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In den 1970er- und 1980er-Jahren entstanden Kulturvereine, die aufgrund persönlicher Bedürfnisse der Initiatoren und dem Verständnis für kultur- und sozialpolitische Entwicklungen in der Gemeinde oder Region von deren Initiatoren gegründet wurden. Diese Kulturinitiativen wurden und werden auch heute noch ausschließlich über die handelnden Personen definiert, da auf dem Land die in der Stadt üblichen Strukturen (Infrastruktur, Veranstaltungsräumlichkeiten usw.) fehlen.
Die Kulturarbeit setzt sich gegenwärtig aus der Suche nach neuen Inhalten, dem Aufbrechen von vorgefassten Sicht- und Denkweisen sowie aus der Förderung von zeitgenössischer Kunst und Künstlerinnen/Künstlern zusammen. Die sich ständig verändernden Parameter in Gesellschaft und Kunstschaffen stellten den Kulturkreis „Das Zentrum“ Radstadt (gegründet 1981) vor die Herausforderung, sein bisher gewohntes Veranstaltungskonzept neu zu definieren.
Die Errichtung eines Kulturzentrums „Zeughaus am Turm“ (1998) ermöglichte ein neues Konzept und innovative Projekte. Als Ziele sah man das Nützen und Bewusstmachen der mittelalterlichen Stadtanlage, das Einbinden der Bevölkerung in interaktive Prozesse (Kunstzeichen Radstadt 1998 – „Parrochia Rastat“), Kunst an ungewohnten Orten zu präsentieren (Kunstzeichen 2000 – „Wohnzimmer Stadtplatz“) und aktuelle Themen wie Architektur und Lebensqualität („Alpines Architektur Labor 2001“) zur Diskussion zu stellen.
Mit der 1996 initiierten Veranstaltung „Kunstzeichen Radstadt 1996“ wurde erstmals ein Schwerpunkt auf Kunst im öffentlichen Raum und auf die architektonische Besonderheit der historischen Stadt gesetzt. Traditionelles Kulturgut sollte mit den Aspekten der zeitgenössischen Kunst verknüpft werden.
Das Konzept „Kunstzeichen 1998“ entwickelte sich in intensiver Auseinandersetzung mit der Geschichte Radstadts. Der historische Bezug stützte sich auf die Belagerung der Bauern vor Radstadt 1526/27. Der Stadtteich, die Gärten entlang der nördlichen Stadtmauer und die Schießstatt mit der mächtigen Stadtmauer wurden zur Bühne. Die Zusage der einheimischen Vereine, am Open-Air-Theater mitzuwirken, war ein wichtiger Aspekt des Gesamtkonzeptes. Die Aufführung „Parrochia Rastat“ „...von lerchenem Holz und silbernem Linnen“ fand am 22. August 1998 statt. 3.500 Besucherinnen und Besucher erlebten die 16 Szenen wie einen Spaziergang – sie erwanderten sich das Open-Air-Theater Bild für Bild, vom Stadtteich bis zum Kirchturm.
Der Kulturkreis „Das Zentrum“ Radstadt präsentierte im Juli 2002 eine alternative Gestaltung des Stadtplatzes – aus dem „Parkplatz Stadtplatz“ wurde das „Wohnzimmer Stadtplatz“. Das Wohnzimmer ist ein zentraler Ort der Kommunikation und Gemütlichkeit in Haus und Wohnung, das sollte nun auch der Stadtplatz für Radstadt sein. Die Radstädter Bevölkerung wurde eingeladen, Fotos ihrer privaten Wohnzimmer an den Kulturverein zu schicken, was die Grundlage für die Folder- und Plakatgestaltung darstellte.
„Parkplatz-Stadtplatz“ versus „Wohnzimmer Stadtplatz“ war ein Versuch, unter den Bewohnern Radstadts eine öffentliche Diskussion über die Zukunft des Stadtplatzes anzuregen. Bewohner wie Gäste wurden durch die täglichen Kunst- und Kulturaktionen im öffentlichen Raum zur Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Kunstformen aufgefordert. Die täglich sich im Eigenheim wiederholenden Fernsehtalkshows verwandelten sich im „Wohnzimmer Stadtplatz“ zum „Talk in town“. Besucher des Stadtplatzes gerieten dadurch in eine Interaktion. Themen wie: „Wie lebt es sich im Cyber-Wohnzimmer?“, „Wohnen mit Tradition!“ oder „Wohnzimmer der Welten!“ wurden von Talkmaster Markus Pausch und seinen Gästen diskutiert. Ebenso fand täglich ein spontaner Kulturevent statt. Die Besucher kannten die konkreten programmatischen Inhalte nicht und so wurde ihre Entscheidungsfreude und Spontanität herausgefordert. Als Abschluss des Tages wurde regelmäßig im „hpt-wohnzimmer“, Stadtplatz 8, ein Film vorgeführt.
Margarete Schütte-Lihotzky(1897–2000), erste Frau Österreichs, die Architektur studierte, plante und realisierte in den 1950er-Jahren für ihre Schwester ein Privathaus in Radstadt. Im Jahr 2000 wurde das Haus unter Denkmalschutz gestellt. Zu ihrem 100. Geburtstag im Jahr 1997 wurde die Architektin von der Stadtgemeinde mit einer Platzbenennung geehrt. Zu einer engagierten Architektur-Diskussion in der Region gab der Kulturkreis „Das Zentrum“ Radstadt 2001 den Anstoß.
Das sogenannte „Alpine Architektur Labor“ wurde 2001 erstmals eingerichtet, um die Schnittstellen von Tradition und Innovation zu thematisieren und zeitgemäße Architektur zu fördern. Es wurden junge Architekten und Designer zu einer offenen Diskussion eingeladen. Im Vorfeld zum Symposium wurden Studien und Konzepte in Bezug auf die Region Enns-Pongau erstellt. Im Rahmen von fünf Tagen wurden die Ergebnisse präsentiert und mit den Diskussionsteilnehmern diskutiert. Anliegen der Veranstaltung war die Anregung zur Auseinandersetzung mit Architektur als Ausdruck von Lebensqualität und Lebensgefühl; angestrebt wurde das sinnliche Erfahren von Räumen unter Einbindung unterschiedlicher Kunstformen.