Inhaltsverzeichnis
Karl Adrian (Ulrike Kammerhofer-Aggermann)
Zur Zeit der Erzbischöfe war der Ludwig=Viktor=Platz, damals Marktplatz geheißen, der Sammelpunkt toller Faschingslust. Dorthin nahmen die Maskenzüge ihren Weg und gruppierten sich um den Marktbrunnen, an dem der Faschingbrief verlesen wurde. Das Landvolk zog einmal im Jahre auf den wohlbekannten Marktplatz und gab dort ein Fest, zu dem die Städter gerne kamen, um die bäuerlich derben Trümpfe und Scherze zu belachen. Von den Figuren, die dabei nie fehlten, ist zu nennen die Habergeiß, der schöne Schimmel, der jeden Reiter abwarf und vor= und rückwärts laufen konnte, und endlich der Mann, der seinen Kopf ins Unendliche verlängert.
Außerdem fanden sich auf Wagen die verschiedensten Vorstellungen, die ländliche Musik, die Hochzeit mit allem, was dazu gehörte, die Altweibermühle, der Einsiedel vom Teufel geplagt und gelockt von schönen Mädchen, die Wäscherinnen, die mit ihrem Waschwasser viele Possen trieben, und endlich der hochweise Rat, der in großen Büchern blätterte und nirgends das Rechte fand usw. Diesem Treiben wurde aber 1786 durch ein Verbot der erzbischöflichen Regierung ein Ende gemacht; trotzdem lebte es mit den Zwanzigerjahren des 19. Jahrhunderts als Maxglaner Hexen= oder Faschingszug neu auf und erhielt sich bis ungefähr in die Mitte dieses Zeitraumes. In seinen Formen womöglich noch derber, fiel der letztere einem neuerlichen Verbote zum Opfer. Der Verlauf dieses Hexenzuges wird uns folgendermaßen geschildert:
Am Faschingdienstag strömte ganz Salzburg hinaus, um den Hexenzug der Maxglaner in Augenschein zu nehmen. Das Dorf Maxglan genoß von jeher mit den umliegenden Ortschaften das Vorrecht, am genannten Tage einen Maskenzug durch die Stadt zu nehmen. Er kam beim Neutor herein und nahm seinen Weg in die Vorstadt Mülln. Auf mehr als 100 Leiterwagen und Karren sah man nichts als Possenspiele und Narrentand der buntesten Masken und Gestalten. Dazwischen ritten manche auf Ochsen, Kühen oder verkehrt auf elenden, ebenfalls maskierten Kleppern und nur wenige gingen zu Fuß. Auf dem einen Bauernwagen wurde gepflügt und gesäet, auf dem andern gedroschen; auf dem dritten war ein großes Schiff, von dem man Netze auswarf und Fische in der Luft fing, auf dem vierten und fünften wurde getanzt und Hochzeit gehalten, auf dem sechsten mit Karten und Würfeln gespielt und dabei zum Scherze viel gezankt und herumgerauft, wie überhaupt Schlagen, Balgen und Prügeln dem Ganzen unentbehrlich war. Hier hielt man Schule, in welcher der Lehrer durch ein Kind, die Schüler durch Erwachsene vorgestellt wurden, da übten Maurer, Zimmerleute, Schmiede, Schneider, Schuster usw. charakteristisch ihr Handwerk aus und verspotteten sich wechselseitig zur allgemeinen Belustigung. Auf diesem Karren zechten, taumelten und fabelten Betrunkene, auf jenem kochten hübsche Mädchen und buken Faschingkrapfen.
Hier brannte man Lichter und Laternen, dort spielten Burschen und Mädchen blinde Kuh; der eine war so dick und plump, als trüge er zehn Polster am Leib, der andere stellte irgend ein Tier vor, der dritte hatte eine Larve, bei deren Anblick man vor Lachen bersten mußte. Auf dem freien Platz in der Gstätten hielt der Zug still und versammelte sich um einen Mann, der von einem erhöhten Orte alle die dummen Streiche, lächerlichen Ereignisse und lustigen Schwänke vorlas, die er seit einem Jahre in der Umgebung beobachtet hatte. Dabei nannte er nicht nur ausdrücklich den Namen, sondern zeigte auch mit dem Finger auf den gegeißelten Gegenstand hin und erregte dabei ein ununterbrochenes gellendes Gelächter. Bei Verlesung dieses Faschingbriefes gebrauchte der Betreffende gewöhnlich die Formel: „Ei, was is nu doas – / über den N. N. wüßt i a no woas“ und dabei nahm man oft den Nächstbesten, der gerade in den Wurf kam, zur Zielscheibe des Spottes und Witzes. Nach Beendigung dieser Vorlesung, während der Zeit einige von den Genossen von den Bräuern und Wirten Beiträge absammelten, begab sich der Zug nach Mülln und verlor sich dort in Schenken und Wirtshäusern.
Die Bettlerhochzeit ist ein Pongauer Faschingscherz, den bereits Hübner in seinem Werke über das Erzstift Salzburg erwähnt. Diese besteht in nichts anderem als in der zum Spottbild verzerrten Darstellung einer wirklichen Hochzeit. Braut und Bräutigam, Beiständer und Kranzeljungfern werden durch die Buben in möglichst defekter Kleidung und entsprechender Vermummung dargestellt; so bewegt sich der Zug durch den Ort unter Singen und Jauchzen bei einer jämmerlichen Musik. Daß es dabei an verschiedenen Späßen der derbsten Art, insbesondere an Anspielungen örtlicher Natur nicht fehlt, ist begreiflich. Vor jedem Gasthaus wird still gehalten und der Kranzltanz vorgeführt. Beim ganzen ist es darauf abgesehen, möglichst viel freiwillige Gaben einzuheimsen, um sie dann gemeinsam zu vertrinken.
Am 21. August 1911 fand die letzte Bettelhochzeit in St. Johann i. Pg. statt. An 30 Reiter hoch zu Roß mit den altherkömmlichen langen Peitschen folgten knallend dem Schalknarren auf hölzernem Rosse hinter dem Brautpaar, den vier Kranzljungfrauen, ferner dem Ortsvorsteher und Gmoanschreiber. Auf dem originellen, eigens für diesen Zweck zusammengestellten Brautwagen saßen auch zwei Brautbläser, die Melodien spielend mit dem Brautpaar den Einzug mitmachten. Noch vor der Trauung fand ein Brautexamen statt, bei dem der Bräutigam in bezug auf seine früheren Beziehungen einem hochnotpeinlichen Verhör unterzogen wurde. Die Braut hatte sich wegen eines großen Zulehens einer gefährlichen Operation zu unterziehen. Die eigentliche Trauung erfolgte in Zivileheform. Die dem Zuge folgende Einrichtung auf dem Kammerwagen entsprach in ihrer Einfachheit den gegebenen Verhältnissen.
Zu diesem Pongauer Faschingscherz versammeln sich gegen 100 rüstige Burschen; einer davon stellt den Bauern vor, ein anderer die Bäuerin, die übrigen sind als Knechte und Dirnen gekleidet. Da ist zunächst der Bauknecht und der Werfer, dann der Roßknecht und der Staller, auch der Zäuner, Sommerer, Schinagl und Bürscher darf nicht fehlen; von den Dirnen ist die Baudirn, die Garberin, Kuchlin und Hoamdirn vertreten. Auf ihrem Zuge haben sie den Pflug und alle Ackergeräte mit. Hinter dem Pfluge geht einer, welcher Sägespäne, Nüsse und Zwetschken aussäet. So ziehen sie bei den Bauerngütern vorüber, wo sie, wenn etwas in Unordnung oder unsäuberlich angetroffen wird, dasselbe wegbauen oder das Unordentliche noch mehr zerstören.
Verwandt mit dieser Sitte war auch das Pflugführen in Elixhausen, dessen die „Salzburger Zeitung“ vom Jahre 1861 erwähnt; heute weiß wohl niemand mehr davon zu berichten, nur der Spruch: „Ist die Fastnacht klar und hell, / so führt man den Pflug auf den Acker schnell“, ist geblieben.