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3.27. Die Zederhauser Prangstangen (Rosi Hoffmann)[127]

3.27.1. Eine Heuschreckenplage als Ursache für ein Verlöbnis

Die Legende besagt, dass vor ungefähr 300 Jahren das ganze Tal von einer Heuschreckenplage heimgesucht wurde. Außer den Margeriten blieb kein Grashalm von der Fressgier der Heuschrecken verschont. So pflückten die Menschen die Blüten, banden Kränze daraus, schmückten damit die leeren „Hiefler“ (Heutrockenstangen) und trugen sie betend über die Felder. Die Zederhauser versprachen dabei, wenn im kommenden Frühjahr die Felder wieder voll Gras stehen würden, jedes Jahr mit den blumenbekränzten Hieflern eine Prozession durch den Ort abzuhalten. Im Jahr darauf sollen die Felder und Wiesen wieder in ihrer ganzen Gras- und Blumenpracht dagestanden sein.

Seither ziehen die Zederhauser jedes Jahr am 24. Juni (Johannistag), ihrem Patroziniumsfest, mit den Prangstangen durch den Ort. Der zweite Ort im Lungau, in dem der Brauch des Prangstangentragens gepflegt wird, ist Muhr. Die Menschen sind in diesen Brauch eingebunden und Teilnehmer dieser Zeremonie. Jeder Einzelne weiß genau, was er zu tun hat. Sonnenwende ist die Zeit der Heuernte und trotzdem sind sie bereit, den tagelangen Zeitaufwand auf sich zu nehmen, ohne einen Groschen dafür zu erhalten. Es ist für das ganze Tal eben ein Gelübde und deshalb auch eine Ehrensache.

3.27.2. Der Prangstangenträger

Die ganze Pracht der Zederhauser Prangstange[128] mit ihren acht Metern Länge sieht wie eine gotische Säule aus. Anstatt mit prächtigem Stuckwerk ist sie mit Blüten und Blumen reich verziert. Jeder Träger bestimmt die Muster und Farben seiner Stange. 300.000 Blüten sind für eine Stange erforderlich. Der Hauptanteil der Blüten sind Margeriten, die „Sunnwendla“.

Der Prangstangenträger übernimmt die volle Verantwortung für seine Stange. Außerdem muss er ledig und frei von Alimentationszahlungen sein. 14 Tage Urlaub muss er mindestens für sein Amt nehmen. Eine Woche braucht er schon für die ganze Vorbereitung. Er muss um die „Buschengarber“ (die Blumenpflücker), die „Kranzbinderinnen“ und die „Wickler“ schauen. Er hat sich auch um ihr leibliches Wohl zu kümmern, das heißt, er trägt für Speis und Trank während des Bindens die Kosten. Vielfach wird die Stange im Heimathaus des Trägers gebunden.

Der Bursche, der eine Stange am längsten trägt, ist der „Moar“ und seine Prangstange die „Moarstang“. Die „Moarstang“ wird seit einiger Zeit im Denkmalhof gebunden, um den Besuchern das Entstehen einer Prangstange vor Augen zu führen.

3.27.3. „Sunnwendla“, „Podonaroasn“, „Fingerhüatla“

Die Blüten werden auf die Stängel der Margeriten mit dünnem Spagat zu einem Kranz gebunden. Gemessen wird dieser Kranz in Klaftern. Ein Klafter ist die Spannweite der Arme des jeweiligen Wicklers plus der Länge zu seinem Knie. Die Binderinnen erraten – wohl aufgrund der jahrelangen Erfahrungen – die Länge der Kränze meist genau. Unter den Bindern und Wicklern zu sitzen und ihnen bei ihrer ernsthaften und genauen Arbeit zuzuschauen, ist eine große Freude. Wenn man ihnen aber bei der Arbeit auch ein wenig hilft, und sei es nur „Buschen zugeben“, dann ist man schon einer mitten unter ihnen, der einfach dazugehört.

Der Margeritenkranz wird als Erster um zwei Drittel der Stange gewunden. Darüber werden dann in kunstvollen Rhomben die übrigen Farben gelegt: Blau vom Enzian („Fingerhüatla“), Gelb von der Bergwurznelke („Rubassl“), Rot der Pfingstrosenblütenblätter („Podonaroasn“) und das Grün der Fichtensprossen („Feichtenzapfla“) sowie der Frauenmantelblätter („Taukraut“).

In die großen weißen Rhomben wird eine „Podonaroasnknospn“ gesteckt. Es müssen insgesamt zwölf Knospen sein, welche die zwölf Apostel versinnbildlichen. Aus wie vielen „Faschen“ so ein Rhombus sein soll und welche Farbe im Vordergrund steht, ist Sache des Trägers, und es obliegt der Kunst des Wicklers, wie sie dann zum Ausdruck kommt.

3.27.4. Prangstangen zum Lobe Gottes

Die Zederhauser Prangstange besteht aus sieben Teilen. Der unterste Teil ist die Tragstange, in die zwei große Nägel geschlagen werden, um die der Bursch sein Tragtuch zum Balancieren der Stange wickeln kann. Die eigentliche Prangstange, die nach oben hin konisch verläuft, wird am untersten Ende, der „Wurst,“ mit dem „Taukraut“ umwickelt. Dann kommen die Rhomben mit den „Podonaroasnknospn“, anschließend der „Jesusnam“, das Zeichen „IHS“ aus mit Enzianblüten umwickelten Schablonen, daran schließt sich der „Fünfer“. Es sind dies drei römische „V“ als Symbol der Dreifaltigkeit, die in den Regenbogenfarben gewickelt werden. Der Knopf ist die Verbindung zwischen dem Prangstangenspitz und dem „Wiftel“, dem ursprünglichen „Hiefler“. Der „Wiftel“ ist ein nadelloser Baumwipfel, der von einem eigenen Wickler kunstvoll mit den Blüten der vorgegebenen Farben umwickelt wird.

Die Freude am Gelingen überwiegt aber wohl jedes Jahr die mühevolle Arbeit. Voll Stolz bringen die Burschen ihre Stangen am Vortag des Prangtages vor das Feuerwehrhaus. Hier werden sie alle aufgestellt, vom Ortspfarrer geweiht und dann feierlich unter Musikbegleitung und großer Beteiligung der ganzen Bevölkerung sowie vieler staunender Besucherinnen und Besucher in die Kirche getragen. Am „Prangtag“ aber werden sie dann in feierlicher Prozession durch den Ort getragen und danach wieder in der Kirche aufgestellt, wo sie bis zum Hohen Frauentag, 15. August (Mariä Himmelfahrt), zum Lobe Gottes als Zeichen stiller Ehrfurcht der Talbewohner vor seiner Schöpfung verweilen.



[127] Erstveröffentlichung [HoffmannR 2000].

[128] Der zweite Ort im Lungau, in dem der Brauch des Prangstangentragens gepflegt wird, ist Muhr.

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