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9.14. Ranggeln im Salzburger Land (Günther Heim) - Langtext

Historischer Teil von Ulrike Kammerhofer-Aggermann

9.14.1. Eine Einführung

Das Ranggeln ist eine der ältesten Sportarten in den Alpen, ein bäuerliches Kampfspiel, das sich aus dem „Raufen auf Leben und Tod” entwickelt hat. Dabei wurden bei lokalen Festen, meist im Zusammenhang mit kirchlichen Feiertagen, Preise ausgesetzt, um die junge Männer auf einer Wiese ranggelten. Die Kleidung bestand aus Hemd und langer Hose aus festem Leinen mit einem Ledergürtel – der einfachen Arbeits- und Unterkleidung der Männer in früheren Jahrhunderten. Sieger war, wer seinen Gegner auf beide Schultern werfen konnte. Es waren alle Techniken erlaubt, die keine Schmerzen verursachten. Die Regeln wurden über Generationen hinweg mündlich überliefert und waren daher nicht ganz einheitlich. Rangglerfeste waren stets sehr populär und die Sieger solcher Veranstaltungen genossen in der Bevölkerung hohes Ansehen. Das Ranggeln existiert unter demselben Namen auch in Tirol und Bayern, als Ringen in Kärnten und Steiermark sowie als Schwingen in der Schweiz.

Das von Albrecht Dürer 1512 verfasste „Fecht- und Ringbuch” ist die älteste erhaltene Quelle. In dieses Werk sind Darstellungen des Ranggelns von 1390 übernommen.[2667] Schon damals erfolgten die Ringkämpfe nach genau festgelegten Regeln und es ist erwiesen, dass sich die Ritter neben dem Fechten auch mit einer Ringart beschäftigten, die dem heutigen Ranggeln sehr ähnlich war. Dies diente der körperlichen Ertüchtigung der Ritter und war eine sinnvolle Alternative zum „Raufen auf Leben und Tod”, bei dem sich die besten Krieger selbst gegenseitig verletzten.

In ihrem Buch „Das Ranggeln im Pinzgau” ist es der Tanzpädagogin und Heimatforscherin Prof. Ilka Peter ausgezeichnet gelungen, die Verbindung zwischen Gegenwart und Vergangenheit herzustellen. In einer vergleichenden Gegenüberstellung einzelner Griffe und Würfe aus dem Fechtbuch Albrecht Dürers mit jenen der Gegenwart konnte eine überraschend große Übereinstimmung festgestellt werden. Auch der Kreuzwurf wurde von Dürer so beschrieben wie er heute noch ausgeführt wird. Ebenso stellte sie das Pinzgauer Ranggeln im Vergleich zu anderen Kampf- und Ringsportarten der Alpenländer und deren Bezeichnungen dar. Ihr Rangglerbuch gibt die Entwicklung vom Spiel und Wettkampf früherer Jahrhunderte zur modernen Sportart wie zum Brauchfest wieder.[2668]

9.14.2. Historisches zum Ranggeln

9.14.2.1. Das Hosenrecken um 1900

Franz Michael Vierthaler soll das Ranggeln 1792 mit einem Gedicht beschrieben haben.[2669] Graf Spaur beobachtete das Ranggeln und nahm es in seinen Reisebericht auf: „Die Stärke und Behendigkeit des Pinzgauers setzte mich in Erstaunen. Vorzüglich bewunderte ich diese bey dem sogenannten Hosenrecken, einer Art von Spielen, die mit der alten römischen lucta viel Aehnlichkeit hat. Sie salbten zwar nicht wie jene, den nackten Körper mit Oel, dieser blieb mit dem Hemde und den Beinkleidern bedeckt. Indem sie sich aber über den Hüften ohne Uebervortheilung anfaßten, rangen sie lange mit eben so viel List und Muskelanstrengung als jene, bis einer von ihnen das Gleichgewicht verlor, in die Höhe gehoben ward, doch halb schon zu Boden gestürzt, sich manchmal wieder emporschwang, und den, schon als Sieger begrüßten, dennoch zur Erde streckte. Hier siegte nicht immer die Stärke, sondern meistens Geschicklichkeit und Behendigkeit. Der Sieger, der drey der stärksten Rabler des Thales (so nennt man in der Landessprache die rüstigen dieser Klopffechter) hintereinander ins Gras streckte, erhielt den ausgesetzten Kampfpreis."[2670] Offenbar hat Spaur das Wort Ranggler missverstanden und dafür Rabler gesetzt.

Lorenz Hübner nennt das Ranggeln in seiner „Beschreibung des Erzstiftes und Reichsfürstenthums Salzburg” Salzburg 1796, S. 247 und 397. Franz Zillner schreibt darüber 1889: „... das Kraftspiel des Rankelns. Letztere Bezeichnung kommt dem Ringen überhaupt zu, wobei der Kämpfenden einer den andern zu Fall bringt oder auf den Boden zwingt; Hosenrecken wird jene Art des Ringens genannt, die es zur Bedingung macht, daß der Gegner aufgehoben und über den Kopf des Siegers nach rückwärts geworfen wird (in der Schweiz Schwingen genannt). ..."[2671]

Der Kooperator Josef Hutter aus Thalgau berichtete über „Pinzgauer Ranggelfeste von 1894: „... und es beginnt jenes Ziehen und Zerren, Drücken und Rücken, das keine Feder beschreiben ... kann. Wenn man meinen würde, beim Ranggeln handle es sich nur um Anwendung der größtmöglichen Kraft, wäre dieß ein Irrthum. Kraft ist nothwendig, Hauptsache aber sind List und Schnelligkeit. Es gibt auch gewisse Vortheile „Würfe” genannt ...” „Zwischen Tirolern und Pinzgauern wurde alljährlich bei der Kapelle im Jochbergwald geranggelt, dabei kam es aber zu so mörderischen Excessen, daß dieses Ranggeln behördlich berboten wurde. In neuester Zeit findet am dritten Sonntag im August auf der Schmittenhöhe ein vom deutschen und österreichischen Alpenverein veranstaltetes Preisranggeln statt, welches leider dem Ranggelfeste auf dem Hundstein bedeutend Konkurrenz macht.”[2672] Ludwig von Hörmann beschreibt im „Tiroler Volksleben”, Stuttgart 1909, S. 449 die Auswüchse und den Niedergang des Ranggelns in Tirol.

Ilka Peter stellte den historischen Berichten erläuternd hinzu, dass das „Hosenrecken” heute als eine Variante des Ranggelns und nur als eine der Griffformen desselben angesehen werden muss. Als historische Übersicht trägt Ilka Peter aus der Literatur eine Fülle von zwischen 1698 und 1790 erlassenen Verboten gegen das Raufen, Schlagen, Kämpfen und Gasslgehen zusammen, die allesamt zeigen, dass nicht Diskussion, sondern Gewalt die dörflichen Zwistigkeiten regierte. Das was sportlich und kontrolliert beim Ranggeln angewendet wurde, war auch Bestandteil alltäglicher Auseinandersetzungen. Die Kontrolle der Kämpfer schien angebracht, wenn in den Verboten Messer, Schlagringe, Bierkrüge, ausgerissene Sesselbeine, Stangen und Stecken als Waffen genannt werden.[2673] Aus dieser Materialsammlung von Ilka Peter geht klar hervor, dass das Ranggeln mehr oder weniger organisiert um 1900 noch bestand, dass es aber zu jener Zeit – wohl wegen der Verbote desselben selbst, aber auch wegen der Einschränkung der großen Wallfahrten im 18. Jahrhundert nicht mehr das große Volksfest war. Erst die Beachtung durch die frühen Ethnographen, durch den Heimatschutz und die frühe Vereinsbewegung brachte es von 1900 an wieder zu neuer Blüte.

9.14.2.2. Das Jakobiranggeln am Hundstein

Am letzten Sonntag im Juli wird das Jakobiranggeln auf dem Hundstein (Im Kreuzungspunkt zwischen Taxenbach und Maria Alm einerseits und Dienten und Bruck andererseits) im Pinzgau ausgetragen, das nicht zu den internationalen Sportbewerben aber zu den großen Volksfesten des Landes gehört. Ilka Peter hat es ausführlich beschrieben.

Mit der Wieder-Entdeckung der Bräuche im Umkreis der Heimatschutz-Bewegung und ihrer Vorläufer um 1900 erhielt auch das Ranggeln wieder öffentliche Aufmerksamkeit. Karl Adrian spricht von einem Wettranggeln der Pinzgauer und Pongauer, 1908 in St. Johann im Pongau. Unterbrechungen gab es durch den Ersten Weltkrieg. Seit 1919 wurde Zell am See zum Austragungsort „großer Ranggelfeste”. Laut Adrian gab es in dieser Zeit sowohl hohe Geldpreise für die Sieger, als auch Preis-Fahnen. Laut Adrian fand das letzte Preisranggeln dieser Art am 4. Juli 1923 statt – Adrians Buch erschien 1924. Adrian nennt viele Orte im Pinzgau, die Austragungsstätten von Ranggeltagen waren und auch weitere Termin, unter anderem 24. Juni in Fürstauschachen bei St. Georgen, Pfingstmontag in der Tachsau bei Saalfelden oder den Johannistag am Sonntagskogel bei St. Johann im Pongau.[2674]

Der Salzburger Bauernbund-Kalender brachte 1925 dazu einen langen Bericht, aus dem hervorgeht, dass das Ranggeln zu dieser noch jährlich auf mehreren Bergen im Pinzgau, darunter der Hundstein, durchgeführt wurde. „In den letzten Jahrzehnten war der Zuzug nicht mehr groß, da die Rangglfeste vielfach im Tale als Schaustück für Fremde gegeben wurden, wodurch die Sache an Volkstümlichkeit eingebüßt haben dürfte.”[2675] Karl Adrian beschrieb es 1924 in seinem Buch „Von Salzburger Sitt' und Brauch” (S. 289–302.) als „eine der ureigensten Leibesübungen der Pinzgauer” unter den „Kraftspielen”. Josef Lahnsteiner erwähnt es im „Mitterpinzgau. Geschichtlich und heimatkundlich beschrieben” Hollersbach 1980, S. 271f.

9.14.2.3. Vom Brauch zum Brauchtum

Lange Zeit blieb noch die Einschätzung, Wertung und Sprache aus jener Zeit erhalten. Der Heimatdichter Konrad Nusko[2676] schrieb als erster über das Ranggeln und auch wenn einige Wertungen nicht mehr heutigem Wissen entsprechen, hat er eine Fülle an Fakten zusammengetragen, die nachfolgend dargestellt werden sollen. Die älteste Erwähnung des Ranggelns soll in einem Edikt von 1518 erhalten sein, das Erzbischof Leonhard von Keutschach an den Pfleger Sigmund Graf zu Scherenberg sandte. Darin wird über das „am St. Jakoben des heiligen Zwölffpotentag [Anm.: Apostel] des Hosenreckchen auf dem Purg Hundstain Deines anvertrauten Gerichts ” geordert. Bis 1518 stiftete der Erzbischof „ain Pfund schwarzer Pfenning” als Preis, die er, offenbar weil es zu außersportlichen Raufereien gekommen war, dieses Jahr verweigerte. Sollte „zu Trotz Unsers Bevelch ain Zankh und Schlögerai entstundt” würde das Hosenrecken ganz verboten werden. 1865 sollen nach Dürlinger 3.000 Zuseher beim Jakobifest auf dem Hundstein gezählt worden sein. Der Gründer der „Sektion Alm” (1889) im Österreichischen Touristenclub, Johann Moßhammer, gehörte mit zu den touristischen Entdeckern des Hundstein, auf dem ab 1908 auch Schiwettkämpfe ausgetragen wurden; er war Hagmoar von 1887.[2677]

Ein Brief des Rangglers und Metzgers Cornel Mayr aus Saalfelden, vom 9.6.1946 an Nusko nennt die Hagmoare vom Hundstein zwischen 1870 und 1939. Und auch der spätere Gründer des heutigen Ranggler-Verbandes, Hermann Hörl, Heimatpfleger des Pinzgaues, rekonstruierte die Hagmoare von 1871 bis 1945. Er erwähnt auch, dass 1850 das erste große „Präranggeln” zwischen Tirolern und Pinzgauern in Saalfelden stattfand. Dabei gab es anfangs noch keine Preise, es ging um das „Prä”, die Ehre. In diesem Wort steckt noch die lateinische Präposition „prä”, die unter anderem Vorrang bedeutet.[2678] Deutlich geht aus diesen Briefen hervor, wie sich dieser Volksbrauch durch touristisches Interesse, dann durch die jeweiligen Strömungen der Heimatnostalgie und „Brauchtums”-Begeisterung bis heute modifiziert, organisiert und erhalten hat.

Ein Bericht von 1849 erzählt, dass zu jener Zeit das Hagmoarranggeln auch zur Austragung von Rivalitäten um Mädchen verwendet wurde und vom eigentlich Anlass auf den Ranggeltag verschoben wurde: „Am Jakestag aufn Hundstein sechen wir uns!” Vor dem Kampf wurden die Kämpfer „... abgegriffen, ob nicht einer etwa ein Messer oder einen Schlagring bei sich hat. Dann hieß es: „Jetzt lassen wir's ehrlich z'samm!” Nach dem Ranggeln wurde bei der Kapelle mit dem „Zechtisch”, einer Steinplatte, getrunken und getanzt.” Auf den Hundstein zogen neben der Bevölkerungsmenge auch Burschen mit Tragbahren, Bader und Schneider, um etwaige Verletzungen und Schäden behandeln zu können. In diesem Bericht lesen wir auch, dass das Ranggeln 1780 auch verboten worden und lange nur mit Misstrauen geduldet worden war.[2679]

9.14.2.4. Instrumentalisation in der NS-Zeit

Die NS-Zeit entdeckte und instrumentalisierte auch diesen Volksbrauch, der ihr ein recht germanischer Männer- und Heldenbrauch zu sein schien. Die „Arbeitsgemeinschaft für Deutsche Volkskunde” stilisierte diesen Brauch, der einst an kirchliche Wallfahrten, Prozessionen und besonders an den Almfeiertag Heiligen Jakob am 25. Juli gebunden war, zum „Volkstums”-Ereignis. Die Partei-Aktivitäten hat Gert Kerschbaumer aus der Presse dargestellt. Das letzte Ranggeln vor dem „Anschluss” fand 1937 in Zell am See statt. Danach begannen das Gau-Meisterschafts-Ranggeln der SA mit Teilnehmern aus Bayern, Tirol und Salzburg mit dem 18.9.1938 am Steinernen Meer. In den Jahren 1940 bis 1944 führten die „Arbeitsgemeinschaft für Deutsche Volkskunde” Ranggel-Wettbewerbe durch, die von DAF (Deutsche Arbeits Front), Gauamt und KDF (Kraft durch Freude) organisiert wurden – Arbeitsberichte von Helmut Amanshauser zeigen das Ausmaß dieser Instrumentalisationen. Auch für Erntedankfeste, die Salzburger Heimatwoche, für Sonnwendfeuer und Veranstaltungen des Salzburger Heimatwerkes wurde das Ranggeln politisch missbraucht. Die Jahre der NS-Zeit sind in den angeführten Erinnerungen einstiger Ranggler ausgeklammert, nur durch die Siegerlisten erfahren wir dort, dass das Ranggeln weiter bestand.[2680]

9.14.2.5. Der Beginn des Rangglerverbandes 1947

Seit 1947 unter die Sportarten in Verbänden gegliedert, beginnt dennoch das Jakobiranggeln seit 1948 mit einer Bergmesse auf dem 2.116 Meter hohen Hundstein, einem der drei höchsten Grasberge Mitteleuropas. So hat es auch Aspekte des einstigen Brauches erhalten. Heute wird es in einer Senke am Gipfel ausgetragen, die eine natürliche Arena bildet. Das Klima hat allerdings schon öfter einen Streich gespielt und den Festplatz verschneit, dauert doch der Almsommer im Gebirge von „Joggas bis Bartholomä” und nicht nur außerhalb dieser Zeit kann es durchaus auch schneien. Ab 1948 durften auch Kinder als „Jugendklasse” beim Ranggeln mitmachen, als Preise wurden damals Fahnen vergeben. 1969 schließlich gelang es, eine „Hundsteinplakette” als Landspreis zu schaffen und das Ranggeln wurde von Filmteams gefilmt.[2681]

Das Jakobiranggeln war nach Nusko der „Einheuger der Bergmahd”, das Fest nach der Bergmahd und damit das erste Erntedankfest des laufenden Wirtschaftsjahres. Beim Jakobiranggeln werden heute noch alte Bezeichnungen verwendet. Der Landessieger wird „Hagmoar” (Meier, Gutsverwalter der Hecken umfriedeten Weiden) genannt, im 19. Jahrhundert auch „Prämann”, bis ins vorige Jahrhundert erhielt er eine „Schneidfeder” (Schneid ist übertragen Mut; lange weiße Hahnenfeder) für den Hut als Geschenk. Der Zuruf „Du magst auch dein' Feder vom Hut abertoan!” oder „Was kost so a Feder?” gilt als Kampfansage. Der Schiedsrichter ist der „Schermtax”, was eigentlich „schützender Nadelbaum” bedeutet. Schiedsrichter wird, wer viele Jahre Hagmoar war.[2682]

9.14.3. Ranggelsport heute

Wenn auch die Regeln des Ranggelsportes in unserer Gegend über Jahrhunderte hindurch nur mündlich überliefert wurden, kann heute gesagt werden, dass sich grundsätzlich wenig verändert hat. Erst als 1947 der Salzburger Rangglerverband gegründet wurde, begann man Rangglerbewerbe nach einheitlichen Bestimmungen auszurichten. Vorschriften über Art und Größe des Ranggelplatzes, der Bekleidung, der Kampfzeit, erlaubte und verbotene Würfe und Bekleidungsvorschriften für Schiedsrichter wurden festgelegt. Im Wesentlichen wird aber auch heute nach den Regeln alter Überlieferungen geranggelt.

Heute gibt es vier Rangglerverbände im Alpenraum: Salzburger Rangglerverband und Tiroler Rangglerverband in Österreich, Südtiroler Rangglerverband in Italien und Bayrischer Rangglerverband in Deutschland. In allen Rangglerverbänden wird nach den gleichen Regeln gekämpft und ein gemeinsamer Terminkalender erstellt. Die Rangglerverbände haben ihre Ranggler in Vereinen organisiert, die das Training im Winter und bei schlechter Witterung auf Matten durchführen und im Sommer gemeinsam die Wettkämpfe besuchen, die auf einer Wiese ausgetragen werden. Der Ring hat einen Durchmesser von ca. 25 m und ist mit Sägemehl markiert. Zwei Meter dahinter sitzen die Zuschauer auf bereit gestellten Bänken. Im internationalen Terminkalender sind ca. 20 Wettkämpfe vorgesehen, bei denen 120 bis 150 Ranggler beteiligt sind. Die Rangglerfeste dauern von 13 Uhr bis ca. 18 Uhr und werden durchschnittlich von 1.000 Zuschauern besucht. Nur bei schlechter Witterung werden auch Wettkämpfe auf Matten in einer Halle ausgetragen. Bei allen Ranggelbewerben gibt es sechs Jugendklassen und vier allgemeine Leistungsklassen. Dabei ist die 4. Klasse für Anfänger vorgesehen und die 1. Klasse gilt als Meisterklasse. Die Kampfzeit dauert bei den Schülern und Jugendlichen fünf Minuten, in der Allgemeinen Klasse sechs Minuten. Nur die Sieger steigen in die nächste Runde auf, alle Ranggler, die unterlegen oder unentschieden gekämpft haben, scheiden aus. Gewichtsklassen waren beim Ranggeln nie üblich. In jeder Klasse gibt es heute drei Preise. Als Preise erhalten die Sieger Pokale, Fahnen oder Kunstgegenstände und bescheidene Geldpreise.

9.14.4. Salzburger Rangglerverband

Der Salzburger Rangglerverband ist die Dachorganisation aller Rangglervereine im Land Salzburg. Seine Aufgabe ist die Vergabe und Durchführung der Ranggelveranstaltungen im Bundesland Salzburg. Zusammen mit den Rangglerverbänden von Bayern, Tirol und Südtirol wird der internationale Terminkalender festgelegt, gemeinsame Durchführungsbestimmungen beschlossen und die Schiedsrichterschulung und -einteilung vorgenommen. Hauptaufgabe ist die Förderung und Weiterentwicklung des Brauchtumssportes Ranggeln sowie die Aufwertung der Rangglerveranstaltungen durch volkskulturelle Rahmenprogramme. Ziel ist einerseits die Begeisterung der Jugend für den Rangglersport und andererseits die Erhaltung und Förderung der Attraktivität der Rangglerfeste für die Zuschauer.

9.14.4.1. Chronik

Der Brauchtumssport „Ranggeln” ist über viele Jahrhunderte durch verschiedene Dokumente urkundlich nachweisbar. Die Wettkampfregeln und die Art der Durchführung wurden jahrhundertelang durch mündliche Überlieferung weitergegeben. Durch das Fehlen schriftlicher Durchführungsbestimmungen war die Regelauslegung großteils dem Veranstalter von Rangglerfesten vorbehalten. Fragwürdige Entscheidungen und übertriebener Patriotismus führten sehr häufig zu unnötigen Streitigkeiten, die dem Ansehen dieser Sportart sehr abträglich waren. Verdienstvolle Männer aus dem Pinzgau und Pongau bemühten sich daher gleich nach dem Zweiten Weltkrieg, diesem Problem wirksam zu begegnen.

Unter dem Vorsitz von Bezirkshauptmann Dr. Gasteiger trafen sich folgende Männer 1947 beim Fischerwirt in Zell am See zur Gründungsversammlung des Salzburger Rangglerverbandes: Hermann Hörl aus Saalfelden, Simon Scharler aus Stuhlfelden, Fritz Bürgler aus Goldegg, Ing. Sebastian Poschacher aus Uttendorf, Bartl Herzog aus Taxenbach, Stefan Holzer aus Mühlbach und der Hausherr Franz Mitterwurzer. Da es kein Gründungsprotokoll gibt, ist die Liste der Teilnehmer wahrscheinlich unvollständig.

9.14.4.2. Schwierige Gründungsphase

Während der Kassier Franz Mitterwurzer bis zu seinem Tode im Jahre 1970 seine Funktion behielt, wechselten die Obmänner fast jährlich in ihrer Funktion. Erst mit der Wahl von Klaus Huber aus Mittersill im Jahre 1958 kam Konstanz in den Vorstand des Rangglerverbandes. In seiner zwanzigjährigen Obmannschaft erfuhr der Ranggelsport den entscheidenden Aufschwung. Die klaglose Abwicklung der Veranstaltungen und die Terminabsprache für Großveranstaltungen waren die Ziele der Funktionäre in den ersten Jahren.

Die Organisation eines Ländervergleichskampfes zwischen Salzburg und Tirol war ein erstes Erfolgserlebnis des neuen Vorstandes. Obwohl der Tiroler Rangglerverband erst 1961 gegründet wurde, ist es von Anfang an gelungen, ein Länderranggeln abwechselnd in Tirol und Salzburg durchzuführen. Große Probleme ergaben sich jedoch in organisatorischer Hinsicht, weil damals alle Ranggler Individualisten waren und verstreut über das ganze Land lebten. Die geringe Mobilität dieser Zeit stellte ein fast unüberwindbares Hemmnis dar.

9.14.4.3. Internationale Zusammenarbeit

Nachdem die Rangglerverbände von Südtirol (1948), Bayern (1960) und Tirol (1961) gegründet wurden, konnte die internationale Zusammenarbeit verstärkt werden. Neben dem traditionellen Länderranggeln zwischen Salzburg und Tirol wurden auch Vierländerranggeln organisiert, bei denen die fünf besten Ranggler der einzelnen Verbände um den Mannschaftssieg kämpften. Es ist gelungen, gemeinsam einen internationalen Ranggler-Terminkalender zu erstellen, der für alle vier Verbände verbindlich ist. Der größte Erfolg dieser Zeit war aber die Erstellung einheitlicher Durchführungsbestimmungen für alle Rangglerverbände im Jahre 1969. In diesen Bestimmungen sind nicht nur die Wettkampfregeln für die Ranggler, sondern auch die Vorschriften für die Veranstalter verbindlich festgelegt.

9.14.4.4. Vereinsgründungen

Die Ranggler sollten ihren Sport nicht als Individualisten betreiben, sondern in Vereinen mitwirken. Es wurde daher versucht, in den Heimatgemeinden erfolgreicher Rangglervereine zu gründen. Die gezielte Förderung des Ranggelsportes wurde damit wesentlich erleichtert, um so gute Trainingsbedingungen zu schaffen.

Folgende Rangglervereine sind auf diese Weise entstanden:

1964 Rauris, Obmann Albert Gschwandtner
 1976 Niedernsill, Obmann Alois Buchner
 1977 Mittersill, Obmann Fritz Singer
 1979 Bruck, Obmann DI Günther Heim
 1980 Saalbach, Obmann Herbert Steger
 1980 Saalfelden, Obmann August Hollaus
 1980 Taxenbach, Obmann Toni Herzog
 1981 Bramberg, Obmann Hans Trattner
 1982 Leogang, Obmann Sepp Eberl
 1983 Pongau, Obmann Robert Rupitsch
 1989 Piesendorf, Obmann Hans Bernsteiner
 1993 Elsbethen, Obmann Hermann Katsch
 1993 Enns-Pongau, Obmann Wilfried Laubichler
 1993 St. Johann-Alpendorf, Obmann Rupert Mayr
 1993 Uttendorf, Obmann Josef Gruber

9.14.4.5. Vom Rangglerfest zum Brauchtumsfest

Nachdem die sportlichen Leistungen in allen Bereichen verbessert werden konnten, wurden die Ranggelveranstalter bereits anfangs der Neunzigerjahre aufgerufen, die Veranstaltungen durch volkskulturelle Rahmenprogramme zu verschönern. Vielen traditionellen Ranggelveranstaltern ist es seither gelungen, aus den bisherigen Rangglerfesten schöne Brauchtumsfeste zu machen.

9.14.4.6. Internationaler Terminkalender

Nach Ende einer Ranggelsaison treffen sich die Funktionäre der vier Rangglerverbände zu einer Länderkonferenz, bei der eventuell aufgetretene Probleme in der abgelaufenen Rangglersaison diskutiert werden und eine Vorschau auf die nächste Saison erfolgt. Von den Rangglerverbänden werden Anträge für die Abhaltung von Ranggelveranstaltungen entgegengenommen und Terminabsprachen getroffen. Die endgültige Vergabe der Ranggelveranstaltungen erfolgt bei der Jahreshauptversammlung der einzelnen Rangglerverbände im Frühjahr. Dabei können die Rangglerverbände Salzburg und Tirol je acht, Südtirol vier internationale Veranstaltungen vergeben, Bayern eine. Rund die Hälfte davon zählt zur Alpencupwertung, wobei der Veranstalter erhöhtes Preisgeld zu zahlen hat.

Traditionsgemäß beginnt die Ranggelsaison am letzten Sonntag im April im Pinzgau mit dem Eröffnungsranggeln. In Tirol folgt das Eröffnungsranggeln eine Woche später im Rahmen des Gauderfestes in Zell am Ziller. Weitere Fixpunkte im Terminkalender sind das Jakobiranggeln am Hundstein am letzten Sonntag im Juli (kein internationaler Bewerb) und eine Woche später ein Vierländerranggeln in Mittersill, bei dem die fünf besten Ranggler jedes Verbandes als Mannschaft antreten und den Mannschaftssieger ermitteln.

Das traditionelle Länderranggeln Salzburg gegen Tirol und die Österreichische Staatsmeisterschaft werden abwechselnd in Tirol und Salzburg ausgetragen. Beim Länderranggeln kämpfen jeweils die drei besten Jugendranggler um den Mannschaftssieg, während in der Allgemeinen Klasse sieben Ranggler aufgeboten werden und in drei Durchgängen die Gegner zugelost erhalten. Die punktebesten Ranggler der Siegermannschaft erhalten den Titel „Ländermeister”. Den Abschluss einer Ranggelsaison bildet das ebenfalls traditionelle Vierländerranggeln in St. Martin im Passeier/Südtirol.

9.14.4.7. Keltisch Ringen

Zum Keltisch Ringen gehören Ringkampfarten, die in voller Kleidung ausgetragen werden. Ranggeln ist daher nach heutiger sportlicher Zuweisung eine „keltische Ringart”. Der Salzburger Rangglerverband wurde im Jahre 2001 vom Internationalen Keltisch Ringerverband eingeladen, an den Europameisterschaften im Keltisch Ringen in Quimper in Frankreich teilzunehmen. Die Europameisterschaft wurde in zwei Stilarten, Gouren und Back-Hold, ausgeschrieben.

Gouren ist dem Ranggeln sehr ähnlich und es kommt darauf an, den Gegner auf den Rücken zu werfen. Allerdings gelten nur Würfe aus dem Stand, es gibt daher keinen Bodenkampf. Gekämpft wird mit einem Ringhemd wie beim Ranggeln, in dem aber ein Gürtel eingenäht ist. Die Hose ist nach freier Wahl kurz oder bis übers Knie und darf mit den Händen nicht angefasst werden. Fast alle Rangglergriffe aus dem Stand sind daher zulässig. Der Kampf wird vorzeitig beendet, wenn es gelingt, den Gegner gleichzeitig auf beide Schultern zu werfen, was selten vorkommt. Normalerweise dauert der Kampf fünf Minuten, dann ist jener Ringer Sieger, der in der Punktewertung vorne liegt. Ist die Punktewertung ausgeglichen, wird der Kampf nach einer kurzen Pause um 2,5 Minuten verlängert. Bei weiterer Punktegleichheit entscheidet das Kampfgericht. Die Ringer werden in Pools bis zu fünf Teilnehmer ausgelost, in dem jeder gegen jeden kämpfen muss. Das Halbfinale bestreiten die Poolersten gegen die Poolzweiten. Das Finale um 1. oder 2. Platz wird von den Siegern im Halbfinale bestritten. Die Verlierer im Halbfinale kämpfen um den 3. Platz.

Back-Hold ist eine Stilart, bei der sich die Gegner gegenseitig mit beiden Händen umschlingen und versuchen auf den Boden zu werfen. Wer zuerst mit einem Körperteil den Boden berührt, hat verloren. Es gibt kein Zeitlimit, Sieger ist, wer seinen Gegner zuerst dreimal zu Boden gebracht hat. Auch beim Back-Hold werden die Sieger nach dem Poolsystem ermittelt. Beide Stilarten werden auf Ringermatten ausgetragen. Die Klasseneinteilung erfolgt nach Gewichtsklassen.

Nach einem Videostudium entschloss sich der Salzburger Rangglerverband eine Mannschaft zu den Europameisterschaften zu Ostern 2001 in Quimper in Frankreich zu entsenden und Mitglied des Internationalen Keltischen Ringerverbandes zu werden. Es nahmen acht Nationen an diesem Wettbewerb teil, alle waren vom sensationellen Abschneiden der österreichischen Mannschaft überrascht. In der Gesamtwertung reichte es zwar nur für den 5. Platz, weil die Klasse bis 74 kg verletzungsbedingt nicht besetzt werden konnte. In der Einzelwertung gab es aber drei Europameistertitel und zwei Vizeeuropameister. Erwartungsgemäß lag unseren Rangglern die Stilart Gouren besser als Back-Hold. Nur Helmut Kendler ließ sich nicht beirren und siegte mit seiner entschlossenen Technik in beiden Stilarten. Folgende Ergebnisse wurden erzielt:

Gouren: über 100 kg 1. Platz Stefan Riedlsperger; bis 100 kg 1. Platz Helmut Kendler; bis 90 kg 2. Platz Ludwig Orgler; bis 68 kg 2. Platz Peter Aschaber Back-Hold: bis 100 kg 1. Platz Helmut Kendler

Im Jahr 2002 fand ebenfalls zu Ostern die Junioreneuropameisterschaft im Keltisch Ringen in Rennes in Frankreich statt. Der Salzburger Rangglerverband stellte eine komplette Mannschaft, die sehr gut vorbereitet wurde. Da es erlaubt war, eine Gewichtsklasse doppelt zu besetzen, wenn dafür eine andere nicht besetzt wird, wurde auf die Klasse bis 57 kg verzichtet, um die Klasse bis 95 kg doppelt besetzen zu können. Folgende Mannschaft wurde nominiert: bis 62 kg Andreas Herzog, bis 68 kg Christian Rieß, bis 74 kg Markus Wimberger, bis 81 kg Hermann Esterbauer, bis 95 kg Ludwig Orgler und Roman Hotter. Mit dieser Mannschft gelang ein durchschlagender Erfolg. Sie war nicht nur im Gouren erfolgreich, sondern auch im Back-Hold und gewann sensationell die Mannschaftswertung vor Frankreich und Spanien. In der Einzelwertung gab es folgende Ergebnisse:

Gouren: bis 62 kg 2. Platz Andreas Herzog; bis 68 kg 3. Platz Christian Rieß; bis 74 kg 3. Platz Markus Wimberger; bis 81 kg 1. Platz Hermann Esterbauer; bis 95 kg 1. Platz Ludwig Orgler, 2. Platz Roman Hotter. Back-Hold: bis 62 kg 1. Platz Andreas Herzog; bis 68 kg 4. Platz Christian Rieß; bis 74 kg 3. Platz Markus Wimberger; bis 81 kg 1. Platz Hermann Esterbauer; bis 95 kg 1. Platz Ludwig Orgler, 3. Platz Roman Hotter.



[2670] [Spaur 1800]. Bd. 1, S. 240.

[2673] [PeterI 1981b], S. 21–36.

[2674] [Adrian 1924], S. 289–303.

[2675] [Nusko 1972], S.37f., dort zitiert: Das Ranggel auf dem Hundstein. Aus dem Salzburger Bauernbund-Kalender 1925, S. 99.

[2676] [Nusko 1972], S. 11, 15, Abb.1, S. 23, 26, 28.

[2677] [Nusko 1972], S. 11, 19, 38.

[2678] [Nusko 1972], S. 45–60.

[2679] [Nusko 1972], S. 43f., dort zitiert: Juvavia. Salzburg 1849, S. 313.

[2681] [Nusko 1972], S. 117–122.

[2682] [Nusko 1972], S. 37–43, dort zitiert: Salzburg Bauernbund-Kalender 1925, S. 99; [Pachmann 1925].

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