Karl Adrian (Ulrike Kammerhofer-Aggermann)
Im nordwestlichen Winkel des Salzburgerlandes, wo sich über die Saalach herüber noch ein Stück der bayrischen Hochebene einzwängt, ist der Sitz des Aperschnalzens oder, wie es die Bauern auch gern zu benennen pflegen, des „Faschingschnalzens“. Dieses nimmt seinen Anfang am Dreikönigstage nach dem Nachmittaggottesdienst und endet am Faschingdienstag. Die Bauernburschen eines Dorfes, zum Beispiel Siezenheim, flechten sich zu dem Zwecke 5 bis 6 m lange Peitschen aus dünnen, gedrehten Seilen und versehen sie am Ende mit einer gelb= oder rotseidenen Quaste (Poschn). Die Burschen stellen sich dann auf freiem Felde in langer, gerader Linie oder in ausgedehntem Kreise auf, damit keiner der Peitsche des Nachbars zu nahe kommt.
Die Schnalzerei erfolgt in folgender Ordnung. Der erste in der Reihe, „Aufdraher“ genannt, schwingt die Peitsche dreimal um den Kopf und schreit „aufdrahn“. Nachdem er eins, zwei, drei gezählt, zieht er mit kurzem Ruck die Peitsche an, worauf ein Knall entsteht, nicht unähnlich dem eines Pistolenschusses. Der Aufdraher hat übrigens die leichtere Peitsche, die nicht so laut knallen darf, als jene der übrigen, damit der letzte in der Reihe, der sogenannte Baß, es an der Schallstärke von den anderen unterscheidet. Der Baß ist der kräftigste Mann unter den Schnalzern, seine Peitsche ist am längsten und knallt auch am tiefsten. Der Aufdraher muß auf den Baß achten, und sobald die Peitsche des letzteren knallt, hat er wieder einzusetzen, so hört man gleichsam eine Skala vom schwächsten zum stärksten, beziehungsweise tiefsten Knall. In einiger Entfernung, namentlich beim Vorhandensein eines Echos, macht sich das Knallen ganz hübsch und erinnert unwillkürlich an das Geplänkel bei einer Gefechtsübung.
Die Peitsche, die am meisten Takt hält und am tiefsten knallt, geht als Sieger hervor. Der Rhythmus des Schnalzens dürfte der Sechsachteltakt sein und jeder Knall einer Sechzehntelnote entsprechen. Am besten klingt dasselbe, wenn 7, 9 oder 11 Schnalzer sind, dabei wird bemerkt, daß je gefrorener der Boden ist, desto weiter es auch gehört wird; so machten die Siezenheimer Schnalzer vor vielen Jahren einen Ausflug nach Guggental, und als sie dort oben schnalzten, wurde es in Siezenheim deutlich vernommen. Es ist dies in Luftlinie eine Entfernung von nahezu 8 km, freilich sind dort die Terrainverhältnisse dem Zurückwerfen der Schallwellen in westlicher Richtung besonders günstig. Schnalzen alle Teilnehmer gleichzeitig, was aber in der Ausführung sehr schwierig ist, so nennt man dies einen „Basch“.
Das Schnalzen dauert niemals lange, denn es erfordert einen ungeheuren Kraftaufwand; will es einer überhaupt zu der nötigen Fertigkeit bringen, so muß er es schon als Bub ordentlich geübt haben, man sieht daher bereits die 10 bis 15jährigen Buben fleißig ihre 2 bis 3 m langen Peitschen schwingen. Nach dem Schnalzen wird in das Gasthaus gegangen, um die Müdigkeit zu verscheuchen und sich wieder zu kräftigen, dabei zahlen ihnen gern die anwesenden fremden Gäste einige Liter, wofür sie dann einen Extraschnalzer erhalten.
Auch Ausflüge veranstaltet der Baß in die umliegenden Orte, so von Siezenheim nach Wals, Gois, Himmelreich, Liefering, Maxglan, Rott, Feldkirchen, Ainring usw. Sind die Schnalzer von einem Nachbarort angesagt, so empfangen sie die Orte mit fröhlichem Knallen, hierauf wird Aufstellung genommen und um die Wette geschnalzt, um zu zeigen, wer den besten Baß besitzt; solche Besuche werden oft nur deshalb unternommen, um zu erkunden, wo der kräftigste Baß zu finden sei.
Ein großes Aperschnalzen war im Fasching des Jahres 1909 in Laufen. Auf den Wiesen in der Nähe des Bartkellers fanden sich 153 Bauernbuben aus der Umgebung ein, um das übliche Faschingschnalzen abzuhalten; dabei hatten sich 80 Mann in ausgedehnter Reihe aufgestellt, die um die Wette schnalzten.
Diese Sitte findet sich außer im nördlichen Teil unseres Heimatlandes auch im Lungau wieder. Hübner schreibt darüber: „Bei Eingang des Frühlings, sobald die Witterung den Austrieb des Viehes gestattet, beginnt das ‚Apachschnalzen‘ der Hirten. Dies geschieht mittels 4 bis 5 Klafter langer, dicker aus Hanf gedrehter Peitschen, die sie mit beiden Händen über dem Haupt vielmal im Kreise schwingen, ehe der Knall erfolgt und womit sie, wenn sie einmal recht im Schwunge sind, rechts und links im ordentlichen Takt Knall auf Knall fällen, so daß Berg und Tal in weiten Strecken davon widerhallen. Diese Belustigung, welche den ganzen Sommer auf den Alpen dauert und erst im Spätherbste mit dem Heimtriebe des Viehes in die Ställe beschlossen wird, ist mit der äußersten Anstrengung der Leibeskräfte, welche nicht selten darunter Schaden leiden, verbunden.“[4027]
Die Bemerkung [Heinrich] Wallmanns in seinen „Kulturhistorischen Streifzügen“, daß dem ernsten, verschlossenen Lungauer das Apachschnalzen das Jodeln ersetze, ist ebenso charakteristisch als treffend.
[4026] [Adrian 1924], S. 95–98.
[4027] Anm. der Redaktion: Karl Adrian liefert hier, wie auch an weiteren Stellen, keine weiteren Belege.