Karl Adrians (17. 02. 1861–14. 10. 1949) Werke sind heute als zeitgeschichtliche Schritte zur Entstehung der Heimatbewegung, des Landesbewusstseins wie der Heimatpflege zu lesen. Eine Gültigkeit seiner Bewertungen und Ausdeutungen ist heute vielfach nicht mehr gegeben.
Nach dem Zusammenbruch der Monarchie standen die Bestrebungen unter dem Leitgedanken der Heimatpflege und der Bildung eines nationalen Selbstbewusstseins. Den im Heimatschutz engagierten Personen ging es um die Förderung von „Heimatliebe“ und um die Stärkung der „Vaterlandsliebe“. Diese ineinander übergehenden Motive gaben auch den ehemals lokal gebundenen, von eindeutig festgelegten Gruppen durchgeführten und mit bestimmten Zielen versehenen Bräuchen einen neuen Sinn. Sie waren nunmehr hochbewerteter Fundus für die Rekonstruktion eines kulturellen Erbes, das gleichzeitig auf regionaler und auf nationaler Ebene bestimmt wurde.[1947] Karl Adrians Recherchen nach dem „ursprünglichen Volksleben“ fanden in seinem Buch „Von Salzburger Sittʼ und Brauch“, aber auch in frühen Tourismusinitiativen wie in der kulturpolitischen Arbeit des Landes ihren Niederschlag.
Aus heutiger Sicht ist zu bemerken, dass Karl Adrian stets um wissenschaftliche Debatte mit den Größen im Fach bestrebt war – das zeigen u. a. seine Korrespondententätigkeiten –, dass aber Volkskunde zum damaligen Zeitpunkt selbst noch eine phänomenologisch arbeitende Altertumswissenschaft war, der es an methodisch-theoretischen Konzepten im heutigen Wissenschaftsverständnis fehlte. So waren auch in der Wissenschaft – ebenso wie bei Adrian – vorbewertende Thesen und Auswahlkriterien in Verwendung. Zudem verquickte Adrian seine Forschungen stets mit gesellschaftspolitischen Zielen.
Die Blickpunkte und Begründungen sind bei Adrian noch deutlich andere: einerseits Altertumssehnsucht nach einer „großen geschichtlichen Zeit“ sowie ein Liebäugeln mit „naturmythischen Aspekten“ und andererseits der feste Glaube an eine wirtschaftliche, soziale und politische Stabilisierung der Gesellschaft durch das Aufleben bzw. Einführen von Bräuchen – als neuer Ständebewegung. Die später so durchdringend feststellbaren zwingenden völkischen Aspekte fehlen bei Adrian gänzlich.
Im Glauben des Volkes erscheinen einzelne der alten Göttinnen als milde Helferinnen im häuslichen Leben, insbesondere wird Frigga, die Gattin Wodans, als eine solche angesehen. Sie lebt fort unter dem Namen Holda oder Holle, aber auch als Perchta, die Prächtige, Glänzende. Diese Doppelform für ein oder dieselbe mythische Gestalt ist sehr bezeichnend. Sie tritt zutage zunächst im Glauben, hier die milde, liebliche Erscheinung Holdas, dort jene der abschreckenden, strafenden Perchta; noch mehr aber tritt dieser Gegensatz in Sitte und Brauch hervor.
Holda ist vor allem Brunnenfrau; daß die Kinder aus den Brunnen, aus Bächen, zum Beispiel aus der Salzach, geholt werden, wird im Volke ziemlich allgemein den Kindern erzählt. Sie ist auch die spinnende Frau, das Gedeihen des Flachses steht unter ihrem Schutz. So erblickte das Bauernmädchen, das an einem heiteren Wintertag den Untersberg hinanstieg, auf einmal eine wunderschöne, weißgekleidete Frau, die auf dem frischgefallenen Schnee Flachsbündel ausbreitete. Die geheimnisvolle Frau rief das erschrockene Mädchen zu sich und sprach: „Nimm, mein Kind! Und löse dir die Bündel hier zu deiner Hochzeitssteuer.“ Gehorsam erfüllte das Mädchen den Auftrag, die weiße Frau aber war verschwunden, ehe das Kind nur ein Wort des Dankes sagen konnte. Als es zu Hause dann die Schürze öffnete, fielen statt der Flachsbündel eitel Perlen und Edelsteine heraus.
Holda tritt auch als weiße Frau dem Menschen entgegen. Nach der Sage wandelt sie geräuschlos im weißen, faltenreichen Kleide durch Gänge, Türen und Kammern der Feste Hohensalzburg und die Wachen stehen beklommen, wenn die weiße Frau durch die alte Feste zieht. Aber auch an andern Orten ist sie gesehen worden, so auf der Weyerburg bei Bramberg und in den Trümmern der Ruine Wartenfels bei Thalgau. In der Percht dagegen zeigt sich uns das Bild der Göttin viel entstellter als in Holda. Sie wird stets als ein kleines, steinaltes Weiblein geschildert mit glänzenden Augen, langer Adlernase und verworrenen Haaren. Sie trägt einen langen, zerlumpten Kittel, einen Schlüsselbund an der Seite und zerrissene Schuhe. Ein Kinderreim aus der Flachau, welcher lautet:
„Döscht obn auf’n Bergei is a Zittabirchn, Und a oahornats Weibi tuat Bandlwirkn,“
dürfte auf die Gestalt der Percht Bezug haben. Jedenfalls ist diese Auffassung sehr verschieden von der Anschauung Simrocks in seinem Handbuch der Mythologie, in welchem er sagt: „Berchta ist im Salzburgischen eine schöne Erscheinung, sie trägt ein himmelblaues Kleid mit einem Schellenkranz.“ In den Rauhnächten hält Perchta ihren Umzug. Es erwacht die Ahnung ihres rückkehrenden Reiches und in den Winterstürmen streut sie Segen für das nächste Jahr. Auf ihren Zügen zeigt sie sich oft nachts an Kreuzwegen dem einsamen Wanderer; sie winkt ihm freundlichst zu und hält ihm ein schwarzes Tuch vor. Nimmt der Wanderer das Tuch an, dann stirbt er noch im gleichen Jahr, schlägt er aber ein Kreuz und spricht:
„Frau Pert, Frau Pert, Wirf’s Tüchel um d‘ Erd!“
so kehrt Glück und Segen ein in sein Haus. Zeigt sich Frau Pert in einem Stall, dann bricht gewiß unter dem Vieh eine Krankheit aus. Nur das übers Kreuz gesteckte Johanniskraut oder der durchlochte Trudenstein halten den Dämon ab. Auch die Percht erscheint als Spinnfrau, denn in der Thomas-, Christ- oder Neujahrsnacht oder am Heiligendreikönigabend kommt sie in die Nähe der Häuser, schaut zum Fenster herein oder guckt durch den Kamin auf den Herd herab, sieht nach Spindeln und Spulen und straft die Faulen und Saumseligen durch das Aufschneiden des Bauches und Anzünden der hineingesteckten Haarwickeln.
Wie Holda ist Percht auch Kinderfrau, aber in der schlimmeren Bedeutung, sie sammelt die ungetauften Kinder um sich und zieht an deren Spitze durch das Land. Eine sehr bezeichnende Sage aus dem Munde einer Achtzigjährigen beweist, wie tief vorerwähnter Glaube im Volke wurzelt. Diese erzählt: „Ein Mann und sein Weib begegneten einst der Frau Percht mit ihrer namenlosen, ungetauften Kinderschar und verbargen sich während des Vorüberzuges in einem Gebüsch neben der Straße, konnten aber aus Neugierde nicht unterlassen, durch die Zweige hinaus zu spähen. Da sahen sie dann, wie ein ganz kleines Kindlein dem Zuge nachhinkte und kaum imstande war, diesem zu folgen. Da sagte der Mann zu seinem Weibe: ‚Ui Jegal, schau’s an dös kloan Regal wie’s nachi hatscht.‘ Schnell drehte sich das Kind um, kam auf ihn zu und dankte ihm für seine Erlösung. Gleich darauf schwebte es mit lichtem Glanz zum Himmel. Er hatte unbewußt, indem der sagte: ‚dös kloan Regal‘, gleich die kleine Regina, dem Kinde einen Namen gegeben und so dasselbe erlöst.“ Daher hört man hie und da die Meinung, wenn man der Perchtl unterwegs auf ihrem Zuge begegnet, so muß man das letzte Kind benennen, dann ist dessen Seele erlöst und die Perchtl dankt für die Guttat.
Frau Percht wurde durch Opfer und besondere Festlichkeiten gefeiert, daher bestand auch einst in unserem Lande die Sitte der Speisenopfer, um die Göttin zu versöhnen. Hübner erwähnt, daß man im Pinzgau am Bachltag, das ist der Weihnachtsvorabend, von jeder Speise einen Löffel voll auf einen Zaunpfahl oder auf das nahe Feldgitter legt, um es dem Wind als Opfer zu weihen. Bemerkenswert ist ferner auch, daß nach Prinzinger in unserem Gebirge das Weihnachtsbäumchen den Namen Berchtelboschen oder Bächelboschen erhält.
Der Glaube an die Percht findet sich im ganzen Gebiete der Ostalpen wie im daranstoßenden Bayern selbst über die Donau hinaus und zugleich knüpft sich in irgend einer Form stets eine volkstümliche Sitte daran, sei es zum Beispiel als Perchtgang wie in Bayern oder als Perchtjagen wie in Kärnten; aber in ureigenster Weise findet der Perchtenkult doch nur seinen Ausdruck im Perchtenlauf und Perchtentanz unseres Heimatlandes, dem vielleicht das Schemen- oder Huttlerlaufen Tirols am nächsten kommt.
Soviel auch über die Percht schon geschrieben wurde, besser als der Benediktiner Beda Weber hat sie noch niemand gekennzeichnet; er weiß das dunkle Empfinden des Volkes diesem elbischen Wesen gegenüber in das richtige Licht zu stellen. Nach ihm bedeutet „Perchta oder Percht eine unheimliche von übermenschlicher Kraft und Begeisterung gehobene, bald Grauen und Furcht, bald ungemeine Anziehungskraft zum Guten und Bösen verbreitende Gestalt.
Solcher Wesen gibt es zweierlei Arten, gute und böse, beide in die Mitte zwischen Mensch- und Geisterwelt gestellt, die ersteren mit Wohlwollen, die letzteren mit Ungunst und Feindschaft dem Menschen nahend, außerordentlich empfindlich gegen gutes und böses Benehmen der Leute gegen sie. Unbild verscheucht die Guten augenblicklich und reizt die Bösen zur Wiedervergeltung. Ihre Schadenlust ist aber nur in gewissen Verhältnissen den Menschen gefährlich, wo er sich nämlich durch eine moralische Blöße in den Zustand des Unrechtes versetzt hat. Sie wohnen nicht bei den Menschen, gehen aber zu gewissen Zeiten, namentlich vom Anfang des Advents bis zum Fest der heiligen drei Könige an den Menschenwohnungen vorüber, mehr hör- als sichtbar, aus unbekannten Wohnstätten hervorbrechend mit Geheul und Lärm, durch trügerische Laute lockend, auf bekannte Geistersprüche an Vertraute Antwort erteilend, auch unbekannte Verbrechen strafend. Wer von ihnen eines Frevels wegen Unglimpf erlitten, kann nur von ihnen geheilt werden und sie tun es nur am nämlichen Orte, in ähnlichen Verhältnissen, zur nämlichen Zeit, oft gar erst dann, wenn die nämliche Ordnung im Kalender wieder einbricht.
Im Menschen wohnt ein natürliches Doppelgefühl gegen sie, Furcht und Sehnsucht zugleich, Furcht vor ihrer Unheimlichkeit, Sehnsucht nach ihren außerordentlichen Kräften. Man sieht, die Perchten sind Wesen der Volksmythologie, eine Art Mittelschaft zwischen dem Menschen und dem Geschicke, zwischen dem Guten und dem Bösen, zwischen der Vernunft und Willkür, gewissermaßen die Personifizierung der sinnlichen und natürlichen Triebe und Neigungen in jeder Menschenbrust. Kein Wunder, daß die östlichen Völker baiwarischen Stammes auf den Einfall kamen, sie nachzuspielen, ganz in der Art und Weise, wie der Begriff von ihnen sich feststellt.“
Diese Nachahmung der Percht im Spiel findet sich bei uns sowohl im Pongau und Pinzgau, wie auch sehr verblaßt und nur noch Spuren von der ursprünglichen Bedeutung aufweisend im Flachgau. Einer der größten Perchtenumzüge fand im Jahre 1892 in St. Johann i. P. statt, nachdem dieser Brauch auch dort 25 Jahre, seit dem Jahre 1867, geruht hatte. Bei der Darstellung dieses Umzuges lege ich einen Aufsatz von Zdenko Anderle zugrunde, der im Jahre 1899 in der Zeitschrift „Zur guten Stunde“ erschienen ist und welcher diesen Gegenstand in erschöpfender Weise mit Hervorhebung aller wichtigeren Einzelheiten behandelt.
„Das Pongauer Perchtenlaufen beschränkt sich in seiner Wesenheit auf einen Umzug, der einerseits ebenso grotesk wie feierlich, anderseits ebenso komisch auf den Beschauer wirkt. Für diese wechselnden Eindrücke sorgen die ‚Schönperchten‘ gemeinschaftlich mit den ‚schiachen‘ Perchten. An dem Perchtenlaufen im Februar 1892 zu St. Johann i. P. beteiligten sich ungefähr 20 schöne und über 100 wilde Perchten. Die mit unglaublicher Mühe, viel Zeit und Geldaufwand verbundene Zusammenstellung dieses Aufzuges hatte der Vorstand der Landgemeinde von St. Johann und die schönen Perchten wurden von den angesehensten Bauern dargestellt, wie überhaupt alle Darsteller dem Bauernstande entnommen waren. Die Bürger des Marktes beteiligten sich daran, ebenso wie die beim Perchtenlaufen erschienenen Fremden, nur als Zuschauer.
Der Typus der Pongauer Percht ist die Tafelpercht, eine sogenannte ‚Schönpercht‘. Der als Perchtenläufer kostümierte Bauernbursch trägt die ortsübliche Tracht, bestehend aus dem kurzen, dunkelgrünen Lodenrocke, der schwarzledernen, mit grüner Seidenstickerei verzierten Kniehose, den genagelten, schweren Bergschuhen, dem roten Halstuch, weißem Hemde nebst dem kielfedergestickten Ledergürtel. Die hiezu verwendeten weißen, hohen Strümpfe nebst dem blendend weißen Schurz, dessen einer Zipfel an der rechten Hüfte in den Gürtel gesteckt ist, vervollständigen jene. Auf dem Kopfe trägt er den sonderbarsten Kopfschmuck, der wohl je erdacht wurde. Es ist dies die ‚Perchtenhaube‘ oder auch ‚Perchtenkappe‘.
Sie besteht aus einer hohen Kopfbedeckung von scharlachrotem Samt, aus der ein nahezu zwei Mannshöhen messendes Holzgestell emporragt, welches aus zwei quadratförmigen Brettern besteht, welche, jedes auf eine der Ecken gestellt, übereinander angebracht sind. Eine rückwärts durchlaufende Eisenstange sichert die Verbindung und dient, passend hergerichtet, in ihrem unteren Teile als das auf den Achseln des Perchtenläufers ruhende Traggestell der Perchtenkappe. Die Vorderseite der beiden Bretter ist mit scharlachrotem Tuch überzogen und mit allerlei Silber- und Goldschmuck, welcher auf jedem der Teile symmetrisch um den in der Mitte befestigten Spiegel gruppiert ist, aufs reichste verziert.
Eine ganze Sammlung von Taschenuhren, mit den dazugehörigen Ketten, alten Schaumünzen, reichgegliederten, vielgängigen Frauenhalsketten mit großen Schließen, silberplattierten Blättern, Metall- und Stoffblumen sowie aus Silberdraht gestickten Rosetten erhöht nicht nur die Pracht der Kappe, sondern bildet auch die Freude und den Stolz des Perchtenläufers, zugleich den Reichtum des Bauern den Zuschauern vor Augen führend. Die oberste Spitze der Perchtenkappe erhält allerlei passende Abschlüsse wie Sterne, Spitzen, Adler, Kronen usw.
In ähnlicher Weise wie die beiden Bretter ist auch der Kopfteil der Perchtenkappe mit Silberschmuck verziert. Grellfärbige Seidentücher an den Verbindungsstellen zur Verkleidung dieser, ebenso grellfärbige, flatternde Bandbüschel an den Kanten beleben das höchst eigentümliche Gesamtbild. Die Rückseite der beiden Quadrate ist mit Leinwand überspannt, auf der in plumper Weise von einem ländlichen Maler die Almauffahrt dargestellt wurde. Hoch oben an der Grenze des ewigen Schnees weidet eine Schafherde, ihr folgen auf dem aus der untersten Ecke in Schlangenlinien aufwärts ziehenden Weg die Rinder und schließlich die Pferde des Bauern, während dieser mit der Bäuerin seinem wandernden Reichtum vergnügt nachsieht.
Die linke Hand des Perchtenläufers ist in die Hüfte gestützt, in der rechten hält er einen entblößten Säbel. Es ist erklärlich, daß die ‚Schönperchten‘ nur von reichen Bauern dargestellt werden können, denn der Gesamtwert des zum Putze der Perchtenkappe verwendeten Schmuckes stellt sich in manchen Fällen auf 600, selbst auf 1000 Kronen. Jede Schönpercht wird von einem als Mädchen verkleideten Burschen – der Gsellin – begleitet. Die Verkleidung dieser letzteren wird von den Burschen so gelungen durchgeführt, daß die Betreffenden oft selbst von ihren Verwandten nicht erkannt werden. Die Gsellin ist in der landesüblichen Mädchentracht gekleidet und benimmt sich in der Tat so sehr in der Art der ländlichen Schönen, daß in ihr niemand einen übermütigen Bauernburschen vermuten würde. Sie trägt ebensowenig wie die Schönpercht eine Maske vor dem Gesicht.
Wenn sich alle Teilnehmer an dem Perchtenlaufen versammelt haben, so setzt sich der seltsame Zug unter Vorantritt einer Musikkapelle in Bewegung. Die Leitung des ganzen Umzuges liegt in den bewährten Händen des Schalknarren; dieser vertritt beim Perchtenlaufen die bekannte Figur des Hanswurst. Sein Unterleib steckt in dem Körper eines künstlichen Pferdes; in der einen Hand hält er als Abzeichen seiner Würde einen mit Sand gefüllten Kuhschweif, den er vornehmlich zum Auseinanderjagen der Leute verwendet. Ein von ihm getragener Schellkranz bildet eines seiner weiteren Abzeichen. Dem Narren folgt der ‚Vorteufel‘. Er trägt ein Fellgewand und eine Hörnermaske. Hinter dem Vorteufel schreitet in Gesellschaft seiner Begleiterin – der Gsellin – die Vorperchte. Es ist dies die schönste, reichgeschmückteste aller mitlaufenden Schönperchten.
Der Vorpercht schließen sich in langsamem Zuge die Schönperchten mit ihren Gsellinnen an. Diesen folgt die ‚schiache‘ Percht mit ihrer Begleiterin; sie geht mit ihrer Gsellin allein. Sie ist ebenfalls eine Tafelpercht wie die Schönperchten, doch besteht deren Putz aus lauter ‚schiachen‘ Dingen, wie alten Fetzen, toten Vögeln, Mäusen, Fledermäusen und ähnlichem. Als Schluß dieses ersten Teiles des Zuges schreitet wieder eine der Schönperchten in gravitätisch feierlichem Schritte mit ihrer Begleiterin einher. Die Schönperchten und die dabei eingeteilte ‚schiache Percht‘ verhalten sich während der Dauer des Zuges ruhig, dafür bemühen sich die übrigen Teilnehmer redlich, in dem von ihnen ausgeführten Lärmen, Schreien, Johlen, Pfeifen, Läuten usw. das Möglichste zu leisten.
Den Schönperchten folgen in zwangloser Ordnung Jäger, Bärentreiber, Zigeuner, Wildschützen, Teufel als Untergebene des Vorteufels, Ungeheuer der Unterwelt, Lappen, Soldaten, Bauern, Narren und viele andere, die sämtlich maskiert sind und in ihrer Gesamtheit vom Volke gleichfalls ‚schiache Perchten‘ genannt werden. Sie tragen allerlei Juxgegenstände, als: mehrere Meter lange Holzscheren, womit sie es besonders auf die Kopfbedeckung der Zuschauer abgesehen haben, ferner Pritschen, Stangen, Stöcke; selbst Spinnrädchen, Schleiferkarren, Radelböcke schleppen diese schiachen Perchten mit. An Lärminstrumenten fehlt es selbstverständlich auch nicht, unter diesen machen sich am meisten Almglocken sowie größere Glocken, die von einigen auf eigens hiezu erbauten Kraxen mitgetragen und geläutet werden, dem Ohr bemerklich.
Ernst und feierlich ziehen die Schönperchten, lärmend und johlend die schiachen Perchten durch den Ort. Wo es der Raum gestattet, hält der Zug. Die Zuschauer bilden einen Kreis, die Schönperchten treten in denselben und tanzen mit ihren Gsellinnen, sich dabei infolge ihrer schweren Perchtenkappen nur langsam drehend. Es herrscht vielfach die Ansicht, daß die Pongauer Perchten überhaupt nicht tanzen, eine Anschauung, die aber durch die Tatsache widerlegt ist. Während die Musik zum Tanze aufspielt, tanzen, springen und hüpfen die ‚schiachen‘ Perchten, jede dieser für sich allein, zwischen den übrigen Teilnehmern herum und treiben ihre Späße.
Ist der Tanz beendet, so führt der Narr seine lustige Schar weiter, um sie am geeigneten Platze wieder tanzen zu lassen. So dauert das Perchtenlaufen oft manchmal den ganzen Tag; freilich hängt dessen Dauer nicht allein von der Länge des Weges, sondern auch von der Witterung ab. Die Perchtenläufer fordern von den Zuschauern niemals irgendwelche Bezahlung, doch ist es Sitte, daß ihnen die bemittelteren der Zuschauer aus freiem Antriebe zur teilweisen Vergütung der entstandenen Auslagen Geldgeschenke zukommen lassen, die nachträglich zur Verteilung gelangen. Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß das Verhalten sämtlicher Teilnehmer während des Umzuges ausnahmslos mustergültig war; kein Mißton störte die allgemeine Fröhlichkeit.“
In der Regel findet aber der Perchtenlauf in diesem Gau nicht in der geschilderten Form statt, sondern es treiben sich zu nächtlicher Weile meist nur die schiachen Perchten herum, und ich führe hiefür eine andere Quelle an, nämlich Fräulein Marie Eysn. Sie lieferte zur Charakteristik der Perchten im Jahrgang 1898 der „Berliner Zeitschrift für Volkskunde“ einen höchst wertvollen Beitrag aus Rauris, indem sie die ihr gewordenen Mitteilungen eines alten Knappen veröffentlichte. Daraus erfahren wir, daß die „schiachen“ Perchten stets nachts an den drei Donnerstagen des Advents liefen. Zeit und Weg wurden zu dem Zwecke schon vorher vereinbart. Als Lärmwerkzeuge führten sie mit die große Trommel, mehrere „Rumpelglocken“, das waren große, gehämmerte Glocken in Kuhmaulform, ferner eine große Zahl „Zinngiarss“, nämlich kleinere, gegossene Glocken, und am Gurt hatten sie „Rollen“, das heißt Schellen von 10 bis 11 cm im Durchmesser. Sie waren vermummt mit schwarzen Schaffellen oder rupferner Leinwand und trugen die hölzerne Perchtenlarve vor dem Gesichte. Als besonders bezeichnende Personen des Zuges werden genannt die Lappin, stets dargestellt von einem Manne, und der Öltrager.
In ähnlicher Weise vollzieht sich der Perchtenlauf im benachbarten Pongau. Ein Großteil der Männerwelt eines Ortes, hauptsächlich aber die jungen, ledigen Burschen, oft 80 bis 100 an der Zahl, verabreden Tag und Stunde des Aufbruches. Sie verwandeln sich durch Schwärzen des Gesichtes, lange, wallende Bärte in „schiache“ Perchten und suchen sich durch Vermummung möglichst unkenntlich zu machen. Jauchzend und lärmend treiben sie sich dann von Gehöft zu Gehöft bis gegen Mitternacht herum. Dabei kam es schon öfter vor, daß die Perchten zweier Dörfer zusammenstießen, und die Folge einer solchen Begegnung war eine blutige Rauferei, bei der es selbst Tote gab. So sollten die Wagreiner mit den Goldeggern in der Nähe St. Johanns zusammengetroffen sein; die Gegner lieferten sich eine förmliche Schlacht, bei der vier Teilnehmer ihr Leben verloren und heimlich an Ort und Stelle begraben wurden. Diese Gräber wurden später durch steinerne Kreuze bezeichnet, die heute noch auf dem Wege von St. Johann nach Wagrein (sic!) bei der zweiten Brücke über die Kleinarler Ache am linken Ufer ins Auge fallen.
Ein ebensolches Perchtenkreuz findet sich auch nach Eysn „Über alte Steinkreuze in der Umgebung Salzburgs“ („Zeitschrift für österreichische Volkskunde“ 1897) nächst dem Landsteg im Raurisertal. Dasselbe ist aus glimmerreichem Gneis und trägt die Jahreszahl 1553; auch dort soll nach der Überlieferung eine Percht darunter liegen, denn wie die Verfasserin erwähnt, wer im Perchtengewand mit der Teufelslarve erschlagen wird, darf im Friedhof nicht beerdigt werden.
Daß übrigens die Perchten auch ein Bündnis mit geheimnisvollen Mächten nicht scheuen, davon gibt folgende Gasteiner Sage Zeugnis. In Gastein hörte ein Bergknappe von einem alten, grauen Mütterlein einmal die sündige Rede: „Das Perchtenlaufen wäre weitaus lustiger, wenn man 14 Tage zuvor kein Wörtlein bete und kein Kreuz mache.“ Der Knappe dachte bei sich: „Man soll nichts unversucht lassen, das ist eine alte Regel! Ich will’s versuchen, ob’s wirklich noch lustiger werden kann, als es andere Jahre gewesen. Das Beten kann ich sonder Mühe bleiben lassen, ist ohnedem nie meine Freude, sondern mein Leid gewesen!“ Beim Perchtenlaufen am folgenden Tag herrschte überall die größte Lust und Freude. Plötzlich sprang ein Perchtl auf den Brunnen, schwang sich von hier auf das Hausdach und schwebte von diesem über den Gipfel des nahen Föhrenwaldes dahin. Die Zuschauer standen betroffen, aber alsbald faßten sich einige und eilten rasch um den Geistlichen. Der holte das Hochwürdigste aus der Kirche und spendete auf dem Platze draußen nach allen Richtungen der Windrose den Segen. Da stürzte in einiger Entfernung die Perchtl klagend aus der Höhe auf den Boden herab.
Als die Leute dazukamen, erkannten sie mit Grauen den Knappen. Einer meinte: „Dem ist’s wohl vergangen, er hat sich ja auf’s Perchtenlaufen gefreut, daß er es kaum erwarten konnte. Jetzt hat er das Letzte auf der Mühle.“ Der Knappe selbst aber sagte: „Der Herr Vikar hätt’ sich das Segengeben sparen können! In der Luft oben herumtanzen – Buben, das ist eine Lust! Das könnt ihr euch nicht im entferntesten einbilden! Aber wie der Geistliche kommen ist, hat mich der Teufel verlassen.“ – Nach diesen Worten gab der Unglückliche seinen Geist auf.
Ig. V. Zingerle sagt zum Beispiel auch von den Huttlern der Salinenstadt Hall, die sehr viel Verwandtes mit den Perchten haben: „Die Huttler, welche am unsinnigen Pfinztag oder in den folgenden Tagen laufen, heißen Schleicher. Sie, wie auch die Teufel in den Faschingskomödien, sollen sich etwas Geweihtes in die Stiefel tun, denn sonst hat der Teufel Gewalt über sie. Mehrere, die dies nicht taten, wurden schon vom Teufel vertragen.“ Wie aus dem Vorerwähnten zu ersehen ist, verliefen diese Umzüge gerade nicht immer in harmloser Weise; man denke sich nur in die Lage dieser Leute versetzt: das nächtliche Treiben bei Fackelschein, das unausgesetzt wilde Geschrei und Gejohle, der ohrenzerreißende Lärm von Kuhglocken, Peitschen, eisernen Kesseln, Ketten u. dgl., dazu der gewiß nicht mäßige Genuß geistiger Getränke mußte sie endlich in eine Art Taumel versetzen, bei dem gelegentliche Ausschreitungen nicht zu vermeiden waren. Es ist daher erklärlich, wenn die Behörde diesem Treiben Einhalt zu tun suchte. So besteht aus der Zeit des Erzbischofes Firmian ein Hofgerichtsbefehl vom 17. Februar 1730, welcher lautet:
„Zumahln Ein hochfürstl. Konsistorium alhier alhero gelangen laßen, wasmaßen daselbst zu Heil. Dreikönigen und Fastnachtszeit die Junge Pursch in Unterschidlichen Naaren Kleidern und Schellwerckh verstölter umbzulauffen pflegen, durch solches aber zu Unterschidlich sündhaffter Ungebühr gelegenheit, so tag als nachts, gegeben wurdet; als befelchen wür Euch hiemit, daß Ihr dergleichen ärgerliche Müssbräuch hinfüro alles ernsts abstehlen, und, damit die schrankhen Christlicher Zucht und Ehrbahrkeit nit yberschritten werden, genauiste obsicht tragen, auch darob halten sollet. An deme geschieht unser ernstlicher Willen und Mainung.“
Für die Übertretung dieser oder ähnlicher Bestimmungen bringen die Militärakten des Museums einen Beleg; dort heißt es unter andern: „Peter Kaesleitner von St. Martin bei Radstadt wurde laut Rekrutenliste vom Jahre 1763 wegen verbotenen, nächtlichen Berchtenlaufens assentiert.“
Die Pinzgauer Perchten unterscheiden sich von denen im Pongau wesentlich. Sie laufen abends nach einbrechender Nacht oft bis gegen Mitternacht. Sie sind vorzüglich wegen ihres eigentümlichen Anzuges und ihres Tanzes, „Trestern“ genannt, berühmt. Gewöhnlich sind 12 bis höchstens 18 Perchten, darunter 6 bis 10 schöne, welche eigentlich den Tanz ausführen, die anderen sind abschreckende Masken, welche nur zum Gelächter der Zuschauer dienen und den Zweck haben, die Umstehenden auseinander zu halten, damit der Tanzplatz leer bleibe. Unter den letzteren ist oft ein Narr, eine Närrin mit einem in Lumpen eingewickelten hölzernen Kinde, ein Kaminkehrer, um die Leute, vorzüglich die Weibspersonen zu schwärzen, ein Gassenkehrer, der den Tanzplatz auskehrt, ein Teufel und öfters auch ein Einsiedler u. dgl.
Die Kleider der schönen und eigentlichen Perchten, welche den Tanz aufführen, bestehen in enganliegenden, buntfarbigen, meistens aus rotscheckigem Stoffe bestehenden kurzen Hosen, die mit Goldtressen oder Borten geschmückt sind, weißen Strümpfen, welche wieder mit roten, grünen und blauen Seidenbändern verziert sind, und leichten Schuhen. Der kurze Rock, Spenser, ist ebenfalls enganliegend, von rotgeblumtem Stoff mit aufgenähten Goldborten. Die Hauptzierde dieser Perchten ist die Kopfbedeckung, ein rundes Strohhütchen, hierzulande unter dem Namen „Geinzl“ bekannt, das mit Seidenzeug überzogen ist; darauf sind weiße, lange Hahnenfedern, rechts und links sichelförmig aufgesteckt; vom Hute herab hängen rundherum über Gesicht und Nacken ellenlange, breite Seidenbänder von bunten Farben, die das Gesicht statt der Maske verdecken.
Um die Mitte haben sie einen Ledergürtel, woran am Rücken eine Metallglocke hängt, oft 4 bis 6 kg schwer, hier „Zinngießer“ genannt, die auf dem Wege geläutet wird, so daß oft 6 bis 10 solche Glocken zusammenschallen und schon von weitem, oft auch mehr als eine halbe Stunde, gehört werden. Diese Glocken werden während des Tanzes abgenommen und müssen schweigen. Kommen nun die Perchten zu einem Hause, wo sie schon früher eingeladen und angemeldet worden, so hüpfen zuerst die schiechen Perchten hinein, kehren aus und treiben verschiedene Possen, bis alles ruhig wird. Ist der Tanzplatz geräumt, so springt die Vorpercht, der Anführer, meist der Beste unter ihnen, hinein, macht einige hohe Luftsprünge, trestert den ganzen Platz vorwärts und rückwärts, worauf sie den andern Perchten ein Zeichen gibt, die nun alle hineinspringen und den Tanz, das Trestern, beginnen. Dieses Trestern geht ganz nach dem Takt und auf das Tempo der Vorpercht. Sie drehen sich alle auf einen Schlag um, knien dann wieder mitten unter dem Trestern auf ein Knie und hüpfen dann hoch auf. Besonders gut nimmt sich dabei das Schuhplattln aus.
Ist dieser Trestertanz vorüber, so macht die Vorpercht einen kleinen Juchezer und dann bläst ein Klarinettist einige Tänze im Dreivierteltakt im langsamen Tempo [...], wozu nun die Perchten trestern, Schuhplattln und ihren Tanz vollenden. Hernach führt sie der Hauswirt in ein Zimmer, wo er sie mit Bier, Branntwein und wohl auch öfters mit einem Essen bewirtet. Die Zeit, in welcher die Perchten laufen, ist von heiligen drei König an bis Faschingdienstag. Die Musikinstrumente, mit welchen zum Tanz der Tresterer gespielt wird, sind in der Regel zwei Klarinette, eine Geige und das Hackbrett. Das Klarinett, „die größere Auflage der angestammten, baiwarischen Schwegel, ist die Herrscherin auf dem Tanzboden“, es übernimmt mit der Geige die Führung des Reigens, während das Hackbrett, das mit zwei hölzernen mit Tuch überzogenen Schlägeln beidhändig geschlagen wird, durch seinen rauschenden Ton den Takt markiert.
Eine weitere Eigentümlichkeit, die nicht unerwähnt bleiben soll, ist, daß jeder der schönen Perchten stets ein weißes Tüchlein in der Hand hält. Sehr oft erscheinen aber auch in den Häusern die sogenannten „Brotperchten“; es sind dies Burschen, welche ohne jede Kostümierung den Tresterertanz aufführen und dafür mit einem Scherz Klotzenbrot und einem Stamperl „Hollern“ oder „Vogelbeerern“ belohnt werden. Der Tanz der Pinzgauer Perchten hat sich bis auf unsere Tage fast unverändert erhalten. So beschreibt ihn uns Kürsinger in seinem im Jahre 1841 erschienenen Buche über das „Ober-Pinzgau“ in folgender Weise:
„Junge, rüstige Bursche, 8 bis 10 an der Zahl, bilden eine Gesellschaft, von denen zwei alte, häßliche Gestalten, mit alten Besen bewaffnet vorstellen, es sind die Perchten. Ihnen folgen der Hanswurst, Landstreicher und anderes Gesindel. Dann kommen die Tänzer mit festanliegenden und mit grellfärbigen Bändern rundum gezierten Kleidern, auf dem Haupte eine Krone von hochfliegenden Hahnenfedern, von welchen unzählige, lichtfarbige Bänder über Schulter und Rücken herabflattern. Das Gesicht mit einer Larve verhüllt, haben sie am Ende des Rückens eine Alpenglocke oft bis zu einem Viertelzentner Schwere angehängt. Ihr Erscheinen deuten sie mit schnell und im besten Takt vollführten Fußschlägen an, sie bilden einen Kreis, in dem sie die herrlichsten Sprünge mit unglaublicher Genauigkeit und Schnellkraft vollführen, wobei ihnen die Schläge der Füße auf dem hölzernen Boden den sicheren Takt geben. Abwechselnd im Tanze lassen sie ihre Glocken plötzlich ertönen, die sie im Nu wieder schweigen machen, zum Schluß begleitet den Tanz eine Geige oder Klarinette, die dadurch den künstlichen Dreischlag und die Behendigkeit ihrer Füße die bewegliche Gruppe freundlich erhöht.“
Eine recht hübsche Schilderung entwirft auch Spaur in seinem Buche „Reise durch Oberdeutschland – Salzburg 1800“, indem er erzählt: „Zum Perchtenlaufen gehört eine Gesellschaft von 20 oder 30 vermummten Burschen. Einige waren als Teufel, andere mit Kuhgesichtern und wieder andere als Narren mit ziemlich kostspieligem Prunke maskiert. Alle hatten Kuhglocken und Bergstöcke, mehrere außerordentlich lange wie Böller knallende Peitschen. Die Lichter müssen dann in den Häusern ausgelöscht werden, um die Fenster ganz zu erhalten und niemand darf sich vor ihnen auf dem Wege blicken lassen, der nicht unangenehmen Begegnungen sich aussetzen will. Sie tanzen, singen und springen vor den Häusern, man läßt sie ungestört umherziehen, wenn sie die Grenzen der Ordnung nicht allzu auffallend überschreiten. Auch würden sie schwerlich von irgend einer Gerichtsperson eingeholt und verhaftet werden können, denn mittels ihrer Stöcke springen sie über Gräben und Zäune und ihre Vermummungen machen sie unkenntlich. Manche der vermummten Bursche benutzen ihren langen Stock zu allerlei Sprüngen, einer der Bursche berührte mit seinen Fußsohlen die Decke des Zimmers.“
Welche Leistungen einzelne Tresterer aufzuweisen hatten, dafür ist nachstehende, überlieferte Mitteilung bezeichnend. Am Gewölbe des Vorhauses beim Wastlbauer in Piesendorf sah man noch bis Ende der Sechzigerjahre zwei Fußspuren gemalt zum Denkzeichen an die Kunstfertigkeit des weitbekannten Perchtentresterers Wastlsimmer, eines Sohnes vom Hause. Dieser war sonst ein stiller Mensch und machte außer Springen und Hüpfen, worin es ihm aber keiner nachtat, mit der jungen Burschenschaft nichts mit. Er starb angeblich im Jahre 1858.
Besonders kennzeichnend für alle Formen des Perchtentanzes war die Verwendung der Larve, die aber in unserer Zeit mehr zu verschwinden beginnt. Es sind dies Masken aus Holz, gewöhnlich aus Linden-, oft auch aus Zirbenholz geschnitzt, wobei sich die Phantasie des bäuerlichen Künstlers bemüht, das Häßlichste und Grauenerregendste zu erfinden. Die volkskundliche Abteilung des Museums besitzt zurzeit mehr als 40 Stück solcher Masken; sie stammen größtenteils aus Rauris, zum Teil wurden sie im Ober-Pinzgau und in Gastein erworben.
In erster Linie ist es die Teufelsmaske, welche in allen möglichen Variationen vorkommt. Mächtige Bockhörner, fletschende Zähne, sehr häufig eine lang herausgestreckte Zunge sind ihr unentbehrlich. Daran reihen sich groteske Tiermasken, zum Beispiel ein Tierkopf mit langer Schnauze aus Holz geschnitten, der Unterkiefer ist beweglich zum Zusammenklappen; in denselben ist das natürliche Gebiß eines Hundes eingesetzt, während vom Kopf nach rückwärts ein Fuchsfell, mit Stücken vom Hirschfell ausgeflickt, hinabhängt.
Die eigentlichen Tiermasken verraten in der Schnitzerei eine geschickte Hand, wenn sie auch noch so primitiv in der Ausführung sind; wir finden darunter den Kopf des Pferdes, der Kuh und des Kalbes, des Schweines, des Hirsches und des Hahnes. Ganz eigentümlich sind die Doppelmasken mit zwei Gesichtern, das eine nach vorne, das andere nach rückwärts gerichtet. Der Träger derselben muß in diese hineinschlüpfen und bei längerer Dauer mag die Situation für ihn gerade nicht die angenehmste sein.
Die Männermasken sind voll Falten, Runzeln und Warzen und manche altrömischen Schauspielermasken nicht unähnlich. Die Bemerkung Dr. Heins in der „Zeitschrift für Volkskunde“, Berlin, ist sehr treffend, wenn er schreibt: „Die große Ähnlichkeit dieser Masken in Form und Auffassung mit den Tanz-, Beschwörungs- und Teufelslarven verschiedener Völker verleiht ihnen nicht bloß eine österreichische oder mitteleuropäische, volkskundliche Bedeutung, sondern stellt sie in eine Linie mit jenen Erzeugnissen, in welcher sich allerorts der Menschengeist in gleicher Weise offenbart; sie bilden daher ein unentbehrliches Glied in der Gesamtheit der Gesichtsvermummungen, wie sie bei allen Völkern des Erdballs geübt werden.“
Unbekannt sind übrigens die Perchten auch im Lungau nicht. In den Lungauer Sagen wird die Percht als altes, häßliches Weib geschildert, das mit großem Gefolge in der Nacht vor heiligen drei Könige herumzieht. Sie hat es hauptsächlich auf die kleinen Kinder abgesehen, und findet sie Haus und Hof in Unordnung, so meldet sie sich mit furchterregendem Lärm an. Man hört ein Schnarchen, ähnlich dem Grunzen eines Schweines, dabei glaubt man, die Percht habe einen Saurüssel und sehr lange Haare. An den Perchtenglauben knüpft sich nun folgender Brauch, den uns Dengg in seinen „Lungauer Sagen“ erzählt.
Er schreibt: „Am Heiligendreikönigabend verkleidet sich nicht selten eines von den Hausleuten als Perchtl und zieht als solche von Haus zu Haus, um die Kinder zu schrecken, damit sie wieder folgsamer werden. Die als Perchtl verkleidete Person trägt einen groben Kittl und hat das Gesicht mit Kohle geschwärzt. Mit einer Mistgabel oder einem Besen sowie mit klirrenden Ketten und einem Rucksack beladen, zieht sie umher. Rückwärts ist ein Roßschweif, der durch ein Schnürchen bewegt wird, befestigt. Zuweilen schaut die Perchtl auch zum Fenster hinein, besonders wenn sie drinnen in der Stube die Kinder wahrnimmt, und klopft an dasselbe. Die Mutter sagt dann: ‚Jetzt ist die Perchtl draußen! Wenn ihr zuwider seid und nicht folgt, laß ich sie herein und ihr müßt dann mitgehen!‘“
Daß das Perchtlaufen nicht allein auf das Gebirge beschränkt blieb, davon geben Zeugnis die auch außerhalb des Luegs sich vorfindlichen Steinkreuze, worunter freilich nach der Mitteilung der Leute ein Glöckler begraben liege. Die beiden Gestalten Percht und Anglöckler sind nicht immer zu trennen; nur die Pinzgauer Perchten mit ihren Tänzern, den Tresterern, sondern sich scharf ab. Quitzmann in seinem Buche „Religion der Baiwaren“ schreibt: „In anderen Orten ging diese Festlichkeit auf die Faschingszeit über, wie namentlich das Perchtenspiel in Linz an der Donau, bei welchem schöne und wilde Perchten auftraten, so daß hiedurch der Übergang zu dem beliebten Schemen- und Huttlerlaufen gegeben ist.“
Dieser letztere Brauch wurde auch in der Umgebung Salzburgs häufig geübt. Eine kulturhistorische Darstellung in der „Salzburger Zeitung“ vom Jahre 1861 erzählt davon: „Am unsinnigen Donnerstag (das ist der Donnerstag vor dem Faschingsonntag) ist es an manchen Orten Salzburgs Sitte, in Fastnacht Schemen zu laufen. Burschen ziehen sich über dunkle Beinkleider Hemden an, schwärzen sich das Gesicht mit Ruß und vermummen es mit einem schwarzen Tuch oder durch Larven. Von einem Riemen, den sie um die Mitte des Leibes tragen, hängt ein Zaungeläute oder eine Kuhschelle hinab, die bei jeder Bewegung anschlägt und Lärm macht. In einer Hand führen die Schemen einen Besen, mit der andern tragen sie Säcke, die mit Kohlenstaub gefüllt sind; diese schlagen sie den Begegnenden ins Gesicht, damit sie schwarz werden.“ Als Schauplatz dieser Vorgänge wird Wals genannt.
Derselben Quelle entstammt auch eine Schilderung des Perchtenlaufens, wie es seinerzeit in Liefering ausgeübt wurde. Es heißt dort: „Man unterscheidet schöne und schiache Perchten. Erstere sind schön gekleidet, mit Bändern und ähnlichem geschmückt, letztere ziehen sich so häßlich als möglich an und behängen sich mit Ketten und Schellen. Alle Perchten tragen Stöcke, die der schönen sind mit bunten Bändern geziert, die der häßlichen endigen oben in einen Teufelskopf. So ausgestattet springen und laufen die Perchten über die Gassen und kommen auch in die Häuser. Unter den schiachen Perchten tragen einige Teufelshörner auf dem Kopf, sprühen Feuer aus dem Mund und einer wischt den Leuten Asche und Ruß ins Gesicht. Die schönen Perchten teilen manchmal Geschenke aus: gedörrte Birnen, Zwetschken, Äpfel, Nüsse u. dgl.“ Jedenfalls wird man gut tun, das Bestehen dieser Sitte um mehr als 80 Jahre zurückzuverlegen.