Startseite: Bräuche im Salzburger LandFolge 1: Im Winter und zur WeihnachtszeitFolge 3: In Familie und GesellschaftBegleitheft (in Arbeit)ZitierempfehlungVolltextsucheHilfe

1.3. Religion, Kultus und Brauch (Walter Hartinger)[3]

Tipp

HIER gelangen Sie zur Langtext-Version dieses Beitrags.

1.3.1. Religiöses in der Gestaltung des mitteleuropäischen Kulturlebens

Das Land Salzburg und das übrige österreich-bayerische Umfeld sind in den letzten eineinhalb Jahrtausenden im Wesentlichen durch das Christentum geprägt worden. Die Bräuche wurden trotz eines fortschreitenden Säkularisierungsprozesses, der Staat und Kirche trennt, vom Christentum bestimmt. Diese Tatsache wird häufig nicht beachtet – und statt auf Christliches wird bei der Deutung vieler Rituale und Bräuche auf Außerchristliches Bezug genommen. Besonders hartnäckig halten sich die überholten Traditionslinien zu den Germanen, Kelten und Illyrern. Überall wo es in unseren Bräuchen laut zugeht, wo geknallt, geschossen oder gelärmt wird, sollen germanische Götter oder Dämonen vertrieben, oder wo man blühende Zweige oder grünende Bäume verwendet, soll Fruchtbarkeit und Segen herbeigezaubert werden.

Die jüngere volkskundliche Forschung hält den möglichen Anteil von germanischen Elementen in unseren Bräuchen für gering anzuschlagen. Eine nachhaltigere Wirkung haben hingegen die antiken Religionen und Philosophien sowie das Judentum. Christliche Religion und Kult entstanden auf dem Boden der griechischen und römischen Antike (man denke nur an den Apostel Paulus). Die Gliederung des Jahres und der christliche Festkalender gehen auf jüdische und antike Muster (z. B. der Zusammenhang von Weihnachtsfest und Fest des sol invictus, Sonnengottes – mit Jesus ist die wahre Sonne in die Welt eingetreten) zurück. Die christliche Wertschätzung von heiligen Zahlen (drei, sieben, zwölf) hat ebenso wie der symbolhafte Gebrauch von Brot, Wein und Wasser Entsprechungen in den antiken Religionen. Auch jüdisches Kulturgut hat – z. B. über die jüdischen Reinigungsvorschriften – das Christentum beeinflusst.

1.3.2. Bräuche sind Bestandteil des kulturellen Lebens

Religiöses ist in die Bräuche des Landes Salzburg und des übrigen österreich-bayerischen Umfeldes hauptsächlich über das Christentum eingeflossen. Das Christentum gab (schriftliche) Antworten über Zusammenhang und Entstehung der Welt, über die Lebensgestaltung und die jenseitige Welt und ließ sie von einem professionellen Priesterstand verbreiten. Der Einfluss vorchristlicher Religionen ohne Schriftzeugnisse und unvergängliche Kultbauten – wie das heidnische Germanentum – war gering.

Trotz der Bedeutung, welche die christliche Lehre bei der Beleuchtung von Bräuchen hat, darf man nicht außer Acht lassen, dass Bräuche aus unterschiedlichen Motiven entstehen. Freude an Spiel und Unterhaltung, Herstellung von sichtbaren Sozialbeziehungen, Trennung von Eigenem und Fremdem, Gewinnung einer Verhaltenssicherheit können für die Einführung/Teilnahme an Bräuchen maßgeblich sein. Rituale sind nicht nur für das religiöse Leben kennzeichnend, sondern sind allgemeiner Bestandteil des kulturellen Lebens. Rituale sind an besondere Orte, Zeiten und Umstände gebunden und werden wiederholt. Sie setzen Grenzen gegenüber Personen und Gruppen, die diese Rituale nicht ausführen. Dadurch entsteht innerhalb der Gruppe der Ausführenden ein Gefühl der Zusammengehörigkeit.

1.3.3. Warum wir Bräuche brauchen

Religion, Ritus und Brauch stehen in enger Verschränkung. Gruppen „brauchen Bräuche“ zur Demonstration von Zusammengehörigkeit, zur Abgrenzung und zur Orientierung. Dies gilt sowohl für das religiöse wie für das alltägliche Leben. Aufgrund der großen Bedeutung des Christentums bis in das Aufklärungszeitalter finden wir auch außerhalb des engeren liturgischen Bereiches Spuren christlicher Rituale und Weltdeutung.

Das Wissen um die Hintergründe ist bei den Ausführenden von Bräuchen vielfach verloren, doch sollten wir uns hüten, in diesen Fällen von einem „Verfall“ der einstigen Bräuche zu sprechen. Das menschliche Leben bringt es mit sich, dass auch Bräuche sich wandeln müssen. Sie passen sich zum einen den Lebensbedingungen ihrer Träger an, zum anderen werden von diesen Trägern jeweils neue Zielsetzungen dienstbar gemacht. Das kann bis hin zur kommerziellen oder demonstrativen Vorführung zu Unterhaltungszwecken gehen. Trotzdem oder gerade wegen dieser Anpassung erfüllen Bräuche ihre wichtige Funktion in der Gewährung von Verhaltenssicherheit, der Ordnung des Alltages und des Abbaues von Stress.



[3] Kurzfassung von Melanie Wiener-Lanterdinger und Ilona Lindenbauer, Langtextversion HIER.

This document was generated 2022-07-27 10:30:46 | © 2021 Forum Salzburger Volkskultur | Impressum