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6.15. Weihnachtsbräuche in Texten von Franz Zillner

6.15.1. Kommentar von Ulrike Kammerhofer-Aggermann

Franz Zillner schildert in seinen Texten den Umschwung in Bräuchen, Sitten und Trachten, der sich zwischen 1848 und dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts vollzogen hat. In den Darstellungen mischen sich die Sehnsucht nach der Pittoreske (die zu seiner Zeit für die städtische Gesellschaft typisch war) mit den Anliegen der Ethnografen, die „nationalen Besonderheiten“ einer Region darzustellen und nach deren Wurzeln im „naiven Denken“ der „einfachen Volksmenschen“ zu suchen. Daher zeichnet Zillner besonders die Bräuche „im Gebirge“ auf und stellt sie phänomenologisch nebeneinander. Auch das große Sammelwerk „Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild“ hatte das Anliegen, eine ethno-, sozio- und geografische Darstellung der zwölf Völker und Sprachnationen der Monarchie und deren besonderer kultureller Leistungen zu sein. Besonders angeregt durch Kronprinz Rudolf von Habsburg und schließlich unter der Patronanz seiner Frau bzw. Witwe herausgegeben, wird es auch als „Kronprinzenwerk“ bezeichnet.

Franz Zillners Einschätzung der Perchten ist heute nicht mehr haltbar, aber typisch für das 19. Jahrhundert. Zu jener Zeit suchten Gelehrte nach naturkultischen, mythischen und magischen Wurzeln unserer Kultur und wollten damit die Umbruchängste ihrer eigenen Zeit vergessen. Man war der Meinung, dass sich in entlegenen und stadtfernen Regionen die Menschen völlig unbeleckt von jeder Kulturentwicklung in einem „naiven Geist“ einer „unbestimmten Vorzeit“ erhalten hätten und man über ihre Sitten, Bräuche und Meinungen daher einen Anknüpfungspunkt an diese Frühzeit finden könnte. In Zillners Bewertungen mischen sich einerseits die Sichtweisen der Aufklärung mit jenen der Altertums- und Mythensucher der Mitte des 19. Jahrhunderts. Auch ist Zillner von der Bewegung des Historismus und der Kunsterneuerung – in deren Nachhall die Volkskunde als letzte Form der Altertumssuche entstanden ist – stark geprägt. So schwankt er zwischen aufgeklärter Überheblichkeit gegenüber den Sitten der Bevölkerung und der Sehnsucht nach Relikten einer „besseren“, weil „ursprünglicheren“ Welt.

Auf der Suche nach mythisch-magischen Wurzeln der Bräuche trägt Franz Zillners Generation diese Sichtweise auch in die Bewertungen der Bevölkerung hinein. Vielleicht haben aber auch schon die Reformen des aufgeklärten Absolutismus, etwa die Religionsreform unter Erzbischof Hieronymus Colloredo (1772–1792), indirekt dazu beigetragen, dass die Auslegung als „heidnisch“ ausuferte. Die aufgeklärten und damit gebildeten und intellektuellen Priester erläuterten nach den Hirtenbriefen des geistlichen Fürsten die Begründungen für die Abschaffung religiöser Bräuche unter anderem damit, dass diese „heidnisch, als eines Christenmenschen unwürdig“ seien. Es wäre möglich, dass sich in den Köpfen der Menschen diese Begründungen erhielten und dass die Enkel jener Menschen, von Statistikern und begeisterten Städtern nach ihrem Tun befragt, daher sagten, „alles sei heidnisch“. Die Ethnografen, Anthropologen und bürgerlichen „Altertumssucher“ nahmen das gerne auf, denn es unterstützte ihre Intentionen im Zeitgeist. Eine gegenwärtige Volkskunde als Europäische Ethnologie und Kulturwissenschaft sieht sich daher vor der Aufgabe, die vielfältigen kulturellen Wanderungen, Verknüpfungen, Neubewertungen und Umgestaltungen aller Kulturerscheinungen aufzuzeigen und darzustellen.

6.15.2. Volkscharakter, Trachten, Bräuche, Sitten und Sagen (Franz Zillner)[1968]

6.15.2.1. Von Neujahr bis Lichtmess[1969]

Der Neujahrstag heißt der „Ebenweihtag“, weil er ebenso hoch geweiht ist als der Geburtstag Christi. Man soll an demselben mit Gutem anfangen, denn das setzt sich dann leicht das ganze Jahr fort, z. B. früh aufstehen; Auch glaubt man an den schlechten „Angang“. Der Dreikönigstag wird auf dem Land noch hier und da der „Perchttag“ genannt, welche Bezeichnung vielleicht weniger an den Umzug der Perchta als an den Ruhmesstrahl der Erscheinung des Herrn erinnert. Zweifelsohne hat der Sternglanz, der den Weisen leuchtete und noch in den Krippendarstellungen ganz eindrucksvoll zur Anschauung gebracht wird, diesem Festtag den Namen des „Öbristen“, das ist obersten Tages verschafft, unter dem er noch alten Gebirgsbauern bekannt ist. Am Vorabend vor Dreikönig beginnt die letzte „Rauchnacht“, Weihrauch durchzieht die Häuser, im Freien krachen Schüsse, einst wohl zur Verscheuchung unheimlichen Spukes, nach jeziger Meinung zur Vorfeier des Festes. In den vier „Lößelnächten“ (St. Thomas, heiliger Abend, Sylvester, Dreikönigsnacht) wurden einst die Schicksalsgeheimnisse in mannigfaltigster Weise durch Bleigießen, Schuhwerfen, Behorchen der Thiersprache und dergleichen zu erkunden gesucht.

An den Abenden zwischen Weihnacht und Dreikönig ziehen die „Anglöckler“ herum, mit kurzen Liedersprüchen milde Gaben heischend, wie man glaubt zur Erinnerung an Josef und Maria, wie sie Herberge suchten. Zwischen Dreikönig und Lichtmeß erscheinen Abends die „Sternsinger“, einen beleuchteten Stern auf einer Stange mit einer Schnur treibend. Ihre alten Lieder sind vergessen, sie helfen sich mit geist= und gemüthlosen neueren. Aber es fügte sich gut, daß statt der strahlenden Frau Percht das himmlische Sternlicht aufgegangen ist. Die Dreikönigsnacht machte auch den Schluß der offenen Zeit für die wilde Jagd, das „wilde Gjoad“, jenen einst gefürchteten Umzug des Wodan, von dem man jetzt nichts mehr kennt als den sprichwörtlich gebliebenen Namen. Um Pauli Bekehrung, ohne genau die Zeit einzuhalten, lassen sich auch Knaben in den Häusern sehen, um Erlaubnis bittend, das „Sommer= und Winterspiel“ aufführen zu dürfen, der Sommer in Hemdärmeln, einen Fichtenzweig auf dem Strohhut, der Winter in der Kapuze und mit einem rauhen Kozen angethan. Sie singen und ringen abwechselnd, jeder seine Vorzüge lobend; nach dem dritten oder vierten Gange obsiegt der fröhliche Sommer. Um diese Zeit ist im Gebirge auch das „Lebzeltenhacken“ im Gebrauche. Unter mancherlei Scherzen werden große, harte Lebkuchen, vom „heiligen Abend“ herrührend, mit einer mächtigen Breithacke zerschnitten und unter die Hausgenossen vertheilt.

6.15.2.2. Über Advent und Heiligen Abend[1970]

Das Jahr neigt sich zum Ende. Schon geht der Bischof Nikolaus, der „Nigla“ mit dem „Klaubauf“ um; ersterer in freundlicher Gestalt stellt öfter eine Frage aus dem Katechismus an die Kinder und schenkt Äpfel, Nüsse und gedörrte Zwetschken, letzterer mit Birkenruthe und Sack ausgerüstet, in der rauhen „Wildschur“ und mit Ketten rasselnd, droht die Schlimmen in den Sack zu schieben. Aber beide treten in Städten und Märkten bereits vor der herzerfreuenden Erscheinung des Christkindes zurück. Man begnügt sich öfter, wohlgerathene Kinder einen niederen Schuh vors Fenster legen zu lassen, ob nicht der heilige Bischof denselben in der Nacht mit einer Bescherung füllt oder etwas „einlegt“.

Das Kletzenbrot

Mit Anfang der Adventzeit beginnt die Sorge für Beschaffung des „Kletzenbrotes“, dieses allgemein verbreiteten, bei Hoch und Nieder geschätzten Leckerbissens, dessen Genuß durch Sparsamkeit bis zum Beginne der Fastenzeit zu erstrecken gesucht wird. Der Einkauf der erforderlichen Bestandtheile, als kleine Weinbeeren, Zibeben, Pinoli, Gewürze, soweit sie nicht der eigene Haushalt liefert, wie gedörrte Zwetschken und Birnschnitze, Wall= und Zirmnüsse, setzt Kaufleute und Krämer, die Zubereitung aber die Hausgenossen und Bäcker in Bewegung. Einzelne „Anglöckler“ lassen sich sehen.

Am „heiligen Abend“ wird „kollazt“, das ist ein kaltes Abendmahl genossen, aus Käse, Brot, Eier, für Kinder aus Äpfeln, Birnen, Nüssen, Brot bestehend. Die Sitte des Christbaumes ist in die Städte erst seit Anfang der Fünfziger=Jahre eingedrungen, hat sich aber rasch ausgebreitet und zu den großen Christbaumfesten für arme Kinder erweitert, die aber mehrere Tage früher stattfinden und durch Erbauungsreden gewürzt werden. Am „heiligen Tag“ wird der „Kletzenlaib“ oder das Kletzenbrot angeschnitten; der „Kletzenscherz“ oder der Anschnitt des Laibes ist unter Liebenden noch gebräuchlich. Das Opfer an die Elemente, indem man von jeder Speise einen Bissen auf das Dach trug, auch „Windfüttern“ genannt, sowie die Sitte, daß sich Bauer und Bäuerin am „Bacheltag“, Weihnachtstag, unter dem „Bachelboschen“ (Tannenbaum) zum Gedächtniß an die Erniederung des Herrn in der Krippe, in der Stube auf Stroh lagerten, sind abgekommen.

Messbesuch und Feiertage

Die Kirchenbesuche der Landleute in der Adventzeit zur „Engelmesse“ oder dem „Rorate“ und in der „Mettennacht“ im Schnee mit Laternen oder Fackeln, „Bucheln“, sind eine von Malern öfter dargestellte Erscheinung, und jetzt reisen auch Stadtleute aufs Land, um in der Nähe einer stark besuchten Kirche diese Scene zu betrachten. Daß die Christ= und Sylvesternacht mit Schüssen aus Böllern und Prangerstutzen angekündigt wird, versteht sich von selbst. Das „Mettenschießen“ und die Begrüßung der Evangelien beim Frohnleichnamsumgang und an Kaisers Geburtstag findet in Salzburg mit Böllern vom Mönchsberge und mit Kanonen von der hohen Festung statt. Der Wiederhall wird in dem Berglande drei Stunden weit gehört und Landleute horchen und zählen aufmerksam nach. Ein ausbrechendes Feuer wird durch eigene Lärmkanonen angezeigt.

Am Tage des Evangelisten Johannes wird der „Johannessegen“ geweiht. An diesem Tage begibt sich auch mancher Biertrinker in den Weinkeller, um ungeweihten Johannessegen zu trinken. Die Feier des Sylvesterabends durch gesellige Zusammenkünfte ist eine Einführung der neueren Zeit. Einst schloß der Hausvater an diesem Tage sein Rechnungsbuch und ging bedachtsam, die Wünsche fürs neue Jahr im Herzen, in das Schlafgemach, während die jungen Leute durchs „Lößeln“, Bleigießen die Zukunft, den Geliebten oder die Geliebte, die Vorbedeutung einer Heirat zu erforschen suchten.

6.15.2.3. Spiele zur Winterzeit[1971]

Die gewöhnlichen Unterhaltungs=, Preis= oder Geldspiele sind das (Stein=)„Platten=“ oder „Hufeisenwerfen“, das „Platzkegeln“ und „Wandkegeln“, das „Schmarakeln“ oder „Kegelstechen“ von einem wechselnden Standpunkte aus, das Eisschießen, Scheibenschießen, das Wettlaufen mit den besonderen Formen des Eier=, Sack= und Hosenlaufens, das Ersteigen des Maibaumes. Veraltet sind die bäuerisch=rohen Spiele des Purrösselsprunges, Scheiterkliebens, Holztriftens und selten ist das Fuchsprellen. Vor fünfzig Jahren wurde noch das Gesellschaftsspiel mit der „Hexenkarte“ gespielt, jetzt ist kaum mehr ein ganzes Spiel mit allen „Briefen“ aufzutreiben.

6.15.2.4. Frau Percht und Perchtentanz[1972]

Frau Percht, des Heidengottes Wodan Gemalin [sic!], war die Göttin des Hauswesens. Im Mittwinter (von Weihnacht bis Neujahr), wenn die Schneestürme brausten und die wilde Jagd über Ebenen und Kreuzwege sauste, da hielt sie ihre Umzüge, sah zum Fenster hinein, belohnte und strafte die fleißigen und die nachlässigen Spinnerinnen, ahndete vom Rauchfang herab die Unordnung in Küche und Herd, gedachte aber segnend des fleißigen Hauswesens. So erschien sie bald als hohe, erhabene Frau in huldreicher Gestalt, den Säumigen aber als zornige Alte mit drohendem Schlüsselbund und zottigem Haupthaar. Es erinnert an uralten Götterdienst, wenn ursprünglich der Frau Percht zu Ehren Umzüge stattfanden und noch aufgeführt werden, wobei der doppelten Gestalt der alten Göttin entsprechend der Unterschied zwischen „schönen“ und „schiechen“ oder „wilden Perchten“ aufrechterhalten blieb.

Erstere halten hüpfend und springend, mit frohen, lebhaften Geberden, in Hemdärmeln, Blumen auf den Strohhüten oder phantastische Mützen mit kleinen Schellen und Spiegelchen geziert auf dem Kopfe, in weißen und rothen Strümpfen, mit blumigen Schürzen, Drischeln, Heugabeln und Rechen in der Hand, ihren Einzug. Letztere, meist Männer, stürzen in den Winternächten unter dem betäubenden Getöse von Kuhglocken, Schellenkränzen, Stierhörnern, Klappern, Kupferkesseln, im Laufschritt, an Bergstöcken einherspringend, in das schlafende Dorf. In Felle oder in die Tracht von Wegelagerern, Räubern gekleidet, rumoren sie hin und her, gesträubte Federkronen auf den Hüten oder schmale hohe, mit Federn und Papierzieraten geschmückte Spitzhüte tragend, abscheulich bebartet, die Gesichter durch zahlreiche lange, bunte, von dem Hute herabhängende Bänder verhüllt, immer an den langen Bergstöcken herumspringend. Das ist der P e r c h t e n l a u f. Sie halten wohl vor einem Hause still, um es auszuzeichnen oder wo sie des Entgegenkommens gewiß sind, und führen dann öfter in Begleitung von Hackbrett und Pfeife jenen strampfenden, hüpfenden Tanz auf, der als „Trestern“ bekannt ist, den P e r c h t e n t a n z.



[1969] [Zillner 1889], hier S. 440.

[1970] [Zillner 1889], hier S. 450–452.

[1971] [Zillner 1889], hier S. 454.

[1972] [Zillner 1889], hier S. 455 f.

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