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„Heidi wohnt hier nicht mehr“. Zur Abwanderung des autochthonen kreativen und innovativen Potentials aus dem Lungau(Rosemarie Fuchshofer) – Langtext

Ausgangs_Lage

„... dass das Heidi nie in seinem Leben hinaus muss, um sein Brot unter Fremden zu suchen ...“[2106]

... ist das Versprechen, das der Großvater dem Herrn Sesemann aus Frankfurt abnimmt. Wir erinnern uns? Heidi, das Mädchen aus den Bergen, das auf der Alm lebt, inmitten der Natur, ihrer Tiere, der Dorfbewohner, eingebettet in ein soziales und ökologisches Biotop. Dann kommt das Exil in der Großstadt. Heidi ist unglücklich, traumatisiert und darf schließlich nach Hause zurückkehren. Sie hat in der Stadt gelitten und gelernt: Sie sieht ihren Lebensraum mit neuen Augen, kann Zusammenhänge erkennen, reflexiv denken, hat Handlungskompetenz gewonnen. Und was hat diese Geschichte mit dieser Studie zu tun? Heidi steht hier als Synonym für das autochthone innovative und kreative Potential im ländlichen Raum. „Heidi wohnt hier nicht mehr“[2107] soll stehen für die mangelnde Möglichkeit dieses autochthonen innovativen und kreativen Potentials, die gewonnenen, erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten innerhalb der Herkunftsregion geltend zu machen, um zum einen dort eine Existenz zu begründen, zum anderen, um zur Entwicklung oder wenigstens zur Erhaltung der Region als Sozialraum beizutragen.

Von der Problematik der Peripherie

Die Problematik der Peripherie: strukturschwache Gebiete mutieren zu Entleerungsräumen. Naturräumliche Schönheit und ländliche Idylle allein können fehlende Arbeitsplätze, Einkommensgefälle, fehlende Infrastruktur, mangelnde Konsummöglichkeiten nicht aufwiegen. Abwanderung prägt das Szenario. Später bricht die Nahversorgung zusammen, die Infrastrukturkosten können von den kommunalen Verwaltungen nicht mehr getragen werden, Schulen und Kindergärten sind von Schließungen gefährdet, da zu wenige Kinder nachwachsen, das soziale Leben dünnt aus, weil viele pendeln und manche gar nicht wiederkommen. Es kommt zu einem Funktionsverlust der ländlichen Gemeinwesen. Abwanderung ist kein Symptom der Gegenwart. Zu allen Zeiten gab es Wanderungsströme: vom Land in die Stadt – seit den 70er-Jahren vermehrt auch von der Stadt aufs Land.[2108] Aber wer sind die, die gehen? Die, die zuerst gehen? Sind es die, die keinen Platz im homogenen sozialen Gefüge des Dorflebens haben, sind es die, die nicht bleiben können, weil eine sozial undifferenzierte Gemeinschaft keine neuen Eliten duldet? Sind es die Unangepassten und Revolutionären? Die waren es sicher in der Vergangenheit. Und es waren einzelne Personen. Und heute? Heute sind es ganze Generationen und soziale Gruppen. Sind diese die potentiellen sozialen und wirtschaftlichen Funktionsträger der Zukunft, die weggehen und nicht wiederkommen? Bleiben nur die, denen nichts anderes übrig bleibt, weil sie sich an Haus und Hof, an die Familie, an idealistische Wertvorstellungen eines Konstruktes wie Heimat gebunden fühlen?

Das vorliegende Forschungsvorhaben versucht, dieses Spannungsfeld zwischen dem autochthonen intellektuellen und kreativen Potential und der eingeschränkten Möglichkeit, Gelerntes und Erfahrenes vor Ort oder auch von außen für die Entwicklung der Region einzusetzen, zu beleuchten. Individuelle wie auch systemimmanente Schwellen und Hindernisse werden analysiert, der Versuch unternommen, eine Brücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit in den Berufsbiografien der betroffenen Personengruppen anzudenken, Chancen und Möglichkeiten sollen aufgezeigt werden, die ein gezieltes Ausschöpfen des autochthonen Innovationspotentials für eine eigenständige Regionalentwicklung zu bringen im Stande wären. Die Thematik dieser Studie betrifft nicht nur den Lungau, sie betrifft Grenzregionen allgemein: das Mühl- und das Waldviertel, die Orte am früheren Eisernen Vorhang entlang der tschechischen, slowakischen, ungarischen, slowenischen Grenze und die Gebirgstäler, die jenseits der massiv touristisch genutzten Gebiete liegen. Ähnliche Probleme ergeben sich aber auch in jenen Regionen, in denen die Industrie an Bedeutung verloren hat bzw. zusammengebrochen ist.[2109]

Brachland oder (Er-)Lebenswelt

Diese Regionen definieren sich als wirtschaftliche und politische Sorgenkinder oder Stiefkinder. Und während der Erfolg viele Väter hat, der Misserfolg dagegen ein Waisenkind ist, sind die Kreise überschaubar, die sich ein vitales Interesse an der eigenständigen Entwicklung dieser Gebiete leisten. Konzepte und Lösungsversuche von oben und außen sind gut gemeint, aber oft halbherzig und deshalb zum Scheitern verurteilt. Lobbying für eine Minderheit (die sich noch dazu selbst immer weiter dezimiert) bringt weder Geld noch Ehre. Den Regionen selbst fehlen Ressourcen und Kapazitäten, ihre Erfordernisse offensiv anzugehen, denn diese haben die Region in Richtung und zu Gunsten der Zentralräume und deren besseren Chancen verlassen. Ist die Entleerung der Peripherie also ein sozialevolutionäres Naturgesetz? Mutiert der ländliche Raum zum Naturpark, zum Refugium und Erholungsraum für Städter oder dort, wo die Natur weniger attraktive Reize zu bieten hat, zum Brachland? Bisher waren es die geografischen Bedingungen, die Randlage, die eine Position im wirtschaftlichen Abseits zur Folge hatten. Aber kann in Zeiten, da (gar nicht mehr so) neue Technologien die Welt zum Dorf werden lassen, in der räumliche Distanzen virtuell überwunden werden können, die geografische Lage eines Lebensraumes noch derart von Bedeutung sein? Ist es möglich, die Schere zwischen Lebensraum und Arbeitsfeld zu schließen? Können dann auch Hochgebildete in einer Region gehalten werden und ihr Wissen und ihre Kompetenzen zum Bestehen der Gemeinwesen einsetzen? Welche Vorgaben muss eine Region leisten, was darf sie von den RückkehrerInnen erwarten?

Die gegenwärtige gesellschaftliche Entwicklung schwankt zwischen den Polen zunehmender Urbanisierung und Suburbanisierung auf der einen und immer stärkerer Betonung der naturräumlichen (Er-)Lebenswelten auf der anderen Seite. Die Menschen wohnen immer mehr in den Städten (oder Dörfern, die sie zu Vor-Städten gemacht haben) und wollen immer mehr Zeit auf dem Land/in der Natur verbringen. Ländliche Regionen laufen Gefahr, zu temporären (in Wochenend- und Urlaubszeit aktivierbaren) Freizeitparks für Tagesgäste aus der Stadt zu mutieren, mehr Refugium als Lebensraum zu sein.[2110] Um als Lebensraum eine Zukunft zu haben, brauchen Regionen tragfähige soziale Gefüge, Gemeinwesen, Personen, die soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Funktionen übernehmen. Abwanderung, die über die natürlichen, biografischen Wanderungsbewegungen hinausgeht, gefährdet die Tragfähigkeit der sozialen Systeme und Subsysteme auf dem Land.

Bildung und Abwanderung

Es ist kein aktuelles Phänomen, kein Lungau-Spezifikum, dass die Zentralräume von den Kapazitäten des Hinterlandes, der Nutzung der Human Ressourcen der Peripherien profitieren. Das sozialwissenschaftlich Originäre an der vorliegenden Situation ist, dass Regionen wie der Lungau (oder die neuen deutschen Bundesländer oder die neuen EU-Mitgliedstaaten) durch einen prolongierten Verlust dieser Kapazitäten an den Rand der Funktionsfähigkeit ihrer sozialen, wirtschaftlichen und kommunalpolitischen Strukturen geraten, und diese Negativ-Dynamik mit (Förder-)Mitteln aus den zentralen Töpfen (Land/Bund/EU) gemindert oder verhindert werden soll. Die Regionen investieren in die schulische (und soziale) Grundausbildung der heranwachsenden Generationen, kommen aber selten in die Lage, den Output dieser Investition für sich nutzbar machen zu können. Stützungs- und Förderungsmaßnahmen von außen verfestigen den innerregionalen Status eines Entlehrungs- bzw. Entwicklungsgebietes. Durch diese Imagezuschreibung verlieren die Regionen weiter an Attraktivität für Betriebsansiedlungen, Unternehmensgründungen und als Zielgebiet für innovationsfreudige Arbeitnehmer.

Bildung ist in Industrienationen bzw. in post-industriellen Gesellschaften ein Schlüsselfaktor für die Erlangung (den Erhalt) sozialer und gesellschaftlicher Schlüsselpositionen. Die Bildungsoffensive der 70er-Jahre in Österreich, die Etablierung höherer Schulen in den Bezirken hat begabten jungen Menschen im ländlichen Raum neue Möglichkeiten geschaffen. Der Schulbesuch war nicht mehr zwingend mit Internatsunterbringung (und deren Kosten) verbunden, Gratis-Schulbücher, Schülerfreifahrt und Heimbeihilfen erlaubten auch weniger begüterten Familien, ihren Kindern die Hochschulreife oder die Matura an berufsbildenden höheren Schulen zu finanzieren. Die Zahl der MaturantInnen und HochschulabsolventInnen stieg auch am Land stetig. Allerdings war und ist der regionale Arbeitsmarkt nicht im Stande, das neu gewonnene Potential zu binden und zu nützen. Der bessere und vor allem breitere Zugang zur höheren Bildung hatte den so genannten Fahrstuhleffekt zur Folge: Eine ganze Generation (bzw. ein großer Anteil davon) schaffte den Aufstieg in die nächst höhere soziale Schicht, strebte in die höheren, besser bezahlten Erwerbssegmente. Weitere Pendlerströme und verstärkte Abwanderung aus Berufs- und Einkommensgründen waren und sind die Folge.

Heidis Bildungs- und Berufskarriere

Mit einer umfassenden Situationsanalyse der Bildungs- und Berufskarrieren der aus dem Lungau stammenden Maturantinnen und Maturanten der letzten 20 Maturajahrgänge (1980–2000) wurde ein schlüssiges Bild der potentiellen innerregionalen Bildungseliten gezeichnet.[2111] Eine überdurchschnittliche Erwerbsquote, (besonders bei den befragten Frauen) eine hohe Berufs- und Einkommenszufriedenheit, vielfältige und spannende Berufsbiografien, starke Bindungen an und eine hohe Identifikation mit der Herkunftsregion auch bei den Exil-LungauerInnen treten zu Tage. Im zweiten Teil des Projektes wird mittels 80 problemzentrierter Interviews eine umfassende Innensicht dieser Lungauerinnen und Lungauer sowohl zu ihrer individuellen Einstellung und Bindung zur Herkunftsregion als auch zur Situation im Lungau allgemein gewonnen. Dieses Sample setzt sich aus so genannten DableiberInnen (12), HeimkehrerInnen (19), Unentschlossenen (10), EmigrantInnen (29) und ImmigrantInnen (10) zusammen. Es ist ein Querschnitt derjenigen befragt worden, denen am ehesten zugetraut (zugemutet) werden kann, für die Entwicklung der Region einen nachhaltigen Beitrag leisten zu können.

Im Schulbereich waren im Lungau in den letzten Jahren Bemühungen sichtbar, das Angebot an die aktuellen beruflichen Erfordernisse anzunähern, sich zu profilieren und zu positionieren. Die SchülerInnenzahlen im Lungau sind aber rückläufig, immer mehr Jugendliche nutzen höhere Bildungseinrichtungen außerhalb der Region. Diese Entwicklung kann auf das Fehlen eines Oberstufengymnasiums zurückzuführen sein. Die Schwerpunktbildung an den Schulen erweitert die eingeschränkten Möglichkeiten nicht. Die starke Ausrichtung auf Zukunftstechnologien und Multimedia hebt die Schul- und Ausbildungsqualität, erhöht jedoch nicht die Vielfalt der Ausbildungsmöglichkeiten.[2112] Der Abwanderung in Richtung berufsbildende höhere Schulen kann damit nicht wirkungsvoll begegnet werden.

Bildungslaufbahnen

Die regionale Situation der Verteilung der SchülerInnen zwischen örtlichen Hauptschulen und Unterstufe der höheren Schule im Zentralort deckt sich mit den Schulbesuchsmustern in ländlichen Räumen allgemein. Kinder aus Tamsweg besuchen eher das Gymnasium, SchülerInnen aus den anderen Gemeinden bleibt nach der Hauptschule meist nur die Wahl zwischen HAK oder Pendeln.[2113] Die Bildungslaufbahnen ziehen unterschiedliche berufsbiografische Konsequenzen nach sich. Während AbsolventInnen der HAK eher dazu neigen, gleich ins Berufsleben einzusteigen, und dies in ihrer Herkunftsregion tun (oder es wenigstens versuchen), neigen AHS-AbsolventInnen zu ausgedehnteren Bildungskarrieren, die eine Rückkehr unwahrscheinlicher werden lassen. Die Grundannahme dieser Studie – „je höher (die Bildung), desto (dauerhafter) weg“ – kann als bestätigt angesehen werden.

In der Schulbewertung durch die ehemaligen SchülerInnen schneiden die außerhalb des Lungaus liegenden Maturaschulen etwas besser ab als die innerregionalen. Dieser Bewertungsbonus kann dadurch bestimmt sein, dass bei der Entscheidung, eine auswärtige Schule zu besuchen, eine stärkere Eignung für den Schultyp, individuelle Neigung und Identifikation mit den Schulzielen eine größere Rolle spielen. Die Vermutung, dass eine Schule nicht aus reinem Interesse, sondern eher als Notlösung gewählt wurde, dürfte vor allem auf die HAK Tamsweg zutreffen, wo jede dritte MaturantIn angegeben hat, lieber eine andere Schule besucht zu haben. Hinsichtlich der Vorbereitung auf das Berufsleben oder Studium erfahren die Schulen eine ihren Ausbildungsschwerpunkten entsprechende Zustimmung. Allerdings fühlen sich von denen, die nach dem Gymnasium Tamsweg eine weiterführende Ausbildung genossen haben, weniger als die Hälfte durch ihre Grundausbildung gut auf das Studium vorbereitet; von den BHS-Absolventen sind es in der subjektiven Einschätzung ebenso wenige, die optimale Voraussetzungen für ihr späteres Berufsleben aus der Schule mitbekommen haben. Im Bereich soziale Kompetenz sowie bei der Übertragung des Schulwissens zur Alltagstauglichkeit bestehen noch Entwicklungs- und Verbesserungspotentiale. Der Trend der letzten Jahre zu mehr fächerübergreifendem Unterricht und neuen Fächern/Lehrinhalten wie Konfliktmanagement zeichnet sich bei der Beurteilung unserer Befragten schon leicht ab, dieser Bereich ist allerdings noch ausbaufähig und ihm sollte auf Grund der Erfordernisse des gehobenen Arbeitsmarktes nach Führungskompetenzen und Schlüsselqualifikationen besonderes Augenmerk geschenkt werden.

Berufspotentiale

Die Erwerbsquote innerhalb der Stichprobe liegt weit über dem Durchschnitt in der Gesamtbevölkerung, was besonders auf Grund des hohen Frauenanteils bemerkenswert ist. Auch von den im Lungau ansässigen befragten Frauen steht ein hoher Prozentsatz im Erwerbsleben. Zwei Drittel der Befragten haben nach der Matura Akademien oder Universitäten besucht. Die Grundgesamtheit bietet ein breites Spektrum an beruflichen Kapazitäten. Es zeigt sich eine hohe Berufs- und Einkommenszufriedenheit, was sich aus der weitgehenden Deckung der Berufswünsche, -ausbildungen sowie der tatsächlich ausgeübten Berufe erklären lässt. Der Arbeitsmarkt im Lungau wird realistisch eingeschätzt. Chancen für AkademikerInnen und andere Höhergebildete werden als gering erkannt, persönliche Arbeitsmöglichkeiten in der Region von den wenigsten gesehen. Diejenigen, die sich am Lungauer Arbeitsmarkt positionieren konnten, zeichnen wider Erwarten ein positiveres Bild der Lage. Berufsimmanente Faktoren stellen den Hauptgrund für die Wanderungsströme des kreativen und innovativen Potentials dar.

Zwischen Veränderung und Beharrung

Die soziale und emotionale Bindung der Befragten an die Region ist, oft auch nach Jahren, die in anderen Lebenszusammenhängen verbracht wurden, bei den meisten enorm hoch. Besonders ausgeprägt ist dieser Heimwehfaktor bei denjenigen, die noch sehr jung sind und erst kürzlich die Region verlassen haben. Die Bindungsintensität verliert sich etwas mit den Jahren, es findet eine gewisse Emanzipation von Familie und Herkunftsregion statt. Das individuelle, selbst gewählte Exil wird mit zunehmendem Alter mehr zur Heimat, die Herkunftsregion bleibt aber emotionales Zuhause. Bei denjenigen, die einen Großteil ihres Erwachsenenalters außerhalb der Herkunftsregion verbracht haben, kommt so etwas wie ein Heile-Welt-Faktor zum Tragen. Das was man verlassen hat, soll so bleiben wie es ist, bis man, vielleicht, wiederkommt. Dementsprechend sind die Veränderungswünsche bei denen, die in der Region leben, stärker ausgeprägt. LehrerInnen im Lungau konnten als Gruppe ausgemacht werde, die sich stärker als andere durch eine gewisse Zufriedenheit mit der sozialen Situation auszeichnet, eher Beharrungs- als Innovationswillen zeigt, was in der (relativen) Arbeitsplatzsicherheit und der Vielfältigkeit der persönlichen Möglichkeiten für gesellschaftliches und kulturelles Engagement begründet liegen kann.

Visionäre und Angepasste – Apokalyptiker und Integrierte?[2114]

„Survival of the fittest“ – diese These von Herbert Spencer (1820–1903), oftmals Charles Darwin (1809–1882) zugeschrieben, meint nicht das Überleben der Besten, sondern der Bestangepassten. Diejenigen, die ihren Lebensmittelpunkt im Lungau sehen, weisen verstärkt pragmatische Tendenzen in ihren Wertungen auf, es scheint eine Anpassung der Wünsche an die Wirklichkeit erfolgt zu sein. DableiberInnen sind keine Versager. Sie finden sich ebenso häufig in der Reihe jener, die ihr persönliches Berufsziel erreicht haben. Die Pragmatischen sind auch nicht die Resignierten, sie zeichnen sich vielmehr durch eine hohe Identifikationsrate aus, die aber mit einer ausgeprägten Bereitschaft und ausgesprochenen Forderung nach moderater Veränderung (kein „Lungoland!“) im Lungau einhergeht. Veränderungen sind für die Ortsfesten wichtiger als für die Mobilen, da alltägliche Erfordernisse der Lebensraumgestaltung und -sicherung, der Attraktivität einer Kultur- und Konsumlandschaft im Mittelpunkt ihrer Interessen stehen. Diese Erfordernisse können hinsichtlich der Wünsche derer, die sich eine konservierte Schauwelt Lungau erträumen, ein Spannungsfeld ergeben. Da die Wanderungsströme derjenigen, die den Lungau (wahrscheinlich für immer) verlassen haben, vor allem in Richtung Großstadt gehen, ergibt sich bei diesen eine höhere Wertschätzung des Lungaues als Naturraum. Die Wünsche der Ortsfesten sind aber bei Regionalkonzeptentwicklungen höher zu gewichten, ebenso wichtig sind die Anliegen der Vielleicht-RückkehrerInnen. Je mehr Zeit außerhalb vom Lungau verbracht worden ist, desto unwahrscheinlicher wird die Rückkehr. Es handelt sich dabei vor allem um die formal Höhergebildeten. Unangepasstheit bzw. Versagertum konnten nicht als vorrangige Gründe für Wanderungswünsche identifiziert werden. Ortsfeste müssen aber mehr soziale Nähe dulden (ertragen können), mehr soziale Beziehungen eingehen, die nicht auf Affinität und Sympathie beruhen, sondern situationsspezifisch sind.

Fragen und Hypothesen zum zweiten Projektteil

Das zweite Projektjahr (2001) hatte eine qualitative Vertiefung der Ergebnisse zum Ziel. Die bereits angedeuteten Idealtypen (DableiberInnen/Ortsfeste, HeimkehrerInnen, EmigrantInnen/Mobile) wurden mittels eines Theoretical Sampling erfasst und beschrieben. Die Kategorie derer, die vielleicht zurückkommen werden, wurde spezifiziert (Unentschlossene), deren Gründe eruiert, die These der größeren Genügsamkeit als Bleibefaktor sollte durch weitere Analysen und qualitative Interviews überprüft werden. Das Spannungsfeld zwischen Wunsch und Wirklichkeit von Ortsfesten und Mobilen wurde näher beleuchtet, die Argumente hinter dem Argument Nr. 1 fehlender Arbeitsplatz wurden beleuchtet. Ebenso die Frage: Kann das (kreative und innovative) Potential zur Entwicklungskapazität werden – und wenn ja, wie? Welche personellen Kapazitäten (Ressourcen) nutzt die Region – welche lässt sie brachliegen? Welche individuellen Gründe geben die befragten Personengruppen an, die sie an den Lungau binden bzw. die sie von einem dauernden Leben in der Region abhalten? Welche Vorzüge werden der Region zugestanden, wo werden die Schwächen der Region gesehen? Wie stellt sich der soziale Alltag im Lungau für Personen dar, die auf Grund ihrer Bildungs- und -biografien, auf Grund ihrer vielfältigen Vergleichsmöglichkeiten auf einem hohen Reflexionsniveau im Stande sind, die innerregionalen mit anderen Lebenszusammenhängen zu vergleichen? Wo werden die Vorteile der Region gesehen, welche sind die markantesten Nachteile?

Platz für neue Eliten?

In diesem Zusammenhang ist ein spezifisch ländliches, grundlegendes soziales Problem im Bereich der vertikalen Mobilität (Umbruch der sozialen Schichtung) zu beachten. Für die Umformung des sozialen Gefüges in den Regionen kann es von immanenter Bedeutung sein, dass homogene soziale Gefüge keine wirklichen Eliten, vor allem keine neuen autochthonen dulden. Lediglich die neuen Bildungseliten als paraelitäre Bevölkerungssegmente finden einen Platz im Gesellschaftsgefüge. Es stellt sich die Frage, ob das Konzept der lokalen Elite[2115] nicht durch ein Konzept der paraelitären Segmente im pseudo-egalitären Gemeinwesen ersetzt werden muss. Klassische soziale Differenzierungen und Dichotomien Arbeiter/Bauern, Adel/Bürgertum bilden keine schlüssigen Kategorien in der Bewertung der sozialen Wirklichkeit mehr. Konturen weichen sich auf: Der Adel ist abgeschafft, es gibt keine wirkliche bürgerliche Elite, Bauern sind zugleich unselbstständige Erwerbstätige. Schichtzugehörigkeit wird über Bildung und Einkommen, weniger über Herkunft generiert. Schein und Sein sind schwer unterscheidbar. Die These lautet, ob die Tatsache, dass die Herkunftsgemeinschaft niemanden aus dem eigenen Kreise groß werden lässt, eine gläserne Decke für Höher- und Hochgebildete in Abwanderungsregionen darstellt und damit eine Rückkehr theoretisch verhindert bzw. erschwert.

Hinter dem Vorhang

Auch die Tatsache und das vorhandene Ausmaß der sozialen Kontrolle muss als psychosozialer Hinderungsgrund für die Rückkehr in die Herkunftsregion thematisiert werden. Enge soziale Bindungen, wie sie in kleinräumig strukturierten Gemeinwesen, geprägt durch ein enges Interaktionsnetz in Großfamilie, Verwandt- und Nachbarschaften und anderen, engmaschigen soziokulturellen Netzwerken entstehen, stellen einen prägenden Sozialisationsfaktor dar. Kinder in urbanen Räumen werden meist in und durch Klein- (und Kleinst-)familien sozialisiert (zwei Generationen; [Vater]–Mutter–1 Kind). Das übrige Beziehungsnetz der Heranwachsenden generiert sich durch professionelle und selbst gewählte Kontakte und ist weitgehend individuell gestaltbar (Freunde, Bekannte, Kindergarten- und Schulumgebung), Veränderungen sind im Bereich des Möglichen. Kinder, die in der sozialen Verdichtungszone Dorf aufwachsen, erfahren ihre Lebenswelt stärker determiniert: Es spielen vielmehr Menschen darin eine Rolle, die man sich nicht selbst ausgesucht hat. Sozialisation passiert, indem man in die dörfliche Gemeinschaft hineinwächst, einen Platz dort findet – oder auch nicht. Damit das innovative, kreative Potential die vakanten Plätze ausfüllen kann, ist neben Wanderungs- auch Wandlungsvermögen bzw. der Aufbau von individuellen Resistenzen gegen den Zugriff der Umwelt notwendig.

Ergebnisse und Analyse der Interviews

Die aktuellen Wohnsitze der 80 InterviewpartnerInnen verstreuen sich über ganz Österreich und weit darüber hinaus[2116] viele Lehr- und Wanderjahre erstreckten sich über mehrere Stationen. Alle Gespräche wurden wörtlich transkribiert und einer qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen. Wie sind die Aussagen zu deuten, was heißen sie in den individuellen biografischen Zusammenhängen, was heißen sie für die Region? Wo lassen sich Ansatzpunkte zu einer Veränderung und Verbesserung der Situation finden, welche Hindernisse sind zu überwinden, auf welche Gruppen und Personen kann man bei Veränderungen zählen? Wie hoch ist das Interesse an der Entwicklung der Region von den Exil-LungauerInnen wirklich noch? Welche Angebote müsste die Region setzten, um denen, die den Gedanken an eine Rückkehr noch nicht aufgegeben haben, ein Heimkommen zu erleichtern? Gleichzeitig wird der Versuch einer Generalisierung unternommen, es wird geprüft, inwieweit die Erkenntnisse, die für den Lungau erhoben worden sind, auf andere Regionen (Abwanderungsgebiete mit hohem autochthonen Innovationspotential) mit vergleichbaren Problemen und Aufgabenstellungen angewendet werden könnten, um der vorliegenden Arbeit eine überregionale Dimension zu verleihen.

Wanderungspotentiale oder warum sie weggehen und nicht wiederkommen

Die Schere zwischen dezentralen Bildungspotentialen und den regionalen Arbeitsmärkten wird bislang nicht kleiner. Die Tendenz in Richtung Ballungsräume ist zwar vom Trend, die Firmen in die so genannten Speckgürtel an den Stadtrand zu verlegen, überlagert worden, dies hat aber für die Arbeitsmarktsituation auf dem Land keine positive Veränderung mit sich gebracht. Auch in den ländlichen Räumen ist eine Veränderung der Lebens- und Einkommensfelder von der Substitutionswirtschaft hin zur Erwerbsarbeit für immer größere Teile der Bevölkerung üblich. Am existenziell zwingenden Faktor Teilnahme am Erwerbsleben kommt kaum jemand vorbei. Das Argument Nr. 1 Arbeitsplatz ist aber nur einer der Faktoren, die viele der Befragten von einem dauernden Leben in ihrer Herkunftsregion abhalten. Daneben gibt es eine Reihe von psychosozialen und soziokulturellen Aspekten, die ein Wiedereinfügen in die Gesellschaft, aus der man im wörtlichen Sinne herausgewachsen ist, individuell erschweren bis verunmöglichen. Die Argumentationsaura um das Themenfeld Arbeitsplatz im Lungau hat eine ganz eigene Dynamik. Versatzstücke aus der öffentlichen Diskussion tauchen immer wieder auf und werden wie automatisch repetiert. Der Gedanke liegt nahe, dass mit dem Arbeitsplatzargument ein Rechtfertigungsmythos bedient wird, ein individuell angepasster Bausatz eines gängigen Fertigteilargumentes zur Anwendung kommt. Es ist leichter, denen, die im Lungau auf einen warten, zu sagen, „Ich kann dort nicht leben“ als „Ich will dort nicht leben“.

Schönste Karriere-Sackgasse Österreichs

Das Arbeitsplatz-Argument ist im vorliegenden Zusammenhang immer noch das vordergründigste und unausweichlichste. Glauben die Befragten zu Beginn ihres Ausbildungs- und Berufsweges vielfach, sie würden den Weg zurückfinden, haben sie sich diesen Gedanken bis zum Abschluss ihres Studiums, spätestens nach den ersten ernüchternden Erfahrungen bei der Jobsuche (die nicht zwingend im Lungau stattfinden und scheitern muss) weitgehend abgewöhnt. Einige hegen den Wunsch, im Lungau zu arbeiten weiter, verschieben aber den Vollzug der Arbeitsplatzsuche auf später. Die, die einen der raren Arbeitsplätze für Höherqualifizierte im Lungau ergattert haben, sehen sich mit kaum vorhandenen Aufstiegschancen konfrontiert. Die Befürchtung lautet: Wer in den Lungau zurückgeht, hat sich mit der Eingeschränktheit seiner beruflichen Möglichkeiten abgefunden, hat sich, zumindest was die beruflichen und fachlichen Entwicklungsmöglichkeiten angeht, innerlich zur Ruhe gesetzt. Der Lungau stellt in diesem Argumentationszusammenhang die naturräumlich vielleicht schönste Karriere-Sackgasse Österreichs dar.

Intellektuelle Vereinsamung

Das in den Gesprächen manchmal als erzählgenerierender Stimulus benutzte Schlagwort intellektuelle Vereinsamung als Synonym für das permanente oder sich periodisch wiederholende Verlassenwerden der DableiberInnen/HeimkehrerInnen von ihrem hoch mobilen Freundeskreis wurde von den meisten Interviewten ungern in dieser Form akzeptiert. Zum einen, weil sie in gut-lungauerischer Manier sich selbst, auch bei einem hohen Maß an geistigen und kreativen Fähigkeiten, nicht als intellektuell bezeichnen (lassen wollten), zum anderen, weil sie versicherten, die intellektuellen Fähigkeiten seien es nicht, die einen Menschen ausmachen. Weitgehend bestätigt wird die Gedankenkette, dass der General-Exodus – das fast geschlossene Weggehen der SchulkollegInnen und Freunde, die „vawaht wia rinke Hirbestblattla üba Land und Stadt“[2117] sind – einen ganz persönlichen Verlust an benötigtem sozialem Umfeld im eigenen Interessensbereich darstellt.

Auch und gerade diejenigen, die in den Lungau zurückgekommen, in Einzelfällen dageblieben sind, sprechen davon, dass es eine unausgewogene temporäre Schieflage im intellektuellen Aufkommen im Lungau gibt. Den saisonalen Highlights, den hohen Feiertagen, den Ferienzeiten, zu denen die Exil-LungauerInnen in Scharen die Herkunftsregion zu Regenerations-, Rekreations- und Resozialisationszwecken heimsuchen, folgen Wochentage, in denen man sich von Gott und der Welt verlassen vorkommt. Bei ihren Aufenthalten im Lungau wird von den Teilzeit-LungauerInnen heile Welt konsumiert, die Natur, die Kleinräumigkeit, die Entschleunigung genossen. Es ist und sei ihnen vergönnt. Der urban-strapazierte Mensch labt sich an der Tatsache, dass die Menschen, die dort geblieben sind, mehr Zeit haben, nicht so überlastet sind von Konsum und Entertainment, wähnt sie offen und dankbar für intellektuelle Ansprache und den Hauch von Welt, den man in den Winkel mitbringt.[2118] Derlei Empfindungen wurden in manchen Gesprächen spürbar. Vermutet wird in diesem Zusammenhang, dass auch einer der Gründe, nicht im Lungau zu leben, diese psychosoziale Sperre permanenter Verlustangst darstellt. Es ist besser, nicht zu den Passiven – denen, die saisonal verlassen werden, sondern zu den Aktiven zu gehören – denen, die weggehen können in der Gewissheit, jederzeit wieder heimkommen zu können.

Soziale Kontrolle

Das Stichwort von der Unmöglichkeit der Privatheit trifft auf ländliche Lebensräume nur mehr bedingt zu. Mittlerweile sind Türklingeln auch in Dörfern gebräuchlich, man kann nicht mehr davon ausgehen, dass jeder jederzeit besuchbar ist.[2119] Das Leben auf dem Land wurde teilprivatisiert. Leben im Dorf ist aber immer noch Leben unter den Augen der Öffentlichkeit. Was der Schickeria die Yellow Press, das ist den Village People der Dorfklatsch. Reality-Formate wie „Big-Brother“ und „Taxi-Orange“ haben Menschen, die auf dem Land leben, sicher weniger spektakulär gefunden als Städter, denen Privatheit und Anonymität oberstes Credo ist. Der gläserne Mensch, dessen Konsumgewohnheiten durch Kreditkartengebrauch offen gelegt werden kann, der durch die Ortung seines Mobiltelefons überwachbar ist, dieses von manchen als Horrorvision gehandelte Szenario erschreckt Menschen, die in der sozialen Verdichtungszone Dorf leben, nicht wirklich. Man ist gewöhnt, be(ob)achtet zu werden, gewöhnt, dass private Handlungen von Teilen der Dorföffentlichkeit kommentiert werden. Manche fühlen sich dadurch überwacht und eingeschränkt. Andere entwickeln Resistenzen.

Was die dörfliche Form der sozialen Kontrolle für Resistente erträglich macht, ist, dass sie sich auf einer sehr funktionellen Ebene bewegt. Nicht die Herzensangelegenheiten (außer es handelt sich um Affären), nicht Dinge, die einen wirklich bewegen, sind deren Ziel und Gegenstand. Soziale Kontrolle in ihrem eigentlichen Sinn und zu ihrem eigentlichen Zweck bezieht sich auf die formale Einhaltung von Handlungsübereinkünften, sichtbare Unterwerfung unter (lokal gültige) gesellschaftliche Normen, Achtung vor regionalen Denkmälern und endogenen Heiligtümern. Wer es verstanden hat, sich im Rahmen dieser Gesetze Freiräume zu suchen und zu schaffen, kann in der Winkelwelt leben und glücklich werden. Wer nicht, der nicht. Manchen unserer GesprächspartnerInnen ist der unbefangene Umgang mit der Kehrseite der sozialen Nähe durch ihre urbanen Lebenserfahrungen abhanden gekommen. Sie sehen sich außer Stande, im klar definierten Bezugs-Rahmen einen Platz zu finden, der ihnen nicht die Luft abschnürt. Anderen haben gerade die Jahre in Großstädten die Sinne für die Vorteile eines kleingemusterten (wenn auch manchmal kleinkarierten) sozialen Gewebes, eines feinmaschigen sozialen Netzes geschärft. Diese innerregional gültigen, weitgehend selbstverständlichen, situativ geregelten Interaktionsgesetze des sozialen Zusammenlebens in den Dörfern stehen nirgends geschrieben. Man internalisiert sie in der Kindheit, da ist es relativ einfach. Lernt man sie später, da ist es schon viel schwieriger. Und manche werden, aus Unvermögen oder weil sie es einfach nicht wollen, nie wissen, wie die jeweilige informelle Lokal-Legislative funktioniert.

Rigide Verhaltensnormen brechen zunehmend auf, auch in den Dorfgemeinschaften. Massenmedien als intensiv und exzessiv genutzte Sozialisationsinstanz für Heranwachsende und als Dorfklatschsubstitut für zunehmend immobile Bevölkerungsteile mindern die Verbindlichkeit lokal geltender Verhaltenskodices. Dort, wo sich Gemeinschaften aber über regionale Besonder- und Eigenheiten definieren, verlieren autochthone kollektive Konditionierungsinstanzen nur langsam an Bedeutung. Dort wirken die ungeschriebenen Gesetze der Provinz noch stärker. Darum fällt es Dilettanten und Entwöhnten so schwer, damit umzugehen.

Pseudo-Geborgenheit

Manche beschreiben die dörfliche Nähe als Pseudo-Geborgenheit. Bekanntschaften und Kontakte halten sich auf einer sehr oberflächlichen Ebene. Die viel strapazierte Dorfgemeinschaft gibt klare Regeln vor, wer dazugehört und wer nicht. Unangepasste Lebenskonzepte und ein Abweichen von der Norm werden von wenigen toleriert. Wirkliche Nähe erfährt man nur im engeren Beziehungsgefüge. Besonders wird die mangelnde Tiefe der Alltagsbeziehungen von denen beklagt, die mit den ländlichen Beziehungs- und Kommunikationsmustern nicht von klein auf vertraut sind. Wenn man mit einem Interaktionsschema aufgewachsen ist, wo man sich seine Bekannten und Freunde (die meisten zumindest) selbst aussuchen kann, aus diesem Grund ein höheres Maß an Sympathie und Affinität für sie empfindet, hat man höhere Erwartungen an sie. Alltagskontakte und soziale Gebrauchs-Beziehungen sind in den Dörfern auf einen meist größeren Personenkreis bezogen. Die Gartenzaun-[2120], Gassen- und Zufalls-Interaktionen sind häufiger. Dadurch ist der Umgang miteinander zwangsläufig weniger intensiv. (Man kann und muss nicht alle Leute mögen, die einen auf der Straße grüßen. Aber man muss sie grüßen, auch wenn man sie nicht mag). Es ist von der sozialpsychologischen Belastbarkeit her, im Sinne der individuellen Psychohygiene unmöglich, mit allen Bekannten permanent herzlichen Umgang zu pflegen. Niemand kann Hunderte beste Freunde/Freundinnen haben. Das hält kein Mensch aus.

Eine gläserne Decke

Analog zur Karriere-Sackgasse kann das Leben im Lungau auch als individuelles Entwicklungshemmnis gesehen werden. Obwohl Fleiß und die Erarbeitung (bescheidenen) Wohlstandes zu den Kardinaltugenden in den überkommenen Wertehierarchien agrarischer Gesellschaften gehören, so macht sich doch verdächtig, wer sich zu weit von seinem angestammten Platz entfernen will, noch mehr, wer sich zu hoch darüber erheben will. So brachte die, außerhalb des Standardablaufes der Interviews angesiedelte Frage „Kann man im Lungau als LungauerIn etwas werden“ manche GesprächspartnerInnen ins Zaudern. Diese Frage hatten sie sich selbst noch nicht gestellt. Die faktische Unmöglichkeit, im Lungau eine adäquate berufliche Position zu erringen, hat die Frage danach, ob es die Herkunftsgesellschaft zulassen würde, eine dem Beruf, aber der Herkunftsschicht nicht entsprechende soziale Position einnehmen zu dürfen, erst gar nicht aufkommen lassen.

Im Lungau herrscht die langjährig geübte, systemstabilisierende und in weiten Teilen der Bevölkerung wohl auch akzeptierte Tradition, Schlüsselpositionen mit Auswärtigen zu besetzen. Bezirkshauptmänner, Richter, Schulleiter, selbst die Kirchenmänner, die in den letzten Jahrzehnten weit zahlreicher aus dem Lungau kamen, als es seiner geringen Bevölkerungszahl entsprochen hätte, kamen oft oder sogar meist von anderswo.[2121] In früheren Jahren konnte dieses Besetzungsmuster mit dem Mangel an geeigneten Personen, mit entsprechender Qualifikation und fehlender Erfahrung der eigenen Leute gerechtfertigt werden. Mittlerweile könnte man, allein aus der vorliegenden Stichprobe, theoretisch jede Schlüsselposition innerhalb der Region mehrfach mit geeigneten Leuten besetzen. Der Hang dazu, Führungsfunktionen, die hohen Verwaltungsämter, an Auswärtige zu vergeben, lässt auch einen anderen, diffizileren kausalen Zusammenhang vermuten. Solange diejenigen, die nicht aus den eigenen Reihen kommen, die Entscheidungen und damit auch mögliche Fehlentscheidungen treffen, kommt man nicht in die missliche Lage, die eigenen Leute hängen zu müssen, weil sie endogene Interessen verraten, sich illoyal gegenüber den Ihren verhalten haben. Eine autochthone Schlüsselfigur, die überregionale Interessen über die der Region stellen würde, hätte keinen leichten Stand dort. Die Vermeidungsstrategien der LungauerInnen, sich zu sehr aus der Menge herauszuheben, sich zu exponieren, wurden mehrfach thematisiert. Die Angst vor der ersten Reihe ist kein Lungauer Phänomen, sondern zeichnet auf sozialethologischem Hintergrund die österreichische Gesellschaft als Ganzes aus, ist ein fatum austriacum.

Erfolgsangst

Vielen LungauerInnen wird von unseren GesprächspartnerInnen zugestanden, dass sie das persönliche Potential, die Zähigkeit und Ausdauer, auch den Ehrgeiz haben, es zu etwas zu bringen. Vielerlei Erfolgsstorys, die uns zu Gehör gebracht wurden, von lungaustämmigen Führungskräften in ganz Österreich, im europäischen Ausland und weit darüber hinaus, zeugen davon. Allerdings tritt bei Handlungen, die im Lungau selbst gesetzt werden, ein gewisses Maß an Erfolgsangst zu Tage, wenn es darum geht, einen über die anerkannte Werthierarchie hinausgehenden und zugestandenen sozialen Aufstieg anzustreben. Viele unserer GesprächspartnerInnen lassen sich als klassische soziale Aufsteiger definieren. Aus einfachen Verhältnissen stammend, dadurch nicht übermäßig anspruchsvoll, mit außerordentlichen intellektuellen Fähigkeiten, sozialer Kompetenz, nicht zimperlich (winterhart), ausdauernd und anpassungsfähig, belastbar, nicht von Haus aus zur Renitenz neigend. Durch Fleiß und einen gesunden Ehrgeiz entsprechen sie dem Idealbild eines Arbeitnehmers auch in der mittleren oder oberen Führungsebene.

Gerade diese Gruppe der sozialen Aufsteiger ist es aber, die sich bei allzu großem persönlichem Erfolg der so genannten ehrlichsten Form der Anerkennung, dem Neid der sozialen Umgebung, der der Aufstieg in die nächst höhere Etage nicht gelungen ist oder aus welchen Gründen auch immer verwehrt blieb, stark aussetzt. Es ist besser wegzugehen, um weiterzukommen. Oder ist es gar unumgänglich wegzugehen, um weiterzukommen? Es ist unzweifelhaft leichter, sich außerhalb der rigiden Herkunftsstrukturen aus dem Korsett der sozialen Zuordnung zu befreien und sich jenseits der Familien-Tradition, der Lokal-Geschichte, der Mirabilien und Anekdoten, die sich um die eigene Kindheit ranken, zu entwickeln. Erringt man, aus dem Lungau kommend, anderswo Amt und Würden, Titel und Mittel, so ist es durchaus im Bereich des Möglichen und Denkbaren dafür in der Herkunftsregion Zustimmung, Lob, Anerkennung und öffentlichen Beifall zu ernten. Der Lungau ist stolz auf seine erfolgreichen weichenden Kinder.[2122]

Anders jedoch, wenn man innerhalb der Herkunftsregion groß wird. In Positionen, die Entscheidungskompetenzen und -erfordernisse mit sich bringen, besteht oftmals die Gefahr, sich Feinde zu machen. Entscheidungen bringen fast immer Gewinner und Verlierer mit sich. Entscheidungen werden für und gegen jemanden getroffen. Beansprucht jemand aber eine Schlüsselposition im öffentlichen Leben, eine Funktion in der Gemeinschaft, die bislang herkunfts-visum-pflichtig war, kann man zwischen den Ebenen hängen bleiben. Die oben verzeihen einem die Anmaßung nicht, dass man sich auf fremdes Terrain vorwagt, die unten bezichtigen einen des Verrates und der mangelnden Loyalität. Man vermisst die Stallwärme und bekommt es mit der Zugluft an den exponierten Stellen zu tun. Es kann verdammt einsam sein, einsame Klasse zu sein.

Bindungspotentiale oder warum sie dableiben oder wiederkommen

Die im ersten Projektjahr (2000) auf anderem Wege mittels anderer Methode festgestellte Bindung an die Herkunftsregion ist bei den GesprächspartnerInnen meist intensiv, wenn auch nicht friktions- und konfliktfrei. Die ausgeprägtesten Binde-Mittel sind das soziale und naturräumliche Umfeld und eine gewisse Stabilität, eine Permanenz, Verlässlichkeit und Unverrückbarkeit, die von diesen Komponenten ausgeht. Wie von den Bergen eben. Auch Familie ist ein eminenter Bindungsgrund an den Lungau. Hier wird massiv die Herkunftsfamilie thematisiert, die im statistischen Vergleich öfter und in größerer Zahl vorhandenen Geschwister, Großeltern und auch andere Verwandte. Beziehungen zu den Eltern sind für die GesprächspartnerInnen meist Fernbeziehungen. Die enorm starken Bindungen zu den Herkunftsfamilien, die in diesem Zusammenhang zu Tage treten, stellen den Umkehrschluss einer soziologischen Standardformel dar: Räumliche Nähe bedingt soziale Distanz. Hier bedingt/ermöglicht die räumliche Distanz und die Eingeschränktheit der zeitlichen Dimension der Kontakte die emotionale Nähe zu Eltern, Geschwistern, Großeltern, Verwandten, Nachbarn und alten Schulfreunden.

Stallwärme – Von der sozialen Nähe

Das, was die Soziologie unter soziale Nähe versteht, zeichnet den Lungau vielleicht in größerem Maße als die anderen Salzburger Gebirgsregionen aus. Das ist kein Mythos, keine Floskel aus Sonntagsreden, das wird von den Menschen wahrgenommen. Wo es kalt ist, neigt man eher zum Zusammenrücken. Auch wenn man die Heiz-Körper nicht liebt, sondern sich vorrangig ihrer Funktionalität bedient. Landstriche von der naturräumlichen Schönheit des Lungaus sind oft durch soziale Störvariablen wie einen exzessiv gemeinschaftslähmenden Tourismus geprägt. Gemeinsinn in touristisch überformten Orten wird weniger gelebt, eher demonstriert und als Parole strapaziert. Kommunale Konzentration auf den Waren-Charakter des Lebensraumes bringt Spannungen und Zielkonflikte mit sich. Der Slogan „Alles für den Gast“ kann von den ständigen Bewohnern der Fremdenverkehrsregionen, nicht zu Unrecht, als Drohung gedeutet werden. Die subjektiv empfundene Geringachtung der Bedürfnisse der BürgerInnen in Fremdenverkehrsorten dämpft längerfristig die Gast-Freundlichkeit. Eine überzogene miasanmia-Haltung als kollektive Notwehr ersetzt das Leben in der Gemeinschaft, für das kaum mehr Zeit bleibt.

Im Lungau gibt es einige wenige Gemeinden, die den Zügen dieser Gesetzmäßigkeit unterliegen. Die meisten Gemeinden im Lungau, besonders die kleineren, zeichnen sich aber durch ein ausgeprägtes Gemeinschaftsleben aus. Ländliche Sozietäten von der Qualität des Lungaus –ausgedrückt in Mehrpersonen- und -Generationen-Haushalten, geringen bis kaum vorhandenen Kriminalitätsraten, hoher Organisationsdichte der Bevölkerung in Vereinen und Initiativen etc. – sind selten geworden. Mit wenigen Ausnahmen werden den Ausprägungen der sozialen Nähe in den Gesprächen positive Erfahrungen und Aspekte zugestanden. Die meisten verbrachten ihre primäre Sozialisation innerhalb eines dichten Beziehungsnetzes, bestehend aus Familie, Verwandtschaften, Nachbarschaften und sehr haltbaren Freundschaften. Vor allem für Heranwachsende werden diese Form des sozialen Geflechts und die weitgehende erhaltene Stabilität der überkommenen Strukturen als hilfreich und vorteilhaft empfunden. Die Kehrseite dieses Faktors soziale Nähe, die Einengende, die Beschneidende, steht auf einem anderen Blatt (in einem anderen Kapitel).

„Indianerwelt“[2123] – Kindheit im Lungau

Mit der Behauptung, man hatte eine glückliche Kindheit, macht man sich im durchtherapeutisierten Alltag der Gegenwart schon fast eines übermäßig ausgeprägten Verdrängungspotentials verdächtig. Kindheit im Lungau wurde, bis auf wenige Ausnahmen, von unseren GesprächspartnerInnen als Geschenk empfunden.[2124] Kindliche Lebenswelten im Lungau unterliegen weniger stark der Verinselungs-Tendenz der Gesamtgesellschaft. Frei-Räume im Zusammenhang mit der Kindheit im Lungau beziehen sich nicht nur auf das Übermaß an (frei verfügbarer) Natur im unmittelbaren Umfeld, Frei-Raum bezieht sich auch darauf, dass der kindliche Alltag im Lungau weniger stark institutionalisiert ist (oder vielleicht auch war). Die im urbanen Raum gebräuchliche Segmentierung der Alltagswelten (Kinder/Erwachsene/Alte/Arbeit/Freizeit/Lernen/Spielen etc.) findet dort erst in Ansätzen statt. Weder räumlich noch zeitlich kommt es zu einer durchgehenden Isolierung von demografischen Gruppen. Generationenübergreifende Interaktionen müssen nicht speziell organisiert werden.

Kindheitsmythos Heidi-Land

Auffallend ist, dass die Wahrnehmung und Einschätzung der Qualität Lungau einem Wandel im Generationenzusammenhang unterliegen. Je jünger die GesprächspartnerInnen, umso geringer oft die Begeisterung. Für dieses Faktum lassen sich verschiedene Erklärungsansätze finden. Für diejenigen, die ihre Kindheit im Lungau in den 60er- und 70er-Jahren verbracht haben[2125] war das informelle soziale und topografische Koordinatensystem des Lungaus die hauptsächliche Orientierungshilfe bei der Einordnung der eigenen Person in die individuelle Lebenswelt. Im Lungau konnte man, bis zur Verkabelung in den 90er-Jahren, mit ORF 1 und ORF 2 nur zwei Fernsehkanäle empfangen.[2126] Der Motorisierungsgrad war gering, die individuelle Mobilität der Eltern und damit die eigene eingeschränkt. Urlaubsfahrten ins Ausland waren zu dieser Zeit für Normalverbraucher aus den unteren Einkommensschichten unüblich, auch unerschwinglich. In Bauernfamilien kannte man das Wort Urlaub nur als Quartiergeber. Die Indianerwelt der Lungauer Kinder hatte klar definierte Grenzen. Für die Globalisierungs-Kinder, die User-Generation gilt dies nicht mehr.

Beim virtuellen Blick über die Tauern sieht man, was man in der eigenen Umgebung alles nicht hat. West-Fernsehen in der Ex-DDR. Konsum spielt in der Selbstdefinition eine bedeutendere Rolle, traditionelle Familienmuster brechen auch im Lungau auf, virtuelle Sozialisations- und Erziehungsinstanzen machen Großmütter und ältere Geschwister obsolet. Die Wahrnehmung der primären Sozialisationsphase im Laufe des eigenen Lebens verändert sich zudem, man wächst aus manchen Bewertungen heraus.

Aussagen bestätigen, dass sich die individuelle Wahrnehmung und vor allem die Bewertung des Lebens, wie es im Lungau stattfindet, mit den Jahren stark verändert hat. Man ist toleranter geworden, großzügiger, milder in seinen Urteilen über andere (standardisiertere) Lebensentwürfe. Dies zeigt sich allgemein, wenn man das Alter der GesprächspartnerInnen in die generelle Analyse mit einbezieht. Aber auch die Rahmenbedingungen für Heranwachsende haben sich stark verändert. Der Funktionsverlust der Familien, veränderte Lebensbedingungen und die zögerliche Entwicklung bei den sozialen Substitutionseinrichtungen in der Region gefährden das Heile-Welt-Konstrukt Kindheit im Lungau. Verdichtungszonen, wie sie am Rande der Dechantsiedlung in Tamsweg entstanden sind und weiter vergrößert werden, bergen einiges an sozialem Problem- und Konfliktpotential in sich. Der Mythos Lungau, der Mythos Heidi-Land, ist für viele dadurch geprägt, auf Grund der schieren Unmöglichkeit dort dauernd leben zu können/müssen, kaum in Verlegenheit zu kommen, das Kindheitsklischee der akuten Alltagstauglichkeit auszusetzen.

Freizeit im Lungau

Eine Vollversorgung ihrer BewohnerInnen hinsichtlich ihrer Konsum- und Freizeitwünsche wird für eine Region wie den Lungau Illusion sein und bleiben. Viele Angebote sind nicht oder nur eingeschränkt vorhanden, andere im Überfluss. Diejenigen, die ihr Freizeitglück nicht in Outdoor-Aktivitäten sehen, orten die meisten Lücken. Bei ihnen wird die Zufriedenheit mit dem Angebot von individueller Kompensationsfähigkeit und -möglichkeit (Mobilität) bestimmt. Hinsichtlich Naturerleben und damit verbundener Sportmöglichkeiten werden dem Lungau dagegen paradiesische Zustände attestiert. Der Name des regionalen Tourismusverbundes „Ferienregion Lungau“ wird zunehmend zum Programm, auch für Teile der autochthonen Bevölkerung. Vermehrt wird es Menschen geben, die im Lungau aufgewachsen sind und nur einen Teil ihres Lebens (ihre disponible Zeit, die Zeit vor und nach dem Erwerbsleben, Freizeiten) dort verbringen werden. Als Zielgruppen-Region ist der Lungau hervorragend für Kinder, Familien mit kleinen Kindern, ältere Menschen und Outdoor-Begeisterte geeignet. Nicht nur im Urlaub. Die Freizeitlandschaft Lungau lebt vor allem von Natur, im Übermaß vorhanden, und anders als in anderen Gebirgstälern sind Berge und Talböden meist frei von Anlagen und Begleitfaktoren, unbehelligt von touristischen Kolateralschäden. Wer seine Erfüllung in der Nutzung dieses Angebotes findet, wird diese Region schätzen. Wer ein Nutzungs-Profil nach dem Modell Ischgl oder Centre Pompidou hat, nicht. Im Lungau kehren sich die Standard-Nutzungs-Prämissen um: Naturraum ist vor Ort erleb- und konsumierbar, Konsum von Waren und Freizeit-Technologie bedarf der Reiselust.

Kompensationsfaktor Landschaft

Landschaftliche Schönheit der Region, weitgehend unberührte, unverbrauchte Natur, aber auch die Luft und das Klima sind für viele ein Bindungsfaktor, auch ein Kompensationsfaktor, der Konsumnachteile aufwiegt. Die Landschaft ist das, was auswärts am meisten vermisst wird, woran sich der Heimweh-Faktor vorderhand festmacht, und weshalb es viele zumindest temporär in die Herkunftsregion zurückzieht. Dies kommt auch bei denen zum Tragen, die mit den sozialen Ausprägungen des Landlebens eher Probleme haben. Wobei die emotionale Verbundenheit mit der Landschaft, ähnlich wie bei den Eltern, mit der Distanz zu wachsen scheint. Für die, die dauerhaft im Lungau leben, steht die naturräumliche Umgebung weniger im Mittelpunkt der verbalen Darstellung. Sie wird mit einer gewissen Selbstverständlichkeit hingenommen. Man kann nicht jeden Tag, wenn man aus dem Fenster sieht, in Entzücken ausbrechen. Die positive Bewertung des Lungaus fußt auf der Erholungsfunktion und der Tatsache, dass man im Lungau viele Orte finden kann, an denen man die Vorstellung, man sei ganz alleine auf der Welt, kultivieren kann. Fern der Zivilisation, „Robinson“ auf der Alm. Ich habe Feuer gemacht. Für die, die ständig dort leben, nicht nur ein Vorteil.

Diese Funktion als Flucht- und Traumregion für müde Neo-Städter, die aus dem Lungau weggezogen sind, kann eine Gefahr und eine Chance für den Lungau gleichermaßen bedeuten. Zum einen wird die (ständige) Wohnsitzbevölkerung eher weniger werden. Die allgemeine demografische Entwicklung lässt keinen anderen Schluss zu, Abwanderungszahlen sprechen für sich. Solange finanzielle Mittel aus dem Zentralraum nach Bevölkerungsschlüsseln vergeben werden, ist dies ein massiver Nachteil. Von der weiteren sozialen Ausdünnung und dem folgenden Infrastrukturverlust ganz zu schweigen. Zum anderen bietet sich der Lungau als Temporärrefugium für Zivilisationsmüde geradezu an. Nicht nach den überkommenen Modellen der Zweitwohnsitz-Siedlungen, wo Kolonien von Städtern einer Teilzeit-Idylle zustreben, Seelen-Sanatorium für die, die sich im hektischen Alltag verschlissen haben. Die Gefahr, die dahinter lauert, ist, dass die Region sich zum Reservat entwickelt. Hortus conclusus mit Öffnungszeiten. Sozio-Öko-Park mit Dienstleistungsangebot und Betreuungscharakter. Bewohner mit eingeschränkten Rechten. Die B-Seite von „Lungoland“.

Winkelwelt[2127] oder das Konstrukt Heimat

Heimweh gilt in hoch mobilen Gesellschaften als fast ebenso anrüchiger und unpopulärer, fast schon politisch unkorrekter emotionaler Zustand wie eine glückliche Kindheit. Der Begriff Heimat ist in vielen (intellektuellen/ hoch reflektierten) Köpfen besetzt. Raum für eigene Definitionen findet sich kaum. In den Gesprächen gab es (rührend) zaghafte Annäherungen an das persönliche Konstrukt Heimat als Beschreibungen eines Befindlichkeitszustandes, eines ganz persönlichen Gefühls- und Bedeutungskonstruktes. Elemente davon finden sich in der Mentalität der dort lebenden Menschen, einer Entschleunigung der Lebensabläufe, der Kleinräumigkeit und Überschaubarkeit der Lebenszusammenhänge, aber auch in der Abschätzbarkeit und Berechenbarkeit handelnder Personen und der Durchschaubarkeit der entscheidenden Strukturen. Landschaftliche Fixpunkte bieten ebenso Orientierung wie ständig wiederkehrende gesellschaftliche Ereignisse. Menschen wollen in unverwechselbaren, in originären Welten leben. Menschen wollen Identität anhand von Unterscheidbarkeiten ausbilden, Geschlechteridentitäten, soziale Identitäten, kulturelle Identitäten, räumliche Identitäten. Wollen Unikate sein. Um in der hoch und schein-individualisierten Gleichmacherei als Personen wahrgenommen zu werden. Auch hier ist ein Umbruch, ein tief greifender sozialer Wandel, ein Prämissenwechsel im Gange. Der Lungau mit seinen vielfältigen Eigenheiten eignet sich zur Ausbildung von Identität. Man kann sich mit oder zumindest anhand der Region identifizieren. Weil man die Gesetzte der regionalen Lebenswelt internalisiert hat oder sich eine individuelle Gegenwelt erarbeiten musste. Der Lungau ist, auch Jahre nachdem man die Region verlassen hat, im Stande Heimat in einer globalisierten Welt zu sein. Für die, die aus diesem eingegrenzten Lebensraum herausgewachsen sind ebenso wie für die, die ständig dort leben.

Aufriss einer regionalen Mythologie

Regionale Identität lässt sich theoretisch, aber schwer am lebenden Objekt definieren. Zum einen ist die Gefahr der Ideologisierung gegeben, zum anderen der Reiz groß, Prototypen, die nicht dem Standardmodell 08/15 entsprechen im Rahmen einer Definition mehr Beachtung und Gewicht zu verleihen als den Idealtypen.[2128] Nun gibt es in jeder lokalen Gesellschaft Berufene, die sich im Besitz der wahren Formeln, der Ur-Definition, der Exklusiv-Rechte zur Beschreibung des Volkes und des Volkscharakters wähnen. Um mit diesen Instanzen, weder mit den Lebenden noch mit den Toten, nicht in Konkurrenz, schon gar nicht in Konflikt zu geraten, wird auf die Definition einer regionalen Identität der Zielgruppe verzichtet. Anhand der subjektiven Beschreibungen der regionalen Eigen-Heit, den Wahrnehmungen unserer GesprächspartnerInnen, wird in diesem Zusammenhang der Aufriss einer regionalen Mythologie konstruiert. Vieles, was über den Lungau und seine BewohnerInnen von innerhalb und von Außenstehenden gesagt worden ist, ist zum generationenübergreifenden Argumentations-Selbstläufer geworden.[2129] Trotzdem enthalten sie ganz persönliche, subjektiv bedeutende Wahrheiten. Auf einer anderen, höheren, abstrakteren Ebene.

„Irbat is da Himme wia a Mauang“[2130] oder der Heile-Welt-Mythos

Die Beschreibung des Landlebens spielt sich, wo sie öffentlich wahrgenommen wird, zwischen zwei diametralen Extremen ab. Zwischen Romantisierung und Verachtung, zwischen fröhlicher Armut und Bauernproletariat, zwischen heiler Welt und ländlicher Hölle, Karl Heinrich Waggerl und Franz Innerhofer. Innerhofer hat für sich selbst Recht, wenn er die Kälte und Sprachlosigkeit, die um ihn herum herrschte, die Härte des bäuerlichen Alltags, die erfahrene Gewalt für das Elend seiner Kindheit, vielleicht auch für das seines späteren Lebens verantwortlich macht. Diejenigen, die im Lichte seiner Darstellungen reflexartig die ländliche Lebenswelt als insgesamt verlogen und verroht abkanzelten, lassen es an Differenzierung und Weitsicht fehlen. Denn letztlich, so Karl Markus Gauß in einem Nachruf[2131], ist er nicht an den Wunden seiner Kindheit zu Grunde gegangen, sondern an seinem Scheitern in der Welt der großen Wörter und der Gleichgültigkeit, die ihm in seinem späteren Lebensumfeld, in der Stadt, entgegengebracht wurde.

Möglichkeiten, an einem Leben in einer verdichteten Interaktionszone mit schwach ausgeprägter institutioneller Infrastruktur- und Substitutionskultur zu scheitern, sind vielfältig. Persönlich wie kollektiv. Hindernisse und Hürden für das Binnen- und das Innenleben wurden in vielfältigen Ausprägungen beschrieben. Diese reichen von der (geografischen) Randlage, den wirtschaftlichen Erschwernissen bis zu regionalen Ausprägungen der Entscheidungsfindung (Campanilismus, Oligarchien, Systemstabilität versus Innovationsfreude) und Mentalitätsfragen (mangelnde Offenheit, übermäßige Bescheidenheit und Genügsamkeit, Obrigkeitshörigkeit, mangelnder kollektiver Selbstwert bis hin zur Zuschreibung einer kollektiven Schwermut). Das Leben im Lungau spielt sich nicht nur auf der „Sunnseitn“ ab. Manche Lebensbereiche liegen auch im Lungau fast ganzjährig im Schatten. Dem Lungau wird eine hohe Selbstmordrate nachgesagt, auch der – innerhalb einiger Bevölkerungsgruppen permissiv gehandhabte – Alkoholkonsum ist mancherorts beträchtlich. Mit dem Begriff Depression lässt sich nicht nur die wirtschaftliche, sondern auch die psychische Befindlichkeit von Teilen der Region beschreiben. Die Inanspruchnahme professioneller Hilfe ist noch immer mit einem gewissen Tabu belegt. Der Lungau in sich gilt als strukturkonservativ und wertkonservativ. Abweichungen von den geltenden informellen Normen werden zwar zunehmend weniger mit sozialen Sanktionen belegt, werden aber immer noch zögerlich toleriert. Dies gilt für Frauen, die aus der Rolle fallen, ebenso wie für eminentere unangepasste Lebensformen wie z. B. gelebte homosexuelle Beziehungen.

Endogene Lösungen oder der Mythos der regionalen Autarkie

Selbstständigkeit, Eigenständigkeit, Unabhängigkeit sind Komponenten, die in der individuellen und kollektiven Wertehierarchie unserer Gesellschaften ganz oben stehen. Dies gilt für Personen wie für Regionen. Regionen wie der Lungau können sich nicht selbst versorgen. Regionale Autarkie ist ein Mythos. Es geht nicht darum, den innerregionalen Hang zur Ausbildung eines Stiefkinderimages zu bedienen. Der Lungau ist in mancherlei Hinsicht benachteiligt, vor allem in strukturellen Zusammenhängen. In vielerlei Hinsicht ist der Lungau aber ein Sonntagskind. Regionale Autarkie agrarisch geprägter Lebensräume war bedingt möglich in Zeiten, in denen Substitutionsmechanismen das Wirtschaftsleben prägten. Regionale Selbstversorgung, ein ökonomisches Modell, das ausgerichtet ist auf das ausschließliche Wirtschaften in der Region für die Region, ist ein Auslaufmodell. Diese notwendigen und zum Teil schmerzhaften Anpassungsprozesse kennzeichnen auch die Lungauer Wirtschaft.

Der Begriff eigenständige Regionalentwicklung kann auch zu wörtlich genommen werden. In rein endogenen Lösungen steckt auch eine gewisse Gefahr. Mit Stolz werden die Erfolgsstorys der weichenden Kinder des Lungaus erzählt, der Global-Player aus den eigenen Reihen, von denen, die draußen groß und stark geworden sind. LungauerInnen können und dürfen etwas werden. Vor allem dürfen sie außerhalb der Herkunftsgesellschaft erfolgreich sein und nach Möglichkeiten den Lungau und die dort bewährten Strukturen mit ihren Erfahrungen, Ideen und Vorschlägen unbehelligt lassen. Denn Innovationen und erfolgreiche Veränderungen stellen die Tradition in Frage. Veränderte Methoden gefährden das Selbstverständnis derer, die bisher mit dem alten Arsenal tätig waren. Wenn jemand mit einer neuen Idee erfolgreich ist, erfolgreicher als diejenigen, die mit den althergebrachten Mitteln ihre Existenz sicherten, ihre Arbeit taten, fühlen diese sich bedroht. Traditionell hierarchisch angelegte, ständisch organisierte Entscheidungsmuster sind den ländlichen Gemeinden Usus. Beratung von außen wird akzeptiert. Die Einbeziehung interner ExpertInnen in den Bereichen Wirtschaft, Bildung, Kultur, Soziales in den kommunalen Entwicklungs- und Entscheidungsprozess ist bislang nicht vorgesehen. Autochthone Initiativen erleben innerhalb der Region wenig Unterstützung, so wird es von den Betroffenen empfunden.

In den Reihen derer, auf die eine regionale Entwicklung in Hinkunft bauen könnte, tritt ein hohes Maß an Frustration, scharf an der Grenze der Resignation zu Tage, wenn es darum geht, für innovative Ideen einen fruchtbaren Boden, für Initiativen ein gedeihliches Klima zu finden. Ausnahmen aus der Regel sind möglich und – in Ansätzen – vorhanden. Lösungen von innen zu fordern, kann nicht heißen, die Region mit ihren Strukturproblemen allein und die übergeordneten Stellen (Land/Bund/EU) aus der Verantwortung zu entlassen. Die Forderung nach autochthonen Lösungsansätzen beinhaltet aber vor allem eine Zieldefinition vor Ort und nicht das Betreiben eines Marketings, ohne ein Produkt zu entwickeln. Regionale Hoffnungsträger gibt es sowohl auf Betriebs- als auch auf personeller und kommunaler Ebene.

Kultur als soziales Handeln oder der Mythos des kulturellen Brachlandes

Kultur-Konsum bedarf im Lungau der Planung. Spontane Anfälle, Veranstaltungen in einem bestimmten Kulturspektrum zu besuchen, sind bedingt erfolgreich. Die Angebotslandschaft wird aber, je informierter die Befragten, umso besser und vielfältiger eingeschätzt. Es gibt jedoch Menschen (ich habe im Laufe meiner wissenschaftlichen Tätigkeit nicht wenige davon kennen gelernt), die betreten den Lungau noch immer mit einer Haltung, als müssten sie dorthin Glasperlen, Kaugummi, „Lucky Strikes“ und Schokolade mitbringen. Und es gibt dort Menschen (auch sie sind mir schon persönlich begegnet), die bestärken diese in ihrer Annahme, der Lungau müsse auch heute noch für kulturelle und intellektuelle Carepakete dankbar sein. Der Bereich Volkskultur und Brauchtum ist im Jahresverlauf dicht besiedelt mit Veranstaltungen und Events. Brauchtums-Redakteure heimischer Medien können sich dieser vielfältigen und bunten Landschaft jederzeit bedienen und tun dies auch. Mit dem Zurückdrängen der bäuerlichen Kultur, dem Bedeutungsverlust der Katholischen Kirche und ihrer Feste im Jahreslauf, mit dem Einzug der medialen Vielfalt in den Lungau und der Ansiedlung einer allgemein bildenden höheren Schule begann sich die Kultur-Landschaft Lungau, die Ansprüche und Möglichkeiten Kultur in den Lungau zu tragen, zu verändern. Es kam zur Gründung verschiedener Kulturvereine, die Kultur in den Lungau importierten: Dichter, Musiker, Ausstellungen. Allein, es mangelte an einer entsprechend großen Zielgruppe[2132], die sich als zahlendes Publikum für derlei Angebote begeistern ließ. Die Abwanderung des intellektuellen und kreativen Potentials schmälerte das theoretische Klientel permanent weiter.

Im Kulturbetrieb des Lungaus hat in den letzten Jahren ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Dem immer noch vielfältigen, aber doch stärker an den Nutzungspräferenzen orientierten Angebot an Kulturimporten steht das Schaffen einer stärker werdenden Plattform heimischer Kulturschaffender gegenüber. Die Ausrichtung tendiert mehr zu regionaler Basisversorgung denn zum programmierten visionären Scheitern. Kultur als Ausdruck des sozialen Handelns. Als Beispiel dafür dienen die Aktivitäten in der Gemeinde Ramingstein[2133] die sich als Drehscheibe für ein vielfältiges autochthones Kulturarsenal positioniert und damit einen originären Weg aus kommunaler Stagnation und Verdrossenheit gefunden hat. Derartige Ansätze sind geeignet, sich in den nächsten Jahren zu einer neuen Form von Volkskultur zu entwickeln und so eminent zur Schaffung einer neuen regionalen Identität beizutragen. Jenseits jeder Mythologie.

Lösungsmittel und Handlungsansätze

Die Fülle der Informationen, Gedanken, Schlussfolgerungen, Anregungen, Aspekte und Spektren, die im Rahmen der Interviews, aber auch der wissenschaftlichen, semiwissenschaftlichen oder ganz privaten informellen Gespräche, die im Rahmen des vorliegenden Projektes gewonnen werden konnten, sollen nicht nur die Basis für eine weitere Diskussion darstellen, sondern Konsequenzen nach sich ziehen. Konsequenzen für eine eigenständige, nachhaltige Entwicklung der Region zum einen, für eine individuell befriedigende Lösung in der Wahl des Lebensraumes und der Gestaltung der Lebenszusammenhänge zum anderen. Solche Handlungsansätze können aber keine Fertigbauteile, keine standardisierten Bausätze[2134] sein. Als Konsequenz aus der Studie gilt es, vor Ort und unter Einbeziehung der Betroffenen originäre Modelle zu generieren. Die skizzierten Lösungsansätze sind Module, Handlungsfelder, wie sie in den Interviews thematisiert wurden oder sich aus den Gesprächsinhalten fast zwangsläufig ergeben haben. Sie erheben nicht den Anspruch, allen Bedingungen der innerregionalen und überregionalen Entwicklungs- und Planungserfordernisse, die Region betreffend, zu genügen. Aber sie entsprechen den von der Zielgruppe aufgestellten Kriterien. Was geschehen müsste, dass Heidis Heimkehr keine Illusion bleibt. Was Heidi dazu beitragen könnte, ihren Lebensraum zu gestalten. Keiner der folgenden Handlungsansätze ist neu, das Rad ist schon erfunden. Neu sind Zugangsweise und Bewertung der Projekte aus der Sicht der Betroffenen, aber nicht der passiv Betroffenen, sondern – bei Gelingen – der aktiv Handelnden.

Teilzeit-Lebenswelt Lungau

Dass der Lungau als persönliches Refugium, zum Hortus Conclusus wie geschaffen ist, wurde bereits mehrfach betont. Um der Tendenz aber vorzubeugen, dass sich die Region zum Reservat entwickelt, ist es notwendig, den Lungau als Lebensraum zu gestalten. Der Begriff „wohnen“ im Titel der Studie „Heidi wohnt hier nicht mehr“ lässt sich etymologisch neu deuten. Das Wort „wohnen“ gibt es in den alpinen Umgangssprachen nicht. Es gibt keine Wohnzimmer, sondern Stuben. Wohnblocks auf dem Land sind, anders als die Zinshäuser in Wien, eine Nachkriegserscheinung. Die Frage nach der örtlichen Positionierung wird mit „Wo bist denn du her?“ oder „Wo gehörst denn du hin?“, bei Kindern mit „Wem gehörst denn du?“ gestellt. Das Wort „wohnen“ kommt in diesem Fragespiel nirgends vor. Wohnstätten sind nur mehr bedingt Lebensräume. Die wahlrechtsimmanente Frage nach dem Lebensmittelpunkt impliziert, dass man dort, wo man wohnt, nicht unbedingt zuhause sein muss. Daraus kann abgeleitet werden, dass Heidi wohnt hier nicht mehr eben nicht heißen muss, Heidi ist jetzt hier nicht mehr zuhause, sie gehört hier nicht mehr her. Dass der Lungau in den Wanderungsbilanzen nah in den roten Zahlen steckt, bedeutet somit nicht, dass es (hinkünftig) weniger LungauerInnen gibt. Es heißt, dass die LungauerInnen nicht mehr dauerhaft im Lungau wohnen werden (können).

Ein dauerndes Verweilen in der Region der primären Sozialisation wird in Zukunft – hier wie andernorts – nicht mehr die Lebensläufe prägen. Biografien werden sich in vielerlei geografischen, kulturellen und sozialen Zusammenhängen abspielen. Trotzdem und gerade deshalb wird es nötig sein, ein Basislager zu haben, von dem aus man zu Expeditionen aufbricht. Der Lungau wird, das ergibt sich aus den Ergebnissen der Befragungen, für die meisten hochgebildeten, hochinnovativen, hochmobilen LungauerInnen kaum mehr ständiger Wohnsitz sein. Aber der Lungau spielt im biografischen Zusammenhang seiner weichenden Kinder eine tragende Rolle. Es gibt Möglichkeiten, die Bereitschaft tritt zu Tage, deren Potential – zumindest temporär – an die Region zu binden, deren Kapazitäten für die Entwicklung des Lebensraumes zu nutzen. Dazu bedarf es eines einladenden, offenen Klimas und einer Plattform, die diese Kräfte sammelt und bündelt. Der Lungau wird für viele nicht mehr dauernder Lebensmittelpunkt sein (können), sondern eine Lebensabschnitts-Region werden. Ein biografisches Transit-Land. Diese Funktion muss sich aber nicht auf die Vergangenheit, die Kindheit und Schulzeit der Personen beziehen, sondern kann auf die Zukunft gerichtet sein. Um das Potential zu binden, gilt es, die Teilzeit-LungauerInnen als integralen Bestandteil des Lungaus zu erkennen und ihre Kapazitäten für den Lungau zu nutzen. Wo immer sie sich befinden.

Arbeitswelt Lungau

Was den regionalen Arbeitsmarkt anbelangt, werden noch viele Neuorientierungen notwendig sein. Zum einen auf der strukturellen Seite. Zum anderen im mentalen Umgang mit der Thematik. Auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite. Die Frage kann und wird nicht mehr heißen, wo bekomme ich eine Anstellung, sondern, wo finde ich Arbeit. Dieser Prozess beschränkt sich nicht auf den Lungau, diese Annahme gilt für ganz Österreich und darüber hinaus. In der Neuorientierung spielt die Überwindung von Zuschreibungen wie der regionalen Genügsamkeit und Duldsamkeit ebenso eine Rolle, wie es auf Dauer zuwenig ist, den Mythos vom genügsamen, fleißigen Lungauer Arbeitnehmer als Qualifikationskriterium zu verstehen. Die Wirtschaft ist im Umbruch. Die Arbeitswelt ist im Umbruch. Der Wirtschaftsstandort Lungau wird daraus kaum Vorteile ziehen können. Die Bewertung und Beschreibung der strukturellen Bedingungen, der ökonomischen Bedingungen im Lungau sind nicht Intention der vorliegenden Arbeit. Dazu gibt es Berufenere. Aber aus der Erfassung der Kapazitäten der Zielgruppe ergeben sich einige – kleinräumige – Handlungsfelder, auf denen durchaus auch kälteresistente Nutzpflanzen gedeihen können. Die neuen Technologien machen, wie es so schön heißt, die Welt zum Dorf. Cybers-Dorf. Die Nutzung dieses Arbeitsfeldes wird von Peter Weichhart für den Lungau wenig hoffnungsvoll bewertet: „Ein realistisches Entwicklungskonzept wird daher die von vornherein utopische Vorstellung, den Lungau in das ‚Silicon Valley‘ Salzburgs verwandeln zu wollen, gar nicht ernsthaft in Erwägung ziehen. Das kann natürlich nicht bedeuten, die Möglichkeiten der EDV-Technologie für ökonomisch relevante Kommunikationsprozesse und vor allem für Optionen wie ‚Tele-Working‘, ‚Out-sourcing‘ oder ‚Home-Office‘ außer Acht zu lassen. Die hier bestehenden Entwicklungsimpulse dürfen aber keineswegs überschätzt werden.“[2135] Dem Ansatz des vorliegenden Projektes entsprechend ist es passender, vom Silikon-Winkel zu sprechen. Große High-Tech-Firmen wird man nicht gewinnen. Chancen bestehen allerdings, dass sich überschaubare kreative Cluster aus den Reihen der Zielgruppe zumindest ein Standbein im Lungau schaffen. Diese würden dem Anspruch der kreativen Milieus[2136], von denen Weichhart spricht, durchaus genügen.

Zukunftsweisende innovative Konzepte in der Land- und Forstwirtschaft liegen vor. Es gibt eine Reihe von LandwirtInnen, die sowohl über Ideen als auch über wirtschaftliche Bodenhaftung verfügen, um ihre Betriebe nicht nur zu erhalten, sondern trotz der strukturellen Schwierigkeiten die Landwirtschaft als Zukunftsbranche im Lungau darzustellen. Auch auf dem Holzweg hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Das Top-Down-Konzept des Projektes Holz-Techno-Z, scheint in dieser Form nicht aufgegangen, der Holz-Cluster verspricht mehr Erfolg.[2137] Die Abkehr von der Rohstoff-Beschaffung hin zur Veredelung im Sinne von „Geigen statt Brennholz“[2138] läuft. Im Bereich Tourismus liegen die Stärken in der optimalen Nutzung des Vorhandenen. Ein zu starker Eingriff in bestehende Verhältnisse wird als kontraproduktiv erachtet. Originäre Konzepte müssen die Gegebenheiten vor Ort wert- und dürfen Bedürfnisse der ansässigen Bevölkerung nicht gering schätzen. Der Lungau wird mit Unverwechselbarkeit punkten, nicht mittels einer Blaupause anderer Tourismusregionen.

Eine weitere Brache wurde im offenen Handlungsfeld der professionellen Sozialarbeit ausgemacht. Ansätze zum Ausbau der sozialen Dienstleistungen und Betreuung bestehen. Der Verteilungsschlüssel für die eingesetzten und bezahlten Stellen wird aber am Bevölkerungsschlüssel und nicht an den tatsächlichen Problemen gemessen. Ein Ausbau der, auf Grund des sozialen Umbruchs und des Funktionsverlustes der familien- und dorfinternen Substitute notwendigen, institutionalisierten Betreuungs- und Beratungseinrichtungen wird oftmals nur über mittelfristig finanzierte Projekte möglich sein.

Kulturland Lungau

Der beschriebene Paradigmenwechsel im Kulturbetrieb der Region macht diesen Bereich zu einem innerregionalen Handlungsfeld mit Praxisrelevanz. Kultur gilt dabei nicht (ausschließlich) als etwas zu Konsumierendes, sondern etwas – vor Ort – zu Schaffendes. Da sich der Bereich Kultur in den wenigsten Fällen, auch in den Zentralen, aus sich rechnet, wird in manchen Fällen eine Anschubfinanzierung notwendig sein. Über die Tatsache hinaus, dass der regionale Kulturbetrieb ein eminenter Faktor in der Schaffung eines positiven Selbstbildes und Ausbildung einer regionalen Identität ist, kann der Bereich Kultur auch zum Wirtschaftsfaktor in der Region werden. Es gilt, die regionalen Handlungsträger, Kultur- und Künstlerkolonien im Lungau zu stärken, den Initiativen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten zu bieten, dass ihre Arbeit als eminentes Segment in der regionalen Entwicklung zum Tragen kommt.

Handlungsaufforderung

Unabdingbar für die Umsetzung von Ideen und die Einbindung des vorliegenden innovativen und kreativen Potentials ist eine dezidierte Einladung an diese Kräfte. Anbieter- und Nachfragerseite sind nicht scharf voneinander zu unterscheiden. Diejenigen, die der Region ihre Ideen, ihre Kapazitäten anbieten, dürfen nicht das Gefühl vermittelt bekommen, sie müssen um die Erlaubnis zu einer Generalaudienz ansuchen, um Gehör zu bekommen. Der functional gap, die Schere, die zwischen den Befragten dieser Studie und den handelnden Verantwortlichen zu orten war, stellt ein enormes Hindernis auf dem Weg zur effizienten Nutzung der vorhandenen und unter optimierten Bedingungen auch verfügbaren Kapazitäten dar. Der Einbeziehung der Human Ressourcen, wo immer sie sich befinden, wie sie im Entwicklungskonzept der Region Lungau gefordert[2139] wird, steht entgegen, dass sich Menschen, die sich anderswo Lebensbereiche, Arbeitsfelder, gesellschaftliche, wirtschaftliche und soziale Funktionen erworben haben, nicht herbeipfeifen lassen. Eine innerregionale Stellungs- und Wehrpflicht gibt es nicht. Rekrutierungsmuster wie beim Bundesheer sind nicht das Gesetz der Stunde. Es liegt auch an der Region und ihren Verantwortlichen, die Rahmenbedingungen zur Einbeziehung des innovativen und kreativen Potentials zu schaffen.



[2106] Spyri, Johanna: Heidis Lehr- und Wanderjahre. Erstmals erschienen 1880. – Heidi kann brauchen, was es gelernt hat. (1881).

[2107] Unter diesem Titel wurde von Hans Dieter Hartel eine Fernsehdokumentation über die schwierige Situation der Existenzsicherung der Bergbauern im tatsächlichen Heidiland Graubünden gestaltet.

[2108] Diese umgekehrten Wanderströme richten sich allerdings auf die Umlandgemeinden der Zentralorte, die so zu suburbanen Räumen umfunktioniert werden – die Zurück-aufs-Land-Bewegungen, die Lebensentwürfe der großen Landkommunen (z. B. der Longo Mai) sind eher eine Randerscheinung geblieben.

[2109] In einer Dokumentation des Deutschen Fernsehen mit dem Titel „Leeres Land. Stirbt Deutschland aus?“ wurde die Gefahr der vorliegenden demografischen Entwicklung in den Industrienationen Europas diskutiert. Manchen Landstrichen in den neuen deutschen Bundesländern fehlt bereits eine ganze Generation. Dörfer bestehen nur noch aus Personen über 60 Jahre. Diese Tendenz macht auch vor Städten nicht Halt (Halle an der Saale hat demnach in den letzten Jahren 30 % seines Einwohnerstandes von vor 1990 verloren). Die Peripherie trifft dieser Schwund noch stärker und vor allem existenzieller und substanzieller.

[2110] Die Lungauer Band „Querschläger“ hat 1997 eine CD mit dem Titel „Lungoland“ veröffentlicht. Der Titelsong thematisiert die oben genannte Problematik auf eine sehr drastische Weise.

[2111] Detailergebnisse unter www.stadtlandberg.at

[2112] Eine wirkliche Erweiterung des schulischen Angebotes würde ein Oberstufengymnasium, zum Beispiel mit einem musischen und einem naturwissenschaftlichen Zweig, gewährleisten können. Die Idee der Installierung einer weiteren höher bildenden Schule in einer Region mit kaum mehr als 20.000 Einwohner ist jedoch illusionär (bestenfalls visionär); einzige Möglichkeit wäre die Umwandlung/Adaptierung bestehender Schultypen.

[2113] Das „MultiAugustinum“ wird deshalb hier nicht als Alternative angeführt, weil es sich um eine kostenpflichtige Privatschule handelt.

[2114] Das dichotome Begriffspaar Apokalyptiker und Integrierte ist dem Titel einer Abhandlung von Umberto Eco entliehen. Es soll hier synonym stehen für Visionäre und Angepasste und noch einmal die bislang nicht schlüssig beantwortete Frage ansprechen, ob sich die Ortsfesten und die Mobilen in der vorliegenden Studie zwei einander ausschließende Kategorien und soziale Tatbestände darstellen.

[2115] Vgl. Köhle-Henzinger, Christel: Lokale Honoratioren. Zur Rolle von Pfarrer und Lehrer im Dorf. In: Wehling, H. G. (Hg.): Dorfpolitik. Opladen 1978, S. 54–65.

[2116] vgl. dazu die von Reinhard Simbürger für die Ausstellung Lebenszweige in Ramingstein erstellte Landkarte.

[2117] Wieder sind es die Querschläger, die das, was hier im wissenschaftsdeutsch zu erklären versucht wird, punktgenau und regionalbezogen in einem Lied beschreiben: „damisch wia da wind alls durchandabeitld hat, vastraht wia rinke hirbestblattla iba land und stadt.“ Originaltext von „Klassnbiddl“ auf www.querschlaeger.at oder im Booklet von „fedang & stoa“.

[2118] Die Paraphrase vom „Sozial-Zoo-Lungau“ drängte sich im Lichte mancher Gespräche gewissermaßen auf.

[2119] Vgl. dazu Jeggle, Utz; Albert Ilien: Die Dorfgemeinschaft als Not- und Terrorzusammenhang. In: Wehling, H. G. (Hg.): Dorfpolitik. Opladen 1978, S. 46: „Die dörfliche Lebenswelt kennt keine Privatheit im bürgerlichen Sinne, es gibt keine Geheimnisse. [...] bis heute kann man tagsüber jedermann fast zu jeder Zeit besuchen.“

[2120] Das Innergebirg gebräuchliche Dialektwort für „plaudern“ – „hoangaschtn“ kann als „nachbarschaftliches Gespräch über den Gartenzaun hinweg“ übersetzt werden, wird aber eher im Pinzgau und im Pongau benutzt.

[2121] Im Schuldienst wurde mittlerweile mit dieser Tradition gebrochen, hier ist der Lungau inzwischen Selbstversorger. In den 60er Jahren, zu Beginn der ersten Bildungsoffensive, wurden aber ganze Wohnblocks mit jungen LehrerInnen besiedelt, die – oftmals nicht ganz freiwillig – ihre Lehr- und Wanderjahre im Lungau absolvierten.

[2122] Der Begriff „weichende Kinder“ ist ein Terminus aus der jahrhundertelang üblichen Tradition des bäuerlichen Erbrechts. Danach hatte, um die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit der oftmals kleinen bäuerlichen Betriebe nicht zu gefährden, nur ein Kind, meist war es der älteste Sohn, das Recht auf das elterliche Erbe. Da im Rahmen der bäuerlichen Substitutionswirtschaft auch kaum finanzielle Mittel vorhanden waren, wurden die meist zahlreichen Geschwister nicht ausbezahlt, sondern mussten mit einer Minimalabfertigung ausgestattet nach der Übergabe vom elterlichen Hof weichen.

[2123] „Indianerwelt“ ist der Titel eines Querschläger Liedes, in dem die kindliche Lebenswelt im Lungau beschrieben wird, die dem primären Sozialisationsmuster vieler unserer GesprächspartnerInnen entsprechen dürfte. Querschläger: „Lungoland“. Originaltext auf www.querschlaeger.at oder im Booklet der CD.

[2124] Die beiden Personen im Sample, die am wenigsten positive Aspekte an ihrer individuellen Kindheit im Lungau gefunden haben, waren bezeichnenderweise unsere jüngsten GesprächspartnerInnen. Vielleicht muss Kindheit schon eine Weile her sein, damit die positiven Aspekte in den Vordergrund treten können.

[2125] Diese demografisch stärkste Gruppe in der Altersverteilung der österreichischen Gesamtbevölkerung, die so genannten geburtenstarken Jahrgänge, die „Vor-Pillen-Knick-Kinder“ stellen im Sample die größte Gruppe.

[2126] Auf terrestrischem Wege ist das auch heute noch so.

[2127] Der Titel „Winkelwelt“ des Sagenbuches der lungaustämmigen Autorin Gertraud Steiner eignet sich besonders gut als Paraphrase für das Konglomerat von Bedeutungszuschreibungen und Assoziationen, wenn es in den Interviews darum ging, den Bezug und das Verhältnis der Interviewten zum Lungau zu klären .– Steiner, Gertraud: Winkelwelt. Sagen aus dem Lungau. Tamsweg: Verlag W. Pfeifenberger 1999

[2128] Idealtypen nach Max Weber können als „abstrakte Begriffsbildungen konstruiert werden, die als Instrumente für die Erfassungen der Wirklichkeit dienen, selbst aber nicht in der Wirklichkeit als solche vorfindbar sind“: In: Mikl-Horke, Gertaude. Soziologie. Historischer Kontext und soziologische Theorieentwürfe. München/Wien 1992.

[2129] So wie der Begriff „Sibirien von Österreich“, den der (nicht autochthone) St. Michaeler Notar und Dichter Moritz Schleifer geprägt hat. Das Zitat hält sich bis heute und kann als Beleg für die innerregionale Bereitschaft dienen, sich Fremddefinitionen zu Beugen. – Quelle: Steiner, Gertraud: Winkelwelt. Sagen aus dem Lungau. Tamsweg: Verlag W. Pfeifenberger 1999, S. 7 und S. 62.

[2130] Querschläger: Irbat. Originaltext auf der CD Lungoland / Booklet oder www.querschlaeger.at.

[2131] Karl Markus Gauß über den Tod des Salzburger Dichters Franz Innerhofer: Vom Mut, sich zu empören – und dem Scheitern in der Welt der „Großen Wörter“. „Salzburger Fenster“ 02/2002.

[2132] Zur Rezeption von Kultur- und Erwachsenenbildungsveranstaltungen im Lungau siehe: Weichbold, Martin; Rosmarie Fuchshofer: Erwachsenenbildung und regionale Entwicklung im Lungau. Bericht zum Teilprojekt 2. Salzburg 1997, hier besonders: „Die Hypothese von der strapazierten Zielgruppe“.

[2133] Beschreibung der Ausstellungen, Theaterproduktionen und Kulturprojekte auf der Gemeinde-Homepage: www.ramingstein.at

[2134] Keinesfalls ist es die Intention des Projektes, fertige „Lösungsmöglichkeiten und Therapiekonzepte“ anzubieten. Die Studie von Peter Weichhart bietet auf 38 Seiten Projektfelder an, die zur Entwicklung des Lungaus geeignet erscheinen. Nach vorliegendem Wissen liegen bis jetzt, sechs Jahre später, die Handlungsfelder meist noch brach. – Vgl. dazu: Weichhart, Peter: Bildungsoffensive Lungau. Ein regionalplanerisches Konzept zur Neustrukturierung des Bildungswesens im politischen Bezirk Tamsweg. Salzburg 1996, Kapitel 6.

[2135] Weichhart, Peter: Bildungsoffensive Lungau. Ein regionalplanerisches Konzept zur Neustrukturierung des Bildungswesens im politischen Bezirk Tamsweg. Salzburg 1996, S. 133.

[2136] Weichhart, Peter: Bildungsoffensive Lungau. Ein regionalplanerisches Konzept zur Neustrukturierung des Bildungswesens im politischen Bezirk Tamsweg. Salzburg 1996, S. 139.

[2137] Wie die Ausstattung der Chirurgie West der Salzburger Landeskliniken zeigt.

[2138] Die Paraphrase wurde mir vom vormaligen Ramingsteiner Bürgermeister Hans Bogensberger (1992–2004) zugetragen. Die Aussage bezieht sich auf die Tatsache, dass im so genannten Ramingsteiner „Geigenwald“ selten zu findende, hochqualitative Haselfichten wachsen, die als Klanghölzer zum Instrumentenbau geeignet wären. Diese wurden in der Vergangenheit, da sie sich von anderen Fichten äußerlich nicht unterscheiden und nur von Fachleuten beim „Anschlagen“ am Klang erkannt werden, nicht ihren Möglichkeiten entsprechend verwertet, sondern als Bau- manchmal sogar als Brennholz verwendet.

[2139] Auch im Regionalprogramm wird von „einer Art Rückholaktion“ als Schlussfolgerung zur Standortsicherung gesprochen. (REP Lungau BSA S. 58) – Arbeitsgruppe Raumplanung/Regionalverband Lungau: Regionalprogramm. Daten Fakten Folgerungen Salzburg 1998, S. 42–70 (Kapitel 4: Arbeit und Wirtschaft).

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