [Globus] 32 (1877), S. 68.

[4121] Quare sacerdotes Graeci ligneo instrumento, ad Graecos in ecclesiam convocandos, utuntur. Id est lignum binarum decempedarum longitudine, duorum digitorum crassitudine, latitudine quatuor, quam optime dedolatum, non fissum aut rimosum; quod manu sinistra medium tenens Sacerdos, vel alius, dextra malleo ex eodem ligno, cursim hinc inde transcurrens, modo in unam partem, modo in alteram, prope vel eminus ab ipsa sinistra, ita lignum diverberat, ut ictum, nunc plenum, nunc gravem, nunc acutum, nunc crebrum, nunc extentum, edens perfecta musices scientia auribus suavissime modulatur. Et hoc σημαυιήριον nuncupatur, magisque proprio nomine χειροσήμανιρον, quod manibus tencatur, iisque pulsetur; ad differentiam alterius magni, quod μέγα σήμανιρον dicitur, ex eodem ligno et in turribus, sive campanariis catenis ferreis, suis extremitatibus appenditur. Illud est insigni magnitudine, ut quandoque sex palmos latitudo, unum crassitudo, triginta longitudo exaequet, malleoque pro magnitudine Semanterii pulsetur.

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