Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich im Bereich der literarischen Veranstaltungen in Stadt und Land Salzburg eine Struktur herausgebildet, die man als „literarischen Jahreskreis“ bezeichnen könnte. Dieser Befund ist umso bemerkenswerter, als diese Struktur nicht von einer übergeordneten (z. B. bürokratischen) Instanz „verordnet“ wurde, sondern sich durch die Aktivitäten ganz unterschiedlicher Institutionen und Gruppen von der Basis her herausgebildet hat. Dabei ist aber festzuhalten, dass Änderungen und Verschiebungen jeweils möglich waren und sind und dass der eine oder andere Programmpunkt dieses „literarischen Jahreskreises“ kurzfristig ausfallen oder überhaupt verschwinden kann.
Ein Fixdatum im Literaturkalender Salzburgs ist die Verleihung des „Georg-Trakl-Preises für Lyrik“ im 5- und 10-Jahresrhythmus. Ende März/Anfang April finden sich alljährlich zahlreiche Autorinnen und Autoren, Verleger/innen, Journalistinnen und Journalisten, Buchhändler/innen, Studierende und Literaturliebhaber/innen im Pinzgauer Markt Rauris zu den „Rauriser Literaturtagen“ ein. Der April ist aufgrund des „Andersentages“ und des „Welttages des Buches“ der Auftakt zum Bücherfrühling! Auch in Stadt und Land Salzburg finden jedes Jahr viele Aktionen rund um diese beiden Termine statt. Im Juni laden Bücherschränke in Parks oder auf Wiesen zum Schmökern und „freien Lesen“ ein. Die „Henndorfer Einkehr“ – die größte und älteste Veranstaltung für Mundartliteratur im Bundesland Salzburg – findet alle drei Jahre im Oktober statt. Die „Salzburger Buchwoche“ zeigt jeweils im Spätherbst in der Stadt Salzburg, in Hallein, in St. Johann im Pongau und in Tamsweg einen Überblick über die Produktion der österreichischen Verlage. Mit der Vertonung des Liedtextes von Joseph Mohr „Stille Nacht“ schließt sich der „literarische Jahreskreis“.
Ein Fixdatum im Literaturkalender Salzburgs ist die Verleihung des „Georg-Trakl-Preises für Lyrik“, mit dem seit 1952 Dichter/innen aus Österreich und dem übrigen deutschen Sprachraum ausgezeichnet werden. Der „Georg-Trakl-Preis“ wird nicht jedes Jahr vergeben, die Vergabe orientiert sich an Trakls Geburtsjahr 1887 und an seinem Sterbejahr 1914. Jeweils runde Geburtstage (5- und 10-Jahresrhythmus), die sich auf diese beiden Eckdaten beziehen, sind der Anlass für eine Preisverleihung.[228] Der Trakl-Preis ist der älteste Salzburger Literaturpreis, er wird auf Vorschlag einer unabhängigen Jury für ein lyrisches Gesamtwerk vergeben (keine Einreichung). Junge Autorinnen und Autoren aus Salzburg können hingegen für den „Trakl-Förderungspreis“ einreichen. Die Preisverleihung erfolgt meist im Umkreis von Trakls Geburtstag (3. Februar). Der Trakl-Preis gehört zu den international bekanntesten und angesehensten Literaturpreisen Österreichs.
Ende März/Anfang April finden sich alljährlich zahlreiche Autorinnen und Autoren, Verleger/innen, Journalistinnen und Journalisten, Buchhändler/innen, Studierende und Literaturliebhaber/innen im Pinzgauer Markt Rauris zu den „Rauriser Literaturtagen“ ein. Der Salzburger Schriftsteller und Journalist Erwin Gimmelsberger hatte 1970 gemeinsam mit seinem Schriftstellerkollegen Dr. Rudolf Bayr und initiativen Rauriser Personen die Idee, durch „Literaturtage“ die moderne Literatur in den ländlichen Raum zu bringen und – als Art Nebenprodukt – die Bekanntheit von Rauris zu fördern. Die ersten Literaturtage fanden 1971 statt, seit 1990 leitet die Salzburger Journalistin und Schriftstellerin Dr. Brita Steinwendtner die inzwischen im ganzen deutschen Sprachraum bekannte Literaturveranstaltung.[229]
Während der Literaturtage werden zwei wichtige Preise verliehen, der „Rauriser Literaturpreis“ für die beste Prosa-Erstlingsveröffentlichung des jeweils vergangenen Jahres und der „Rauriser Förderungspreis“, der ausschließlich für Salzburger Autorinnen und Autoren reserviert ist. Zwei unabhängige Jurys wählen die Preisträger/innen aus, die in Rauris dann aus ihren Werken lesen und sich den Diskussionen mit Publikum, Studierenden und Literaturfachleuten stellen.
Seit einer Reihe von Jahren erarbeiten alljährlich Rauriser Schulklassen zu den „Rauriser Literaturtagen“ unterschiedliche Programme, die sie dem Publikum in Form von Ausstellungen oder öffentlichen Theateraufführungen vorstellen. Diese Aktivitäten, die die Bevölkerung mit sehr großer Resonanz aufnimmt, sind ein weiterer Faktor für die Beschäftigung mit zeitgenössischer Literatur im ländlichen Raum. Ohne das große Engagement der Marktgemeinde Rauris und der ganzen Bevölkerung hätten die „Rauriser Literaturtage“ und die beiden Rauriser Literaturpreise nicht jenen hohen Stellenwert innerhalb der österreichischen Literaturveranstaltungen erreichen können, der ihnen heute verdientermaßen zukommt.
Eine Besonderheit der „Rauriser Literaturtage“ sind die „Stör-Lesungen“. Rauriser Familien laden aus der Runde der anwesenden Autorinnen und Autoren eine oder einen zu sich ins Haus ein. Gemeinsam mit der jeweiligen Familie bilden dann Nachbarn, Freunde und Verwandte eine gesellige Runde, in deren Mittelpunkt der Gast und sein/ihr Werk steht. Diese „Stör-Lesungen“ haben einen familiären Charakter und tragen dazu bei, dass Menschen aus dem ländlichen Raum, die sonst der zeitgenössischen Literatur eher fernstehen, einen „Dichter zum Anfassen“ erleben können. Der Begriff „Stör-Lesung“ leitet sich von der „Stör“ ab. Stör bedeutet, dass Handwerker aus dem Ort oder auch herumziehende Handwerker für kürzere Zeit auf den oft entlegenen Bauernhöfen Station machten und im Auftrag der Familie handwerkliche Arbeiten verrichteten (z. B. Schneider- und Schusterarbeiten).
Seit 1981 wird der Andersentag (2. April) in vielen Ländern als Kinder- und Jugendbuchtag gefeiert. Benannt ist der Tag nach dem dänischen Dichter Hans Christian Andersen (2. April 1805 bis 4. August 1875), der vor allem mit seinen Märchen (u. a. „Die Prinzessin auf der Erbse“, „Däumelinchen“ oder „Das hässliche junge Entlein“) Weltruhm erlangte. In zahlreichen Schulen, Büchereien und Buchhandlungen im ganzen Bundesland Salzburg wird der Andersentag zum Anlass genommen, auf vielfältigste Art Spaß und Freude am Lesen zu vermitteln. Lustige Lesewettbewerbe mit schönen Buchgewinnen, dramatisierte Erzählungen, kleine Theaterstücke und szenische Darbietungen von Märchen, aber auch Schreibwerkstätten für Kinder und Jugendliche in der Schule dienen dazu, die Freude der Kinder und Jugendlichen am Lesen und an der Literatur zu fördern.
Im November 1995 erklärte die UNESCO den 23. April zum „Welttag des Buches“. Der Grund für dieses Datum liegt darin, dass am 23. April 1616 William Shakespeare und Miguel Cervantes verstarben. Zum Welttag des Buches werden oft kleine Geschenkbücher verteilt. Auch in den Salzburger Buchhandlungen, Bibliotheken und Büchereien erhalten die Leserinnen und Leser Geschenkbücher angeboten, z. B. Anthologien mit Texten österreichischer Autoren und Autorinnen. Über Aktionen in Bayern und in Deutschland informiert der Verband Bayerischer Verlage und Buchhandlungen.
Eine sehr viel versprechende und interessante Literaturveranstaltung im Lungau und in der Stadt Salzburg ist das von Manuela Gappmayer und Katharina Ferner Mitte der 1990er-Jahre gegründete „Freie Lesen“, das jeweils im Juni stattfindet. Bücherschränke, angefüllt mit rund 2.000 Büchern, stehen auf Rasenflächen von Parks oder auf Wiesen, bequeme Stühle, Sonnenschirme und Sonnenbrillen laden zum Schmökern und „freien Lesen“ ein. „Inseln“ der Konzentration und der Entspannung bei der Lektüre bildete „Freies Lesen“ unter anderem im Park von Schloss Kuenburg in Tamsweg und im Park des Gehörlosenzentrums Salzburg. Gleichzeitig aber sprach und spricht „Freies Lesen“ besonders die Schulkinder an, Literaturfeste mit Literaturzelt, Lesungen, Musik und Quiz fanden in Taxham und Lehen ein zahlreiches und begeistertes jugendliches Publikum. Der von „Freies Lesen“ einige Male vergebene gleichnamige Literaturpreis konnte leider keine regelmäßige Fortsetzung finden.
Diese „Aktion“ für die Literatur wird durch Lesungen, Diskussionen, Workshops, Filmvorführungen und Schreibwerkstätten etc. ergänzt und angereichert. Lag zu Beginn der Schwerpunkt auf dem Lungau (Tamsweg, Mauterndorf) und der Stadt Salzburg, so ist „Freies Lesen“ seit 1999 in Radstadt zuhause.
Die „Henndorfer Einkehr“ ist die größte und älteste Veranstaltung für Mundartliteratur im Bundesland Salzburg, sie wurde 1973 gegründet und findet alle drei Jahre im Oktober statt. Die Henndorfer Einkehr ist eine zwei- bis dreitägige Zusammenkunft der Salzburger Mundartautoren, wobei Gäste und Autoren aus den Nachbarregionen immer sehr willkommen sind. Organisiert wird die Henndorfer Einkehr vom örtlichen Bildungswerk in Henndorf und vom Salzburger Bildungswerk. Federführend ist dabei der „Arbeitskreis Regionale Sprache und Literatur“ im Salzburger Bildungswerk.
Eine Besonderheit der Henndorfer Einkehr ist die „Akademische Einkehr“ – meist ein Halbtag mit Vorträgen, Diskussionen und Workshops, gehalten von Universitätslehrenden und Fachleuten zu Fragen der Mundart und der Mundartliteratur. Selbstverständlich kommen auch die Autorinnen und Autoren ausgiebig zu Wort, sei es in öffentlichen Lesungen und Veranstaltungen oder aber bei den „Stör-Lesungen“ im Kreise Henndorfer Familien. Die „Stör-Lesungen“ der Henndorfer Einkehr laufen ähnlich ab wie jene der „Rauriser Literaturtage“.
Fest in den „literarischen Jahreskreis“ ist die „Salzburger Buchwoche“ integriert, die im Rahmen der „Österreichischen Buchwochen“ (seit 1947) stattfindet. Seit vielen Jahren hat sie ihr Domizil im WiFi-Gebäude der Wirtschaftskammer Salzburg. Die „Salzburger Buchwoche“ zeigt jeweils im Spätherbst in der Stadt Salzburg, in Hallein, in St. Johann im Pongau und in Tamsweg einen Überblick über die Produktion der österreichischen Verlage.
Die Buchwoche ist eine „Leistungsschau“, jedoch keine Verkaufsausstellung. Als Aussteller kommen österreichische Verlage aller Art in Frage, also auch technische, juristische, medizinische oder sonstige Fachverlage, die schöngeistige Literatur (Belletristik) ist dabei nur ein Gebiet unter vielen. Mit Lesungen von Autorinnen und Autoren, Autorengesprächen, Diskussionen und speziellen Kinderprogrammen wirbt die Buchwoche aber auch um den Leser von Literatur.
Am Heiligen Abend verdichten sich im Salzburger Land die zahlreichen Andachten und Feiern, die sich auf das weltberühmte Weihnachtslied „Stille Nacht, heilige Nacht“ beziehen. Außer in den Salzburger „Stille-Nacht-Gemeinden“ finden derartige Einstimmungen auf den Heiligen Abend auch im benachbarten Bayern statt. Mit unserem „literarischen Jahreskreis“ hat „Stille Nacht“ insofern zu tun, als der Liedtext von Joseph Mohr ein Stück Weltliteratur aus Salzburger literarhistorischen Wurzeln ist.
Am 24. Dezember findet um 16.00 Uhr in Arnsdorf eine Andacht statt und anschließend der „Gruber-Mohr-Gedenkgang“ von Arnsdorf nach Oberndorf. Um 17.00 Uhr beginnt dann die Gedächtnisfeier am Stille-Nacht-Platz in Oberndorf, bei der alljährlich einige tausend Besucher das berühmte Weihnachtslied in ihren Muttersprachen singen. In der Pfarrkirche Wagrain wird jeweils am Stephanitag um 17.00 Uhr das jährliche „Joseph-Mohr-Gedächtnissingen“ aufgeführt.