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11.5. Karl Adrian: Der Maibaum

Karl Adrian (Ulrike Kammerhofer-Aggermann)

11.5.1. Karl Adrian: Der Maibaum[4033]

Der Kirchturm und der Maibaum sind die weithin sichtbaren Wahrzeichen eines Salzburger Flachlandsdorfes. Der letztere wird alljährlich am ersten oder zweiten Sonntag im Mai unter nicht geringer Arbeit und Anstrengung der Burschen aufgestellt; dabei spielt die Musik ihre lieblich flotten Weisen, und steht der Baum endlich eingeschüttet und eingekeilt senkrecht da, dann folgt eine Salve aus den schweren Prangerstutzen, daß rollend das Echo von den Gehängen nachhallt. Den Maibaum treffen wir in Liefering, Wals, Maxglan, Grödig, Oberalm, Glasenbach, Anthering und vielen andern Orten; die Buben setzen einen Stolz darein, einen möglichst hohen Baum zu besitzen. Dieser ist eine geschälte Fichte, aber nicht ein einziger Stamm, sondern zweimal geschäftet, damit erreicht er eine Länge von 20 und mehr Meter. Gegen die Spitze hin wird er immer dünner und diese selbst ist mit einem grünen Fichtenwipfel, von dem schmale, bunte Bänder im Winde flattern, geziert. Hie und da ragt über den Wipfel noch ein aus Blech geschnittener Hahn. Am dünneren Ende sehen wir dann einige den Stamm umfassende Rundkränze; diese sind aus grünem Fichtenreis geflochten, mit Woll= oder Papierblumen geziert und mit Draht befestigt. Dann folgen mehrere andere Attribute, die des Baumes Zier bilden; zunächst zwei ausgestopfte, bäuerliche Puppen, der „Hansel“ mit der Zipfelhaube oben, die „Gretel“ im Kopftuch unter ihm, hierauf ein kleines, aus Holz gedrechseltes Faß, der Rechen mit der Sense oder auch noch mit dem Dreschflegel gekreuzt und endlich die aus Blech geschnittene Jahreszahl, die zwischen zwei vom Baum abstehende Leisten eingerahmt ist. In verschiedenen Abständen sind kleine rotweiße Zierfähnchen eingefügt. Dazwischen aber hängen, leicht befestigt, zwei, drei oder vier Bestfahnen; deren Fahnentüchlein ist Seide, außerdem trägt jede ein kleines Lederbeutelchen mit einigen Silbermünzen, wenn die letzteren nicht blank auf die Fahne aufgenäht sind.

Nun geht es an das Baumkraxeln. Eine Schar 14 bis 16=jähriger Buben steht hiezu schon bereit, alle in der sicheren Hoffnung, sich ein so blinkendes „Best“ zu holen; doch so leicht ist das Ding nicht. Rock, Hose und Weste, wie Schuhe und Strümpfe werden abgelegt. Jetzt fängt einer an; fest stemmen sich die Schenkel gegen den Stamm, mit aller Kraft heben und halten die Arme und so gelingt es ihm, 3 bis 4 m hoch zu kommen, da macht er eine kleine Pause und „rutsch“ geht es unter dem Gelächter der Zuschauer wieder zur Erde herab. Der Baum ist nämlich ungeheuer glatt, indem er im ersten Drittel ordentlich eingeseift wurde, um das Klettern zu erschweren. Die Buben tauchen die Hände wohl in Staub, Asche, Sand u. dgl., um doch wenigstens einigen Halt zu gewinnen. Gar manche wagen noch einen Versuch, um erfolglos und blitzschnell wieder zur Erde zu sausen. Endlich gelingt es einem, unter lautem Zuruf der Leute die Höhe des ersten Fähnchens zu erreichen, dieses auszuziehen und stolz mit seiner Beute fährt er herab, wo ihn lebhafter Beifall empfängt. Dies reizt aber wieder andere, ihre Kräfte zu versuchen, immer stürmischer werden die Rufe der Menge: „Laß nöd nah! Nöd auslassen! Hab dö! Hat’s schon!“ und so wird schließlich auch das dritte und vierte Fähnchen herabgeholt.

Bemerkenswert ist, daß in betreff des Maibaumes häufig eine gewisse Eifersucht zwischen der männlichen Jugend benachbarter Dörfer besteht, die es notwendig macht, daß der zum Aufstellen hergerichtete Stamm von den Burschen zwei Nächte vorher bewacht werden muß, denn es ist schon öfters dagewesen, daß er von den Buben des Nachbardorfes gestohlen wurde, was natürlich für die andern den herbsten Spott nach sich zieht, insbesondere, wenn sie den Versuch unterließen, den Baum zurückzuholen.

Von den Laufener Schiffern erzählt man, daß sie am 1. Mai auf dem Schiff einen buntverzierten Maibaum errichteten; fuhren sie dann an dem Tag auf ihr angestammtes Gasthaus zu, so waren sie dort zechfrei. Ein anderer Schifferbrauch, der heute, wenn nicht schon ganz erloschen, doch mindestens sehr spärlich nur mehr in Alt=Oberndorf geübt wird, ist folgender: Am 1. Mai nagelten die Schiffer an das Fensterbrett ein beiläufig 80 cm hohes Tannenbäumchen, das mit vielen färbigen Bändern, Christbaumflitter, Zuckerwerk, geweihten Eiern, selbst mit gebackenen Fischen aufgeputzt war. Diese Bäumchen blieben den ganzen Mai hindurch vor dem Fenster. Hie und da wurde ein solches schon während der Nacht gestohlen und vor ein fremdes Fenster genagelt. In dem Falle blieb dem Besitzer nichts übrig, als es mit einer Maß Bier auszulösen und wieder zurückzuholen. In früheren Zeiten zählte man oft 80 bis 100 solcher Bäumchen. Im Jahre 1907 waren deren nur mehr drei zu sehen, weil die alten Schifferfamilien, die den schönen Brauch noch in Ehren hielten, größtenteils ausgestorben waren.

Man versuchte im Maibaum den Geist des Sommers, die personifizierte schöne Jahreszeit zu erblicken, aufgefaßt als Dämon der Vegetation in Baumgestalt, wie Mannhardt in seinem Werke „Feld= und Waldkulte“ darlegt. Den Gegensatz zu diesem wissenschaftlichen Ergebnisse bildet die schlichte, sinnige Legende, die sich das Schiffervolk vom Ursprunge des Maibaumes erzählt: Als Christus von den Toten auferstanden war, wurde er von den Juden neuerdings aufs heftigste verfolgt. Er verbarg sich unter einem blühenden Baum. Rings um ihn standen die Bäume in vollster Blüte und neigten ihre Äste tief zur Erde. Auf diese Weise verloren die Verfolger jede Spur und der Herr entkam ihnen.

Ein verwandter Brauch ist im innersten Winkel des Großarlertales zu Hause. Da wird am Erntedanksagungsfest, das man am Sonntag nach dem dritten goldenen Samstag feiert, der Danksagungsbaum aufgestellt. Dieser ist mäßig hoch und wird nicht auf dem Dorfplatz, sondern vor den meisten Höfen errichtet. An seiner Spitze trägt er farbige Bänder und in seinem letzten Drittel einen grünen Ring, der mit Zwillingsähren und allerlei geweihten Sachen behangen ist.

Eine eigentümliche Weise des Maibaumsetzens erzählt Zeller aus der Gegend am Abersee in der „Berliner Zeitschrift für Volkskunde“ (1902). Dort wird in aller Stille eine schöne Fichte von 15–20 Burschen nächtlicherweile gefällt, freilich ohne Wissen des Besitzers, entrindet, abgeästet und von den Mädchen mit Kränzen, Fähnchen und anderem Zierrat aufgeputzt; zugleich werden alle Spuren des nächtlichen Treibens möglichst vertilgt. Der Baum wird dann vor einem alleinstehenden Wirtshaus oder dem Hause einer Dorfschönen heimlich aufgestellt, so daß am nächsten Morgen die Bewohner sich überrascht sehen und sich des schönen Baumes erfreuen.

Daß die Sitte des Maibaumsetzens und des damit verbundenen Baumkletterns schon ziemlich alt ist und sogar gewisse Verbindlichkeiten darauf ruhten, davon bringt Hübner eine bezeichnende Bemerkung, indem er schreibt: „Alljährlich bringen zwei Berchtesgadener Untertanen zwei Maibäume nach Hallein, die dann auf dem Pflegerplatze aufgestellt werden; die Berchtesgadener erhalten dafür 3 Schilling Pfennige.“[4034] Wenn auch dieser Brauch in der Stadt verschwunden ist, so dürfte er übergegangen sein auf die Errichtung des Maibaumes auf der Spitze des schroffen, über 800 m hohen Barmsteines oberhalb der Brauerei Kaltenhausen; dieselbe geschieht immer am ersten Sonntage des Mai, um 12 Uhr mittags.



[4033] [Adrian 1924], S. 119–123.

[4034] Anm. der Redaktion: Karl Adrian liefert hier, wie auch an weiteren Stellen, keine weiteren Belege.

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