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8.11. Musik und Wallfahrt im Erzbistum Salzburg[1548] (Ernst Hintermaier) - Langtext

Dass bei Wallfahrten, Kreuzgängen und Prozessionen der Musik ebenso große Bedeutung wie der bildenden und darstellenden Kunst beigemessen wurde, geht aus zahlreichen Hinweisen eindrucksvoll hervor.[1549] So zählt das St.-Jakobs-Offzium für den berühmten Wallfahrtsort Santiago de Compostela mit seinen 22 mehrstimmigen Stücken aus dem Codex Calixtinus, dessen Entstehung zwischen 1140 und 1200 anzusetzen ist, überhaupt zu den frühesten Belegen notierter mehrstimmiger Musik. Andererseits war für die Entwicklung des landessprachlichen katholischen Kirchengesanges das Wallfahrtswesen des Mittelalters von nicht geringerer Bedeutung. Nach vorhandenen Quellen und Zeugnissen fand das deutsche Kirchenlied in besonderer Weise bei Bittgängen und Pilgerfahrten Verwendung. Seit 1470 erschienen geistliche landessprachliche Lieder in rasch steigender Zahl in den verschiedensten Veröffentlichungen, so auch in Wallfahrts- und Bruderschaftsschriften, oft auf Einblattdrucken und Liedblättern. Bereits das erste katholische Gesangbuch (mit Noten), 1537 in Leipzig erschienen, bringt Prozessionslieder zum Fronleichnamsfest sowie für „Marci und in der Creutzwochen”.[1550]

Besonders im Zuge der Gegenreformation, die sich mit dem Tridentinischen Konzil in deutschsprachigen Ländern in vollem Umfang durchzusetzen begann, tauchten zahlreiche mehr oder weniger umfangreiche gedruckte Sammlungen deutscher Kirchenlieder auf, die bereits im Titel auf ihre Zweckbestimmung hinweisen. So veröffentlichte man 1577 im oberbayerischen Tegernsee eine Sammlung mit dem Titel „Schöne alte Catholische Gesang und Ruff, auff die fürnemste Fest des Jars, auch bey den Kirchfärten vnnd Creutzgängen nutzlich zu gebrauchen”.[1551] Publikationen mit ähnlichen Titeln finden sich in den folgenden Jahren immer wieder. Das Münchener Gesangbuch von 1586 dehnte den Verwendungszweck der Lieder auf „Processionen, Creutzgäng, Kirch und Wahlfarten” aus.[1552]

Im 17. Jahrhundert nahm die Zahl der gedruckten Kirchenliedersammlungen besonders in jenen Orten zu, in denen die Societas Jesu die Gegenreformation wirkungsvoll betrieb. Dass im Erzstift Salzburg bisher kaum vergleichbare Sammlungen geistlicher Lieder aufzufinden waren, mag seinen Grund darin haben, dass die in erster Linie vom benediktinischen Geist beeinflusste Seelsorge in Salzburg dem deutschen Kirchenlied eine nicht so große Kraft und Bedeutung beimaß wie von jesuitischer Seite. Für das Salzburger Erzbistum bezeugen zwar die Agenden von 1496, 1511, 1557 und 1575, dass man das deutsche Kirchenlied bei verschiedensten Gelegenheiten einsetzte, für seine verstärkte Verbreitung durch Drucke im Land selbst unternahm man jedoch nichts. Offensichtlich änderte sich auch in den Folgejahren daran wenig, denn auch aus dem 17. und 18. Jahrhundert sind bisher nur wenige Drucke von deutschen geistlichen Liedern bekannt geworden, obwohl man bereits zu dieser Zeit am Ort über erfahrene Drucker verfügt hätte.

Ein weiterer Grund dafür, warum in Salzburg das deutsche Kirchenlied wenig Anklang fand bzw. seine Verbreitung kein allzu großes Anliegen war, mag wahrscheinlich auch in der strikten Ablehnung des Luthertums gelegen sein, das bekanntlich mit der Entwicklung des deutschen Kirchenliedes unzertrennlich verbunden war. So beklagte man sich 1561, „daß im Salzburgischen auch beim liturgischen Gottesdienst deutsche Lieder gesungen wurden”.[1553] In der Agende von 1557 betonte man, „daß nur katholische Lieder und zwar vorher erprobte, keineswegs neue zugelassen werden dürften; verdächtige Lieder sollen eingezogen werden”.[1554]

Der „Libellus agendarum” von 1557 bringt wohl deshalb den kompletten Text von vier deutschen Kirchenliedern, die vor und nach der Predigt gesungen werden können. Die Zahl der Lieder („Cantiones devotae“) wurde schließlich im „Libri agendorum secundum antiquum usum Metropolitane Salisburgensis Ecclesiae ... pars secunda”, 1575 im Auftrag des Erzbischofs Johann Jakob von Kuen-Belasy herausgegeben, um einige weitere vermehrt. Auffallend ist dabei, dass nun auch mindestens zwei Lieder aufgenommen wurden, die einen sehr starken marianischen Bezug aufweisen.[1555] Es muss angenommen werden, dass derartige Kirchenlieder auch bei den früheren Marienwallfahrten im Erzbistum Verwendung fanden.

Dass sich in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts am Salzburger Hof eines der bedeutendsten Zentren geistlicher deutscher Liedkunst entwickelte, das unter Erzbischof Pilgrim in erster Linie durch den „Mönch von Salzburg” geprägt wurde, scheint unter dem Eindruck der späteren Entwicklung geradezu unglaubhaft zu sein. Unter den erhaltenen Liedern des Mönchs zählen zwanzig Marienlieder zum Auserlesensten früher geistlicher deutscher Dichtung.[1556]

Nur Kaspar Glanner, 1556 zum Salzburgischen Hoforganisten ernannt, nahm sich rund zweihundert Jahre später in bescheidenerem Maße des deutschen geistlichen Liedes noch einmal an. 1578 und 1580 erschienen bei Adam Berg in München zwei Teile „Neuer Teutscher Geistlicher und Weltlicher Liedlein, mit vier und fünff stimmen, welche nit allein lieblich zu singen, sondern auch auff allerley Instrumenten zu gebrauchen”.[1557] Glanner widmete sie nicht dem Erzbischof, sondern den Salzburger Bürgern Ludwig, Wilhelm und Christoph Alt und den Bürgern Abel und Jakob Wilpenhofer in Radstadt.

Knapp hundert Jahre später erschienen dann bei Johann Baptist Mayr die literaturgeschichtlich nicht unbedeutenden Marienlieder des Kapuzinerpaters Procopius vom Templin (1607–1680) im Rahmen von marianischen Sermones. P. Procopius, im brandenburgischen Templin geboren, konvertierte 1626 zum Katholizismus und trat 1627 in Raudnitz (Böhmen) in den Kapuzinerorden ein. Als bedeutender Prediger wirkte er in Passau, Znaim, Prag, Rom und immer wieder in Wien, wo er als unmittelbarer Vorbote von Abraham a Santa Clara in der Schottenkirche als Prediger Aufsehen erregte. In Salzburg hielt sich Procopius etwa zehn Jahre auf (ab 1666), um den Druck seiner umfangreichen Predigtsammlungen zu überwachen, deren Veröffentlichung Johann Baptist Mayr übernommen hatte. Unter diesen umfangreichen, vom hochbarocken Zeitgeist getragenen Predigtsammlungen ist der dritte Teil des „Mariale concionatorium, rhythmo-melodicum” von 1667 gerade für das Wallfahrtswesen von großer Bedeutung. Diese umfassende dreiteilige Sammlung bringt 170 „gelehrte, geistreiche ... Predigen, Von der immerdar höchstgebenedeyten allerseligsten Jungfräwlichen Mutter unsers Herrn und Gottes Maria, Königin Himmels und der Erden”.[1558] Der dritte Teil dieser Sammlung, das „Mariale Processionale & Indifferentiale”, bringt „hundert kurtze Sermonel, auff Auß- und Wieder-Einführung der Processionen ... alle an unser L. Frawn”. Eingestreut in alle drei Teile sind 94 Marienlieder, deren Melodien im „Rhythmo-Melodicum ... jedes mit seiner eigenen lieblichen Aria oder Melodey sampt Orgel Baß” enthalten sind. Das eigentliche „Mariale Processionale” führt sieben Marienlieder an, die mit großer Sicherheit auch bei Salzburger Wallfahrten Verwendung gefunden haben dürften, wenngleich sie auch in erster Linie für die Passauer Maria-Hilf-Wallfahrt bestimmt gewesen sein mögen.[1559] Der handschriftliche Besitzvermerk „Maria Plain” im Exemplar der Salzburger Universitätsbibliothek[1560] deutet darauf hin, dass man auch im wenige Jahre später gegründeten Salzburger Marienheiligtum die Predigten und Marienlieder Procopius' zu schätzen wusste.

In seinen deutschen Kirchenliedern steht Procopius stilistisch dem Münchener Johann Khuen nahe, der in seiner volkstümlichen, leicht dialektgetönten Lieddichtung im Gegensatz zu Friedrich von Spee eine Gegenposition zu den Bestrebungen Opitz' Lieder zwar unter das divinum officium nicht einzumengen”, doch soll man sich „derselben zu Hauß / zu Feld / in Kirchen / bey Processionen / unnd dergleichen vielfältigen Begebenheiten bedienen”.[1561] Die Vertonung der in Passau erschienenen Maria-Hilf-Lieder, die mit denen in den späteren Predigtsammlungen überwiegend identisch sind, besorgte der dortige Hoforganist Georg Kopp. Weitere musikalische Mitarbeiter fand er im Kloster Formbach.[1562] Leider dürfte sich das im Titel des „Mariale” von 1667 (2. Auflage) angeführte „Rhythmo-Melodicum, bestehet in denen zu jederzeit accommodirten Gesängern jedes mit seiner eignen lieblichen Aria oder Melodey sampt Orgel Baß”, nicht erhalten haben.[1563]

Untersuchungen, ob Procopius' Lieder Eingang in die handschriftlich überlieferten Liederbücher Salzburger „Kirchensänger” bzw. deren „Vorgänger” gefunden haben, stehen noch aus. Gedruckte Sammlungen von deutschen Kirchenliedern sind in Salzburg auch in der Folgezeit nicht erschienen. Erst Erzbischof Colloredo brachte im Zusammenhang mit der Einführung des deutschen Kirchengesanges im Jahre 1782/83 ein eigenes Kirchengesangbuch heraus, wobei er sich jedoch auf ein bereits erprobtes – jenes von Landshut (1777) – stützen konnte.

Gewöhnlich wurde in solche umfangreichen Gesangbücher Liedgut für das ganze Kirchenjahr aufgenommen. Lieder, die für eine ganz bestimmte Wallfahrt vorgesehen waren, finden sich darin nicht. Die eigentlichen, für eine ganz bestimmte Gnadenstätte überlieferten Wallfahrtslieder haben sich hingegen in Flugblattliederdrucken oder im Zusammenhang mit Andachtsbildern erhalten. Wie Leopold Schmidt nachweisen konnte, kam dabei den erzählenden Legendenliedern eine große Bedeutung zu.[1564] In ihnen werden einerseits die Motive der Ursprungslegenden, andererseits die in den Mirakelbüchern eingetragenen frühen Mirakel an diesen Gnadenstätten verkündet. Die Liedtypen, alle vierstrophig, wurden durch verschiedene örtliche Traditionen geprägt. Wohl den größten Reichtum an erzählenden Legenden- und Mirakelliedern weist das Marienheiligtum zu Maria Zell auf.[1565]

Sehr frühe Beispiele finden wir im Leonhardslied von 1598 „Ein andächtiger Rüff, von dem Heyligen Beichtiger und Nothelfer S. Leonhardt” mit 53 Strophen („In Gottes Namen heben wir an, wir rieffen all S. Leonhart an”).[1566] Zu den ältesten Beispielen auf heute österreichischem Gebiet zählen die Lieder zu St. Wolfgang am Abersee: „Wer viel Wunder will schauen / Soll gen Sankt Wolfgang geen” (um 1525)[1567] und das ausführlichste St.-Wolfgang-Lied, der „Schöne Ruff” mit 76 Strophen (um 1600).[1568]

Eine andere Gruppe von Liedblattdrucken bringt Gesänge, die im mehr allgemeinen Charakter von Lobgesängen gehalten sind, jedoch auf eine ganz bestimmte Gnadenstätte Bezug nehmen. Meist gelangten zwei Gesänge (gewöhnlich ohne Melodie notiert oder nur mit dem Hinweis „Im Tone …” versehen) zum Abdruck: ein Ankunftslied und ein Abschiedslied der Wallfahrern.[1569] Für Gnadenstätten im Erzbistum Salzburg ließen sich bisher nur wenige solcher Legendenlieder und „Lobgesänge” nachweisen. Recherchen in einigen einschlägigen Sammlungen verliefen durchweg negativ bzw. brachten nur geringe Ergebnisse. Trotzdem konnte die Zahl der 1975 von Schmidt vorgelegten „Salzburger Flugblattlieder” um einige schöne Beispiele erweitert werden.[1570] Ein echtes, 51 Strophen langes Legendenlied in Vierzeilern (ohne Noten) hat sich von dem „Ursprung des gnadenreichen Mariabildes auf dem Anger in Velm bei Mittersill in Oberpinzgau” erhalten.[1571] Es dürfte 1869 entstanden sein und nahm offenbar auf einen Vorfall im 18. Jahrhundert Bezug: Ein Hirte aus dem Felbertal schnitzte in seinen Hirtenstab das Bild Mariens mit dem Kind. Bei einem Unwetter wurde der Knabe vom Hochwasser ins Tal getragen: an jener Stelle, wo man die Leiche und das unversehrte Schnitzwerk fand, errichtete man die Kapelle.[1572]

Es ist nun hundertzwanzig Jahr,
  Daß einst ein frommer Hirte war,
  Im einsam stillen Velberthal,
  Im Bembach noch genannt dermal.

In einem undatierten, vielleicht noch aus dem 17. Jahrhundert stammenden Liedblattdruck (ohne bildliche Darstellung und ohne Noten) hat sich ein zwölfstrophiger „Lobgesang” erhalten, „mit welchem / Das uralte Gnadenbild / Unser Lieben Frauen / Auf der Gmein / andächtigst zu begrüßen (ist)”.[1573] Großgmain zählte zu den ältesten Wallfahrtsstätten des Landes.[1574] Der volkstümlich gehaltene „Lobgesang” führt Nöte und Gebrechen des Menschen an, bei denen die „Mutter auf der Gmein” Hilfe bringt und gewährt. Ein Refrain, der in einigen Strophen etwas variiert wird, unterstreicht den volkstümlichen Gebetscharakter.

Die ihr seyd mit Kreuz beladen,
  Die ihr schwebet in Gefahr, Seht,
  hier ist ein Ort der Gnaden, Seht,
  hier ist der Schutz-Altar.
  Wann euch alle Welt verlassen,
  Da könnt ihr ein Hofnung fassen,
  Findet euch nur fleißig ein
  Bey der Mutter auf der Gmein.

Diese hilft in allen Nöthen
  Reicht ihr milde Gnaden-Hand,
  Bricht des Feindes Band und Ketten,
  Setzet in den Freyheits-Stand.
  Liebste Kinder kommt und eilet,
  Keine Zeit noch Stund verweilet,
  Findet euch nur fleißig ein
  Bey der Mutter auf der Gmein.

„Ein andächtiges Lobgesang zu unser Lieben Frauen S. Maria Major Gnadenreichen Bildnuß im Bergl auff der Gstötten allhier in Saltzburg” in acht Strophen hat offensichtlich einem bisher kaum beachteten Gnadenbild in der Stadt Salzburg gegolten, der „Sancta Maria Ripa Salutis”.[1575]

O Maria Hochgebohren
  Die du in der Bergls Clauß
  Hast wolln deinen Sitz erkohren
  Und darinnen halten Hauß;
  Wir thun dich demütig grüssen
  Laß uns deine Huld geniessen
  O Maria auff der Gstötten
  Flehentlich wir für dich tretten.

O Maria schön gezieret
  In dem Hertz gefasset ein
  Dir all Lob und Preyß gebühret
  Sambt deim lieben Jesulein;
  Euch auß lauter Liebs-Verlangen
  Thun auch unsre Hertz umbfangen
  O Maria auff der Gstötten
  Wollst all schnöde Lieb abtödten.

Im Kirchlein Unserer Lieben Frau im Bergl, in nächster Nähe zur alten wie auch neuen St.-Markus-Kirche, befand sich eine vom Volk vielverehrte Marienstatue nebst einem Kreuz. Die Kirche wurde durch den Felssturz von 1669 teilweise beschädigt; auf Befehl des Erzbischofs baute man sie jedoch 1679 in vergrößerter Anlage wieder auf. Die Aufhebung und Veräußerung der Kirche ordnete Erzbischof Hieronymus 1801 an.

Das gekleidete und geschnitzte Frauenbild sowie die komplette Einrichtung der Kirche wurde den Ursulinen übergeben. Einiges, so auch die Orgel um 100 f1., verkaufte man. Seit 1695 befand sich in der Kirche noch ein weiteres Marienbild, das offensichtlich ebenfalls große Verehrung fand und das vom hochfürstlichen Kammerdiener und Hoforganisten Reichhardt Andreas Kürschner[1576] samt einem Glückshafen[1577] und Opferstock, jedoch ohne Bewilligung, angebracht wurde. Sowohl der Hoforganist als auch der Verwalter erhielten dafür einen Verweis, das Bild selbst blieb aber am Ort mit der Auflage, vom eingehenden Opferstockgeld zwei Drittel an die Kapelle abzuführen und für ein Drittel Seelenmessen zu lesen. Außerdem wurde „die Bettung der Hl. Litaney und Singung eines geistlich-andechtigen Gesangs an Sambstägen” auch in Hinkunft gestattet.[1578]

Auf dieses Bild, das 1801 laut Inventar – eine „geschriebene große Tafel von Maria Major mit Glase und vergoldeter Rahmen” – ebenfalls in den Besitz der Ursulinen gelangte,[1579] bezog sich vorliegender Liederblattdruck samt Andachtsbild, der 1695 von J. B. Mayr gedruckt wurde. Dass Kürschner vielleicht sogar den Text selbst verfasste, liegt nahe, zumal er eine gewisse dichterische Begabung hatte, denn von ihm stammt auch das Widmungsgedicht zu J. B. Sambers „Manuductio” von 1704.

bezog sich vorliegender Liederblattdruck samt Andachtsbild, der 1695 von J. B. Mayr gedruckt wurde. Dass Kürschner vielleicht sogar den Text selbst verfasste, liegt nahe, zumal er eine gewisse dichterische Begabung hatte, denn von ihm stammt auch das Widmungsgedicht zu J. B. Sambers „Manuductio” von 1704.

Das sechsstrophige achtzeilige Neujahr-Lied von 1755[1580]:

„Ich wünsch grundhertzlich liebstes Kind!
  Ein recht fröhlich-gutes Jahr,
  Daß dich betrübe keine Sünd,
  Durch die Gnad es mache wahr,
  Was ich gethan, nit mehr gedenck,
  Bekenn mein Schuld mit Schmertzen,
  Die alte Schuld mir gnädig schenck,
  Es reuet mich von Hertzen.”

Das achtstrophige, ebenfalls achtzeilige Lied von 1768[1581]:

„Ah! vor Lieb ich verschmachte,
  Zieret mich mit Blumen aus!
  Fromme Seel diß wohl betrachte,
  Mach Ihm einen Blumen-Strauß.
  Jesus in sein' Blut da liget,
  Daß Er deine Lieb bezwing,
  Als ein Kind die Lieb besiget
  Zur Gegenlieb dein Herz verding.”

Ein „Kurzer historischer Bericht von dem Ursprung, wundervollen Verherrlichung, und beglückten Ankunft des Wunderthätigen heiligen JESU – oder sogenannten Salzburger-Kindlein in dasiges Frauenkloster …”, bei Franz Prodinger 1770 erschienen, bringt ein zehnstrophiges Lied in Vierzeilern:[1582]

„O JESU! Dessen Gnadenbild
  Schier so die Gottheit laßt ersehen,
  Wie einst in der Person geschehen,
  Die Gott in sich hat eingehüllt.”

Für Salzburgs bedeutendste Gnadenstätte Maria Plain konnten bislang nur zwei gedruckte Andachtsflugblattliederdrucke nachgewiesen werden.

Eine „Schöne Antiphon und Gebett wider die Pest” mit dem noch ungekrönten Gnadenbild von 1679 (bei J. B. Mayr gedruckt):[1583]

„Der edle schöne Himmels-Stern / Welcher gsogen Christum den Herrn /
  Hat außgereut und gantz verjagt / Die böse Sucht so Adam gmacht.”

Mit dem Gnadenbild von Maria Plain versehen, erschien 1885 bei Josef Oberer der „Ursprung der drei goldenen Samstagnächte nach dem Feste des heiligen Erzengels Michael” nebst zwei Liedern:[1584]

„Kommt herzu ihr armen Kinder,
  Kommet in das Gnadenhaus.”

„O Maria! Thu erlauben
  Zu begrüßen eine Nacht,
  Die uns stärket in dem Glauben,
  Die wir deiner Ehr gedacht.
  Ave Maria du goldene Nacht,
  Die uns das göttliche Weltlicht gebracht.”

Neben den gedruckten Wallfahrtsliedern kommt denen, die handschriftlich in Gesangbüchern der sogenannten „Kirchensänger” bzw. deren Vorsänger überliefert sind, ebenso große Bedeutung zu.

Der Pinzgauer Lehrer und eifrige Sammler Franz Lackner, 1814 in Piesendorf geboren und selbst aus einer angesehenen „Kirchensänger”-Familie stammend, berichtet, dass diese ihre Lieder immer selbst gedichtet und mit eigenen Melodien versehen hätten. „Sie sangen meistens ohne Orgel …; wo man eine Orgel hatte, wurde vom Organisten respondirt, und wenn er Talent hatte, begleitete er die Lieder der Kirchensänger.”[1585] Einige solcher Liedsammlungen haben sich aus verschiedenen Salzburger Gauen und aus stadtnahen Pfarreien erhalten;[1586] besonders jene aus dem 18. Jahrhundert sind ausgesprochene Kostbarkeiten und Raritäten, da „die alten Bauern solche Sachen nicht gern her(geben)”;[1587] sie geben Zeugnis von einer intensiven Pflege des volksnahen geistlichen Liedes, insbesondere des Weihnachts-, Passions- und Marienliedes. Es kann hier nicht der Ort sein, sie allesamt anzuführen bzw. sich mit ihrer Problematik eingehend zu beschäftigen.

Einige eindrucksvolle Beispiele von Marienliedern, die ganz bestimmten Salzburger Wallfahrten zuzuordnen sind, sollten hier jedoch wenigstens angeführt werden:

Das siebenstrophige Wallfahrtslied eines Pongauer Kirchensängers an die „Madonna von der Tanne” in Altenmarkt. Es dürfte um die Mitte des 18. Jahrhunderts aufgezeichnet worden, seine Entstehung muss jedoch um vieles älter sein;[1588] die zwei ersten Strophen lauten:

„Sey gegriest du Baum des Lebens,
  Gnadenmutter auf der Dann.
  Mir als deine Khinder anflehen,
  hillf uns armen Sindern schon.
  In Alltenmarckht ist deine Wonung,
  auf den Dannä des(t) stammen.
  Schau uns betrangte Christen an,
  hilf, hilf Maria auf der Dann.”

<literallyout>„Bewahre uns in wahren Glauben, beschize uns von Sündenfall, und due gnedig auf uns schauen. Von Luterdum behieth uns all, Die Khezerein thue ausreiten, den wahren Glauben due ausbreiten. Seng uns mit deiner Gnadenhand, hilf, hilf Maria auf der Dann.”</literallyout>

Vom herrlichen Marienlied „Wie schön scheint heut die Sonne, wie lieblich der Mond”, das uns die verdienstvolle „Sonnleithner-Sammlung” von 1819 überliefert, wird berichtet, dass „dieses alte Lied, von einem Bauernsänger [= Kirchensänger] gedichtet, in dem Wallfahrtsorte [Maria] Alm ... noch in der Kirche gesungen (wird)".[1589]

Eine Fülle prachtvoller Marienlieder, nun ohne spezielle Ortszuweisungen, finden sich in solchen handschriftlichen Liedersammlungen, die leider überwiegend ohne Noten – der Vorsänger übte die Lieder seinen Kirchensängern ja nach dem Gehör ein – überliefert sind.

Über mehrere Familiengenerationen hinweg tradiert, konnte die eine oder andere Liedmelodie von Volksliedforschern meist im letzten Augenblick durch schriftliche Fixierung gerettet werden. Leider existieren nur sehr wenige Melodiequellen zu volkstümlichen geistlichen Liedern. Aus diesem Grund sind Sammlungen, wie die Franz Lackners aus dem Pinzgau, der Text und Melodie aufzeichnete, überaus kostbar und wertvoll.[1590] Lackner überlieferte auch sechs Marienlieder des Kirchensängers Matthä Gruber aus Bruck im Pinzgau,[1591] wo ehemals eine sehr bedeutende Wallfahrt existierte.

Mit einem sehr berühmten Spottlied auf die wallfahrenden Pinzgauer, das in Handschriften um 1760 auftaucht und nach 1800 auch außerhalb der Alpenländer offenbar sehr verbreitet war und das sogar Goethes Mutter[1592] sehr geläufig gewesen sein muss, wäre das Kapitel der Salzburger Wallfahrtslieder zu beschließen.[1593]

„Dö Pinzgara woltn kirfiartn gehn,
  Widi wadi we, eleison!
  Sö woltn gern singa, kunntns nit gå schon,
  Widi wadi we, eleison!

Kirifiartn toants gean, dös woaßt ja von eh!
  Juhe! widi wadi we!
  Gelobt sei dö Christl und dö Salome!“

In zwanzig Strophen werden Bitten in Pinzgauer Dialekt recht derb formuliert; wie Cordelia Spaemann zu Recht interpretiert, sind es Bitten, die an den Wallfahrtsorten nur insgeheim und niemals laut ausgesprochen wurden:

„Wannst uns liaßt a d' Schörgn varöcka,
  That ma dar epps en Opfastock stöcka ...

Schick uns Kölba, schick uns Rinda,
  Aba dazua nit ga z' vul Kinda ...

Und wannst uns hoja mit'n Schaua thuast plag'n
  Thoan ma da d' Heilögn üban Altar ahö schlag'n.

Heilögö Maria, junkfräulöchö Ziard / Widi wadi we, eleison!
  Mach, daß koan Bua uns koan Dirndl vafüart / Widi wadi we eleison!
  Valiabtö Katzn sands, dös woasst ja von eh
  Juhe! Widi wadi we! …”

Das Spottlied nimmt Bezug auf die Domwallfahrt der Pinzgauer, insbesondere die der Zeller, da diese vor allen übrigen das Vorrecht hatten, bei der Pfingstmontag-Vesper während des Magnifikats in Begleitung des Obermesners den Hochaltar zu umschreiten. Ein weiteres Privileg der Zeller, die meist immer 16 bis 18 Kirchensänger mit sich führten, bestand darin, dass sie am Abend nach der Vesper vor dem Erzbischof mit Gesang auftreten durften, wobei der jüngste mit dem ältesten Sänger dem Fürsten vorgestellt wurde. Zum Abschluss des Tages begaben sich dann die Zeller Sänger zusammen mit den Teilnehmern aus dem ganzen Bezirk in den Hofkeller, wo sie „mit Speise und Trank genugsam und stattlich bewirtet” wurden. Dass „die Pinzgara Wallfahrt” bei solchen Gelegenheiten entstanden sein könnte und nicht, wie Schmidt annimmt, „in protestantischen Kreisen nach ihrer Emigration aus Salzburg”, wäre denkbar, vielleicht sogar wahrscheinlich, zumal auch Franz Lackner der Ansicht war, dass „die Pinzgauer dem Pongauer im Witze nichts nach(stehen); der Pinzgauer stellt sich oft etwas dumm, um dann den andern auszulachen ...” Er sah „das ganze Lied ... als einen Scherz und Schwank an”.[1594] Unwahrscheinlich ist jedoch, dass die Pinzgauer das Magnifikat im Dom selbstgesungen haben, wie Spies annahm; dass das Spottlied sich vom 8. Psalmton inspirieren ließ, mag jedoch zutreffen.

Aus dem bisher Aufgezeigten geht wohl ziemlich deutlich die Bedeutung der Musikpflege im Salzburger Wallfahrtswesen hervor. Unter den barocken Wallfahrtskirchen im Erzbistum nehmen Maria Plain und Maria Kirchental einen besonderen Platz ein, so dass es angebracht ist, mit speziellen Anmerkungen zur Musikpflege an diesen beiden Gnadenstätten vorliegende Studie abzuschließen.

Im Ansuchen an das Konsistorium vom 18. September 1716 hinsichtlich des geplanten Neubaues teilte Regens Franz Willibald Polz aus Kirchental die immer wieder von Wallfahrern an ihn gerichtete Frage mit: „…wie khombts doch, daß man bey einer so vornehmen Wallfahrth kheine Orgl habe?” Wohl stand damals dem Organisten in Kirchental ein „Regal ... per 30 fl.” zur Verfügung, das in der Zwischenzeit aber „zimblich ruinose” geworden, auch kaum mehr zu reparieren und „allein sehr übl lauttent anzuhören” wäre. Deshalb entschloß man sich für einen Neubau, den man dem Salzburger Hoforgelmacher Johann Christoph Egedacher übertrug. Durch einen glücklichen Zufall, denn originale Dispositionsentwürfe dieses neben seinem Vater wohl bedeutendsten Egedachers sind überaus selten,[1595] blieb der für Kirchental vorgelegte aquarellierte und maßstabgetreue „Abriß” der Orgel samt „Orgel Designation” erhalten.[1596]

Johann Christoph Egedacher plante eine einmanualige Orgel, „so in 6 Registern sambt einen Subbass ins Pedal sauber ausgeförtigen Kasten und dreyen Blasbalgen bestehet”. Die Disposition im einzelnen sah vor: „Principal von guetem zün” 4´, „Copl von Holz” 8´, „Fleten von Holz” 4´, „Quint von metal” 3´, „Superoctav von metal” 2´, „dopelte Myxtur” 1´, „Subbass” 16´. Der Kaufpreis betrug 450 Gulden. Die Orgel wurde neunzig Jahre später vom Enkel des Erbauers, Rochus Franz Egedacher (seit 1797 Domchorvikar), im Jahre 1806 während eines eher unfreiwilligen Aufenthaltes in Kirchental „ausgebessert und gestimmt”.[1597] Darüber hinaus lässt sich jedoch kaum Nennenswertes über die Musikpflege an dieser prachtvollen Pinzgauer Wallfahrtsstätte beibringen.[1598] Ob sich ein alter Musikalienbestand erhalten hat, ist unbekannt, da einschlägige Inventare fehlen.

Um vieles besser informiert sind wir über die Musikpflege in Maria Plain, wo im Gegensatz zu ländlichen Wallfahrtsorten eine viel höher stehende Musikkultur anzutreffen ist. Dies mag in erster Linie durch die Verwaltung und Betreuung der Kirche durch die Salzburger Universität bedingt gewesen sein. Anlässlich des 300jährigen Jubiläums der Weihe der Gnadenkirche wurde 1974 ein erster Versuch unternommen, die Musikpflege anhand von Quellenmaterial umfassend darzustellen, so dass hier der an Einzelheiten Interessierte auf diese Studie verwiesen werden kann.[1599]

Eine überblicksartige Zusammenfassung dieser Darstellung samt einigen interessanten Ergänzungen sollte hier trotzdem gegeben werden. Eine große Zahl von Kirchenfesten, insbesondere Marienfeste, Kirchweih- und Krönungsfest, wurden mit „gesungenen Hochämtern” und (oder) „gesungenen Litaneien” besonders solenn begangen. Gewöhnlich lag die Leitung der Musik beim Stadtpfarrorganisten, die Ausführung bei den Stadtpfarrsingern. An bestimmten Festtagen oblag die musikalische Gestaltung hingegen den Musikern der Universität. Aber auch auf ad hoc zusammengestellte Ensembles lassen erhaltene Kirchenrechnungen schließen. Einen Eindruck, wie eine solche Musik geklungen haben mag, vermittelte uns Heinrich Pichler in einer Tagebuchnotiz vom Hochamt am 2. Juli 1746 im Beisein des Erzbischofs: „… der Bassist und Altist haben aus einer Stim gesungen, ein Tenorist ware gar nicht darbey und den Discant hat gesungen ein Weibsbildt ... und dise hat auch den Tact gegeben. Es waren auch nicht mehr als 2 Violinisten, man kan sich also leicht einbilden, wie und auf was Weis dise gewesen.” Das Notenarchiv der Kirche weist heute kaum mehr interessantes Material auf. Nur wenig Erwähnenswertes aus der Gründungszeit fand sich im Kirchenarchiv[1600] bzw. in in- und ausländischen Bibliotheken.

Darunter auch sieben Stimmbuchdrucke aus den Jahren 1668 bis 1725, die vermuten lassen, dass ehemals doch ein ansehnlicher, auch qualitativ interessanter Bestand an Musikalien vorhanden gewesen sein muss. Unter ihnen gehört Johann Caspar Kerlls opus primum („Dilectus sacrarum cantionum à II. III. IV. V. Vocibus, cum adjunctis Instrumentis. München 1669”) zum Repräsentativsten, da es hinlänglich bezeugt, was bereits oben angedeutet wurde, dass nämlich die Musikkultur unter Max Gandolph außergewöhnlich gewesen sein muss.

Zweifelsohne stellt sich in diesem Zusammenhang immer wieder die Frage, ob Heinrich Ignaz Franz Biber, Europas bedeutendster Violinvirtuose seiner Zeit und von 1670 bis 1704 in erzbischöflichen Diensten stehend, die Rosenkranzsonaten, die Mitte der siebziger Jahre entstanden sein müssen, seinem Fürsten vielleicht doch in Verbindung mit der Weihe der Wallfahrtskirche dediziert haben könnte.

Mit Maria Plain eng verbunden war das religiöse Leben der Familie Mozart. Der Familienkorrespondenz ist zu entnehmen, daß Leopold Mozart sich des öfteren Schutz und Hilfe vom Plainer Gnadenort erhoffte und erflehte; sei es, wenn eines seiner Kinder oder er selbst schwer erkrankt waren. Auch Mozarts Mutter stellte sich wiederholt unter den Schutz zweier Salzburger Gnadenbilder. So bat sie aus Mannheim im Dezember 1777 – vor der Abreise nach Paris – ihren Gatten: „ich habe bey den hl Kindl von loreto eine heillige Messe versprochen wie auch zu Maria Plain, also bitt ich dich solche lessen zu lassen, bey den loreto kindl gleich, zu Maria Plain aber wan es wärmmer würdt das die nanerl hinaus gehen kan, dise beyde seind mein schuz auf unserer Reise, ich habe mein ganzes vertrauen darzue sie werden mich gewis nicht verlassen.“

Ein halbes Jahr später hatte der Sohn die traurige Pflicht, vielleicht einen letzten Wunsch der sterbenden Mutter zu erfüllen, wenn er mit erschütternden Worten aus Paris dem Vater schreibt: „… Trösten sie sich – und bethen sie brav dies ist das einzige mittel was uns übrig bleibt – ich wollte sie wohl gebeten haben eine heilige Messe in Maria Plain und zu Loretto lesen zu lassen – ich habe es hier auch gethan.”

Zu Maria Plain legte man nicht nur die Osterbeichte ab, sondern der Wallfahrtsort war auch wiederholtes Ziel von Spaziergängen, verbunden mit Besuchen bei befreundeten Patres. Leopold Mozart legte die Wegstrecke zwischen Kirche und seinem Wohnhaus als 66jähriger in einer stolzen Dreiviertelstunde zurück.

So fehlten „der alte, und iunge, beyde berühmte Herrn Motzart” auch nicht bei der ersten Säkularfeier. P. Beda Hübner, Beichtvater in Plain und mit den Mozarts vermutlich befreundet, berichtete am 19. August 1774 „von einer überaus auserlesenen Musick bey dem heutigen Hochamt … bey welchem der iunge Herr Motzard ein Orgel, und ein Violinkonzert, zu aller Leuthen Verwunderung, und Erstaunung gemacht ” hat. Man wird annehmen dürfen, dass Mozart zu diesem Anlass seine mit 8. August 1774 datierte Missa brevis in D KV 194 (186h) beigesteuert hat. Die Annahme, dass Mozarts sogenannte „Krönungsmesse” KV 317 für das Krönungsfest des Jahres 1779 entstanden wäre, ist und bleibt jedoch mit absoluter Sicherheit eine „legendäre” Erfindung des Chormeisters der Salzburger Liedertafel Johann Ev. Engl.

Um das Gesamtbild der Musikpflege in Maria Plain abzurunden, wäre noch auf zwei Musiker hinzuweisen, die an der Kirche geistliche Funktionen innehatten. P. Gotthard Wagner (1678–1738), aus der Abtei Tegernsee, wirkte von 1724 bis etwa 1727 in Plain als Prediger und Beichtvater. Er galt als ausgezeichneter Organist und Musiklehrer. Wagner veröffentlichte mindestens fünf Sammlungen marianischer Gesänge mit phantasievollen barocken Titeln: „Cygnus Marianus, das ist: Marianischer Schwan, vor seinem Tod das Lob Mariä verkündend ... von etlich 80 auserlesenen Arien – von Canto aut Alto solo, zu weilen von zweyen angestimmet” von 1710 und „Musicalische Bruett deß Marianischen Schwanes, So sich 1710. hervor gethan, In etlich dreyssig Jungen, So vil als außerlesner Arien bestehend” von 1713 wurden in Augsburg gedruckt und vom Buchhändler Wolfgang Kriner in Hallein verlegt. Diesen beiden Drucksammlungen folgten 1717 der „Musicalische Hof-Garten der übergebenedeyten Himmels-Königin”, 1720 der „Marianische Spring-Brunn in den Musicalischen Hof-Garten” und schließlich 1730 das „Marianische Immelein”.

Allesamt geistliche Gesänge, die ihn als einen nicht uninteressanten spätbarocken Dichterkomponisten ausweisen, der zumindest seinem Zeitgenossen Valentin Rathgeber ebenbürtig war. Dass diese Gesänge im Rahmen von Andachten in Plain erklungen sind, wird man mit Sicherheit annehmen dürfen.

P. Meingosus Gaelle (1752–1816) aus dem Kloster Weingarten, von 1811 bis zu seinem Tode Superior der Wallfahrtskirche, war vielseitig begabt, er war Naturwissenschafter, Theologe und Musiker.[1601] Im Jahre 1804 berief man ihn an die Salzburger Universität, wo er den Lehrstuhl für Dogmatik und Kirchengeschichte übernahm. Im Druck erschienen zwei wissenschaftliche Arbeiten über Mathematik und Elektrizitätslehre. Erste intensivere musikalische Anregungen dürfte er in Salzburg während seines Universitätsstudiums empfangen haben; später zählte er zum Freundeskreis Johann Michael Haydns, dem er vermutlich in der Komposition starke Impulse zu verdanken hatte. Trotzdem komponierte er nur aus Liebhaberei, in erster Linie liturgische Gebrauchsmusik und Musik für das gesellige Beisammensein. Sein bevorzugtes Instrument war die Pedalharfe. Im Jahre 1813 entstanden acht deutsche „Litaneyen von der Seligsten Jungfrau Maria” zu drei Männerstimmen und konzertierender Harfe (nebst Instrumenten ad libitum), deren autographe Stimmabschriften sich erhalten haben und mit denen er sicherlich die nachmittägigen Andachten in Maria Plain musikalisch bereichern wollte. Allein die Besetzung für Männertrio weist ihn als späten Schüler Michael Haydns aus.

Der kulturelle Niedergang Salzburgs, der im Todesjahr Gaelles durch den abermaligen Besitzwechsel endgültig besiegelt wurde, dürfte auch im Salzburger Wallfahrtswesen seinen Niederschlag gefunden haben. Hinzu kommt, dass nun auch die sich im musikalischen Bereich ausbreitende sentimentale Volksfrömmigkeit einen Rückschritt bedeutete. Darunter dürfte die Pflege der Musik bei Wallfahrten besonders gelitten haben.

Nicht unerwähnt bleiben soll abschließend ein Kitzbüheler Marienmirakelspiel, das einen letzten Höhepunkt marianischer Frömmigkeit in jener Stadt darstellt, die einstmals die mächtigste Rosenkranzbruderschaft im ostalpinen Raum stellte.

Ursprünglicher Wachsthum ausgebreiteter grösseren Ehre des wunderthätigen Gnadenbildes Maria Hilff zu Innsbruck in der Pfarrkirche dessen wahrer Abrizs von dem andächtigen Volck der Stadt Kitzbühel in der so genannten U. L. Fraukapele bey 100 und 33 Jahren mit Wundern leuchtend, verehret wird. Ein vatterländisches Schauspiel von drey Aufzügen von einigen Bürgern zu Kitzbühel aufgeführt den 23ten und 27ten April, den 1ten und 4ten May im Jahre 1783.”

Erhalten dazu ist nur das allegorisch-musikalische Vor-, Zwischen- und Nachspiel, das den Haupttext gleichnishaft umrahmt und seine religiöse Aussage zu deuten versucht. Solche Intermedien kannte das benediktinische Schuldrama des 18. Jahrhunderts an der Salzburger Universität in großer Zahl, zum Teil mit namhaften Komponisten.

Der Komponist dieses Kitzbüheler Mirakelspiels, dessen Musik leider verschollen ist, war[1602] P. Edmund Angerer aus dem Kloster Fiecht; an ihn dürfte man herangetreten sein, weil P. Pirmin Seidl, Sohn eines Gastwirtes in Kitzbühel, von 1722 bis 1789 Abt des Stiftes Fiecht war. P. Edmund Angerer (1740–1794) trat 1759 ins Kloster ein und bekleidete dort das Chorregentenamt. Seine Bedeutung als Komponist blieb in erster Linie auf das Kloster und die engere Umgebung beschränkt, trotzdem dürfte er in Tiroler Klostergemeinschaften durchaus Ansehen gehabt haben. Unter seinem Namen ist im Stamser Musikarchiv Leopold Mozarts (ehemals Joseph Haydn zugeschriebene) „Kindersinfonie” als „Bertoldsgadener-Musick” überliefert, als deren Autor er jedoch keinesfalls in Frage kommt.

Über die Bedeutung des Kitzbüheler Marienmirakelspiels im Rahmen des Tiroler bzw. Kitzbüheler Volksschauspieles wäre auf Norbert Hölzls umfassende Studie zu verweisen, die auch im Anhang den Wortlaut des kompletten Textbuches mitteilt.[1603] Ähnliche Beispiele solch theatralischer Mirakelspiele ließen sich für das Land Salzburg bisher nicht nachweisen.

Mit diesem Ausblick in den dramatisch-musikalischen Bereich soll dieser erste Versuch einer Darstellung der Musikpflege im Salzburger Wallfahrtswesen abgeschlossen werden. Sind einige Bereiche verhältnismäßig vollständig aufgearbeitet, so gibt es andere, wo noch Einzelstudien notwendig sein werden, um einen umfassenden Einblick geben zu können.

Dabei wird man den „Kirchensängern”, die in Neukirchen am Großvenediger erst 1857 gegen den Willen der Bevölkerung abgeschafft wurden,[1604] noch besondere Aufmerksamkeit schenken müssen. Beide Bereiche, Volks- und Kunstmusik – kaum voneinander zu trennen –, sind in der Musik des Wallfahrtswesens dominant vertreten.



[1548] Erstveröffentlicht in: [Neuhardt 1986], S. 65–74.

[1549] Vor kurzem legte Cordelia Spaeman eine umfassende und im speziellen auf den süddeutsch-österreichischen Raum bezogene Studie zum Wallfahrtslied vor, auf die hier im besonderen verwiesen wird: [Spaeman 1984].

[1550] Vehe 1537 (RISM 153706).

[1551] [Bäumker 1883]. Bd. 1, S. 149.

[1552] RISM 158610.

[1555] "Maria du bist genaden voll” (S. 541) und „Der zart Fronleichnam der ist gut” (S. 539).

[1556] Vgl. [Spechtler 1972], S. (113-)218.

[1557] RISM G 2588–2589.

[1558] Vorangegangen war dieser „Editio secunda” ein „Mariale”, dem der dritte Teil – das „Mariale Processionale“ fehlte. Es erschien bei J. B. Mayr in Salzburg 1665. Exemplare von beiden Ausgaben in Universitätsbibliothek und Bibliothek der Franziskaner.

[1559] „Das Erste Gesang. Ist ein Lad-Gesang an die Pilger.“ („Hoer mich du armer Peregrin“, 10 Str.) „Das Andere Gesang. Ist ein Trost-Lied in welchem die allerseeligste Jungfraw Maria die Andächtigen so wol auch sündige Seelen freundlich zu sich ladet.“ („Kombt her ihr liebste Kinder mein“, 10 Str.) „Das Dritte Gesang. Ist ein Klag-Gesang in welchem eine betrübte Seel der allerseeligsten Jungfraw Mariae Hülff ihr Noth und Antigen klaget.“ („Maria Hülff du edler Schatz“, 16 Str.) „Das Vierdte Gesang. Ist ein Bitt-Lied einer gantzen Stadt oder sonst etwan einer gantzen Gemeinde wann sie zu Mariae Hülff Kirchfahrten gehet.“ („O jungfräwlicher Gnaden-Glantz“, 13 Str.) „Das fünffte Gesang. Ein Opffer eines armen Sünders.“ („Maria zu dir komme ich“, 7 Str.) „Das Sechste Gesang. Ist ein Ehren-Gesang in welchem ein andächtige Seel die allerseeligste Jungfraw Mariam ehrt und lobet.“ („Mein Seel erschwinge dich“, 16 Str.) „Das Siebende Gesang. Ist auch ein Ehren-Gesang der allerseeligsten Jungfrawen Mariae.“ („Ave O Fürstin mein“, 16 Str.).

[1560] Signatur 1451. II.

[1561] Zit. nach: [Tschulik 1953], S. 320 ff., S. 324.

[1562] Insgesamt sind fünf Veröffentlichungen mit Melodien erschienen: „Der Groß-Wunderthätigen Mutter Gottes Hülff Lob-Gesang”. Passau 1659; „Hertzen-Freud und Seelen-Trost” I. Passau 1660; „Hertzens-Freud und Seelen-Trost” II. Passau 1661; „Poenitentiale”. Passau 1662 und „Eucharistiale”. Passau 1662 (RISM P 5492 –5495).

[1563] Ob es überhaupt erschienen ist, ist außerdem fraglich.

[1564] [SchmidtL 1937].

[1566] [Bäumker 1883]. Bd. 1, S. 184.

[1568] [Bäumker 1883]. Bd. 4, S. 288.

[1569] Als Beispiel diene ein weiteres St.-Wolfgang-Lied (SMCA 9668): „Der christliche Wallfahrter singt bey dem Anblick der Kirche St: Wolfgang. Im Tone: O Wunder der Gnaden etc. – Was sehen die Augen / Am See dort noch klein?“ – „Der christliche Wallfahrter nimmt Abschied von St. Wolfgang. Melodie: Nun Gott wir sind gekommen etc. – Ach so müssen wir schon wieder / Fort, aus diesem Gnadenort!“

[1573] Graphiksammlung des SMCA, ohne Signatur.

[1576] Geb. um 1642, Hoforganist von 1670 bis 1706. Vgl. [Hintermaier 1972], S. 211f.

[1577] Eine Art religiöser Lotterie; in Wallfahrtskirchen von Tirol und Bayern waren Behälter mit 90 Losen aufgestellt. Man zog eine Nummer und sah aus einer danebenhängenden Tafel, wofür diese Zahl zu beten empfiehlt. Z. B. „Für diejenigen Seelen, die dich liebten und nun ganz vergessen sind.“ Vgl. [Wörterbuch der deutschen Volkskunde 1936], S. 463.

[1578] [Greinz 1929], S. 300–302 sowie Akten, KAS 11/17.

[1579] Akten, KAS 11/17.

[1580] Exemplar in der Graphiksammlung der Erzabtei St. Peter.

[1581] Exemplar in der Graphiksammlung der Erzabtei St. Peter.

[1583] Exemplar in der Graphiksammlung des SMCA, ohne Signatur.

[1585] Brief Lackners vom 12. 2.1883 (SMCA, Hs 1094).

[1586] Das SMCA verwahrt einige interessante, aus der näheren Umgebung Salzburgs stammende geistliche Liedersammlungen, die ehemaligen Kirchensängern gehörten (leider ohne Melodien): „Geistliches Gesänger Biechl“ (1808) des Georg Högler, Steinmetzgesell und Vorsinger in Maxglan (Hs 2410); „Geistliche Marianische Kürchen Gesänger, oder mit dem Kreutz zu Singen pflegt zu der löblichen Pfarr Kürchen zu Sietzenheim, Deß Frantz schenbuchner, Vorsünger zu Sietzenhaim, und Elisabeth Märchlin Jelnpauern Tochter von Gols, als angehnte Prauth“ von 1798 (Hs 2079), Liedersammlung des Vorsängers Johann Fuchsreiter zu Wals von 1816 (Hs 2081) und viele andere. Vom Autor nicht eingesehen wurde ein Kirchensängerliederbuch aus Anger von 1744, das Franz Prambichler besaß bzw. angelegt hat (Privatbesitz). Auf letzteres wurde ich von Prälat Dr. Johannes Neuhardt aufmerksam gemacht.

[1587] Vgl. Brief Lackners vom 12.2.1883 (SMCA, Hs 1094).

[1588] Die Sammlung enthält 52 geistliche Liedertexte; Universitätsbibliothek Salzburg, M I 365.

[1589] Im Heft VII „Salzakreis“ / 33 „Sammlung von Volksmelodien aus dem Landgerichte Saalfelden“ angeführt. [Deutsch/Hofer 1969], S. 79. Das Lied findet sich in [Bresgen 1979], S. 12f.

[1590] SMCA, Hs 1094.

[1591] Vgl. auch [Bresgen 1969], S. 10ff. Zwei Marienlieder des Matthä Gruber nahm Bresgen in seine Sammlung von Marienfedern auf. [Bresgen 1979], S. 12f.

[1592] Vgl. dazu den Brief an ihren Sohn vom 7.4.1807 und den Brief an ihren Enkel August vom 21.3.1808.

[1593] Auf zwei Arbeiten, die Interessantes über die Entstehung und die Verbreitung des Liedes bringen, sei hier hingewiesen: [SchmidtL 1975], S. 117f.; [Spies 1927].

[1594] Vgl. Brief Lackners vom 12.21883 (SMCA, Hs 1094).

[1596] KAS 8/100.

[1597] KAS 8/100.

[1598] Im Rahmen der Säculumsfeiern von 1802 wurden „für die Kirchenmusik sämmtlichen Musikanten für Zugehen, dann Zehrung 30 fl.” veranschlagt und auch gezahlt (KAS 8/102).

[1600] Für die entsprechenden Funde bin ich Dr. Adolf Hahnl überaus dankbar.

[1601] Sein musikalischer Nachlass befindet sich in der Musiksammlung der Erzabtei St. Peter, Salzburg. Ein thematisches Verzeichnis seiner Werke wird in Kürze von Rudolf Faber an der Universität Tübingen vorgelegt werden.

[1602] Freundliche Mitteilung von Prälat Dr. Johannes Neuhardt, der mich auch in dankenswerter Weise auf dieses Mirakelspiel aufmerksam machte.

[1604] KAS 9/26.

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