Wie und wo engagieren sich Menschen in Salzburg heute für die politische Gestaltung ihrer gesellschaftlichen Umwelt? Für diese Frage lässt sich auf leichterem wie auch auf schwierigerem Wege eine Antwort finden. Wählte ich den leichten Weg, so würde ich in das allgemeine Lamento über die Legitimationskrise von Staat und Politik einstimmen; ich würde diesem beklagenswerten Zustand als logische Folge die „Liegestuhlgesellschaft“ zuordnen: Staatliche Dominanz im angeblich überentwickelten Sozialstaat in Verbindung mit sinkender Akzeptanz der politisch Handelnden führe zu Apathie und Passivität breiter Schichten in der Bevölkerung, so beklagt Andreas Khol in seiner Publikation „Durchbruch zur Bürgergesellschaft“ die zivilgesellschaftlichen Defizite in Österreich.[3954]
Wählte ich den schwierigen Weg, so würde ich versuchen, eine objektive, vollständige Bilanz aller Bereiche gesellschaftspolitischen Handelns in Salzburg zu geben: von den klassischen Bereichen etablierter Politik (allein in den demokratischen Parteien reicht die Palette von der Ortsgruppe über Stadt- und Landesorganisationen bis zu den diversen Ämtern der „governmental politics“: Gemeinderäte, Stadträte, Landtagsabgeordnete etc.) bis zu den Nicht-Regierungs-Organisationen, den „non-governmental-organisations“ (NGOs) oder Bürgerorganisationen, die in unterschiedlichen (Themen-)Bereichen und auf den verschiedensten Ebenen, auch in unterschiedlichen Professionalitätsgraden gesellschaftspolitisch tätig sind. Hier reicht die Palette von örtlichen Bürgerinitiativen gegen Handymasten über mittlerweile institutionalisierte VertreterInnen der „Neuen Sozialen Bewegungen“ der 1970er-Jahre wie „Friedensbüro“ oder „Robert-Jungk-Stiftung“, über regionale Gruppen nationaler und transnationaler NGOs wie „Amnesty International“ oder „Greenpeace“ bis zu größeren NGO-Netzwerken wie der „Salzburger Plattform für Menschenrechte“ oder dem „Salzburger Netzwerk gegen Armut und soziale Ausgrenzung“, die sich zu klar definierten Themenkooperationen zusammengeschlossen haben. Nicht zu vergessen sind auch diverse konfessionell gebundene (zum Beispiel katholisch-kirchliche) Gruppen und Institutionen, die – ihrem in der Bibel wie in der christlichen Soziallehre begründeten Verständnis von gesellschaftspolitischem Engagement folgend – sich in vielen Themenbereichen auf der Ebene von NGOs, aber auch durch Einflussnahme auf politische Verantwortungsträger und Parteien einbringen. Ein Beispiel ist die „Katholische Aktion“, die als Ehrenamtsorganisation dem zivilgesellschaftlichen Zugang bereits durch ihre Organisationsstruktur und durch ihr Selbstverständnis verpflichtet ist.[3955] In diesem weit gedehnten, unüberschaubaren Feld den roten Faden für eine konsistente Definition gesellschaftspolitischen Engagements zu finden, wäre eine fast unmögliche Aufgabe.
Ich möchte in diesem Beitrag einen gangbaren Mittelweg beschreiten, der sich auf den Bereich der Zivilgesellschaft in Salzburg konzentriert und versucht, sie aus der subjektiven Perspektive eines Beteiligten zu schildern. Ich möchte mich dem gesellschaftspolitischen Engagement von Menschen in Salzburg in drei Schritten nähern:
Schritt: Was bedeutet Zivilgesellschaft und wie ist sie in Salzburg ausgeprägt?
Schritt: Was sind mögliche persönliche Motivationen und Ausprägungen gesellschaftspolitischen Handelns von Menschen in Salzburg?
Schritt: Beschreibung möglicher Zugänge zu zivilgesellschaftlichen Gruppen und Organisationen in Salzburg, die in Netzwerken gesellschaftspolitisch tätig sind.
Der Begriff „Zivilgesellschaft“ trägt die Last eines jeden „Sympathie- oder Modewortes“; er ist mit Erwartungen und Zielvorstellungen überfrachtet. Die unüberschaubar gewordene Literatur zum Thema hat eine Unzahl von Definitionen hervorgebracht, die das Wort – und vor allem die Sache – undefinierbar erscheinen lassen. Im Hintergrund des Begriffes steht auch eine umfangreiche Ideengeschichte, die von Aristoteles über Antonio Gramsci bis zu Hans-Peter Dürr reicht.[3956] Ich werde im Folgenden wesentliche begriffliche Elemente, die in vielen Definitionen aufscheinen, kritisch besprechen, um den LeserInnen Angebote für eine selbständige Orientierung im Definitionsdschungel zu machen:
Dritter Sektor: In vielen Publikationen wird die Zivilgesellschaft neben der Politik und der Wirtschaft als die dritte, selbständige Säule einer demokratischen Gesellschaft bezeichnet. Im „Jahrbuch des dritten Sektors“ heißt es: Der dritte Sektor sei „in Abgrenzung zum Staat (1. Sektor) und der profitorientierten Marktwirtschaft (2. Sektor) die dazwischen liegenden ‚intermediären‘ Gesellschaftsformen, die Organisationen der Zivilgesellschaft.“[3957]In einer additiven Auflistung der gesellschaftlichen Faktoren scheint die Zivilgesellschaft als gleichrangig dritter auf.
Eine solche Auflistung könnte vermuten lassen, dass die Zivilgesellschaft einen ähnlich autonomen und ähnlich potenten Machtfaktor darstellt wie die politischen und wirtschaftlichen Organisationen in Österreich. Davon kann allerdings in der Praxis keine Rede sein. Denn in der Regel fehlt den zivilgesellschaftlichen Gruppen und Organisationen eine vergleichbare organisatorische Dichte und Professionalität wie in der Politik sowie eine ähnlich ökonomische Potenz und eine vergleichbar mächtige Interessenvertretung wie sie die Wirtschaft besitzt.
Ein Großteil der NGOs in Salzburg bewegt sich in den Dimensionen von kleinen und mittleren Organisationen mit geringem Professionalisierungsgrad. Hinzu kommt, dass die NGOs zum überwiegenden Teil von Subventionen, die durch politische Entscheidungen vergeben werden, oder von Sponsoring aus der Wirtschaft finanziell abhängig sind. In Salzburg führt dieser Umstand nicht selten zu Erwartungshaltungen seitens der Politik, die denen eines privaten Gönners in nichts nachstehen. Dadurch geraten die NGOs in einen schwierigen Konflikt zwischen dem eigenen Anspruch auf politische Autonomie und der Notwendigkeit finanziellen Überlebens. Das „Salzburger Netzwerk gegen Armut und soziale Ausgrenzung“ zum Beispiel hat einen hauptamtlichen Mitarbeiter, der vom Land Salzburg über eine Personalsubvention bezahlt wird. Gleichzeitig versteht sich das Netzwerk aber mit seinen sozialpolitischen Zielsetzungen in einzelnen Fällen als kritisches Gegenüber zur offiziellen Politik des Landes – etwa wenn es einen „Alternativentwurf“ für ein neues Sozialhilfegesetz (den „Modellentwurf Mindestsicherung“) veröffentlicht oder wenn es die Beteiligung der NGOs an der Erstellung des Salzburger Beitrages zum „Nationalen Aktionsplan“ (NAP) gegen Armut und soziale Ausgrenzung einfordert.
Öffentliche Organisationen: Die Zivilgesellschaft wird als die Summe der öffentlich auftretenden und organisiert in der Gesellschaft tätigen NGOs angesehen. NGOs sind auch von ihrem Selbstverständnis und von ihren Zielen her in der Regel öffentliche und organisierte Vereinigungen: Dieses Merkmal trifft zum großen Teil zu. Öffentlichkeit braucht aber mediale Präsenz. Hier taucht ein weiteres Spannungsfeld auf, in dem NGOs stehen: Ihre Arbeit gehört nicht zu den vorrangigen Themen medialer Berichterstattung, häufig fällt sie zwischen „offizieller Innenpolitik“ und „society news“ durch. Spektakuläre Aktionen bringen punktuelle mediale Präsenz, verdecken aber oft das inhaltliche Anliegen. Leider fehlt auch in den Salzburger Medien noch das Bewusstsein dafür, dass NGOs eine ernst zu nehmende dritte Kraft im politischen Spiel des Landes sind. Man sollte auch bedenken, dass es unter den verschiedenen NGOs eine enorme Spannbreite an Größe, Organisationsdichte und Professionalität gibt. Das Element des freiwilligen, ehrenamtlichen Engagements spielt in den NGOs eine große Rolle. Die meisten von ihnen werden – auch in Salzburg – von Menschen getragen, die große Teile ihrer Freizeit der Arbeit an einem gesellschaftspolitischen Anliegen (wie Umweltschutz, Friedensarbeit, Verwirklichung der Menschenrechte, eine humane Begleitung Sterbender etc.) widmen. Den ehrenamtlich Arbeitenden steht dann im günstigsten Fall ein kleiner Stab von professionellen MitarbeiterInnen zur Verfügung, die die Organisation und den Bürobetrieb aufrechterhalten. Aber gerade die kleinen, familiären und kaum organisierten Gruppen sind ein wesentliches Ferment der Zivilgesellschaft. Sie bilden die Brücke zu den interessierten BürgerInnen, die Groß-NGOs und transnationale Organisationen häufig wegen ihrer Verwechselbarkeit mit Regierungsorganisationen oder Wirtschaftsunternehmen kritisch und mit gebotener Vorsicht betrachten. Sie übernehmen auch oft die Aufgabe eines kritischen Gegenübers für die „Großen“. In der Zusammenarbeit zwischen dem Flüchtlingshaus, das in Salzburg von einer der größten NGOs im Flüchtlingsbereich – der „Caritas“ – getragen wird, und der Flüchtlingsgruppe von „Amnesty International“ kommt diese kritische Funktion immer wieder zum Tragen. Amnesty – eine Gruppe von ausschließlich ehrenamtlich Arbeitenden – versteht sich als Anwalt der Flüchtlinge, auch gegenüber der Caritas und der Leitung des Flüchtlingshauses.
Nicht-Regierungs-Organisation (NGO): Auch die am häufigsten gebrauchte (Selbst-)Bezeichnung zivilgesellschaftlicher Gruppen und Organisationen soll kritisch betrachtet werden. Im Selbstverständnis der NGOs ist dieser Punkt der am wenigsten umstrittene: Sie wollen und müssen sich von Regierungsorganisationen getrennt und unabhängig betrachten. Nationale und regionale regierende Körperschaften sowie politische Parteien oder Wirtschaftsunternehmen sollen als von der Zivilgesellschaft strikt getrenntes Gegenüber gelten. Dieser Standpunkt wurde von den NGOs nicht nur aus operationalen oder taktischen Gründen eingenommen. Im Zentrum der Unterscheidung steht die grundsätzliche Differenz der Zielsetzungen: Als – zumindest ideelles – gemeinsames Ziel aller drei Sektoren (Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft) kann die Förderung des Gemeinwohls gelten. Aber bereits auf der nächstfolgenden Ebene, auf der es um den Erwerb der wesentlichen Mittel geht, die der Verwirklichung des abstrakten allgemeinen Zieles dienen, beginnt der Interessenkonflikt. Denn weder Machterwerb wie in der Politik noch Profitmaximierung wie in der Wirtschaft können die primären Mittel sein, mit Hilfe derer NGOs zur Förderung des Gemeinwohls beitragen. Das zentrale politische Mittel der Zivilgesellschaft ist die Partizipation, die Beteiligung aller BürgerInnen an gesellschaftlichen Gestaltungsprozessen. Zentrale Aufgabe der zivilgesellschaftlichen Akteure ist es, das verfestigte Gegenüber zwischen:
Tabelle 20.
ExpertInnen | - | Laien |
BeamtInnen | - | BürgerInnen |
PolitikerInnen | - | WählerInnen |
Regierungsorganisationen | - | Zivilorganisationen |
UnternehmerInnen | - | ArbeitnehmerInnen |
Dienstleistern | - | KonsumentInnen etc. |
infrage zu stellen und zu diversifizieren. Die Trennung der Bereiche Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft ist auf der grundsätzlichen Ebene richtig und wesentlich. Im praktischen Bereich entstehen allein durch häufige Kooperation und andauernden Wettbewerb der NGOs mit Regierungskörperschaften sowie Wirtschaftsunternehmen Grauzonen und definitorische Unschärfen. Manchmal haben solche „Unschärfen“ auch einen konkreten praktischen Wert; ein Beispiel: Im Bereich der politischen Partizipation von ansässigen Nicht-EU-BürgerInnen ist die Salzburger Politik bisher weitgehend untätig geblieben. Das kommunale Wahlrecht für Nicht-EU-BürgerInnen hat derzeit weder in der Stadt noch im Land Salzburg eine Chance auf Realisierung. Aber ein wichtiges Bindeglied zwischen dem zivilgesellschaftlichen Milieu der AusländerInnen und den Organen politischer Verwaltung in der Kommune könnte ein AusländerInnenbeirat sein: ein von den ansässigen AusländerInnen gewähltes Gremium, das die Stadtregierung in allen Fragen, die Nicht-EU-BürgerInnen betreffen, berät. Der Beirat hat das Recht, von der Stadtregierung offiziell angehört zu werden und über alle AusländerInnen betreffende Regierungsvorhaben informiert zu werden. Die AusländerInnenbeiräte üben eine klassische Brückenfunktion zwischen Zivilgesellschaft und Politik aus. In mehreren österreichischen Städten wie Linz und Graz sind bereits seit Jahren AusländerInnenbeiräte erfolgreich tätig. Im Landesgesetz des Bundeslandes Steiermark ist sogar die Verpflichtung für Kommunen festgeschrieben, ab einem bestimmten Prozentanteil von ausländischen BewohnerInnen einen AusländerInnenbeirat einzurichten.
Ein anderes Beispiel, das eine Dilemmasituation verdeutlicht: Wie soll sich zum Beispiel die „Bürgerliste Salzburg“, eine im Gemeinderat der Landeshauptstadt vertretene „Partei“, exakt von BürgerInnenbewegungen und NGOs abgrenzen, wenn es zu ihren Zielen gehört, diese logistisch, finanziell und inhaltlich zu unterstützen? Die „Bürgerliste“ ist zum Beispiel in einem NGO-Netzwerk – der „Plattform für Menschenrechte“ – als Mitgliedsorganisation vertreten. Noch schwieriger gestaltet sich die Abgrenzung zu Religionsgemeinschaften und Kirchen, da gerade die Großkirchen „Laienorganisationen“ entwickelt haben, die in ihrer Struktur wie in ihren Zielsetzungen zivilgesellschaftlich orientiert sind. Einrichtungen der „Katholischen Aktion“ sind seit Jahren in verschiedenen Bereichen als NGOs tätig und beziehen teilweise auch für diese Tätigkeiten von der Stadt oder vom Land Salzburg Subventionen. Zum Beispiel gehört es zu den Aufgaben des ArbeiterInnenbegegnungszentrums der Katholischen Aktion, gemeinsam mit den ortsansässigen Vereinen und Gruppen soziokulturelle Gemeinwesenarbeit im Salzburger Stadtteil Itzling zu betreiben und zu koordinieren.
Innere Demokratie: Das objektive Interesse der Zivilgesellschaft ist es, jene gesellschaftspolitischen Interessen der BürgerInnen zu vertreten, die über Beteiligungsmechanismen des ersten Sektors nicht zum Tragen kommen. Doch auch intern – innerhalb des so genannten „dritten Sektors“ – stellen sich alle Probleme demokratischer Meinungsbildung und Entscheidungsfindung: Es gehört zum ethischen Grundbestand der NGOs, die nach außen geforderte Partizipation durch entsprechende Strukturen auch im Inneren der eigenen Organisation zu gewährleisten. Viele NGOs sind von ihrer Rechtsform her eingetragene Vereine mit demokratischem Statut, gewählten Vorständen und RechnungsprüferInnen. Dennoch ist dieser formaldemokratische Rahmen nicht immer ausreichend, um dem Anspruch einer breiten, basisorientierten Beteiligung aller Betroffenen an wichtigen Entscheidungen gerecht zu werden.
In vielen Fällen, zum Beispiel im sozialen Bereich, treten NGOs in ihrer Arbeit ebenso wie Regierungsorganisationen den KonsumentInnen mit einem mehr oder minder großen Macht- und Kompetenzvorsprung gegenüber. Hier braucht es weit reichende Schutz- und Kontrollmechanismen, die der besonderen Situation von KonsumentInnen sozialer Dienstleistungen Rechnung tragen. Der Salzburger Armutsbericht 2002 etwa fordert zum Schutz von Rechten sozial bedürftiger Menschen geeignete Ombudsstrukturen (analog den PatientInnenanwaltschaften), um das Machtgefälle auch zwischen NGO-Anbietern und KlientInnen zu verringern.[3958] Es gehört wesentlich zum Anspruch der meisten NGOs, die im Bereich der Integration von AusländerInnen tätig sind, an sich selbst, die Betroffenen in ihre Arbeit einzubeziehen. In vielen Fällen bleiben die NGOs hinter diesem Anspruch zurück. Nur ein geringer Prozentsatz von Vorstandsvorsitzenden und GeschäftsführerInnen sind selbst AusländerInnen oder ausländischer Herkunft.
Häufig müssen NGOs von ihrem Ideal der Partizipation in der praktischen Arbeit Abstriche machen, weil es beispielsweise für MigrantInnen unmöglich ist, neben schwierigen Arbeits- und Wohnverhältnissen in ihrer Freizeit noch ehrenamtlich in einer NGO tätig zu sein. Die Plattform für Menschenrechte als NGO-Netzwerk hat zurzeit einen von Nicht-EU-BürgerInnen gebildeten Verein als Mitglied: die „Multikulturelle Kontaktgruppe“.
Flüchtlingsarbeit muss in der Regel ohne kontinuierliche Beteiligung der Betroffenen geleistet werden, weil AsylwerberInnen meist unter extremem Druck der Behörden stehen und viele Flüchtlinge nur kurze Zeit an einem Ort aufhältig sind. Eine weitere Frage, die im Zusammenhang mit dem Thema „innere Demokratie“ auftaucht: Wie breit ist der „Spielraum“ der Grundsätze und ethischen Maximen im taktisch-politischen Spiel mit den Regierungsorganisationen oder im täglichen Kampf ums finanzielle Überleben? Oft bilden sich auch bei NGOs unter großem Druck von außen faktisch hierarchische Strukturen, in denen die wesentlichen Entscheidungen von einigen wenigen getroffen werden. Die Logik von „schlanken“ und effizienten Entscheidungsstrukturen im Management der „profit-organisations“ übt derzeit eine große Faszination und Überzeugungskraft vor allem für größere NGOs aus. Hier braucht es immer wieder innere Kritik und Reformdruck – vor allem auch vonseiten der ehrenamtlichen MitarbeiterInnen –, damit die NGOs dem Anpassungsdruck gegenüber ihren mächtigeren Mitspielern im gesellschaftspolitischen Feld widerstehen können.
Bürgerschaft und Beteiligung: Vielfach wird die Zivilgesellschaft als rein normatives Konzept zur Legitimierung von Ansprüchen und Zielsetzungen der Neuen Sozialen Bewegungen angesehen. Als qualitatives Diskursmodell politischer Meinungsbildung steht sie den Entscheidungsmodellen, die rein an quantitativen Mehrheitsinteressen orientiert sind, gegenüber. Das politische Gewicht der zivilgesellschaftlichen Bewegungen ist nach wie vor relativ gering. Eine empirische Studie des deutschen Politikwissenschaftlers Klaus Beyme über Schlüsselentscheidungen des Deutschen Bundestages von 1949 bis 1994 zeigt, dass nur 14,5 % der Interventionen auf zivilgesellschaftliche Gruppen zurückgehen.[3959] Gerade in den zentralen Bereichen Wirtschaft (mit 2 % der Interventionen) und Soziales (9 % der Interventionen) erweisen sie sich als marginal vertreten. Am wirkungsvollsten treten sie – nach Meinung von Beyme – als Verstärker etablierter Interessengruppen wie Kirchen und Gewerkschaften in Erscheinung.
Auch hier zeigt eine zu starre Eingrenzung des Begriffes ihre Tücken: Historisch betrachtet haben die Allianzen mit Gewerkschaften und Kirchen ihren Sinn, weil diese Institutionen in ihrer (Entstehungs-)Geschichte teilweise den Charakter von sozialen Bewegungen hatten und ihr Selbstverständnis davon geprägt blieb. Man soll im Bewusstsein behalten, dass die konkreten TrägerInnen der Zivilgesellschaft die einzelnen BürgerInnen sind und bleiben: Dort, wo diese sich für soziale Interessen und Probleme engagieren, wo sie als Akteure gesellschaftliche Veränderung herbeiführen wollen, entstehen zivilgesellschaftliche Gruppen und Organisationen. Der Begriff der BürgerInnen und der Bürgerschaft hat vor diesem Hintergrund im Verlauf des letzten Jahrzehnts einen positiven Beigeschmack bekommen. Er leitet sich vom französischen Wort „citoyenneté“ ab und unterscheidet sich von dem Wort „bourgeoisie“. Die „citoyenneté“ bezeichnet die freien BürgerInnen, die aktive Träger einer Gesellschaft auf der Basis des Gleichheitsgrundsatzes und von verfassungsmäßigen Rechten sind. „Citizenship“ betont den Gemeinschafts- und Solidarcharakter ihres Handelns und den Status der BürgerInnen als Rechtsträger in einem Staatswesen. Das Bürgertum als „Bourgeoisie“, d. h. als Klasse von aktiven (UnternehmerInnen) und passiven (KonsumentInnen) Wirtschaftssubjekten, tritt bei dieser Form des Selbstverständnisses in den Hintergrund.[3960] Wesentliche Prinzipien, die für die Struktur zivilgesellschaftlicher Projekte bestimmend bleiben – wie schwierig ihre faktische Umsetzung auch immer sein mag –, sind die Freiheit und Gleichheit der von ihnen aktiv und passiv Betroffenen. Zivilgesellschaft entfaltet sich nur in einem Klima hoher gesellschaftlicher Freiheit und Freiwilligkeit. Nicht normative Bindung, sondern persönliche Motivation ist der Schlüssel für die Teilnahme der Beteiligten. Ein großer Teil der zivilgesellschaftlichen Projekte ist demokratisch und mit flachen Hierarchien ausgestattet, die sich durch ein hohes Maß an Durchlässigkeit auszeichnen.
AkteurInnen: Deshalb möchte ich in diesem zweiten Schritt auch konkrete AkteurInnen von zivilgesellschaftlichen Projekten in Salzburg zu Wort kommen lassen. Sie können am besten zum Ausdruck bringen, was den Geist dieser Projekte ausmacht und wovon ihre TrägerInnen getragen werden. Ich habe im Frühjahr 2003 fünf Menschen jeweils drei Fragen zu ihrem gesellschaftspolitischen Engagement vorgelegt und möchte ihre Antworten hier wiedergeben. Die erste Frage bezieht sich auf die persönliche Motivation der AkteurInnen, die zweite auf die konkreten Tätigkeitsfelder ihres Engagements; die dritte auf ihre Einschätzung der Möglichkeiten und Grenzen zivilgesellschaftlichen Engagements in Salzburg. Ich möchte die Antworten gänzlich für sich sprechen lassen:
Die erste Antwort erhielt ich von Silvia Kronberger. Sie arbeitete bis März 2004 im Gemeinderat der Stadt Salzburg als Vertreterin der „Bürgerliste“:
„Ich bin ein VOEST-Arbeiterkind und habe so schon früh mit gesellschaftlicher Ungleichheit und Repression Bekanntschaft gemacht – zum Beispiel als wir beinahe aus unserer Zimmer-Küche-Mietwohnung ausziehen mussten, weil mein Vater die ‚Sowjetunion heute‘ abonniert hatte. Gleichzeitig bot die Zeit Anfang der 1970er-Jahre auch Mädchen wie mir Chancen, die ich mithilfe meiner Lehrerinnen und Lehrer – gegen den Willen der Eltern – ergriffen habe, nämlich Schule und Studium. Meine ersten politischen Erfahrungen hängen mit einer Phase großer Ängste vor einem Krieg zusammen (Kubakrise). Die Erkenntnis, wer von einem Krieg profitieren könnte, führte mich politisch nach links. Dabei fühlte ich mich in der politisierten Aufbruchstimmung dieser Zeit zu Hause. Ich war nicht ganz so ‚links‘ wie meine späteren MitbewohnerInnen in der Wohngemeinschaft, die in der GRM organisiert waren, aber meiner Meinung nach das ‚Proletariat‘ nur aus Büchern kannten. Aus dem ‚Nebenwiderspruch‘ Frauenpolitik wurde bei näherer Beschäftigung für mich bald die entscheidende gesellschaftspolitische Frage, und daran hat sich eigentlich bis heute nichts geändert. Eher hat sich meine Einstellung durch berufliche Erfahrungen und durch die Tatsache, dass ich dreifache Mutter bin, radikalisiert und differenziert. Übrigens verlief mein beruflicher Werdegang über die Volksschullehrerin zur Universität; ich unterrichte jetzt im Proseminar Studentinnen, die bei mir schon Schreiben und Lesen lernten.“
Die zweite Antwort auf diese erste Frage kommt von Hans Peter Graß. Er ist Mitarbeiter im Friedensbüro Salzburg und engagiert sich beim „Salzburg Social Forum“:
„Engagement an und für sich bedeutet für mich persönlich in erster Linie eine besonders befriedigende Form der Selbsterfahrung. Die Möglichkeit, meine Ängste, meine Hoffnungen und Träume nicht nur im privaten, sondern auch im öffentlichen Rahmen gemeinsam mit anderen zu formulieren, infrage zu stellen und zu bearbeiten, hat etwas mit ganzheitlichem Leben zu tun. Je mehr ich meine Kindheitserfahrungen reflektiere, desto mehr ist mir bewusst, wie stark meine heutigen Themen auch die Themen meiner Kindheit sind. In einem meiner – erst kürzlich wiederentdeckten – Hauptschulaufsätze zum Thema ‚Vorbilder und Idole‘ habe ich bereits Mahatma Gandhi und Martin Luther King angeführt. Mit Sicherheit hat auch meine religiöse und humanistische Erziehung einen wesentlichen Beitrag zu meinen späteren weltanschaulichen Positionierungen geleistet. Und doch denke ich, dass persönliche Erlebnisse und Begegnungen in der Zeit meiner Jugend meinem weiteren Engagement den letzten Stempel aufgedrückt haben. Intensive Gemeinschaftserlebnisse in der ‚Katholischen Jugend‘ meiner Heimatgemeinde haben dazu genauso beigetragen wie meine politische Sozialisation in der Friedensbewegung der frühen 1980er-Jahre. Insofern bin ich natürlich auch ein Kind meiner Zeit. Hätte sich jedoch an einem Augustwochenende nicht eine kleine pazifistische Gruppe um ein Friedenszeichen am Alten Markt in Salzburg gruppiert, wer weiß, wie sich mein gesellschaftspolitisches, aber auch mein berufliches Engagement weiterentwickelt hätte ...?“
Yvonne Prandstätter ist Geschäftsführerin für den Bereich „Jugend“ in der „Katholischen Aktion Salzburg“. Von ihrer Ausbildung her (Sozialarbeiterin) hat sie lange Zeit im „Jugendzentrum IGLU“ in der Haydnstraße gearbeitet, in dem unter anderen viele Jugendliche aus MigrantInnenfamilien aus- und eingehen. Sie hat kurz und bündig in Stichworten geantwortet:
„Sinn für soziale Gerechtigkeit; Bedürfnis, manchen gesellschaftlichen und politischen Strömungen sowie tradierten Anschauungen entgegenzuwirken; eigene Interessensvertretung; schlicht: ‚Weil es mir ein Bedürfnis ist, mir Schicksalsergebenheit nicht steht und ich nicht alles akzeptieren kann und will!‘“
„Von der liberal christlichen Anschauung hin zur humanistischen Weltanschauung.“
„Wandlung erfolgte durch Erweiterung des eigenen Horizonts (Bildung) und des Lebensraumes (örtliche Veränderung).“
Maria Wimmer war jahrelang als Entwicklungshelferin in Lateinamerika tätig:
„Meine Erfahrungen in Lateinamerika haben mein Leben grundlegend verändert. Mein ‚konformes, braves‘ Leben kam ins Wanken. Ich sah und verstand langsam auch die Auswirkungen einer weltweiten Politik, in der die Armen ärmer und die Reichen reicher werden. Ich wuchs in eine Solidaritätsgruppe („Erzbischof-Romero-Komitee“) langsam hinein, und es wurde selbstverständlich, dass ich an Manifestationen teilnahm. Mir wurden die Augen geöffnet, was es heißt, Christin zu sein, als dann Mitglieder dieses Romero-Komitees verhaftet wurden. Mir wurde klar, was es heißen kann, sich politisch zu organisieren und die Bibel ernst zu nehmen. In diesem Romero-Komitee in Ecuador wurde in mir der Same gesät für sozialpolitisches Engagement.“
Hans Holzinger ist Mitarbeiter der ‚Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen“ und auch in anderen zivilgesellschaftlichen Bereichen (z. B. im Vorstand der Abteilung „Kirche und Arbeitswelt“ der Katholischen Aktion) engagiert:
„Die postmoderne Fungesellschaft treibt in einem mich beunruhigenden ‚trüben Fahrwasser der Beliebigkeit‘ (frei nach Adolf Muschg). Dem etwas Sinnvolles entgegenzustellen, motiviert mich zu meinem Engagement. Was noch? Das Wissen um die vielen Ungerechtigkeiten in der Welt (und auch wieder verstärkt bei uns) sowie die Überzeugung, dass unser gegenwärtiger „Wohlstand“ zwar Chancen zu mehr Freiheit und Selbstentfaltung bietet, dass diese aber bei weitem nicht ausgeschöpft werden. In einem Wort: die Suche nach sinnvollem Tun, was ich in meinem Fall in befriedigender Weise mit meinem beruflichen Tun (siehe unten) verbinden kann. Biografische Erfahrungen mögen auch eine Rolle spielen: Bereits in meiner Kindheit wurde ein starker Gerechtigkeitssinn grundgelegt, der mein Engagement prägt. Als negative Erfahrung, die mich zum Pazifismus brachte, wären der Drill, mehr noch aber das sehr naive ‚Kriegspielen‘ (so genannte Manöver) während der Ableistung meines Präsenzdienstes beim Militär zu erwähnen. Und in der Folge die Begegnung mit Robert Jungk.“
Silvia Kronberger: „Ich bin Gemeinderätin der Bürgerliste Salzburg Stadt und Vorstandsmitglied der Grünen in Salzburg. Dort wiederum fühle ich mich zuständig für Frauen- und Kulturpolitik, für MigrantInnen und Minderheiten. Wichtig ist mir auch das Thema Tierschutz. Auch als Wissenschaftlerin – ich bin Kultursoziologin – fühle ich mich in Fragen Frauen- und Geschlechterforschung kompetent, auch wenn ich mir manchmal wünsche, ich hätte eine ‚harte‘ Wissenschaft studiert. Ich engagiere mich für gendermainstreaming in allen Bereichen des öffentlichen Lebens, aber auch für Frauenprojekte – z. B. gegen den Krieg. Ich habe in allen politischen Bereichen die Rolle der Frauen im Auge und versuche auch dafür zu sorgen, dass es immer mehr weibliche Vorbilder für politisches Handeln gibt. Leider sind die Schritte klein und frau muss lernen, auch kleine Erfolge zu feiern. Mein Ziel: ganz einfach eine gerechtere Gesellschaft – wobei der Kampf derzeit eher in die Richtung Beibehaltung erworbener Rechte geht. Zu den Rahmenbedingungen: Ich weiß nicht, ob ich nicht als Lehrerin – als ich den Kindern Rechenbeispiele à la ‚Während die Mutter Zeitung liest, kocht der Vater in 30 Minuten 15 Zwetschkenknödel. Wie viele Knödel kocht er in 40 Minuten?‘ aufgab – mehr erreicht habe wie als Politikerin.“
Hans Peter Graß: „Ich engagiere mich seit mehr als 20 Jahren in erster Linie in Fragen von Frieden und Gewaltfreiheit. Lange Zeit bedeutete dies ehrenamtliches Engagement neben meiner beruflichen Tätigkeit als Sonderschullehrer. Dieses Engagement bestand in der Teilnahme an Aktionen gegen Krieg und Militarismus sowie in einer kontinuierlichen Tätigkeit in der Zivildienstberatung. Anfang der 1990er-Jahre ergab sich für mich die Möglichkeit, diese persönliche Leidenschaft noch stärker in meine berufliche Praxis einzubauen. Mir wurde eine Anstellung im Friedensbüro Salzburg angeboten. Seit damals arbeite ich 20 Stunden in dieser Institution. Während ich aufgrund meiner beruflichen Kompetenzen und Erfahrungen zu Beginn in erster Linie für friedenspädagogische Fragen zuständig war, erweiterte sich mein Arbeitsgebiet zunehmend auch auf Fragen von friedenspolitischer Arbeit gegen den Krieg. Die Kriege im ehemaligen Jugoslawien, der Kontakt mit Friedens- und Menschenrechtsorganisationen vor Ort und die Betreuung von jungen Menschen, die sich bereit erklärten, im Nachkriegsszenario ein Jahr einen Freiwilligen Friedensdienst zu leisten, gab mir die Möglichkeit, die Erfahrung von Krieg und Zerstörung sehr persönlich durch Gespräche und Arbeit mit Betroffenen kennen zu lernen. Noch heute ist meine Arbeit nicht zu trennen von persönlicher Betroffenheit, leidenschaftlichem Herangehen und einer sehr geringen Distanz zum Arbeitsfeld. Diese Situation birgt immer auch die Gefahr von Selbstausbeutung und von Symptomen des Burnouts. Sie ist dadurch jedoch auch ungleich befriedigender und bereichernder als übliche Arbeitsverhältnisse.“
Yvonne Prandstätter:
„Gleichstellung der Frau; Tierschutz; Rechte von Homosexuellen; Integration ausländischer MitbürgerInnen“
„Aktives Mitglied im „Autonomen Frauenzentrum“ sowie in der „Homosexuellen Initiative““
„Förderndes Mitglied in Vereinen zur Integration ausländischer MitbürgerInnen sowie Tierschutzvereinen“
„Ziele: Benachteiligungen und Diskriminierungen sowie tradierten Anschauungen entgegenwirken; auf – meines Erachtens nach – bedenkliche Entwicklungen hinweisen; durch Aufklärung zur Beseitigung von irrationalen Ängsten beitragen; auf lange Sicht ein gerechteres und verantwortungsbewussteres Miteinander erreichen, Planung und Durchführung von politischen Aktionen, Kundgebungen und Veröffentlichungen etc.; gemeinsame öffentliche Auftritte; Erhalt/Aufbau/Erweiterung der Rahmenbedingungen, um wirken zu können; Beschränkung erfährt dieses Engagement hauptsächlich durch die variablen zeitlichen Kapazitäten.“
Maria Wimmer: „Das Wissen über weltweite Zusammenhänge bewog mich, nach fast sechs Jahren Aufenthalt in Ecuador, nach Österreich zurückzukehren und hier Bewusstseinsbildung zu machen. Nur wenn sich hier etwas verändert, kann es auch Veränderungen in den verarmten Ländern geben. Zusammenhänge müssen sichtbar gemacht werden, sei es über gerechte Verteilung von Gütern, Arbeitsbedingungen bei uns und dort, die Achtung der Menschenrechte hier und dort, die Bewahrung der Schöpfung und vieles mehr. Ich kann mein Engagement in meiner Arbeit in der Abteilung ‚Kirche und Arbeitswelt‘ der Katholischen Aktion Salzburg gut einbringen, denn auch hier geht es um Armut, Minderheiten, Menschenrechte und sozialpolitisches Denken und Handeln.“
Hans Holzinger: „Ich habe nach meinem Studium das Salzburger ‚Friedensbüro‘ mit aufbauen können. Seit 1992 arbeite ich in der von Robert Jungk gegründeten ‚Bibliothek für Zukunftsfragen‘ in Salzburg. Meine Themenschwerpunkte sind Nachhaltigkeit, Wohlstandsbilder, Zukunft der Arbeit und sozialen Sicherung, Weltwirtschaft und Nord-Südausgleich. Im Zentrum stehen dabei ein sinnvoller, verantwortungsvoller und zufrieden machender Lebensstil zum einen, den neuen Herausforderungen angepasste politische Rahmenbedingungen zum anderen. In meiner beruflichen Tätigkeit kann ich dazu mit Publikationen, Vorträgen, Seminaren und Zukunftswerkstätten beitragen. Mit unserer Zeitschrift ‚pro ZUKUNFT‘ informieren wir regelmäßig über aktuelle Zukunftspublikationen. Das ehrenamtliche zivilgesellschaftliche Engagement bezieht sich auf Einrichtungen wie den entwicklungspolitischen Beirat des Landes, den Verein Südwind Entwicklungspolitik, das Friedensbüro oder ‚Kirche und Arbeitswelt‘. Zur Frage, was ich mit meinem Handeln erreichen möchte: ein wenig zu dem beitragen, was mit dem schönen Begriff ‚Zivilgesellschaft‘ umschrieben wird. Und dabei insbesondere mit ermöglichen, dass auch andere Menschen zu dem ihnen möglichen Engagement finden.“
Silvia Kronberger: „Ja, aber Engagement ist in jedem Bereich wichtig, auch im nächsten Umfeld. Wenn eine Familie nicht partnerschaftlich abläuft, werden die besten Theorien zum Thema Geschlechtergerechtigkeit an den Kindern abprallen. Die Arbeit von NGOs ist wichtig, problematisch ist aber dabei die Rolle der Medien, die entscheiden können, was gesellschaftlich interessant ist und was nicht. Nachdem gerade meine Interessensgemeinschaft – die Grünen – aus BürgerInneninitiativen entstanden ist, kann ich deren Bedeutung gar nicht hoch genug einschätzen – siehe Zwentendorf oder Hainburg. Aber gerade diese beiden Beispiele bezeugen das oben Gesagte. Ohne die ‚Kronen Zeitung‘ wäre z. B. Hainburg kein Erfolg geworden. Die NGOs werden sich mit diesem Trend noch mehr auseinander setzen müssen.“
Hans Peter Graß: „Gerade in der Friedensarbeit sind wir alltäglich damit konfrontiert, dass Krieg und Gewalt nicht nur alltägliche, sondern auch weltweite globale Phänomene sind. Die Gefahr, vor diesem Dickicht an Herausforderungen und dem Übermaß an Verantwortung zu resignieren, ist groß. In meiner Arbeit mit Jugendlichen spüre ich diese Diskrepanz von emotionaler Empörung auf der einen Seite und sehr wenig Gestaltungsmöglichkeiten auf der anderen Seite sehr häufig. Umso wichtiger ist es mir – auch bei Problemen mit globaler Bedeutung – Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen und persönliche Begegnungen zu schaffen. Diese Möglichkeiten müssen – gerade in Zeiten globaler Netzwerke und Kommunikationsformen – nicht notwendigerweise auf lokale Gegebenheiten konzentriert sein. Dauerhaftes und zielführendes Engagement ist abhängig davon, sehr konkrete Ansatzmöglichkeiten zu finden, die nicht nur rationale Informationsweitergabe, sondern auch emotionale und spirituelle Aspekte mit einbeziehen. Wenn es der Zivilgesellschaft gelingt, Menschen in dieser Form anzusprechen, ihre persönlichen und gesellschaftlichen Probleme gemeinschaftlich anzugehen, wird ihr Stellenwert auch in der Kommunalpolitik nicht übersehen, nicht übergangen werden können. Dazu gibt es auch in Salzburg bereits sehr überzeugende Traditionen, an die es anzuknüpfen und die es auszubauen gilt.“
Yvonne Prandstätter:
„Grenzen sind dazu da, immer wieder neu definiert zu werden. Was heute unmöglich erscheint, könnte morgen realisiert werden. Die Möglichkeiten werden mit jedem engagierten Menschen vielfältiger.“
„Ich bin sicher, dass unabhängige, lösungsorientierte Arbeit bereits jetzt maßgeblich zu einer Erweiterung des Problembewusstseins – vor allem bei jungen Menschen (den Erwachsenen von morgen!) – geführt hat.“
„Wichtig ist in diesem Zusammenhang eine individuelle Bewertung, die ich durch mein persönliches Engagement vorgenommen habe. Für andere kann ich hier nicht sprechen.“
Maria Wimmer: „Die Möglichkeiten des Aufrüttelns und für das Bewusstmachen von Ungerechtigkeiten in unserer globalisierten Welt sind unbegrenzt – es braucht nur viel Fantasie, Ausdauer und langen Atem. Die Grenzen sind vorhanden, aber wir können sehr wohl im ‚Kleinen‘ Dinge verändern, die langfristig auch große Wirkung haben. Nur langfristig können ungerechte Strukturen verändert werden. Besonders als Christinnen und Christen sind wir aufgerufen, die Visionen und Träume einer gerechten Welt umzusetzen in Zusammenarbeit mit allen ‚Menschen guten Willens‘, egal welcher Hautfarbe, Religion oder Herkunft sie sind. Ich glaube, dass Friede bei uns und anderswo nur möglich ist, wenn es Gerechtigkeit gibt.“
Hans Holzinger: „In der Vielfalt von Initiativen sehe ich eine Chance, wenn es diesen gelingt, neue Menschen anzusprechen und zum Mittun zu bewegen. Vielfältig sind meines Erachtens auch die Problembereiche: von der Menschenrechtssituation in Salzburg über Fragen der Lebensqualität (Umwelt, Verkehr) bis hin zu unseren ‚Weltverwicklungen‘ (Nord-Süd-Zusammenhänge). Netzwerke wie die Plattform für Menschenrechte halte ich ebenso für wichtig wie die Reflexion unseres Handelns (Informationsarbeit, Überangebot, Kooperationen). Da jede Arbeit von Menschen gemacht wird, soll der Aspekt der Begegnungen (Treffen, Feste ...) auch seinen gebührenden Platz haben. Nachzudenken wäre auch über neue Finanzierungsformen, in denen NGOs unabhängig von Subventionen professionelle Arbeit leisten können (Spenden, Solidarbeiträge oder auch Stiftungen, Alternativlotterien). Auch finanzielle Beiträge von BürgerInnen für politische Arbeit von NGOs sind Ausdruck zivilgesellschaftlicher Strukturen.“
In diesem dritten Schritt kommt die subjektive Perspektive des Autors am stärksten zur Geltung. Da es weder eine vollständige Auflistung bzw. ein offizielles Web-Portal noch eine übergreifende Dachorganisation gibt, muss ich mich auch hier auf eine – persönlich gefärbte – Auswahl beschränken. Ich werde drei Organisationen als Beispiele anführen, die jeweils auf ihre Weise eine Koordinierungs- oder Orientierungsfunktion in Bezug auf bestimmte Teilbereiche der zivilgesellschaftlichen Szene in Salzburg und darüber hinaus wahrnehmen: die „Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen“, das „Salzburger Netzwerk gegen Armut und soziale Ausgrenzung“ und die „Plattform für Menschenrechte“.
Die vom Zukunftsdenker Robert Jungk (1913–1994) gegründete „Bibliothek für Zukunftsfragen“ in Salzburg versteht sich als Ort des Dialogs und des Nachdenkens über eine humane, solidarische und nachhaltige Zukunft. Sie bietet eine Drehscheibe für zivilgesellschaftliche Projekte mit dem Schwerpunkt auf Zukunftsplanung und Zukunftsgestaltung. Neben der umfangreichen Bibliothek und Materialsammlung, die ausgehend vom Fundus ihres Gründers Robert Jungk aufgebaut wurde, bietet sie einen Service für Recherchen und Materialsuche zu allen Themenbereichen zivilgesellschaftlichen Engagements. Weiters ist sie vernetzt mit wichtigen Institutionen und Persönlichkeiten der internationalen Zukunftsforschung. Der Hinweis auf Projekte und Initiativen, „die sich in ihrer Arbeit für eine nachhaltige Entwicklung einsetzen“, gehört ebenfalls zu den Aufgaben der Bibliothek. Deshalb bietet die JBZ die Chance, ein breites und internationales Spektrum zivilgesellschaftlicher Projekte und Initiativen kennen zu lernen sowie gezielt Kontakte zu themenverwandten Gruppen zu knüpfen. Als Beispiel hier eine Auswahl von Institutionen und Gruppen der Zukunftsforschung und -entwicklung, zu denen die Robert-Jungk-Bibliothek Kontakt hat:
Netzwerk Zukunft e. V., Berlin
Sekretariat für Zukunftsforschung, Gelsenkirchen
Österreichisches Institut für Nachhaltige Entwicklung
St. Galler Zentrum für Zukunftsforschung
Stiftung Entwicklung und Frieden(Links zu den Websites finden sich auf der Homepage der Robert-Jungk-Bibliothek)
Als Auftragsarbeiten erstellt die JBZ Studien und Literaturberichte zu zukunftsrelevanten Themen. Beispiele aus den letzten Jahren: „Direkte Demokratie“, „Gesundheitsrisiko Mobilfunk?“, „Nachhaltig leben“, „Gesundheit morgen“, „Kultur und Dritter Sektor“. Weiters wirkt sie an Projekten zur zukunftsfähigen Entwicklung mit. Beispiele: „Verkehrsforum Salzburg“, „Autofreier Tag“, Jugendkreativbewerb ZUKUNFT.LEBEN.
Die JBZ führt eine in ihrer Konzentration auf zukunftsrelevante Publikationen im deutschsprachigen Raum einzigartige Bibliothek, die zurzeit an die 16.500 Titel und 200 Zeitschriften, darunter die zentralen internationalen Periodika der Zukunftsforschung, umfasst. In der Auswahl der Bücher achtet sie auf Lösungsorientierung, die Verbindung von Theorie und Praxis und den Brückenschlag zwischen Wissenschaft und Gesellschaft.
Mit ihrer Zeitschrift „pro ZUKUNFT“ bietet sie in knapper Form einen Extrakt aus allen zukunftsrelevanten Informationsquellen. Die Zeitschrift gibt einen kompakten Überblick über Zukunftsmedien des gesamten deutschsprachigen Raums und darüber hinaus. „pro ZUKUNFT“ erscheint vier Mal im Jahr mit einem jeweiligen Schwerpunktthema.
Aus der Fülle an Informationen das Richtige und wirklich Wichtige herauszufinden, erfordert viel Zeit und Know-how. Daher bietet die JBZ ihre Recherchedienste an: Kommentierte Literaturlisten (Titel aus dem Bestand mit Kurzbeschreibungen), Originaltextpassagen, Adressen von Instituten und ExpertInnen sowie Internethinweise.
Ein Angebot, auf das ich besonders hinweisen möchte, ist die Methode der Zukunftswerkstätten als „Instrument der Bürgerbeteiligung“.[3962] Die von Robert Jungk entwickelte Methode für Organisationsentwicklungs- und Planungsprozesse hat ein zentrales zivilgesellschaftliches Anliegen zum Ziel: „Betroffene zu Beteiligten zu machen“. Die JBZ moderiert bei solchen Werkstätten den gesamten Prozess von der Themenfindung bis zur Auswertung der Ergebnisse und Beschlüsse. Zukunftswerkstätten sind ein bewährtes Instrument der Organisation von BürgerInnenbeteiligung im Bereich von kommunaler Politik, in Schulen und Non-Profit-Organisationen, in Erwachsenenbildung und Wissenschaft.
Lobby derer, die keine Lobby haben: Seit Jahren engagiert sich das Netzwerk als Lobby der Armen und Ausgegrenzten.
Soziale Grundrechte für alle statt Almosen für wenige: Almosen sind zu wenig, um die Lebenssituation Armutsgefährdeter zu verbessern. Armutsbekämpfung braucht soziale Grundrechte und die Beteiligung der Betroffenen.
Sozialer Ausgleich statt Privatisierung sozialer Risken: Wenn Gesundheit, Bildung, Altersvorsorge oder Absicherung bei Arbeitslosigkeit zur Ware werden, steigt die Ausgrenzung Einkommensschwacher. „Poor services for poor people“ und höhere Armut sind die Folge. Die Armutsforschung ist sich einig, dass sozialer Ausgleich die effektivere Grundlage zur Armutsvermeidung bildet als die Privatisierung sozialer Risken.
Sozial integrative Gesellschaft statt Spaltung: Das Netzwerk setzt sich für eine sozial integrative Gesellschaft ein. Einer Politik der Spaltung auf dem Rücken der Schwächsten tritt es entgegen.
Das Salzburger Netzwerk ist Teil eines größeren Verbundes von Netzwerken: 1995 fand in Salzburg die erste österreichweite Armutskonferenz statt. Dort formierte sich ein breites und buntes Bündel von zivilgesellschaftlichen Kräften – Wohlfahrtsverbänden, Dachverbänden von Sozialinitiativen, kirchlichen und gewerkschaftlichen Organisationen, Bildungs- und Forschungseinrichtungen sowie Zusammenschlüsse von Armutsgefährdeten wie Alleinerziehenden und Arbeitslosen – zur „Österreichischen Armutskonferenz“. In zahlreichen Bundesländern haben sich in der Folge regionale Netzwerke und Plattformen gegen Armut konstituiert. Im Herbst 1998 fand zum ersten Mal eine gesamtösterreichische Aktionswoche gegen Armut und soziale Ausgrenzung statt. Im Gefolge dieser Aktionswoche fanden sich VertreterInnen von „Arbeiterkammer“, „Bildungshaus St. Virgil“, „Caritas“ und „Katholischer Aktion“ zusammen, um ein regionales Salzburger Netzwerk zu gründen, das mit einer „Ersten Salzburger Armutskonferenz“ im Jahr 1999 gestartet wurde. Im November 2004 fand mittlerweile die „Zweite Salzburger Armutskonferenz“ statt.
Arbeiterkammer Salzburg (Koordinationsteam), Caritasverband Salzburg (Koordinationsteam), Elisabeth Riedl – WFWFI (Koordinationsteam), Frauenhilfe Salzburg, Gertraud Pühringer (Plattform der sozialökonomischen Betriebe), Helping Hands, Herbert Huka-Siller – Familienreferat Land Salzburg, Initiative Psychiatrie Positiv, Abteilung Arbeitswelt der Katholischen Aktion Salzburg, Katholische Aktion Salzburg (Koordinationsteam), Katholische Frauenbewegung, KOKO GmbH, LAUBE GmbH, Netzwerk Frauenarmut Salzburg, obds – Österreichischer Berufsverband Diplomierter SozialarbeiterInnen, Landesgruppe Salzburg / Pongauer Arbeitsprojekt – PAP, Sachwalterschaft Salzburg, Salzburger Volkshilfe, Schuldnerberatung Salzburg (Koordinationsteam), SAG – Soziale Arbeit GmbH, Neustart (Koordinationsteam), Verein für Alleinerziehende Salzburg.
Die Armutskonferenz Österreich ist darüber hinaus – gemeinsam mit Armutsnetzwerken der anderen EU-Mitgliedsstaaten und europäischen NGOs – im „European Anti Poverty Network“ (EAPN) auch auf europäischer Ebene organisiert. Das EAPN – mit Sitz in Brüssel – wurde 1990 gegründet und hat als vorrangiges Ziel die Vernetzung von NGOs, die im Bereich der Armutsbekämpfung arbeiten, um den Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung auf die Tagesordnung der EU-Politik zu setzen. Ein wichtiger Erfolg und bedeutender Schritt in diese Richtung war die Verabschiedung einer sozialen Agenda auf dem EU-Gipfel von Nizza, im Dezember 2000. Dabei haben sich alle EU-Mitgliedsstaaten zur Erstellung und Implentierung nationaler Aktionpläne gegen Armut und soziale Ausgrenzung verpflichtet.
Das Salzburger Netzwerk hat unterdessen eine Reihe von Aktionen zur Armutsbekämpfung und Erhebungen zur Armutssituation in Salzburg durchgeführt. Unter anderem wurde im Auftrag des Netzwerkes von dem Sozialwissenschaftler Heinz Schoibl ein umfassender Bericht mit dem Titel: „Armut im Wohlstand – Salzburger Armutsbericht 2002“ verfasst. Darüber hinaus hat das Netzwerk durch den Sozialrechtsexperten Walter Pfeil einen Modellentwurf „Soziale Mindestsicherung für Salzburg“ erstellen lassen. Außerdem hat das Netzwerk eine kritische Stellungnahme zum Beitrag des Bundeslandes Salzburg im Nationalen Aktionsplan gegen Armut NAP 2003–2005 abgegeben.
Im Rahmen der österreichweiten Aktionswoche gegen Armut 2003 hat das Netzwerk eine Postkartenaktion unter dem Motto „Salzburg braucht MUT! Eine Initiative gegen Armut in Salzburg“ durchgeführt. Im September 2003 wurden ca. 2.000 von Salzburgerinnen und Salzburgern unterschriebene und an die Armutskonferenz zurückgesendete Karten an LH a. D. Dr. Franz Schausberger als Vorsitzenden der Landesregierung übergeben. Die zentrale Forderung im Rahmen der Übergabe war, dass LH Dr. Schausberger als Vorsitzender der Landesregierung die Erarbeitung eines Sozialleitbildes für Salzburg initiiert und koordiniert. Dieses Leitbild soll einerseits alle wesentlichen inhaltlichen Aspekte mit einem klaren Umsetzungsplan beinhalten und andererseits unter Einbeziehung aller relevanten Akteure und politischen Bereiche erarbeitet werden. Der Vermeidung von Armut und Ausgrenzung muss dabei ein zentraler Stellenwert eingeräumt werden.
Die „Zweite Salzburger Armutskonferenz“ hat sich unter dem Titel „Nichts über uns ohne uns“ mit einem zentralen Thema zivilgesellschaftlichen Engagements beschäftigt: den Möglichkeiten der Partizipation und Selbstorganisation von Betroffenen. Neben einem theoretischen Zugang durch den Konstanzer Sozilogen Ulrich Bröckling, der sich kritisch mit unterschiedlichen Partizipationsmodellen linker, konservativer oder (neo-)liberaler Prägung auseinandersetzte, wurden die Erfahrungen eines sieben Länder umfassenden Equal-Projektes (ENSI) zum Thema Partizipation präsentiert. In Workshops kamen unterschiedlichste Projekte zur Beteiligung von Armut und Ausgrenzung betroffener Menschen zur Sprache: von Arbeitslosenselbstorganisation über das Netzwerk Frauenarmut bis zu Modellen kommunaler Integration von MigrantInnen.
Die Plattform tritt für die Unteilbarkeit der Menschenrechte und für die Gleichberechtigung aller Kulturen und Lebensweisen im Bundesland Salzburg ein. Sie wendet sich gegen Rassismus und gegen die Diskriminierung von Minderheiten und will dazu beitragen, in Österreich und vor allem hier in Salzburg ein offenes, konstruktives und integratives Klima zu schaffen und zu fördern. Diese Arbeit ist von der Überzeugung getragen, dass die Menschenrechte ihren Platz nicht nur in Erklärungen und Konventionen haben, dass auf sie nicht nur in Bundes- und Landesverfassungen verwiesen werden soll. Die Menschenrechtskultur lebt davon, dass humane Grundrechte universale Geltung haben und überall ihre Einhaltung beobachtet und eingeklagt wird. Vordringlich ist zweifellos die Arbeit für Menschenrechte auf internationaler Ebene für jene Regionen, wo sie von staatlichen Institutionen oder von der Gesamtgesellschaft grob missachtet und verletzt werden. Dennoch braucht es auch ein Monitoring für Grundrechte im regionalen Bereich und in demokratischen Gesellschaften, denn eine Kultur der Menschenrechte lebt von deren Beachtung im Mikrobereich sowie in kleinen und kleinsten Einheiten. Manifeste und außergewöhnliche Verletzungen menschlicher Grundrechte sind immer das Ergebnis einer Summe von zahllosen Verletzungen, Diskriminierungen, Rassismen etc. in der Alltagskultur einer Gesellschaft.
Die Plattform ist ein Zusammenschluss von sozialen und kulturellen Einrichtungen, von kirchlichen und politischen Organisationen sowie Privatpersonen, InländerInnen und AusländerInnen, aus Stadt und Land Salzburg. Sie ist parteipolitisch ungebunden. Der Plattform gehören an: Katholische Aktion, Kirche & Arbeitswelt, KHJ, Caritas, Friedensbüro, Helping Hands, Katholische Frauenbewegung, Evangelisch-Methodistische Kirche, Bürgerliste Stadt Salzburg, Ökumenischer Arbeitskreis, Die Grünen – Grüne Alternative Salzburg, Verein BRueCKE, Städtepartnerschaft Salzburg–Leon, VEBBAS, Flüchtlingshaus, Save Tibet, Evangelischer Flüchtlingsdienst, HOSI, Auge, Verein „Rechtsschutz für Fremde“, „Uns verbindet“, Jörg Eberhard, Stelios Berkovits, Morgane Creismeas, Angerer Christina, Huseyi Belut, Lipek Dogan, Stefan Veigl, Robert Buggler, Bernhard Jenny.
Ein spezifisches Schwerpunktprojekt im Rahmen der regionalen Menschenrechtsarbeit ist das Monitoring. Das Projekt will die Situation der Menschenrechte im Bundesland Salzburg erheben, dokumentieren und zum Gegenstand öffentlicher Diskussion machen. Im Rahmen dieser Dokumentation arbeitet die Plattform mit einer Vielzahl von „Informationspartnern“ zusammen. Diese Informationspartner sind Institutionen und Beratungseinrichtungen in Salzburg – vorwiegend aus dem Sozialbereich –, die im Rahmen ihrer Arbeit laufend mit Verletzungen von Grundrechten und Menschenrechten konfrontiert werden, die Dokumentation und Veröffentlichung solcher Fälle aber in der Regel nicht selbst leisten können. Zu den InformationspartnerInnen der Plattform gehören unter anderem: Caritas, Evangelischer Flüchtlingsdienst, Verein VIELE, Helping Hands, HOSI, KIJA, Internationales Jugendzentrum, SOS-Kinderdorf Clearing-house, Friedensbüro, die Frauenhäuser Salzburg und Saalfelden, Frauentreffpunkt und Interventionsstelle Salzburg, das Salzburger Netzwerk gegen Armut und soziale Ausgrenzung sowie die Rechtsanwälte Gerhard Mory, Rainer Hessenberger und Helmut Hüttinger.
Es gibt in regelmäßigen Abständen einen Überblick zu den Themenbereichen Flüchtlinge, MigrantInnen, Diskriminierung, Kinder- und Jugendrechte, BürgerInnenrechte (freie Meinungsäußerung, Demonstrationsrecht), rassistische Übergriffe, Gewalt gegen Frauen und soziale Grundrechte (Wohnen, Arbeit, Einkommen).
Einzelfallberichte sollen die Erfahrungen von Menschen in Salzburg verdeutlichen. Sie stammen von den InformationpartnerInnen, werden nochmals überprüft und auf der Website www.menschenrechte-salzburg.at veröffentlicht. Hier findet man auch alle Informationen über das gesamte Monitoring-Projekt.
Die Plattform bietet in indirekter Form auch Hilfe für Betroffene. Sie informiert schriftlich wie mündlich und vermittelt an Beratungs- und Betreuungseinrichtungen weiter, die für das konkrete Problem kompetent und zuständig sind.
Weiters gibt die Plattform für Menschenrechte jährlich zum Salzburger Landesfeiertag, dem 24. September, einen Bericht zur Situation der Menschenrechte in Salzburg heraus. Dieser Bericht ist im Jahr 2003 zum ersten Mal erschienen. Der aktuelle Bericht dokumentiert die Arbeit des Jahres 2003/2004. Er bietet eine Zusammenfassung der Monitoring-Arbeit, die die Plattform für Menschenrechte gemeinsam mit ihren Mitgliedern und Informationspartnern geleistet hat und beinhaltet Überblicksdokumentationen zu folgenden Themenbereichen:
Flüchtlinge
MigrantInnen
Kinder- und Jugendrechte
Diskriminierung
rassistische Übergriffe
Gewalt gegen Frauen
BürgerInnenrechte
soziale Grundrechte
Menschen mit Behinderungen
Die Themen des Berichtes sind ohne Zweifel unvollständig. Sie spiegeln jenes Spektrum, das die Plattform und deren Informationspartner mit ihrer Arbeit im jeweils vergangenen Jahr abdecken konnten. Ein deutlicher Schwerpunkt liegt auf den Bereichen „Flüchtlinge“ und „MigrantInnen“, weil diesen Menschen der Zugang zu sozialen und anderen Grundrechten immer noch am stärksten verwehrt wird. Darüber hinaus zeigt sich in allen Bereichen, dass auf kommunaler Ebene immer wieder strukturelle Hindernisse für den ungehinderten, gleichen Zugang aller zu grundlegenden Rechten und Freiheiten auftreten. Es gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Plattform, die Einhaltung der entsprechenden Diskriminierungsverbote (Art. 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie Art. 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention) zu beobachten und einzuklagen. Die Monitoring-Arbeit der Plattform wurde mit dem Interkulturpreis 2004 ausgezeichnet.
Hans Peter Graß: Geschäftsführer des Friedensbüros Salzburg, Sonderschul- und Religionslehrer, diplomierter Erwachsenenbildner, Vorstandsmitglied der Österreichischen Friedensdienste.
Silvia Kronberger: Universitätslehrerin, Kultursoziologin, für die Bürgerliste Salzburg Stadt bis März 2004 im Gemeinderat.
Yvonne Prandstätter: Sozialarbeiterin i. A., Geschäftsführerin des Bereichs „Jugend“ in der Katholischen Aktion Salzburg.
Maria Wimmer: Kindergärtnerin, Entwicklungsarbeiterin in Ecuador und Österreich, Jugendleiterin und Teamleiterin der Abteilung „Kirche und Arbeitswelt“ der Katholischen Aktion Salzburg.
Hans Holzinger: Studium im Salzburg, 1986–1992 tätig im Friedensbüro Salzburg, seit 1992 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen in Salzburg.
Böhm, Renate; Buggler, Robert; Mautner, Josef (Hg.): Arbeit am Begriff der Armut. Working papers „facing poverty“. Salzburg, June 2003.
Brink, Bert van den; Reijen, Willem van (Hg.): Bürgergesellschaft, Recht und Demokratie. Frankfurt/Main 1995.
Hildermeier, Manfred; Kocka, Jürgen; Conrad, Christoph (Hg.): Europäische Zivilgesellschaft in Ost und West. Frankfurt–New York 2000.
Mayer, Wolfgang: Zivilgesellschaft. Beitrag zur Dekonstruktion eines Sympathiebegriffes. Salzburg (Magisterarbeit) 2003.
[3954] Khol, Andreas: Durchbruch zur Bürgergesellschaft. Wien 1999.
[3955] Die „Katholische Aktion“ ist eine selbständige Laien- und Ehrenamtlichenbewegung innerhalb der katholischen Kirche. Zu ihrer Aufgabe wird im Statut der KA Salzburg das Apostolische Schreiben Papst Pauls VI. über „Die Evangelisierung der Welt von heute“ zitiert: „Das eigentliche Feld ihrer evangelisierenden Tätigkeit ist die weite und schwierige Welt der Politik, des Sozialen und der Wirtschaft (...)“ (Statut der Katholischen Aktion der Erzdiözese Salzburg, I/2).
[3956] Vgl. Michalski, Krzysztof (Hg.): Europa und die Civil Society. Stuttgart 1991 (v. a. in dem Beitrag von R. Koselleck). – Meier, Christian: Entstehung des Begriffs „Demokratie“. Frankfurt/Main 1981. – Dürr, Hans-Peter: Für eine zivile Gesellschaft. München 2000.
[3957] Weidel, Christiana: Jahrbuch des dritten Sektors. Herausgegeben von „The World of NGOs“. Wien 2002, S. 9. – Vgl. auch: Brix, Emil: Staat und Zivilgesellschaft. In: Nautz; Brix (Hg.): Zwischen Wettbewerb und Protektion: zur Rolle staatlicher Macht und wettbewerblicher Freiheit in Österreich im 20. Jahrhundert. Wien 1998, S. 55–64.
[3958] Schoibl, Heinz; Böhm, Renate: Armut im Wohlstand. Regionaler Armutsbericht für das Bundesland Salzburg 2002 Kurzfassung. Salzburg 2002, S. 44/45.
[3959] Siehe: Beyme, Klaus von: Zivilgesellschaft – Karriere und Leistung eines Modebegriffs. In: Hildermeier, Manfred; Kocka, Jürgen; Conrad, Christoph (Hg.): Europäische Zivilgesellschaft in Ost und West. Frankfurt–New York 2000, S. 41–55, bes. S. 50.
[3960] Vgl. Dahrendorf, Ralf: Über den Bürgerstatus. In: Brink, Bert van den; Reijen, Willem van (Hg.): Bürgergesellschaft, Recht und Demokratie. Frankfurt/Main 1995, S. 29–43. – Walzer, Michael: Was heißt zivile Gesellschaft? In: ebda., S. 44–70.
[3961] Kontakt: Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen Strubergasse 18 5020 Salzburg E-Mail: office@jungk-bibliothek.org Webadresse: www.jungk-bibliothek.at
[3962] Vgl. Jungk, Robert; Müllert, Norbert: Zukunftswerkstätten. München 1994. – Apel, Heino u. a.: Wege zur Zukunftsfähigkeit – ein Methodenhandbuch. Stiftung Mitarbeit 1998.
[3963] Kontakt: Büro der Salzburger Armutskonferenz Plainstraße 83 5020 Salzburg Tel.: 0662/45 08 44–27 E-Mail: office@salzburger-armutskonferenz.at Webadresse: www.salzburger-armutskonferenz.at
[3964] Kontakt: Plattform für Menschenrechte, c/o Kirche & Arbeitswelt Kirchenstraße 34 5020 Salzburg Tel.: 0662/45 12 90–14 E-Mail: office@menschenrechte-salzburg.at Webadresse: www.menschenrechte-salzburg.at