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Die Lungauer Handwebe (Hans Köhl)[5237]

Mein Handwerk ist ein schönes Ding, wenn man es so betracht,
arm, reich und gering braucht, was ich stets mach.
Sobald das Kind die Welt erblickt, braucht es von meiner Ware,
ein Leintuch in den Ehestand, ein Leichentuch zur Bahre.
Drum dank ich meinem Herrn und Gott, mein Handwerk bringt mir Brot.


Historischer Hausspruch der Sauerfelder Weberei Pirkner

Der Mensch hat das Gewebe erfunden, um seine ursprünglichsten Bedürfnisse zu erfüllen: den Wunsch nach Schutz und Achtung. Das Tuch zeugt von Macht und Wissen. Es hat den Menschen geprägt, wie der Mensch das Tuch geprägt hat; es verkörpert unsere tiefsten Wurzeln.

Zur Geschichte der Lungauer Handwebe

Ist in Murau (Steiermark) erstmals im Jahre 1454 eine Weber-Bruderschaft erwähnt, läßt sich das Webergewerbe im Lungau noch weiter zurückverfolgen. Bereits im Jahre 1388 (!) wurde die heute noch bestehende Sauerfelder Weberei erstmals urkundlich erwähnt. Daß die Produktivität der Weber einmal sehr hoch war, zeigt eine Aufzeichnung in Tamsweg aus dem Jahre 1586. Damals wurden in der „Fulten“, einem Verkaufsgewölbe in der Nähe der Pfarrkirche, in einem Jahr 12.356 Ellen Rupfen (grobes Leinen) verkauft. Die Bruderschaft der Weber in Tamsweg reicht bis in das 16. Jahrhundert zurück. Noch heute wird in der Pfarrkirche zu Tamsweg die alte Innungsfahne der Weber aufbewahrt. Noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts gab es im Land Salzburg rund 500 Webereien. Mit der Einführung des mechanischen Webstuhles um diese Zeit war der Untergang dieser alten Zunft programmiert.

Glückhafte Umstände, viel Eigeninitiative und Kreativität trugen dazu bei, daß der Leinenweber Sebastian Pirkner von Sauerfeld im Jahre 1924 die fast schon vergessene „Lungauer Webe“, eine alpenländische Buntwebe aus dem Mittelalter, wieder erzeugte. Die Charakteristik dieser Webe ist neben der hohen Webdichte die Vielzahl an typischen Mustern, welche durch die hohe Anzahl von 16 (!) Schäften erreicht wird. In leuchtend warmen Farben werden Motive wie der symbolisierte Granatapfel, das Schlangenmuster oder die Tulpe, um nur einige Muster zu nennen, eingewebt. Diese Motive finden sich auch in der Lungauer Frauen- und Männertracht und bei den Prangstangen wieder. Die Kette besteht aus Baumwolle und der Schuß aus Schafwolle. Vergeblich hat man bis heute eine industrielle Fertigung versucht, dadurch stellen die Lungauer Handweben auch heute noch eine Besonderheit dar, welche von In- und Ausländern gleichermaßen geschätzt wird.

Im Lungau gibt es heute nur noch zwei Kunsthandwebereien, die aber über Aufträge nicht klagen können. Zum einen die schon vorhin erwähnte Kunsthandweberei Pirkner (Inhaberin Frau Rosalinde Künstner) in Sauerfeld und zum anderen die Kunsthandwebstube Ingrid Korbuly in Thomatal-Fegendorf, welche sich vor acht Jahren die Grundkenntnisse in der Sauerfelder Weberei aneignete.

Beide Handwebereien erzeugen heute in den überlieferten Mustern und Techniken Möbelstoffe, Decken, Vorhänge, Borten, Wandbehänge und vieles mehr in höchster Qualität auf Bestellung. Neben dem traditionellen Sortiment entwickeln die kreativen Weberinnen aber auch Artikel mit neuzeitlichen Muster- und Farbgebungen, um ihren schöpferischen Vorstellungen und den Kundenwünschen gerecht zu werden.

Schon in der Nachkriegszeit war es das Salzburger Heimatwerk unter Tobi Reiser d. Ä., welches sich der Aufgabe verschrieb, die Lungauer Handwebe zu fördern. Zur damaligen Wiederbelebung hat das Heimatwerk entscheidend beigetragen.

Die Zukunft der berufsmäßigen Handweberei ist abhängig von den schöpferischen Kräften, der Originalität der Werke, aber auch vom Willen der heutigen Gesellschaft, diese Erzeugnisse in den Alltag einzubeziehen. Das Salzburger Heimatwerk ist aktiv an der Verwirklichung dieser Ziele beteiligt. So wurden mit der Weberin Ingrid Korbuly Handweben für Kleider und Trachten unserer Zeit entwickelt, worin wieder die Lungauer Besonderheiten enthalten sind: traditionelle Schafwoll-/Baumwollbindung, harmonisch abgestimmte Farbkombinationen in schönen Schattierungen, traditionelle Lungauer Muster, aber auch Neuentwicklungen, feinste Qualität (1.600 Schuß auf einen Meter Stoff) und schließlich jedes Stück ein Unikat. Diese neuen Handweben werden im Heimatwerk als hochwertigste Stoffe für die Lungauer Wintertracht, den Handwebe-Leiblkittel oder für Röcke angeboten und auch in der Maßschneiderei verarbeitet.

Für einige mag von Hand zu weben heute altertümlich erscheinen. Die Stücke, die entstehen, entsprechen heute ja kaum mehr den wirtschaftlichen Maßstäben. Da das Handweben sehr arbeitsintensiv ist, kommen die Erzeugnisse der Handweberinnen auch bei bescheidenen Lohnkosten sehr teuer. All diese Umstände versetzen diesen Beruf in eine Art Zwielicht, das ihm wohl ein Bild der Isolation anhängen mag. Zahlreich sind die Ursachen, die den Beruf in dieses Bild gedrängt haben, sei es ihre Altertümlichkeit in wirtschaftlicher Hinsicht, das Arbeiten in der Einsamkeit, ein Anhauch von erstarrter Tradition, die spärliche Anerkennung. Aber das Handweber-Gewerbe soll weiterbestehen und sich in Qualität und Kreativität entfalten. Dazu gilt es, dieses wieder ins rechte Licht zu rücken und die Arbeit der Handweber zu bestätigen, was wohl die wichtigste Aufgabe der Berufsvertretung wäre. Das heißt, die Werke der Hände Arbeit vorzuzeigen, sie anderen Produkten gegenüberzustellen. Das heißt aber auch, nicht auf dem überlieferten Können stehenzubleiben, sondern auch für Neues empfänglich zu sein. Eine zeitgemäße Entwicklung in diesem Sinn und ein gleichzeitiges Pflegen von gutem Traditionellem kann das Weiterbestehen der Handwebereien sichern.



[5237] Zeitschrift Salzburger Volkskultur, 15. Jg., März 1991, S. 82–84.

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