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12.9. Franz Hochwarter: Tourismus: Vermarktung ja, Verkitschung nein

Franz Hochwarter (Verleger aus St. Johann im Pongau und ehemaliger Kurdirektor des Kur- und Fremdenverkehrsverbandes Bad Hofgastein 1991–1996) übersandte Ulrike Kammerhofer-Aggermann am 27. Jänner 2003 ein schriftliches Statement.

Als ehemaliger Tourismusdirektor in Bad Hofgastein wie derzeit als Verleger sind Tourismus und Kultur für Sie vermarktbares Kapital. Daneben fördern Sie mit Ihren Publikationen regionale Kulturgeschichtsforschung und kulturelles Engagement. Wie lässt sich das vereinbaren?

Für mich persönlich kann ich es auf einen Kernsatz reduzieren: Vermarktung ja, Verkitschung nein! Vielleicht wären Plastikpuppen mit Motiven der Gasteiner Perchten um € 9,90 das größere Geschäft als Bücher, aber damit kann ich mich nicht identifizieren. Ich bekenne mich dazu, dass Tourismus und Kultur vermarktbares Kapital sind. Wären sie dies nicht, müssten wir das Rad der Wirtschaftsgeschichte um zumindest 100 Jahre zurückdrehen und Kultur würde unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Museen stattfinden. Die Vermarktung hat aus meiner Sicht aber eine unabdingbare Voraussetzung: Sie muss ehrlich und authentisch sein! Darüber könnte man nun eine Dissertation schreiben, ich möchte dies aber an einem Beispiel aufzeigen: Bei den Recherchen zum Buch über „Die Gasteiner Passen“ stieß ich im Pongau auf eine plakatierte Veranstaltung: „Krampus-Clubbing mit Go-Go-Girls“. Das hat mit Kultur und Brauch nichts mehr zu tun. Es ist deren kommerzielle Vergewaltigung – Vermarktung und Verkitschung als Show und Event. Diese „Zeichen der Zeit“ haben nur einen Vorteil: Sie verschwinden wieder! Über Jahrhunderte hat sich nur das Ehrliche und Authentische durchgesetzt und erhalten. Mit oder ohne Vermarktung!

„Ausverkauf von Kultur und Landschaft“, „Menschen als Statisten auf den Bühnen des Tourismus“ stehen heute als negative Schlagworte den touristischen Sehnsüchten nach „Authentizität“, nach „persönlichkeitswirksamem Erleben“ wie nach „Erlebnisurlaub“ gegenüber. Was empfehlen Sie den Bewohnern sowie den Tourismusmanagern in touristischen Zielregionen?

Ich kenne keine Branche, die so kurzfristig denkt und handelt wie der Tourismus. Man denkt primär in Saisonen und analysiert Erfolg oder Misserfolg anhand von Nächtigungszahlen. Ein Trend jagt den anderen und das Bestreben, auf diese „aufzuspringen“ ist extrem ausgeprägt. Zu wenig besinnt man sich der eigenen, regionalen Stärken und stellt diese in den Mittelpunkt der langfristigen Strategien. Dadurch werden Orte und Regionen austauschbar, was wiederum oft zu einem unnötigen internen Konkurrenzkampf zwischen Nachbarn führt.

Meine Empfehlungen sind daher verstärktes Engagement in den Bereichen: fundierte Leitbildentwicklung, Synergie- und Ressourcenoptimierung, Positionierung und Kooperationen sowie Anpassung der für die Umsetzung erforderlichen Strukturen. Die Rechtsform eines „gemeinnützigen“ Vereines oder Verbandes mit seinen Gremien, Organen und zahlreichen „Zwischenrufern“ auf örtlicher Ebene mag zwar für lokale Kulturinitiativen passend sein, aber sicherlich nicht für den Tourismus. Tourismus ist Business! Und Business lässt sich nicht als Verein oder Verband organisieren!

Ihre Publikationen sind Bücher, die Sie mit Einheimischen für sich und Ihre Region machen. Sie unterscheiden sich wesentlich von touristischen Publikationen und sind dennoch auch bei Touristen begehrt. Welches „Geheimrezept“ wenden Sie dabei an?

Der boomende Tourismus ab der Zeit der Sommerfrische in den 1960er-Jahren hat innerhalb von zwei Generationen dieses Land verändert. Aus bäuerlich strukturierten Gebirgsorten sind Tourismuszentren geworden. Viel an örtlicher und regionaler Identität wurde verdrängt bzw. überlagert. Diese Wurzeln sind aber nicht vergessen worden und sind auch nicht verloren gegangen. Mit meinen Büchern bemühe ich mich, den Einheimischen ein kleines Stück ihrer eigenen Geschichte und Identität aufzuzeigen. Die Umsetzung in hochqualitativen Bild- und Textbänden wird sehr positiv aufgenommen. Auch von interessierten Gästen! Denn nur wenn man die Einheimischen überzeugt, funktioniert die sogenannte Mundpropaganda gegenüber den Touristen bzw. werden die Bücher gerne als Geschenk bei Gästeehrungen und anderen Anlässen genutzt.

Was bedeuten Ihnen persönlich Salzburger Landschaft und Kultur?

Nachdem ich rund 25 Jahre in Wien gelebt habe, ist für mich Salzburg ein unglaublicher Kontrast und Gegenpol zum Stadtleben. Die einzigartige Vielfalt der landschaftlichen Schönheiten und das unendliche Angebot an kulturellen Initiativen fasziniert mich nunmehr seit 1991, dem Jahr, in dem ich „zugereist“ bin. Mit offener Neugierde und staunenden Augen stolpert man als „Stadtmensch“ durch den Jahreskreis der Natur und Kultur und erlebt und fühlt Dinge, zu denen man als Städter nie Zugang hatte. Menschen, bei denen noch „das Wort zählt“ und „der Handschlag gilt“, der Wegfall der städtischen Anonymität mit dem Eindruck „jeder kennt jeden“ und vieles mehr haben mein Leben in vielen qualitativen Aspekten bereichert. Als Verleger steckt man die Nase bei den Recherchen sehr tief in ein Thema hinein und erfährt und entdeckt Einzigartiges. Mit den Büchern gebe ich den Einheimischen ein bisschen davon als „Dankeschön!“ für das Erlebte zurück.

Für Interessierte ein Literaturtipp:

[Bachleitner/Hiebl 2002] Bachleitner, Reinhard; Hiebl, Ewald: Vom Verein zur Hebung des Fremdenverkehrs zur Marketinggesellschaft für Tourismus oder wie das Ehrenamt zum Managerposten mutiert. In: Kammerhofer-Aggermann, Ulrike (Hg.): Ehrenamt und Leidenschaft. Vereine als gesellschaftliche Faktoren. Salzburg 2002 (Salzburger Beiträge zur Volkskunde 12), S. 223–232..

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