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Zünfte – Bräuche – alte Zöpfe? (Reinhold Reith)

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Alte Zöpfe – neue Zöpfe? Das Fahnenschwingen der Salzburger Metzger

Traditionen, die alt erscheinen oder als „ehrwürdiges Erbe unserer Vorfahren“ vorgestellt werden, haben sehr oft eine junge Vergangenheit und sind manchmal sogar erfunden. Besonders den Bräuchen der Handwerker wird in der Regel ein hohes Alter zugeschrieben, das in der älteren Forschung sogar von den Germanen abgeleitet wurde.

Das in Salzburg 1981 wieder eingeführte Fahnenschwingen der Metzger wird auf ein Privileg zurückgeführt, das Erzbischof Leonhard von Keutschach 1512 den Metzgern verliehen haben soll. Schulrat Karl Adrian, der sich für die Pflege und Erneuerung der Salzburger Bräuche einsetzte, schrieb 1924, die Metzger seien seit dieser Zeit „von dieser ehrenden Auszeichnung nicht mehr abgegangen und so hat sich die Sitte erhalten bis auf unsere Tage“. Der Gegenwart erwachse die dankbare Aufgabe, „einzelne, schöne alte Sitten, die Gefahr laufen, in Vergessenheit zu geraten, in verständnisvoller Weise zu pflegen und zu erhalten“.

Von besagtem Privileg gibt es bisher allerdings keine Spur; offenbar handelt es sich um eine der vielen Zunftsagen. Erst aus dem 19. Jahrhundert gibt es einen konkreten Hinweis auf das Fahnenschwingen: 1863 beschreibt Reinsberg-Düringsfeld, dass man in Salzburg am Faschingssonntag einen geschmückten Ochsen durch die Straßen geführt habe und dann beim „Gasthof zum Ochsen“ unter Musik und lautem Jubel die Fahne geschwungen habe. Das Umführen des Ochsen hat Adrian nicht in die Sammlung der Salzburger Bräuche aufgenommen, nur das Fahnenschwingen entsprach offenbar seiner Vorstellung einer schönen, alten Sitte, die man mit „bildender und schonender Hand“ veredeln wollte. Obwohl es für ein Fahnenschwingen vor dieser Zeit keinerlei Belege gibt, hat sich die Legende vom Salzburger Fahnenschwingen bis in die Handbücher hinein durchgesetzt.

Die Lichtgans: Fastnacht und das Arbeitsjahr

Im Rahmen der städtischen Fas(t)nacht spielten die Handwerksgesellen eine zentrale Rolle. Vor allem die so genannten Lichtbräuche wie Lichtbier, Martinswein, Lichtgans und Lichtbraten, die mitunter mit „Kurzweil“, Umzug und Feuerwerk verbunden waren, zählten zu den entsprechenden Brauchformen. War es Maria Lichtmess, ein religiöser Anlass, der den Termin fixierte? Oder hatte die „Lichtgans“, wie besonders in der NS-Zeit betont wurde, mit der Vegetationsmagie zu tun, denn das „Gansabreißen“ wurde in dieser Sichtweise als Rest eines Erntedankopfers und die Lichtgans wie auch die Martinsgans in Verbindung mit dieser ursprünglichen Verehrung gesehen.

Eine einfachere Erklärung mit Blick auf Arbeitszusammenhang und Arbeitsjahr liegt nahe: Bei den Werkstatthandwerkern begann die „Lichtarbeit“, d. h. die Arbeit bei kärglicher und augenschädlicher Beleuchtung, an Michaelis (29. September) oder spätestens Martini (11. November!, heute Faschingsbeginn) und endete an Fasnacht oder spätestens an Georgi (23. April).

Der Beginn und vor allem der Abschluss der verhassten Lichtarbeit wurden festlich begangen; überregional sind Lichtbier, Lichtgans und Lichtbraten belegt. Das in der Schweiz bekannte „Lichtbrotis“ (an Michaelis) wurde in der Gesellensprache auch „Teufelsbraten“ genannt; in Österreich wurde der Ausgang der Lichtarbeit im Frühjahr mit dem „Scheidewecken“ gefeiert.

Lichtarbeit und Wanderzeit

Lichtarbeit und Wanderzeit galten im Handwerk gleichsam als Synonyme für Winter und Sommer. In den Fastnachtsspielen der Gesellen, so z. B. im Hamburger Fastnachtsspiel der Tischler von 1696, geht es denn auch um den Kampf um das Licht („Wir müssen arbeiten bey dem Licht, das wollen wir länger gedulden nicht“) und um die knauserige Behandlung der Gesellen im Winter („Die fetten Würst freßt ihr allein, Und gebt den Gesellen ein Sauerkraut, Erbsen und Bohn füllt ihre Haut. Ein Kraut-Meister seyd ihr, das Gott erbarm!“).

Die Meister entgegnen im Wortgefecht, die Gesellen hätten „nur stetig im Kruge gesessen, und das Licht auff der Hubelbanck vergessen“ sowie „bey Jungfrauen gesessen“ und „Meisters Hauß gantz vergessen“ – sie seien anspruchsvoll im Essen und faul bei der Arbeit. Der Richter mit dem Schwert fällt schließlich seinen Spruch, dass das Licht ertränkt werden soll. Das Auslöschen des Lichts wurde vor allem im 17. Jahrhundert als „Lichttränken“ und mit barocken Umzügen mit Feuerwerk begangen.

Der Metzgersprung und die Fastenzeit: Der Kampf um den Aschermittwoch

Im 16. Jahrhundert zeichnen sich im Rahmen der städtischen Fasnacht zwei Brauchformen deutlich ab:

  • das Prellen oder Schnellen eines vermummten Lehrjungen auf einer Rindshaut als Schaubrauch bei der Gesellenaufnahme und

  • das Umführen, Jagen oder Stechen eines Rindes in Verbindung mit Umzügen und Heischegängen.

Daneben sind im oberdeutschen Raum vor allem das Gefangennehmen und das In-einen Brunntrog-Tauchen überliefert: In Basel sollten die Handwerksknechte (1436) „an der Eschermittwochen nit einander ze trengen ze zehren und in Brunnen ze werffen“ oder (1442) „in brunnen ze tragen“. Alle Gebote – ob in Bern, Schaffhausen, Konstanz oder Basel – betreffen den Aschermittwoch.

Eine stärkere Häufung des Brauches findet sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts im bayerisch-schwäbisch-alemannischen Raum, der auch als späteres Verbreitungsgebiet des Metzgersprunges als Initiationsritus der Metzgerlehrlinge aufscheint. Der Metzgersprung ist im 17. und 18. Jahrhundert auch in Salzburg belegt und auch für kleinere Städte (Tittmoning, Laufen, Kufstein etc.) gibt es Hinweise.

Bräuche der Metzger vor der Fastenzeit

Die Ochsenhatz ist in der älteren Forschung oft mit Opferkulten in Verbindung gebracht worden, doch sie ist nichts anderes als das Schlachten des letzten Rindes vor der Fastenzeit. Die reich ausgebildeten Bräuche der Metzger und die Maskierungen in Kälber-, Rinder- und Ochsenfellen stehen in engem Zusammenhang mit dem Beginn der fleisch- und fettlosen Fastenzeit.

Das kirchliche Fastengebot und die Fastenzeit bedeuteten für die Metzger einen tiefen Einschnitt im Arbeitsjahr, denn das Fleischhacken ruhte während der Fastenzeit. Dass die Metzgergesellen ausgerechnet mit dem Beginn der Fastenzeit z. B. in Nürnberg 1624 mit einer 596 Ellen langen Wurst durch die Stadt zogen oder 1613 in Begleitung von Trommlern und Pfeifern mit „Küchlein und Sulze“ ins Bad gingen und auf der Herberge eine Mahlzeit mit Schweinefleisch, Kapaun und Braten einnahmen, widersprach dem Fastengebot: Bräuche wie der Metzgersprung ließen sich zwar nicht verbieten, doch die Verlegung auf den Fasnachtsmontag war langfristig – sowohl im reformierten Zürich („Eschermitwochen und mitlaufende Unfuegen als ein halb heidnisch und papistisch, in einer reformierten Statt unzimmlich Fest“) als auch im katholischen Salzburg – nicht zu umgehen. 1981 wurde in Salzburg der Metzgersprung wieder aufgenommen: die freigesprochenen Lehrlinge der Metzger springen seitdem am Faschingssonntag in einen mit Wasser gefüllten Bottich!

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