Das Herbergsuchen und Frautragen gehört zu den Bräuchen der Ankündigung des Weihnachtsfestes. Das Motiv der Herbergsuche – Josef mit der schwangeren Maria vor dem abweisenden Wirt – ist seit dem Spätmittelalter Bestandteil der kirchlichen Weihnachtsspiele. Ab 1450 findet sich das Motiv in den Weihnachtsspielen der Hessisch-Sterzinger Gruppe. In der Bibel wird es nur kurz als Herbergsuche in Bethlehem im Lukasevangelium (NT, Lk 2,7) erwähnt: „Denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge“. Aus den Apokryphen war im 13. und 14. Jahrhundert eine Szene aus der Flucht nach Ägypten, die den Räuberwirt Titus und das Badewunder zeigte, sehr beliebt.
Zur Zeit der Gegenreformation wurden Spiele zur Vermittlung religiöser Inhalte zunehmend volkstümlicher, und Elemente, die den katholischen Glauben betonten, ebenso wie die volkstümliche Dramatik wurden verstärkt (etwa die Marienverehrung). Im Lied dokumentiert sich das in „Wer klopfet an“, in dem Hans Joachim Moser eine Mischung aus Jesuitenbarock und Empfindsamkeit des 18. Jahrhunderts feststellte. Im österreichischen Volksliederbuch von Georg Kotek und Raimund Zoder ist ein Beispiel aus Oberösterreich verzeichnet, August Hartmann fand es um 1870 in Bayern, Tirol und im Salzburger Ort Thalgau.
Das Nachempfinden der Herbergsuche – bei Loyola als beschwerlicher Gang nach Bethlehem – findet sich erstmalig in den „Exercitia spiritualia“ des heiligen Ignatius von Loyola (1548), dem Begründer des Jesuitenordens. Diese geistlichen Übungen zielen auf eine Verhaltensänderung durch mitleidiges Nachempfinden ab. Bereits im „Cathechismus romanus“, dem berühmten und neuen Handbuch für Priester von 1566, wird die Herbergsuche als besonderes Anliegen der Katechese genannt. Auch als Volksbrauch ist die Herbergsuche seit dem 16. Jahrhundert nachweisbar.
In Salzburg haben sich innergebirg Anklöcklergruppen, die die Herbergsuche darstellen, erhalten. Im Salzburger Gebirge, speziell im Pinzgau, existieren noch viele private „Frautafeln“, teils Originale des 17. und 18. Jahrhunderts, teils Nachbildungen, die nach den Bildern jener Zeit gestaltet sind. Sie stellen die Herbergsuche bzw. eine schwangere Maria (Maria Gravida) – teils übers Gebirge gehend – dar.
Im Bereich der internationalen Kunst – der sogenannten „Hochkunst“ – findet sich die Wirtsszene erstmalig auf einem Gemälde von Jan Massys d. J. von 1558 (heute im Königlichen Museum der Schönen Künste Antwerpen) und wird im Laufe des 16. Jahrhunderts häufig auf Altarbildern dargestellt. Eine dem Empfinden der Zeit offenbar genau entsprechende Darstellung, denn das Motiv der Herbergsuche wurde erst beim Konzil von Trient in die „verehrungswürdigen Stationen des Lebens Jesu“ aufgenommen.
Die „Frautragbilder“ wurden zumindest seit der katholischen Restauration im Advent betend von Haus zu Haus getragen und in Andachten verehrt. Das Frautragen galt in der Gegenreformation als eine Demonstration katholischen Glaubens, die dem möglichen Vorwurf des Kryptoprotestantismus begegnen sollte. In den 1690er-Jahren wurde im Pinzgau „Von der Kirche nie erlaubt, [...] dieser nächtliche Aufzug infolge des damit häufig verbundenen Unfuges auch von den weltlichen Behörden verboten“.
Das Herbergsuchen war also, wie alle anderen Bräuche auch, von der unter strenger sozialer, kirchlicher wie obrigkeitlicher Kontrolle stehenden Bevölkerung, neben der andächtigen Gebetsübung auch zum Anlass für Ausgelassenheit und Suff, Partnersuche und Raufhändel geworden.
August Hartmann stellte ein Abkommen in Bayern in den 1850ern fest und fand dort auch eine Form, bei welcher die Figuren von Maria und Josef an den letzten neun Tagen des Adventes auf den Stubentisch gestellt und darum Rosenkränze gebetet wurden. Das ist auch für Tirol, Salzburg und die Steiermark bezeugt. Diese Zeit von neun Tagen ist ein weiterer Hinweis auf das Alter des Frautragens. Als „Novene“ wurde diese Fürbittandacht zur Einstimmung auf kirchliche Hochfeste im 17. Jahrhundert eingeführt.
Das Frauenbild/die Statue wurde im 19. Jahrhundert sehr häufig von Frauen, oft von den Jungfrauen, von Familie zu Familie getragen. Die Begleitung wurde bewirtet und die Trägerin mit Gebäck beschenkt. Für das Frauenbild wurde in der Stube ein „Altar“ errichtet und dort eine Andacht gehalten. Der Besuch des Frauenbildes bedeutet(e) den Menschen Schutz und Segen für die Familie und den Hof. Für Land und Stadt Salzburg ist das Frautragen bis in unsere Zeit ohne Unterbrechung, auch in Städten und Märkten, belegt.
Um die Wende ins 20. Jahrhundert gab der vom Münchner Servitinnenkloster zwischen 1892 und 1914 mehrfach aufgelegte Text „Geistlicher Krippenbau“ neue Impulse. Seit dem marianischen Jahr 1954 tragen verschiedene religiöse Gruppierungen in den katholischen Pfarren das Herbergsuchen weiter. Das Oberndorfer Frautragen wurde erst 1934 eingeführt, es soll aber auf ältere Übungen zurückgehen.
Aus den barocken Verboten geht hervor, dass die ganze Gemeinde bzw. Nachbarschaft daran teilnahm. Berichte des 19. Jahrhunderts sprechen in erster Linie von den Frauen der Pfarre. Heute ist es unterschiedlich, denn dort, wo in den Pfarren über katholische Frauenbewegung oder Legio Mariae das Frautragen gefördert wird, sind meist die gesamten Familien daran beteiligt.
Häufig wird das Bild auch in der Kirche, nach den Sonntagsmessen, übernommen, für eine Woche in der Wohnung behalten und dann wiederum in die Kirche zurückgebracht. Eine Praxis, die den heutigen Wohn- und Lebensverhältnissen und der Anonymität der Städte angepasst ist. So verwenden heute die Pfarren unterschiedliche Arten von Bildern und Statuen und geben häufig selbst zusammengestellte Gebets- und Liedtexte mit.
Helga Maria Wolf nennt als historische Termine des Herbergsuchens die neun letzten Abende vor dem Heiligen Abend, wogegen heute meist der ganze Advent einbezogen wird. Darin germanische Mutter- und Fruchtbarkeitskulte zu suchen, gelang nur den Forschern des Nationalsozialismus.
Zum Nachlesen
[Adrian 1924] Adrian, Karl: Von Salzburger Sitt’ und Brauch. Wien 1924 (Deutsche Hausbücherei 135/138).
[Andree-Eysn 1910] Andree-Eysn, Marie: Volkskundliches aus dem bayrisch-österreichischen Alpengebiet. Braunschweig 1910.
[HartmannAu 1987] Hartmann, August: Weihnachtlied und Weihnachtspiel in Oberbayern. Mit einem Beitrag von Ernst Schusser. (Nach dem Separatabdruck aus dem 34. Band des Oberbayerischen Archivs Historischer Verein von Oberbayern 1874. München 1875). München 1987 (Quellen und Schriften zur Volksmusik 5).
[Kotek/Zoder 1969] Kotek, Georg; Zoder, Raimund: Ein österreichisches Volksliederbuch. 2. Aufl. Wien 1969.
[MoserDR 1993] Moser, Dietz-Rüdiger: Bräuche und Feste im christlichen Jahreslauf. Brauchformen der Gegenwart in kulturgeschichtlichen Zusammenhängen. Graz [u. a.] 1993.
[WolfHM 1992] Wolf, Helga Maria: Das Brauchbuch. Alte Bräuche, neue Bräuche, Antibräuche. Freiburg [u. a.] 1992.
[WolfHM 2000] Wolf, Helga Maria: Das neue Brauchbuch. Alte und junge Rituale für Lebensfreude und Lebenshilfe. Anhang: Burgenland spezial. Wien 2000.