Herr Kloiber, Sie sind 2001 mit dem Museumspreis des Landes Salzburg ausgezeichnet worden. Durch ihre Arbeit sind Sie ein „Bewahrer“ von salzburgischem Kulturgut. Wie schaffen Sie es, Ortsgeschichte, Kunstgegenstände und Alltagskultur für Einheimische und Touristen immer wieder zum spannenden Erlebnis werden zu lassen?
In erster Linie durch Sonderausstellungen und Veranstaltungen zu Themen über die Ortsgeschichte und durch das Ausbauen unserer Schwerpunkte. Unser Ortsmuseum ist 1980 eröffnet worden. Wie ich das Museum dann 1991 übernommen habe, habe ich auch begonnen, Schwerpunkte auszubauen. Das sind:
1. Die Erzeugung der Salzburger Klöppelspitze, wo St. Gilgen im 17. und 18. Jahrhundert das Zentrum war. Dazu haben wir jeden Monat auch ein Schauklöppeln im Museum; weiters ein museumspädagogisches Programm zu diesem Thema für Kinder, einen Dokumentarfilm, den man in den Ausstellungsräumen sehen kann.
2. Die älteste Salzburger Glasfabrik des Fürsterzbistums, die 1701 gegründet worden ist und bis 1820 hier bestand.
3. Die Familie Mozart, denn die Mutter von Wolfgang Amadeus Mozart ist gebürtige St. Gilgnerin. Da gibt es eine Tonbildschau über die Familien Mozart, Pertl und Sonnenburg zu sehen.
4. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Falkenstein. Der damals viertgrößte Wallfahrtsort zum heiligen Wolfgang am Falkenstein, wo sich Klause und Heilquelle befinden, liegt ja auf St. Gilgner Boden.
5. Weiters sind im Museum zu sehen: die berühmte Insektensammlung des Nobelpreisträgers Karl von Frisch (1886–1982), der in St. Gilgen die Sprache der Bienen (den Schwänzeltanz) erforscht hat. Und unser neuester Schwerpunkt ist die Entwicklung vom Fischerdorf zum Fremdenverkehrsort.
Zu diesen Schwerpunkten gibt es jedes Jahr besondere Sonderausstellungen mit Begleitprogramm und das zieht natürlich die Einheimischen, aber auch die Gäste immer wieder an. Diese Sonderausstellungen laufen jeweils zwei Jahre. Wir haben im Sommer – von Juni bis September – täglich (außer Montag) von 10.00 bis 12.00 Uhr und von 14.00 bis 18.00 Uhr geöffnet. Heuer, 2003, haben wir die Ausstellung „100 Jahre Segelsport am Wolfgangsee“ und nächstes Jahr dann über den St. Gilgener Künstler August Brunetti-Pisano.
Das heißt also, die Sonderausstellungen sind für Sie ein ganz wichtiger Faktor, um das Museum im Bewusstsein der Einheimischen zu halten. Es genügt also nicht, ein Museum montags von 9.00 bis 11.00 Uhr geöffnet zu halten – wenn man das überspitzt ausdrücken will –, sondern Sie verstehen sich auch als Kulturvermittler am Ort?
Ja, es gibt natürlich eine Menge Begleitprogramme: etwa Konzerte als Matineen – bei Schönwetter im Museumsgarten, bei Schlechtwetter im Saal eines Gasthofes –, oft verbunden mit Lesungen zur Lokalgeschichte. Das wird sehr gut angenommen und vielfach wiederholen wir die Programme auch im Winter. Sehr gut kommt bei der Jugend auch Jazz im Museum an. Dazu gibt es jährliche Museumsfeste zu Saisonbeginn und der Abschluss ist jedes Jahr eine besondere Bauernherbst-Veranstaltung.
Wesentliche Linien des Museums scheinen einerseits die Verknüpfung der Vergangenheit mit der Gegenwart zu sein und andererseits das Unterfangen, Menschen aller Alters- und Interessensgruppen ins Museum mit hineinzunehmen.
Wir haben einmal sogar – gemeinsam mit der Gemeinde – einer Bigband den Auftrag gegeben, Mozart für Bigband-Sound zu bearbeiten. Das ist sehr gut angekommen, es hat drei Live-Konzerte gegeben und dann ist eine CD herausgekommen.
In erster Linie muss man schauen, dass man auch viele junge Leute ins Museum bekommt, dass sie mitarbeiten bei Festen und Konzerten und Fuß fassen. Aber auch zum Inventarisieren und zum Aufarbeiten der Geschichte kann man sie heranziehen, da sie ja das Museum einmal übernehmen werden. Man darf ja nicht vergessen, das läuft bei uns ja alles auf ehrenamtlicher Basis.
Die Jugend ist am Land stark vertreten bei Feuerwehr, Blasmusik und Sportvereinen, aber im Archiv- und Museumsbereich ist es schwieriger. Da muss man sich jedes Jahr wieder etwas für die Jugend einfallen lassen. Etwa das Jugendquiz ist sehr gut angekommen, dann Theateraufführungen usw. Wir beginnen schon in der 3. und 4. Volksschulklasse mit Archiv- und Museumsführungen. So wird auch den Kindern bereits Lokalgeschichte nähergebracht und lebendig gemacht.
Die Konzerte, Jazzfrühstücke und Aufführungen mit den Lesungen zur St. Gilgner Geschichte und zur Sommerfrische im Salzkammergut sind für Jugendliche sehr interessant und sie arbeiten mit, die Feste zu richtigen „Events“ zu gestalten. Das Museum und das Archiv müssen Punkte sein, wo Leute zusammenkommen, kommunizieren, wo sie Spaß haben bei den Veranstaltungen. Sie müssen spüren, da rührt sich etwas, da ist immer etwas los.
Herr Kloiber, Sie haben 1989 ein Archiv zu ihrem Museum begründet und dafür 2001 den ersten „Salzburger Museumsschlüssel“ als Anerkennung erhalten.
Ja, 2002 wurde das Archiv in neuen, öffentlich zugänglichen Räumen eröffnet. Jedes Museum sollte ein Archiv als Grundlage haben. Heute ist es undenkbar, ein Museum zu führen, ohne ein dazugehöriges Archiv zu besitzen. Archiv heißt Sammlung, Forschung und Publikation zu den Exponaten im Museum, zum Leben im Ort. Die Leute wollen heute nicht nur ein schönes Schaustück sehen, sondern sie wollen mehr darüber wissen und die Sachen hinterfragen. Viele Studentinnen und Studenten, viele Professorinnen und Professoren der Universität Salzburg halten sich in unserem Archiv auf und arbeiten über die verschiedenen Themen unserer Orts- und Regionalgeschichte. Unser ältestes Archivzeugnis stammt aus dem 14. Jahrhundert und wir sammeln auch Themen zum heutigen Alltag – etwa in Zusammenarbeit mit dem Fotoclub St. Gilgen.
Heißt das, dass heute den Besucher nicht so sehr interessiert, ob etwas „echt“, „uralt“ oder „historisch“ ist, sondern dass er konkret wissen will, wie ein Objekt entstanden ist, wie es verwendet und bewertet worden ist, was es den Menschen bedeutet hat?
Ich möchte sagen, es gehört zusammen. Den Besucher interessiert sehr wohl, ob er dem Original gegenübersteht – und hoffentlich wird dies auch im Zeitalter der Elektronik, wo man sich alles über Internet ins Heim holen kann, auch so bleiben. Nur finde ich, man kann heute kein Museum mehr so führen wie vor zwanzig oder dreißig Jahren. Man muss viel mehr die Zusammenhänge der Geschichte erklären und da ist auch die Zusammenarbeit mit der Universität für St. Gilgen von großem Vorteil. Die neuen Erkenntnisse können wir wieder für unsere Ausstellungen und unsere Chronik nützen.
Seit wir dieses Archiv für Ortsgeschichte parallel zum Museum eingerichtet und öffentlich zugänglich gemacht haben, bekommen wir Unmengen an höchst interessantem Material von der Bevölkerung. Das reicht von Fotografien über Dokumente bis zu ganzen Verlassenschaften. Die Leute geben diese Dinge ins Archiv, damit sie dort verwendet werden können und werfen sie nicht mehr weg. Wir haben jetzt an die 50.000 verschiedenen Archivalen im Archiv, die sich ausschließlich mit der Ortsgeschichte befassen.
Ein Archiv braucht Mobiliar, Fotoschränke und Bearbeiter. Das kostet alles viel Geld und braucht Platz. Wie bewerkstelligt man das in einem kleinen Regionalmuseum?
Der Kampf um die Finanzen begleitet uns immer. Aber ich muss dazu sagen, ohne Gemeindevertretung und Bürgermeister könnten wir diese Arbeiten nicht bewältigen. Die Gebäude sind im Besitz der Gemeinde und das gesamte Inventar und alle Sammlungen gehören dem Museumsverein. Die Gemeinde steht zu den Museen und dem Archiv. Wir werden jährlich von ihr finanziell unterstützt, sonst wäre das alles nicht durchführbar. Ebenso werden wir, wie andere Salzburger Museen auch, für „gute Arbeit“ von der Salzburger Landesregierung / Referat Salzburger Volkskultur (seit 2017 Volkskultur, kulturelles Erbe, Museen) finanziell unterstützt. Neben Mitgliedsbeiträgen ist es ganz wichtig, Sponsoren für das Museum zu finden. Mit den Sponsorgeldern kann ich die Ankäufe und die Forschungsarbeit großteils finanzieren. Sehr spendabel sind bei uns Zweitwohnungsbesitzer, die sich hier schon viele Jahre wohlfühlen und dies durch Spenden zum Ausdruck bringen. Erwähnen muss ich, dass meine vielen Mitarbeiter im Museum und Archiv ehrenamtlich helfen und so das Museum nichts kosten. Ansonsten wäre dies alles finanziell nicht zu bewältigen.
Das heißt, Sie haben eine Struktur, wie Sie viele große, internationale Museen auch haben: öffentliche Hand, privates Sponsoring und dazu Menschen aller Altersgruppen und Ausbildungen, die ihre Fähigkeiten ehrenamtlich einbringen?
Diese Struktur ist bei den vielen anderen von Vereinen bzw. Privatpersonen geführten Museen im Land Salzburg gleich. Das Schöne ist, dass alle Altersgruppen mithelfen, sich mit ihrer Geschichte auseinanderzusetzen. So wird das Museum auch zu einem Kommunikationsfaktor und kulturellem Zentrum im Ort. Und neben dem Bildungsauftrag eines Museums oder Archives darf natürlich der gesellige Aspekt nicht fehlen.
Weiters geht unsere Arbeit weit über das Museum hinaus, zum Beispiel kümmern wir uns um die Kleindenkmäler und Wallfahrtsstätten, deren Sanierung oder die Anbringung von Gedenktafeln an Häusern berühmter Persönlichkeiten u. s. w. Zuletzt veranstaltete der Museumsverein die Eschenbach-Tage in Erinnerung an die Dichterin Marie von Ebner-Eschenbach (1830–1916), welche in St. Gilgen zehn Jahre Sommerfrische verbrachte und immer als große Wohltäterin aufgetreten ist.
Im Archiv arbeite ich gerne mit Pensionistinnen und Pensionisten, die Muße und Zeit haben, die mit dem Computer umgehen können, die ortskundig sind und die Leute hier kennen. Das ist ein wunderbares Zusammenarbeiten. Im Museum selber suche ich gerne jüngere Leute für die vielfältigen Aufgaben.
Auch als Sänger, Schauspieler, Regisseur und Veranstalter haben Sie in St. Gilgen wesentliche Kultur-Akzente gesetzt. Ihre Freizeit ist eng mit Ihren beruflichen und ehrenamtlichen Aktivitäten verwoben. Welchen Gewinn ziehen Sie persönlich aus dieser Kulturarbeit?
Mein Motto lautet: „Die Vergangenheit in Hinblick auf die Zukunft in der Gegenwart spannend, gewissenhaft und unterhaltsam aufzubereiten“. Und wenn man dann noch Mitstreiter und ein Publikum hat, das daran Interesse zeigt, ist dies – so finde ich – eine sinnhafte und beglückende Aufgabe. Grundvoraussetzung dafür ist für mich die Liebe und Freude zu meiner Heimat.