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Die Ramingsteiner Bettlerhochzeit von 1688/89[2343] (Norbert Schindler) – Langtext

Armut, Sexualität und Hexenpolitik in einem Salzburger Bergwerksort des 17. Jahrhunderts[2344]

„Wan ains khain Gelt nit hat,
muß ains entrathen.“

Margarethe Trattnerin

Es muss im Winter, vielleicht sogar im Fasching 1687/88 gewesen sein, als im Salzburger Bergwerksort Ramingstein eine Gruppe von Jugendlichen und dörflichen Außenseitern eine Scherzhochzeit abzuhalten beschloss.[2345] Der Vater der 20-jährigen Maria Trattnerin war verreist, und so war die Gelegenheit günstig, im Haus der Bergknappentochter das Fest stattfinden zu lassen. Selbstverständlich gebührte der Gastgeberin die Hauptrolle der Braut. Die „Praunmaidl“, die wie die meisten ihrer Gäste vom Betteln ihren kärglichen Lebensunterhalt bestritt, wurde in einer den offiziellen Verheiratungsriten bis ins Detail nachempfundenen feierlichen Zeremonie, begleitet von einem üppigen Festmahl, Tanz und Geigenklängen, dem in bäuerlichen Diensten stehenden Joachim Grädenegger angetraut. Er war ein verarmtes, ins Bettlermilieu abgerutschtes Bergmannskind wie sie. Gleich und Gleich gesellt sich eben gern, und er war drei bis vier Jahre jünger als sie –, Scherzheiraten spielten gerne mit solchen in der patriarchalen Kultur als grotesk empfundenen Diskrepanzen, damit die Teilnehmer etwas zum Lachen hatten.

Aber das Lachen über die offiziellen Riten sollte ihnen im Halse stecken bleiben. Zwei Jahre später war von ihnen – etwa ein Dutzend Festgäste mögen es gewesen sein – fast niemand mehr am Leben. Hingerichtet auf höchstrichterlichen Befehl; am selben Tag, nämlich am 16. Dezember 1688, beugten die Spottbraut und der Bräutigam ihre Häupter unter das Fallbeil der Inquisition, und fast alle Hochzeitsgäste folgten ihnen[2346] wegen ihrer „so abscheulichen und erschröckhlichen Missethaten der Khopf durch das Fallpeill abgeschlagen, hernach der Cörper zu Staub und Aschen verprent und undter das Hochgericht vergraben“.[2347] Der harmlose Ulk der dörflichen „underdogs“ hatte sich in eine „schwarze Hochzeit“, in ein satanisches Geschehen verwandelt. Wie konnte das geschehen?

Schon seit dem Mittelalter war in Ramingstein, an der Grenze zur Steiermark gelegen, Edelmetallbergbau betrieben worden – vor allem Silber, Kupfer und Blei wurden dort abgebaut.[2348] Noch 1597 hatte man 628 kg Silber gefördert[2349], aber als sich um 1600 die Lager erschöpften und der Weltmarkt verändert hatte[2350], gerieten auch die – 1615 verstaatlichten – Ramingsteiner Hüttenwerke in die Krise der salzburgischen Montanindustrie. 1675 bis 1737 erwirtschafteten sie ein Defizit in der Höhe von ca. 150.000 Gulden.[2351] In die stolzen Knappensiedlungen im Gebirge, die im 16. Jahrhundert Horte des Protestantismus gewesen waren[2352], zog das soziale Elend ein. Viele Bergleute wanderten ab, wenige nur fanden ihr Auskommen in der alpinen Landwirtschaft oder in anderen Gewerben.[2353] Wer zurückblieb und weiterhin auf den Bergbau setzte, musste den Verfall der Reallöhne und sich beständig verschlechternde Überlebenschancen in Kauf nehmen.[2354] Hektische Erschließungsversuche neuer Erzlager zeugten von der Notlage der Bergwerksorte, aber auch davon, dass die Erinnerung an die wirtschaftliche Blütezeit des 16. Jahrhunderts noch lebendig war.[2355]

Nachdem zwei Knappen dem Gewerksherrn Hans Adam Stampffer viel versprechende Gesteinsproben gezeigt hatten, suchte er im April 1689 beim Landesherrn um die (Wieder)Eröffnung zweier Gruben am Katschberg an. Sein Gesuch wirft ein Schlaglicht auf die ambivalente Situation der Bergwerksorte: „Ich habe zween alte Khnappen ..., welche vor 30 Jahren gewüßen Herren Gewerkhen im Lungau am Khätschperg in Zwayen Grueben, der Stüblbau, und Schulter genandt, ain Zeit lang gearbeit haben, welches Pergwerck aber, indeme der Silber und Goldthalt im grossen Schmölzwerck nit hat heraus gebracht werden khönnen, balt eingestelt worden, und seithero alle Grueben, Pucher- und Schmölzhüttengebäu völlig verfallen und hingangen sind.“[2356] Glück und Unglück, ja das Widerspiel von Gut und Böse liegen im Bergbau näher beieinander als anderswo, schrieb der Gewerksherr an seinen bischöflichen Landesherrn, und es bedürfe des energischen Einsatzes der menschlichen Vernunft, um das Böse auszurotten und dem Guten zum Sieg zu verhelfen. Eine gegenreformatorisch inspirierte Ergebenheitsadresse nur, die aber doch beinahe wie eine Anspielung auf das Unfassbare klingt, das gerade geschehen war und Ramingstein in einen Hexentanzplatz verwandelt hatte.

Spielbräuche gehören ebenso selbstverständlich zur frühneuzeitlichen Bergarbeiterkultur wie handfeste, unverhandelbare religiöse Überzeugungen.[2357] Sie sind Ausdruck einer Lebensweise, die von gesteigerten Arbeitsrisiken und dementsprechend festen Solidarstrukturen, aber auch von zutiefst ambivalenten Abhängigkeitsgefühlen gegenüber letztendlich unwägbaren Existenzbedingungen geprägt ist.[2358] Schon Georg Agricola hatte die Unbeständigkeit der Bergmannsexistenz hervorgehoben[2359]; man muss mit der potenziellen Katastrophe leben lernen. Aber sie trat anders auf, als der Bergmannshorizont sie immerzu erwartete: schleichender, was den wirtschaftlichen Niedergang der Montanindustrie betraf, und krasser als vorhersehbar, was die Rekatholisierungspolitik anging.[2360] Im 16. Jahrhundert, als das Montanwesen noch einen bedeutenden Einnahmeposten im Staatshaushalt darstellte, hatte die fürstbischöfliche Obrigkeit jahrzehntelang ein Auge zugedrückt gegenüber dem Bergarbeiterprotestantismus[2361], aber seit ca. 1620 verschärfte sich im Gefolge der Verstaatlichung des Bergbaus der gegenreformatorische Zugriff auf die Bergleute, und im späteren 17. Jahrhundert war die Austreibung der Andersgläubigen bereits in vollem Gange, die schließlich in der ‚Großen Emigration‘ von 1732 kulminieren sollte.[2362]

Hexenprozesse und gegenreformatorische Sozialdisziplinierungspolitik gingen in Salzburg Hand in Hand[2363]: seit 1676 rollten die so genannten ‚Zauberer-Jackl-Prozesse‘[2364], die sich fast ausschließlich gegen Bettler richteten und das soziale Klima im Land entschieden verschärften. Die geistliche Obrigkeit begann ihren eigenen Untergrund zu fürchten, sie witterte eine teuflische Verschwörung der fahrenden Unterschichten gegen Kirche und Staat, und dementsprechend verschob sich ihr Verfolgungsinteresse von der Ebene des populären Schadenzaubers auf Hostienfrevel und ähnliche blasphemische Kapitalverbrechen.[2365] Im Gefolge des letzten großen europäischen Hexenprozesses brachen die Verfolgungen auch in den Lungau ein.[2366] 1676 wurde Christian Gräbendorffer, Knecht im Pfarrhof von St. Margarethen, wegen Hexerei hingerichtet, 1679 Lorenz Kreützer von Scheifling, und ab 1682 wurde auch hier im Gewande der Hexenprozesse die Treibjagd auf Arme und Bettler eröffnet: 1682 wurden 13, 1683 14 Personen hingerichtet.[2367]

Die Ramingsteiner Prozesse von 1688/89 bildeten den Höhe- und Schlusspunkt dieses staatlichen Terrors gegen die Ärmsten der Armen, der zugleich eine Politik der Angst und Einschüchterung der gesamten Bevölkerung war.[2368] Zeitgleich mit ihnen erfolgte nicht nur das landesherrliche Verbot des Karnevals[2369], sondern in den Jahren 1686 bis 1691 auch die Vertreibung von 60 bis 70 protestantischen Dürrnberger Salzknappen, die der bischöflichen Duldungspolitik ein demonstratives Ende setzte.[2370] Jedenfalls bleibt das bemerkenswerte Faktum, dass die Ramingsteiner Prozesse genau zu der Zeit einsetzten, als die Unabwendbarkeit des Verfalls des Bergbaus dort ins lokale Bewusstsein trat.[2371] Erst die gesellschaftliche Erosion der Berggemeinden ermöglichte den Zugriff der Hexenjustiz. Es mag sein, dass die Ramingsteiner Knappen die Hexenprozesse in ihrer kaum 700 Einwohner zählenden Gemeinde wie einen Stollenbruch erlebt haben, gegen den einfach nichts auszurichten ist.[2372] Es scheint jedoch – und dies ist die konfessionsübergreifende Pointe der Hexenpolitik – die Punkte des Einverständnisses mit der eigenen Übermächtigung gegeben zu haben, die einen zum Schweigen verurteilten. Sie waren angelegt in den Phänomenen einer auseinanderbrechenden Sozialstruktur der Berggemeinden und des sozialen Abstiegs, denen man sich hilflos ausgeliefert sah, und sie erfuhren ihre kulturelle Transformation in der obrigkeitlichen Verwandlung der eigenen Spielbereitschaft in ein völlig anderes Spiel.

Elf Personen, sieben Frauen und vier Männer, wurden in die Ramingsteiner Hexenprozesse verwickelt, neun von ihnen, darunter fünf Frauen, wurden hingerichtet.[2373] Nur der 20-jährigen Dienstmagd Anna Zeinerin und der ca. 32-jährigen Anna Grimming gelang es, sich dem todbringenden Zugriff der Inquisition zu entziehen. Letztere, fünfzehn Jahre in bäuerlichen Diensten (daher der Spitzname „Gaißändl“), seit zwölf Jahren verheiratet mit einem Ramingsteiner Holzknecht und Köhler, untadeligen Lebenswandels und Mutter von vier Kindern, hatte im Verhör „biterlich erweint“ wegen der falschen Bezichtigungen[2374] und bis zum Schluss ihre Unschuld beteuert, „man khönne verfahren mit ihr, wie man wolle“.[2375] Ihr „Verbrechen“ scheint einzig und allein darin bestanden zu haben, dass sie in der nächsten Nachbarschaft der übrigen Angeklagten wohnte.

Es ist geradezu ein Charakteristikum der Ramingsteiner Prozesse, dass fast alle Beklagten in unmittelbarer Nachbarschaft, im Kleinhäuslermilieu lebten.[2376] Aufgrund der kleinräumigen Siedlungsweise und des Teamworks bei der Arbeit gestaltete sich die Nachbarschaft in den Bergbaugemeinden traditionell sehr eng.[2377] Er/sie „kenne sie woll“, lautete daher die stereotype Antwort, wenn die Delinquenten nach ihren Mitangeklagten gefragt wurden. Man traf sich gelegentlich, redete, arbeitete zuweilen miteinander (vom Laubstreifen, vor allem aber vom gemeinsamen Sammeln angeschwemmten Holzes ist häufiger die Rede), half sich gegenseitig aus. Es kennzeichnet ja die dörfliche Struktur, dass man vieles voneinander weiß, ohne sonderlich viel miteinander zu tun haben zu müssen. Maria Trattnerin etwa gab an, den Joachim Grädenegger gut zu kennen, weil er oft zur Knechtsarbeit am Haus ihres Vaters vorbei „hinein in den Graben zu dem Achazenpauern, und wider heruntergangen“.[2378]

Der Gesichtskreis der Angeklagten spielte in den Prozessen eine entscheidende Rolle. Bei ihren wechselseitigen Bezichtigungen überschritten sie ihn kaum einmal. „... die khropfete Lenzin an der Prugg gleich hinter der Wäschhitten“[2379] – das klang für ihre Verhältnisse schon weit hergeholt und wurde dementsprechend nicht weiterverfolgt. Wichtiger noch war dieses begrenzte Gesichtsfeld für die Praxis der Gegenüberstellung, mit der das Gericht die Angeklagten meist rasch zum Geständnis brachte; man gewinnt den Eindruck, als wäre ihnen Leugnen sinnlos erschienen, wenn sie mit Personen ihrer vertrauten Lebenswelt konfrontiert wurden. Die nicht der Nachbarschaft angehörenden Beklagten hatten ihre Denunzianten beim Betteln, in der Regel beim gemeinsamen Übernachten bei Herbergsleuten kennen gelernt. Der Bettel aber kam schon längst nicht mehr nur von außen, sondern hatte sich in die vom wirtschaftlichen Niedergang bedrohte Knappensiedlung eingenistet.

Es waren also zwei sich zunehmend überlappende soziale Erscheinungsformen, an denen entlang der Einbruch der Hexenjustiz in Ramingstein erfolgte – die schwieriger gewordene Nachbarschaft in einer verarmenden Berggemeinde und die Zunahme der Bettelei. Und es waren nicht etwa „fremde Bettler“, über die die frühneuzeitlichen Ordnungshüter den Stab so schnell zu brechen gelernt hatten[2380] sondern es waren die eigenen Kinder, die den Weg ins Elend antreten mussten. „... die Kinder der Bergknappen suchen vor den Thüren ihrer Nachbarn Brod.“[2381] Dass sie anders waren als man selbst, anders vor allem, als Eltern von ihren Kindern erwarteten, war nichts Abstraktes, nicht nur eine Folge der sozialen und ökonomischen Verhältnisse, sondern man konnte das Elend sehen. Sie trugen die Zeichen des Verfalls auf ihren Körpern – bucklig, krumm, sprach- und hörgeschädigt; Hinkende und Stammler, stigmatisiert durch ihre abnormen Kröpfe, dem Gespött und Gelächter der „Normalen“, das deren Ängste vor dem Unwahrscheinlichen übertönt, schonungslos ausgeliefert.[2382]

Dem sich 30-jährig wähnenden, aber viel jünger aussehenden „Kräzenjörgl“ Georg Länschüzer, den der Pfleger als einfältig, d. h. „nit weltleuffig“ charakterisierte und der bei der Hochzeit den „Spitzreiter“ spielte[2383], liefen die Ramingsteiner Kinder feixend und spottend hinterher – die berüchtigte Dorfdeppenrolle also.[2384] Noch erbärmlicher stand es um den 16 bis 17-jährigen „Gaiß Paul Rüeppel“, der weder sein Alter noch seine Herkunft anzugeben wusste und sich vor Gericht vornehmlich durch Zeichensprache verständigte. „Nänä ich nit gefahren“ – auf die Hexentänze, wie man ergänzen muss – war noch eine seiner prägnantesten Aussagen.[2385] Dass er, obwohl er kaum sprechen konnte, das Vaterunser flüssig herunterzubeten vermochte, wurde ihm von den Hexenrichtern prompt als Teufelei ausgelegt. Er konnte es, weil es ihm von denen, die er um eine Gabe ansuchte, tausendmal als Gegenleistung abverlangt worden war – die ganz normale, alltagskulturell eingeschliffene und ihren Erwerbsumständen angepasste Memorierleistung der Bettlerkultur. Über eine Justiz, die diesen Sachverhalt noch ein zweites Mal stigmatisieren zu müssen meinte, kann man nur verlegen schweigen. Sie richtet sich selbst.

Richtet man seine Aufmerksamkeit auf die Opfer der Prozesse, so fällt auf, dass es sich um junge, unverheiratete Männer mit Außenseiterstatus im Alter von ca. 16 bis 30 Jahren handelte, während das Sozialprofil der Delinquentinnen scheinbar uneinheitlicher war. Drei von ihnen waren Witwen im Alter von 27 bis 52 Jahren mit einem oder zwei, zum Teil schon erwachsenen Kindern[2386]; die beiden anderen waren ledige Knappentöchter, Halb- oder Vollwaisen, die entweder im Haus ihres Bruders Unterschlupf gefunden hatten oder aber ihre Armut durch öffentliche Bettelei kundtun mussten. Ihnen allen aber war gemeinsam, dass sie des männlichen Schutzes entbehrten, der gerade im Teufelskreis der Hexereibezichtigungen so wichtig gewesen wäre.[2387]

Dass sich bei den Angeklagten im Grunde zwei Gruppen – nämlich junge, ledige Männer und in der Regel etwas ältere, zumeist verwitwete Frauen – gegenüberstanden, legt die Vermutung nahe, im Prozessgeschehen könnten unterschwellige sexuelle Spannungen eine Rolle gespielt haben. Vor allem der 17 bis 18-jährige „Kronzeuge“ Joachim Grädenegger lieferte dafür einiges an Material. Zum einen zeigen seine Äußerungen die übliche, wohl am ehesten als pubertär zu kennzeichnende Fixierung der männlichen Jugendlichen auf die „Heldentaten“ des eigenen Geschlechts (wild gestikulierend führte er dem Gericht vor, wie „er und der Kräzen Görgl ... ainmahl braff mit einander geraufft [haben]“)[2388], die auf der kollektiven Geringschätzung des anderen Geschlechts beruht. Sie droht in blanke Aggression dort umzuschlagen, wo man sich von ihm persönlich gefordert fühlt. Davor zurückzuschrecken und beim vertrauten Kollektiv und seinen Werthaltungen Zuflucht zu suchen, liegt dann nahe. Auf die Frage nach dem Wettermachen antwortete er, „sein Regen habe kheinen, aber der andren Weiber ... gemachter Regen woll Schaden verursacht, nemblichen es seyen die Päch angeloffen, und haben das Holz wekhgeführt, Ja sogar dem Wenger die Hütten wekh geschwemmet, daß alles darvon gekhuglet“.[2389]

Durch die denunziatorische Absicht scheint deutlich noch die Furcht vor der unbekannten Macht der Frauen hindurch, die ihm nicht geheuer war. Zum anderen jedoch war er abgefeimt genug, um die Befragungsmechanismen der Inquisition für seine persönlichen Revanchebedürfnisse an den Frauen zu instrumentalisieren. Zum Schluss seines peinlichen Verhörs vom 15. September 1688 bemerkte er genüsslich und ohne danach gefragt worden zu sein, „daß der Schinter Jäggl die Stöckhl Maidl in die rechte Dutten [= Brust, Anm. d. Verf.] gestochen und gemerckhet habe“.[2390] Er wusste nur zu genau, dass die Blindwütigkeit der Inquisition seinem Hinweis am Körper der Bezichtigten nachgehen würde, und die 27-jährige, ängstlich und hilflos wirkende Witwe erschien ihm als geeignetes Objekt für seine infame sexuelle Attacke. Und tatsächlich ließ das hohe Gericht ihre Brüste von der Gerichtsdienerin absuchen, die diensteifrig berichtete, „daß sye woll ein Tupf gleich bey dem Dütl gemerkhet habe“.[2391] Wer suchet, der findet eben auch, und Maria Stöcklin reagierte genau so beschämt auf diese Visitation ihrer Geschlechtsmerkmale, wie sich ihr jugendlicher Bezichtiger das in seiner boshaften Fantasie ausgemalt hatte. Obwohl sie zu Beginn ihres Verhörs ihren ganzen Leib dem Gericht zur Visitation angeboten hatte, was wohl als eine ebenso totale wie verzweifelte Unschuldsbeteuerung gelesen werden muss, war ihre Scham über Grädeneggers dreisten Angriff auf die Intimbereiche ihres Körpers so groß, dass sie ihm in ihrer Aussage über die Märkung auswich. „... an dem Armb“, einer weitaus weniger intimen Körperregion also, sagte sie, habe der Teufel sie „angegriffen, darauf ein wenig Blueth herausgerunnen, so ihr ein bißl wehe gethann“[2392] – von der tieferen Verwundung, die ihr widerfahren war, schüchtern ablenkend.

Die inquisitorische Justiz freilich hatte keinen Sinn für derlei Feinheiten, für die entehrenden Nuancen der Leibesvisitation. Sie stellte auf ihrer angestrengten Suche nach dem Teufelsmal nur protokollarisch-bedauernd fest, dass man am Arm „khein rechtes Zeichen [hat] vermerckhen khönnen“[2393] und dass die obligatorische Nadelprobe an dem Mal auf der rechten Brust vorzunehmen ihr aus medizinischen Gründen leider verwehrt sei. Anders ausgedrückt: Obwohl ihr am Körper nichts nachzuweisen war, hatte die Infamie ihres Beschuldigers sie letztendlich besiegt und zur Hexe verdammt.

Geschlechtsspezifische Unterschiede der Perzeption des Hexenrituals lassen sich am deutlichsten beim Teufelspakt erkennen. Während die Männer ihn eher als einen feudalen Akt der Unterwerfung unter einen übermächtigen Herrscher beschreiben („er soll in seine[n] Henten und Panten [= Banden; Anm. d. Verf.] sein“)[2394] nimmt er in den Darstellungen der weiblichen Angeklagten häufig Züge einer eheähnlichen Verbindung an.[2395] „Sie solle sein sein“ lautete bezeichnenderweise die Formel des Hexenpakts für die Frauen, während sie sich bei den Männern vager und weniger besitzergreifend gestaltete. Signifikanter ist sicherlich noch die immer wiederkehrende Feststellung, dass sie während dieser Zeremonie auf dem Schoß des Teufels saßen. Die paternalistischen Ehevorstellungen, die die Unterwerfung der Frau unter den Willen des Mannes zum notwendigen Bestandteil der weiblichen Natur erklärt hatten, machten es den Frauen einfacher, sich in ihrer Fantasie in den Bund mit dem Teufel hineinzuversetzen. Besessen, d. h. im Besitz eines anderen zu sein, war mit ihren Rollenbildern leichter zu vereinbaren als mit denen der Männer. Abverlangt wurde ihnen ja nur das Geständnis eines „normalen“ Koitus, während den männlichen Angeklagten immerhin der als widernatürlich verpönte Akt der Sodomie abgerungen werden musste. Maria Stöcklin erzählte vom Hexensabbat, „were ihr Beyschlaffer der Schinter Jäggl, und böse Feindt gewesen, habe beede kalt empfundten, und daryber Wollust, iedoch den Jäggl lieber als den Teufel gehabt, weillen er gleichwoll noch hipscher gewest“[2396] und die Praunmaidl wusste gar zu berichten, dass der Teufel während des Geschlechtsverkehrs mit dem Joachim um sie „geeyffert“ habe.[2397]

Die alltäglichen Kriterien der Partnerwahl und die damit verbundenen Geschlechterrollen waren auch auf dem Sabbat nicht außer Kraft, und die weibliche Fantasie erwies sich als entschieden reger beim Ausmalen dieses Sachverhalts. Der Teufel lobte sie, wenn sie etwas richtig, d. h. falsch gemacht hatten, er schimpfte sie aus, wenn ihm ihr Handeln nicht behagte, und sie zankten sich in guter Eheleutemanier mit ihm. Susanna Prambeggerin berichtete gar, sie habe sich im Gefängnis von ihm wieder losgesagt und ihm vorgeworfen, „daß nichts mit ihme seye, ... weill er ihr sein Versprechen“, ihr gute Tage zu verschaffen, „nit halten thette“, und deshalb wolle „sye auch ihme nit mehr unterthönig sein“.[2398]

Selbst der berühmte kleine Ungehorsam, der im Grunde die Abhängigkeitsverhältnisse nur bestätigt, fehlte in ihren Schilderungen nicht: „Der Teufl hab ihr geschafft“, sie solle die Bildstöcke „nit anschauen oder anbetten, welches sy auch gethan, zu Zeithen aber het sy es doch angesechen“.[2399] Am viel sagendsten ist wohl der Fall der ca. 30-jährigen Bettlerin Maria Klee, die im Verlauf der früheren Salzburger Prozesse aussagte, sie sei während ihrer nächtlichen Sabbatfahrten „ihrem Mann im Pöth woll abgangen“[2400] und schließlich bei der Einbildung Zuflucht suchte, sie erwarte vom allerorten gejagten, niemals gefassten und darüber selbst zum Dämon und Kinderschreck[2401] avancierten Zauberer-Jackl ein Kind.[2402] Diese Fantasien gingen über die – häufiger begegnende – Schutzbehauptung einer vorgetäuschten Schwangerschaft, mit der die Frauen ihren Körper vor Folter und Hinrichtung zu bewahren suchten[2403], weit hinaus. Die Neigung der Frauen, dem Teufel ein menschliches Gesicht zu verleihen und ihm persönliche Beziehungsqualitäten zuzuerkennen[2404], erwies sich in den Prozessen als zweischneidiges Schwert. Man wollte sichtlich an den eigenen Geschlechtererfahrungen festhalten und lieferte sich genau dadurch der Hexenjustiz aus. Sosehr die Vermenschlichung des Teufels einerseits einen Akt der alltagskulturellen Gegenwehr gegen die intellektuell-dämonisierenden Zumutungen der Hexenjustiz darstellte, sosehr erleichterte sie durch ihr Ineinanderfallen von Abstraktem und Konkretem den Richtern die Arbeit. Sie sahen nicht die verzweifelte Anstrengung der Angeklagten, die eigene Realität zu bewahren, sondern für sie legte sich der Umkehrschluss nahe: Wer mit dem Teufel auf derart vertrautem Fuße steht, kann nur eine Hexe sein.

An der sozialhistorischen Hexenforschung fällt auf, dass sie in ihrem Bestreben, die gesellschaftlichen Hintergründe des Hexenphänomens aufzuhellen, die in den Quellen festgehaltenen Aussagen der Angeklagten nicht ernst genug genommen hat. Dieser beliebte reduktionistische Blick, allzu rasch und über die Köpfe der Betroffenen hinweg nach den sozialen Ursachen ihres Handelns zu fragen, setzt Scheuklappen für die kulturellen Vermittlungen der Handlungsmotive und ignoriert den schlichten Sachverhalt, dass Hexen nicht im Alltag, sondern in den Hexenprozessen produziert wurden.[2405] Die Hexenprozesse waren Bühnen, auf denen das soziale Drama gegeben wurde, das Mischungsverhältnis von Gut und Böse, das in uns allen steckt, zu entflechten und das Böse in Reinkultur vorzustellen – eine bezeichnende gesellschaftliche Abstraktion und zugleich ein Akt des anthropologischen Wahnsinns, der im Zeitalter der Glaubenskämpfe und der entstehenden Staatlichkeit politische Methode hatte und die Bezichtigten, auf die denkbar unerträglichste Art mit der Zerreißprobe von Sein und Sollen konfrontiert, zu grotesken Höhenflügen ihrer unversehens entfesselten Fantasie animierte.

Zu den auffälligsten und doch bislang kaum beachteten Zügen der Salzburger Zauberer-Jackl-Prozesse gehören die absurden Selbstbezichtigungsspiralen der Angeklagten, ihr makabrer interner Wettstreit um die maximale Steigerung der ihnen zur Last gelegten Blasphemien ins Fantastische, der mit dem obrigkeitlichen Verhörzwang alleine nicht erklärt werden kann.[2406] Seine Logik hat niemand besser formuliert als der 15-jährige Pinzgauer Gelegenheitsarbeiter und Bettler Georg Riser: „... unnd wers noch mehr [hat] lestern khönnen, der ist der Best[e] gewesen und von dem Jaggl [d. h. dem imaginären Hexenmeister – Erg. d. Verf.] gelobt worden.“[2407]

Untersucht werden muss, was bisher entweder vornehm übergangen oder bloß moralisierend beklagt worden ist, nämlich in welch erschütterndem Ausmaß sich das soziale Drama der Hexenjustiz ins Innenleben der angeklagten Personen hinein fortsetzte und dort seinen ebenso realistischen wie grauenvollen Widerhall fand.[2408] Wir haben noch viel zu lernen über diese „inneren Bewegungen“, über die komplizierten Verschiebungen und Brechungen, die zwischen populären Alltagswahrnehmungen und dem unsäglichen Bekenntnistheater der Prozesse fortwährend stattfanden, und wir werden dabei vermutlich am wenigsten fehlgehen, wenn wir uns zunächst an die von den Angeklagten geschilderten und häufig alles andere als bequemen Hexenfantasien halten und sie daraufhin befragen, was sie über die Lebensweise der Angeklagten, über deren Bedürfnisse, Wünsche und Versagungen aussagen.[2409]

Wie kam die Lawine der Hexereibezichtigungen in Ramingstein ins Rollen? Das Einfallstor der Hexenjustiz bildete der ca. 16 bis 18 Jahre alte Bettelbub Joachim Grädenegger, gegen den am 5. Juni 1688 auf dem Pflegschloss Moosham der Prozess wegen Diebstahl und Zauberei eröffnet wurde, weil er sich öffentlich damit gebrüstet hatte, er könne fliegen.[2410] Hatte man 40 Jahre früher in Tamsweg einen jungen Landstreicher, gegen den frappierend ähnliche Beschuldigungen vorlagen, noch einfach laufen lassen, so war ein solches Nachsehen von der Obrigkeit nun nicht mehr zu erwarten.[2411] Wie im Verfahren gegen Barbara Kollerin von 1675, das die unheilvolle Serie der Salzburger Zauberer-Jackl-Prozesse mit ihren weit über hundert Todesurteilen ausgelöst hatte[2412] verwandelte sich auch hier ein schlichter Diebstahls- in einen Hexenprozess – nur dass die Obrigkeit die Zaubereianschuldigung nun von Anfang an gleich sorgsam hinzuformuliert hatte. Sie gehorchte damit lediglich der in den Zauberer-Jackl-Prozessen erprobten Politik, die lästigen Bettlerscharen zu diabolisieren und dadurch sozial zu ächten. Dass diese Politik durchaus Erfolg versprechend war, lässt die 1674 vor dem St. Lambrechter Landgericht getroffene Aussage der obersteirischen Bettlerin Agatha Khrueg bereits ahnen: nur die Bettler, meinte sie, könnten zaubern.[2413] Die Bereitschaft der „outcasts“, die ihnen zudiktierten Rollen zu übernehmen, die Anschmiegsamkeit der Bettlerkultur an die gegebenen Verhältnisse war ihre Achillesferse.

In Grädeneggers Vita spiegelte sich der wirtschaftliche Niedergang der Bergbaugemeinde: der Vater war Bergknappe, die Mutter Wäscherin, also die klassische berufs- und geschlechtsspezifische Arbeitsteilung im Montangewerbe; die Erzwäscherei war das weiblich besetzte und dementsprechend schlecht entlohnte Arbeitspendant zur maskulinen Bergarbeiterkultur.[2414] Er selbst konnte nicht mehr in die väterlichen Fußstapfen treten, sondern war vor eineinhalb Jahren in bäuerliche Dienste eingetreten und bestritt seinen restlichen Lebensunterhalt durch Bettelei und Kleindiebereien. Sein Alter wusste er nicht so genau, aber in einem späteren Verhör erläuterte er mit jener Gewitztheit, die die Verhörführenden in den Bettlerprozessen oft zur Weißglut brachte, „er seye 4 Wochen alt“, und hob dazu ironisch die Hand wie zum Schwur.[2415] Der Mooshamer Pflegsbeamte charakterisierte ihn als „zwar etwas khrump, hardt hörent und rödent [= schwerhörig und von schwerfälliger Rede – Anm. d. Verf.], aber bey guetter Vernunfft“.[2416] Im Dorf stand er in denkbar schlechtem Ruf, galt als boshaft, hinterlistig, diebisch und wurde von vielen gemieden. Selbst die Bettelgretl, der der Pfleger ein ähnlich schlechtes Leumundszeugnis ausstellte, merkte ihm gegenüber an, sie habe sich „mit ihme nit vill zu schaffen gemacht, weillen er sehr bes [= böse – Anm. d. Verf.] seye[2417], und der von ihm bezichtigte Bettlerkumpan Georg Länschüzer nannte ihn empört einen Narren, Dieb und Lügner, „hab allerley Zeug gestollen, hab seinem Vadern wollen die Weichen [= Geschlechtsteile – Anm. d. Verf.] zerhackhen“.[2418]

Man muss kein Freud-Anhänger sein, um in dieser Aussage den Vater-Sohn-Konflikt zu erkennen. Und in der Tat hatte Andre Grädenegger durch strafende Eingriffe immer wieder versucht, den missratenen Sohn auf den rechten Weg zurückzubringen. Als er entdeckte, dass Joachim einem Mann, mit dem er nach Ostern 1687 zusammen bei einem Bauern übernachtete, einen Gulden aus der Hosentasche gestohlen hatte, hatte er dem Bestohlenen das Geldstück heimlich „wieder zuogesteckht, und deretwillen ihme [= dem Sohn – Erg. d. Verf.] selbigen Tag khein Nachtmall geben lassen“.[2419] Vor allem in der heimlichen Rückerstattung der entwendeten Münze legt sich die väterliche Scham über das verübte Unrecht offen: Ein sorgfältig in ein Schnupftuch eingeschlagener Goldgulden ist eine Menge Geld, Rechtschaffenheit ist ein zentraler Wert der Bergarbeiterkultur, der es nicht zulässt, sich mit derart unredlichen Mitteln gegen die Armut zu wehren. Aber es gelang ihm trotz aller strengen Erziehungsmaßnahmen nicht, den Sohn von der schiefen Bahn abzubringen. In den Verhören gestand dieser vielmehr eine ganze Reihe von kleineren und größeren Diebstählen, die ihm nicht nur manche Ohrfeige von den Betroffenen, sondern auch schlechte Gesellschaft und einen zunehmend schlechten Ruf eingetragen hatten. So hatte er beispielsweise zusammen mit der Abdeckerstochter Eva Bestl die versperrte Truhe des Schinderknechts erbrochen. Als Diebesgut gestand er zunächst nur einige Kreuzer zu, räumte aber dann auf richterliches Nachbohren hin „bey 6 oder 7 Stuckh grosses Gelt“ ein, „so er nit gekhennt (!)“.[2420] Hatte er zunächst zu seiner Entlastung versucht, der Schindertochter den Löwenanteil der Beute in die Schuhe zu schieben, so scheute er jetzt nicht vor der infamen Behauptung zurück, er habe das Geld seinem Vater gegeben.

Man wird das nur als ebenso real gemeinten wie imaginären Racheakt gegen eine Autorität verstehen können, die ihm die Anerkennung verweigert hatte. Und im Prozess schrieb sich dieses notorische Vergeltungsbedürfnis auf erweiterter Stufenleiter fort. Zunächst fällt die Freude an der Grausamkeit oder genauer gesagt das hyperrealistische Unterlaufen des Zaubereimotivs auf. Nicht etwa durch unsichtbare magische Kräfte, sondern durch brutale Gewaltanwendung, nämlich indem sie den Kühen mit Knüppeln in die Lenden schlugen, hätten zwei seiner weiblichen Bettlerkumpane dem Vieh Schaden zugefügt.[2421] Und bei keinem der Angeklagten fielen die Beschreibungen des Hostienfrevels so gewalttätig aus wie bei ihm.[2422] Er habe die Hostie „auf einen Stein gethan, mit ainem Zwüssl [= Astgabel – Anm. d. Verf.] darauf geschlagen, und mit ainem Messer geschnithen, daß das Bluet darvon gesprizt“.[2423] Die Bettlergretl beschuldigte er, die Hostie „mit ainem Messer clain zerschnithen, daß das Blueth darvon geflossen“, und daraus „einen grossen Putter geriehrt“[2424] zu haben, um den [über die] über und über das Blut geronnen sei. Ein andermal habe sie „auf eine Heyl. Hostie mit der Hackhen geschlagen, daß das Blueth darvon gesprizt“.[2425] Die Blutbutter ist nicht nur eine ausgesprochen ländliche Fantasie, die auf der beobachteten Analogie stockender Substanzen beruht (dass verhexte Kühe statt Milch nur mehr Blut geben, war eine geläufige Vorstellung)[2426], sondern sie ist auch eine Pervertierung der weiblichen Domäne des Ausbutterns und der mit dieser Nahrungsmittelherstellung assoziierten Fruchtbarkeitsvorstellungen. Selbst die ansonsten denkbar hartgesottene Bettlergretl hat sich gegen diese Perversion mit Leibeskräften zur Wehr gesetzt.[2427] Schließlich die auffällige Wiederkehr des Beilmotivs: der blindwütige Hass, mit dem der selbstzerstörerische Traum aller hoffnungslos Unterlegenen geträumt wird, nicht nur die Macht des eigenen Vaters, sondern auch die des göttlichen Vaters und mit ihm aller Väter in einem einzigen brachialen Gewaltakt zu vernichten, zu zerhacken. Wir haben es mit einem Ausgestoßenen zu tun, der die väterliche Wertewelt hassen gelernt hatte, für den desavouiert zu werden und dafür Rache nehmen zu wollen, ein und dieselbe Gemütsbewegung darstellte – eine gemeingefährliche Bedürfnismischung, wie sich herausstellen sollte.

Am Ende ihres Verhörs vom 18. September 1688 brach die Praunmaidl weinend zusammen und sagte, „daß ihr laidt seye, daß sye von der Gredl verführt wordten, seye frohe, daß sye nun von ihne loß were“.[2428] Diese Aussage hat Gewicht, denn es hatte sie niemand danach gefragt, und sie weist zugleich in die Richtung, dass es eine Kumpanei gab, unter der sie gelitten hatte. Als man die Bettlergretl damit konfrontierte, antwortete sie nur kurz und mit einem Zynismus, aus dem die Verachtung einer für schwach befundenen Person spricht: „Habe sich selber verführt ...“.[2429] Dennoch deuten die Finger fast aller Angeklagten übereinstimmend auf sie, was die Anstiftung zur Hexerei betrifft. Und sie reagierte konsequent darauf, indem sie notorisch von sich weg und auf die anderen hinwies, die noch viel schlechter als sie gewesen wären. Eine durchsichtige Strategie der Selbstverteidigung und -entlastung gewiss, die zudem derart impertinent vorgetragen wurde, dass sie selbst den Hexenrichtern unangenehm auffiel – und dennoch steckt vermutlich mehr in ihr als das schlichte Reiz-Reaktions-Schema von Bezichtigung und denunziatorischer Abwehr.

Dass mehr dahinter steckt, wird in dem Augenblick sichtbar, als das böse Widerspiel der wechselseitigen Denunziationen in ihrem Verhör auf den Höhepunkt getrieben und sie unter dem Druck der Zeugenaussagen gefragt wurde, ob sie nicht ihren eigenen Sohn Hiesl „dem bösen Feindt geschenkhet“[2430] und ausgeliefert habe. Alle anderen Angeklagten hatten sich dieser Zumutung der Denunziation ihrer nächsten Verwandten verweigert. Auch sie zögert einen Moment angesichts der Ungeheuerlichkeit, aber dann gesteht sie, freilich mit einem charakteristischen Zusatz: „möge ihr Sohn woll [auf die Hexentänze – Erg. d. Verf.] gefahren sein, es seyen deren woll mehr“.[2431]

Durch diese selbstrechtfertigende Aussage schimmert noch ihr aggressives Gegenteil, nämlich die Faszination der Macht hindurch, die von der Hexerei und denen, die sich ihrer kundig wähnen, ausgeht. Der unterirdische Bund der Hexen ist so stark, die Anzahl der trotzig-gegenkulturell erhobenen Häupter so groß, dass die Richter davor erschauern sollen. Und diese Imagination erfüllte ihren Zweck. Die Richter schreckten zurück – nicht vor der Hexerei, sondern vor der Macht, die von ihr ausgeht, wenn jemand sie zu inkorporieren, d. h. vollständig für sich zu reklamieren sich anmaßt und eben dadurch die herrschende Gegenseite in ihre Schranken verweist. Eine ebenso abwegige wie totale Form der hasserfüllten wechselseitigen Anerkennung wird hier unterschwellig greifbar: so weit jenseits der Normalität, so tollkühn, so todesverachtend, darüber ist eigentlich nicht zu richten. Die Richter fassten ihr grenzenloses Staunen über diese Person im Schlussvermerk des Protokolls zusammen: „Es khomet vor, als ob sye zu Stall in Cärndten aus den Wolckhen gefallen were.“[2432]

Diese seltsame Metapher, die auf den Wetterzauber und die nicht eben seltenen Schilderungen der Angeklagten über Abstürze beim Hexenflug zurückgeht, findet ihre konkrete Erklärung in einem Vorfall, von dem Susanna Prambeggerin am selben Tag im Verhör berichtet hatte. Der Amtmann und Wirt zu Einach (Steiermark) habe ihr erzählt, dass die Gretl, weil sie nicht mehr gehen konnte, bei ihren Bettelzügen „lang auf einer Trag umbgetragen worden“; „als man sy aber zu Stadl ... dergestalten auf einer Trag in eines Mans ... Haus getragen, selbiger aber sie ausgescholten, daß sye sich also tragen liesse, und doch woll gehen khöndte, seye [sie] geschwint darvon und nacher besagtem Einach geloffen“, woraufhin der Mann das Gerücht verbreitete, „daß sye Gredl eine Hex were“.[2433] Es handelt sich also vordergründig um eine der berühmt-berüchtigten Geschichten vom Auffliegen betrügerischer Bettelpraktiken, wie sie im Interesse der Obrigkeiten und ihrer Bettelbekämpfungsstrategien landauf, landab verbreitet wurden.[2434]

Man wird jedoch bei ihrem Verhalten die andere Ebene ihrer eigenen bitteren Lebenserfahrungen nicht übersehen dürfen, die als innere Stärke erweist, was sich zunächst wie eine Schwäche ausnimmt. Sie war ja unverschuldet an den Bettelstab gelangt, nachdem ihr Mann, ein Bergknappe, sie über Nacht mit ihrem Kind sitzen gelassen hatte und „ins Schwabenland gezogen“ war – eine in den Unterschichten verbreitete Form der Ehescheidung; sie war aufgrund ihrer schwächlichen Konstitution häufig von Krankheiten geplagt und schließlich so schwer an der roten Ruhr erkrankt, dass sie nicht mehr laufen konnte und befürchten musste, nunmehr auch dem Bettel als der letzten ihr noch verbliebenen Unterhaltsmöglichkeit nicht mehr nachgehen zu können. Leicht hatte sie es in ihrem Leben bestimmt nicht gehabt, und daher liegt es auf der Hand, weshalb sie den Zwang in sich verspürte, aufzuspringen und davonzulaufen: Es war ihr schon viel zu oft verletzter Stolz, der sich angesichts der extremen Demütigung plötzlich in ihr aufbäumte; sie hatte zu viel hinnehmen müssen, und nun reichte es. Sie hatte die Sottisen dieses selbstgerechten Ignoranten, der nicht die geringste Ahnung von den Härten ihrer Existenz besaß, einfach nicht mehr ausgehalten. Und aus dieser unbezwingbar in ihr aufsteigenden Wut über die Borniertheit ihres Gegenübers hatte sie den eigenen Betrugsbettelladen auffliegen lassen. Weil sie über sich hinausgetrieben wurde, wuchs sie über sich hinaus.

Wer so zu handeln vermag, um den ranken sich die Legenden. Der Einacher Wirt kleidete, die Einzigartigkeit dieser Person gutkatholisch verhimmelnd, ihre krankheitsbedingte Gehunfähigkeit in das überirdische Bild, „daß die Gredl Wötter machen khönte, sy hettens aus der Wolckhen herabgelassen, daß sye nit mehr gehen mögte“[2435], und der soziale Dummkopf, der sich ihr wider die ureigensten Überlebensinteressen gerichtetes Verhalten nicht erklären konnte, erklärte sie dafür plump zur Hexe. Es eilte ihr ein Ruf voraus, und sie wusste sich dessen zu bedienen. Man hatte sie zur Hexe gemacht, und nun verhielt sie sich auch so, gnadenlos die ihr zuerkannte Macht gegen die von ihr verachteten Mitangeklagten ausspielend und voller Spott und Hohn gegen ihre schwachen Richter. Ihr gekipptes Selbstbild brachte sie dazu, die Rolle anzunehmen, die andere ihr zuwiesen, und sie spielte sie mit Grandeur. Den Auftakt ihres Verhörs in loco torturae bestritt sie mit der Aussage, sie sei kein Unhold – effektvoller konnte man der zentralen Unterstellung der Inquisition, die die Menschen in Menschenfeinde, d. h. in Teufel zu verwandeln trachtete, gar nicht begegnen. Als sie sah, dass es in diesem Prozess kein Entrinnen für sie gab, wischte sie ihre Angst mit der lapidaren Bemerkung beiseite, „was sye lang laugnen solte“[2436], und bot den Richtern die Stirn. Sie machte sich unverhohlen über deren verklemmte sexuelle Vorstellungen lustig. Auf die Frage, ob sie sich dem Teufel ergeben habe, antwortete sie: „Ja sye habe sich dem Gämperl ergeben, [er] seye gleich zue ihr gerennet.“[2437] Liebe auf den ersten Blick also, und selbstverständlich sei der verliebte Gockel „vast alle Nacht“ zu ihr in die Gefängniszelle gekommen.[2438]

Das Ironische dieser Äußerungen wird noch deutlicher, wenn man hinzudenkt, dass sie auf dem Sabbat „nur ein wenig getanzt“ haben wollte, „weillen sy etwas khrumpp und schwach von Leib“[2439] und dass ihre Altersangabe von ca. 30 bis 40 Jahren den Gerichtsprotokollanten zu der hämischen Randglosse verleitet hatte, sie sähe aber aus wie sechzig.[2440] Mit einer „hipschen Feder“ habe sie der böse Feind dem Teufelspakt eingeschrieben, und über den Hexensabbat gab sie die spöttische Beschreibung, sie hätten „tanzt, glacht, Späß und Unzucht getrieben“. Allerdings behauptete sie, es sei dabei nur Wasser getrunken worden, und als der Richter erstaunt nachfragte, ob es denn wirklich „khain Pier, Mödt oder Wein“ gegeben habe, konfrontierte sie ihn hart mit ihrem Bettlerrealismus: „Wan ains khain Gelt nit hat, muß ains entrathen [= verzichten – Anm. d. Verf.].“[2441] Ihre Antworten waren häufig von der Art, dass die Richter nur das Thema wechseln konnten. Auf die angsterfüllte, dämonologisch inspirierte Frage etwa, sie „seche gar seltsamb umb in die Winckhl“, ob sie dort vielleicht den Teufel sähe, schnitt sie ihnen energisch das Wort ab: „Ein Maus hab sy gesechen und sonst nichts.“[2442]

Mit dieser Frau, die von den vielen Jahren auf der Landstraße gezeichnet worden war, war nicht gut Kirschen essen, und nun, da ohnehin nichts mehr zu retten war, ließ sie ihrer Verachtung des Gerichts und ihrer Mitangeklagten freien Lauf. In der Wahrnehmung der Inquisitoren aber war eine derart furchtlose und widerspenstige Person per se eine Hexe. Woher, wenn nicht vom Satan, hätte sie ihre Kraft beziehen sollen? Nur den Joachim Grädenegger musste sie fürchten, weil er aus ähnlich hartem Holz geschnitzt war wie sie und weil er zu viel wusste, was ihr nun gefährlich werden konnte, etwa über ihre früheren Verhaftungen. Offensichtlich waren sie lange Zeit miteinander herumgezogen – eine Bettelpaarbildung, die sich nicht auf überlebenspraktische Erwägungen beschränkte. Dass er sie nun so schwer belastete, seine ganze Aggressivität auf sie lenkte, hatte mit der besonderen Beziehung zu tun, die er zu ihr hegte. Sie hätte seine Mutter sein können, vom Altersabstand her wie auch von der gemeinsamen Mentalität. Und tatsächlich berichtete er, sie habe einmal „bey seiner Dhür angekhlopft“, um ihn zum Sabbat abzuholen, „er seye aber schläfferig gewesen, darauf die Gredl vermeltet, schlaff nur“.[2443] Die Beziehungen der Bettler untereinander waren häufig Ersatzbindungen für das, was man verloren hatte.[2444]

Die Bettlergretl und Joachim Grädenegger waren die Schlüsselfiguren der Ramingsteiner Hexenprozesse, keine sonderlich sympathischen, aber doch auf ihre Weise starke Personen, die andere, Schwächere, in ihren Bann zogen und keine Scheu, sondern mitunter ihre helle Freude daran hatten, sie ihren Machtspielen zu unterwerfen. Dies ist deutlich in ihrem gemeinsamen verächtlichen Verhältnis zur Praunmaidl zu sehen, die eine heimliche sexuelle Beziehung zu einem Bauernknecht unterhielt, von der ihr Vater nichts wissen durfte.[2445] Die hatte man ohnehin in der Hand. Nicht wesentlich anders dürfte sich die Beziehung zur Stöckl Maidl, einer 27-jährigen Weberswitwe, gestaltet haben, deren Überängstlichkeit sogar den Richtern auffiel.[2446] Die männlichen Komparsen in dem Spiel waren debile Gestalten, die nichts durchschauten und denen man seine überlegenen Strategien ohne weiteres aufnötigen konnte. Wieso also sollten sie nicht auf die Idee gekommen sein, ihnen ein Spiel mit dem Feuer anzubieten, um ihnen einen ordentlichen Schrecken einzujagen? Bei Grädenegger lag das hohe Aggressionspotenzial ohnehin auf der Hand, und ein gewisser sadistischer Grundzug der Bettlergretl lässt sich etwa anhand ihrer genüsslichen Äußerung über den Hexenflug feststellen, dabei „haben die Menscher [= Mägde – Anm. d. Verf.] gerainzt und gölzet [= geschrien wie die Katzen und gequiekt wie die jungen Schweine – Anm. d. Verf.][2447], und ihne waiß nit wie gefürchtet“.[2448] Und womit hätte man andere, die leichtgläubiger und schwächer waren als man selbst, besser in Angst und Schrecken versetzen können als mit dunklen Andeutungen über jene Zauber- und Teufelsspukgeschichten, die schon während des 17. Jahrhunderts, spätestens aber seit den Salzburger Zauberer-Jackl-Prozessen zum Gemeingut der Bettler gehörten?[2449]

Es dürfte seither wohl kaum ein Tag vergangen sein, an dem sie von der Bevölkerung nicht neugierig daraufhin befragt worden waren, was es denn damit nun wirklich auf sich habe. Aus dieser „Expertensituation“, in der der Bettel durch obrigkeitliches Prozesskalkül und die populäre Gerüchteküche immer stärker mit der Hexerei konnotiert worden war, erwuchs die Versuchung der Betroffenen, die Rolle aufzugreifen und für ihre Zwecke zu wenden, gleichsam von selbst. Das Image der Zauberei macht stark, nach außen wie nach innen.[2450] Ich vermute, dass die Bettlergretl und Joachim Grädenegger mit dem Hexenkönnen pokerten. Sie versuchten aus dem Ruf, der ihnen durch die spektakulären Prozesse plötzlich zugefallen war, Kapital zu schlagen. Das war ein außerordentlich gefährliches Spiel, aber eben auch ein faszinierendes gesellschaftliches Angebot, dem sich die Gewitzteren unter den Bettlern kaum zu entziehen vermochten. Und es erklärt, was sonst kaum zu erklären ist, nämlich weshalb die Geständnisse der Angeklagten so leicht zu erlangen waren. Es muss ein schlechtes Gewissen bei ihnen gegeben haben, auch wenn sich seine Substanz mit den Perhorreszierungen der Obrigkeit nicht deckte.

Was hat dies nun für die Inszenierung und den Verlauf der Ramingsteiner Bettlerhochzeit zu bedeuten? Soviel an ihr auch unklar bleiben mag, ich denke, man wird davon ausgehen müssen, dass Grädenegger und die Bettlergretl in ihr die Fäden zogen. Das ist am deutlichsten gegenüber der Praunmaidl zu sehen, die die Braut spielen musste, obwohl und weil sie sich aller Voraussicht nach dagegen sträuben würde. In einem spielerischen Ritual warf Grädenegger sich höhnisch zum Herrn über sie auf, ein Ritus ihrer Demütigung, dem sie sich nicht entziehen konnte. Und warum sollte die Prambegger Sandl gelogen habe, als sie erzählte, im vergangenen Frühjahr sei die Bettelgretl „in ihr Wohnung Heisl khommen, und von ihr ein Milch begehrt, nach welchem sy gesagt, sy solte mit ihr gehen, sy wolte sy an Orth ... entfiehren, wo sy gar offt währe ...“?[2451]

Doch beginnen wir die Recherche über Wirklichkeit und Fiktion der Bettlerhochzeit mit der Aussage des fast 59-jährigen Christian Eder, Fronbote beim Ramingsteiner Berggericht. Von ihm stammt der entscheidende Hinweis, die Hochzeit habe in „ihr[er] Compagnie oder Rockhlrais“[2452] d. h. im Rahmen der dörflichen Spinnstubengeselligkeit als Spiel stattgefunden.[2453] Selbst der Mooshamer Pfleger vermerkte, wie sehr sich in Eders Vita der Niedergang des Bergbaus spiegelte: 22 Jahre lang hatte er in der Ramingsteiner Waschhütte gearbeitet und war dann nach seiner Entlassung beim hiesigen Berggericht untergekommen, in dessen Diensten er seit nunmehr 25 Jahren stand.[2454] Fast 50 Arbeitsjahre hatten ihn alt und gebrechlich werden lassen und vermochten ihn doch ebenso wenig wie sein guter Leumund vor dem Todesurteil zu bewahren. Dennoch nahm er schon durch Alter und Berufsstatus in den Prozessen eine Sonderrolle ein, die seine Aussage glaubwürdig erscheinen lässt, er sei zwar mit den Angeklagten benachbart, habe aber im Übrigen „khein sonderbare Gemeinschafft mit ihne[n] gehabt“.[2455]

Dass er nicht zu dieser peer group gehörte und daher weniger in das Geflecht ihrer wechselseitigen Abhängigkeiten verstrickt war, verleiht seinen Aussagen besonderes Gewicht. In die Prozesse war er nur dadurch verwickelt worden, dass er bei der Hochzeit die Rolle des Brautführers gespielt hatte. Um dem Ritual zu entsprechen, brauchte man dazu einen Vertreter der älteren Generation, und da Grädenegger ihn kannte, weil er vor etwa zwei Jahren im Haus seines Vaters zur Miete wohnte, hatte er ihn gebeten, die Rolle zu übernehmen, und er hatte sie so gespielt, wie es die Konvention verlangte, hatte mit der Braut zwei oder drei Ehrentänze getanzt und sie dann nach dem obligatorischen Hochzeitsmahl „dem Joachim als Preitgabm ... zuegefiehrt und yberhendigt“.[2456] Auch für die Landarmen, die das herrschende besitzbäuerliche Hochzeitsritual nur imitieren konnten, von dem sie de facto mehr und mehr ausgeschlossen wurden, war das Wichtigste am Heiratsgeschäft, dass die maskuline Kontrolle darüber gewahrt blieb.[2457] In diesem neuralgischen Punkt des Rituals gab es keine kulturelle Differenz; die Hegemonie der bäuerlichen Hochzeitsriten war wirksam.[2458]

Die wichtigste profane Figur im ländlichen Eheschließungszeremoniell, die die Interessen der Volkskultur gegen die kirchliche Überformung des Hochzeitsrituals ebenso ironisch wie prätentiös verkörperte, war und ist der Hochzeitslader bzw. Brautführer.[2459] In seiner Person ist der Konflikt zwischen Sakralem und Profanem, zwischen geistlichen und weltlichen Interessen beschlossen, wie er in der frühen Neuzeit um die Eheschließung tobte. Wie also beschrieb der Brautführer Christian Eder das Zustandekommen dieser Verbindung, die nur im Spiel noch realisieren konnte, was ihr in der Realität zunehmend versagt war? Ungesehen sei er „in der Praunmaidl Haus hineingangen, da wehre der Joachim, die Praunmaidl und das schwarze Mändl schon darinne gewesen, und het ihne Joachim gebetten, er solte Prautfiehrer sein ...“[2460] Auf die Frage, woher er das schwarze Mändl kannte, antwortete er ein wenig linkisch, „seye im Fegfeur und in der Höll mit ihme bekhant worden“[2461], und als der Inquisitor mit eisernem Besen dazwischenfuhr und ihm entgegnete, diese Anschauung sei den Lebenden verschlossen, fiel ihm die richtige Antwort nicht ein, dass er dieses aus der kirchlichen Unterweisung wisse, sondern er meinte kleinlaut zugeben zu müssen, ihn dort zum ersten Mal gesehen zu haben. Dabei war doch am ländlich-katholischen Teufel gar nichts Besonderes; er sah im 17. Jahrhundert bereits genauso aus, wie man ihn dort bis heute kennt[2462] – mit Hörnern auf dem Kopf, menschenfeindlichen Tierkrallen an Händen und Füßen und einem ‚rauen‘, ungeschlachten körperlichen Erscheinungsbild, das jeder humanen Regung widerstreitet und nur ‚kalte‘ Empfindungen weckt. Angesichts eines derart auffälligen und stereotypen Äußeren waren natürlich auch seine Verstellungskünste arg beschränkt. Als er der Susanna Prambeggerin einreden wollte, er sei der rechte Gott, wies sie ihn sogleich mit dem schlagenden Argument zurecht, „daß der rechte Gott nit rauch wie er were“.[2463]

Eders zweite wesentliche Beobachtung bestand darin, dass der Teufel im Hochzeitsspiel die Rolle des Pfarrers einnahm und an dessen Stelle die Trauungszeremonie vornahm. „Das schwarze Mändl habs zusammen geben, hab ein schwarzes Tuech gehabt und ihne umb die Hent gewickhelt, und gesprochen, solten bey einander sein in Lieb und Layt, bis es der Tod schaidet.“[2464] Die Tuchzeremonie wird von beiden Brautleuten bestätigt und von Grädenegger noch um den Ringtausch erweitert, wobei er nicht zu erwähnen vergisst, sein Ehering sei ihm „zue klain gewest“ und habe durch einen größeren ersetzt werden müssen[2465] – die in der arbeitenden Bevölkerung übliche maskuline Eitelkeit der großen Hände also.

Die Verwandlung des Spinnstubenspiels in eine „schwarze Hochzeit“ kam also nach den Aussagen der Angeklagten dadurch zustande, dass der Teufel in der Trauungszeremonie an die Stelle des Geistlichen trat. An diese Inversion des Verehelichungsritus ließen sich dann alle weiteren Erzählungen über Hexenflüge, Sabbatorgien etc. mit einer gewissen Konsequenz anknüpfen. Wie aber hat man sich den Auftritt des Teufels in diesem Hochzeitsspiel vorzustellen? Das ist eine alles andere als leicht zu beantwortende Frage, der man sich aber dennoch stellen muss, weil die Hauptdarsteller des Spiels ihn bei dieser Zeremonie gesehen haben wollen und halbwegs übereinstimmende Beschreibungen von ihm und seinen Handlungen gaben.[2466] Und diese Erinnerungen sind zu genau, um sie schlicht vom Tisch wischen zu können – die Braut erinnerte sich etwa daran, der falsche Geistliche habe die Trauungsformel so undeutlich gesprochen, dass sie sie nicht habe verstehen können.[2467]

Ich glaube nicht daran, dass es sich um einen Mummenschanz handelte, bei dem jemand als Teufel verkleidet auftrat. Diese Möglichkeit der karnevalesken Maskerade scheidet m. E. schon deshalb aus, weil der Teufelsdarsteller im Laufe des Spiels vermutlich demaskiert worden wäre[2468] und der mit ihm verbundene Schrecken sich als harmlos herausgestellt hätte. Die Angeklagten hätten dann sicherlich nicht vergessen, zu ihrer Verteidigung anzuführen, dass es sich bloß um einen Spielteufel gehandelt habe. Auch die weitere Möglichkeit, dass sich der Teufelsschauspieler nach seinem Auftritt als Pfarrer unbemerkt zurückgezogen haben könnte, so dass ihm die Demaskierung erspart blieb, erscheint mir ziemlich unwahrscheinlich. Zum einen wäre ein solches Manöver in einer Spinnstubenveranstaltung, wo jeder jeden zu kennen gewohnt ist, nur schwer durchzuführen, und zum anderen müsste das plötzliche Verschwinden des Hauptdarstellers in den Erzählungen der Hochzeitsgäste zu einem in den Verhörsprotokollen feststellbaren Bruch geführt haben. Davon, dass der Teufel sich irgendwann zurückgezogen habe, ist aber nirgendwo die Rede. Die Kontinuität seiner Präsenz lässt sich m. E. nur erklären, wenn man sie von vornherein als eine imaginierte begreift. Dafür reicht die bei den Teilnehmern gehegte Vorstellung aus, es könnte bei diesem Spiel nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Ich glaube, ihr schlechtes Gewissen erklärt sich am einfachsten und konsequentesten daraus, dass sie die offizielle Trauungszeremonie so realitätsnah wie möglich nachahmen wollten und ihnen deshalb schmerzlich ins Bewusstsein trat, dass der Pfarrer als Repräsentant der offiziellen Kultur bei ihrer Spielhochzeit fehlte. Vermutlich hatten sie ihn einfach hinzugedacht. An dieser – von den Beteiligten offenbar selbst so empfundenen – Schwachstelle des Spiels konnte die Inquisition einhaken. Im Glauben der katholischen Landbevölkerung ist eine Eheschließung ohne „kirchlichen Segen“, d. h. ohne Bestätigung durch den Geistlichen, bis weit ins 20. Jahrhundert hinein nur schwer vorstellbar. Im 17. Jahrhundert bewegen wir uns noch in den Anfangsgründen dieses Tabus.[2469]

Werfen wir zunächst einen Blick auf die Grundzüge der frühneuzeitlichen Ehepolitik, die hier ins Spiel kommen. Zum einen war der Vollzug der Trauung durch den Pfarrer zwar seit dem Mittelalter allgemein üblich, aber erst durch die Beschlüsse des Tridentinums im späteren 16. Jahrhundert war der Geistliche zur ausschlaggebenden Geltungsinstanz im Heiratsritual erhoben worden. Zum anderen gab es die alte – von den Amtskirchen freilich zunehmend zurückgedrängte – Tradition der „Winkelheiraten“ noch, die das Heiraten als profanes Geschäft betrachtete, zu dessen Gültigkeit das schlichte Jawort, d. h. das gegenseitige Übereinkommen der künftigen Ehepartner in Form des Eheversprechens ausreichte.[2470] Was dieser populären Tradition ihre Hartnäckigkeit verlieh, war vor allem die Vorstellung, dass Heiraten ein elementares Recht sei, das niemandem verwehrt werden dürfe. Eben dieses Recht aber wurde – zum Dritten – den Untertanen von den geistlichen und weltlichen Obrigkeiten der nachreformatorischen Periode immer nachhaltiger bestritten. Die Salzburger Regierung drängte im 17. Jahrhundert mit Macht darauf, die besitzlosen Unterschichten mit einem generellen Heiratsverbot zu belegen, um die anwachsende Armut zu bekämpfen.[2471] Die Bettler konnten sich zu diesem Zeitpunkt kaum noch Chancen ausrechnen, wirklich und offiziell zu heiraten[2472] und deshalb lebten sie einfach miteinander und spielten mit Begeisterung Hochzeit – Trotzreaktion und Imagination eines realen und ihnen doch zunehmend versperrten Bedürfnisses. Der Konflikt brach dort auf, wo sich die eigentlich Betroffenen gegen die Zumutungen der Obrigkeiten mit der realen Macht ihrer Fantasie zur Wehr setzten: Sie spielten ein in mehrfacher, d. h. sowohl in sozialer wie ritueller Hinsicht verbotenes Spiel, und sie wussten darum. Man muss zum Vierten, um das Ausmaß der Ambivalenz der Situation zu erfassen, nur noch hinzudenken, dass Grädenegger und die Bettelgretl mit dem ihnen zugeschriebenen Hexenwissen gewuchert haben könnten, um die anderen einzuschüchtern. Man braucht sich dabei kein düsteres Gemälde einer in Analogie zur schwarzen Messe konstruierten „schwarzen Hochzeit“ vorzustellen[2473]; sie spielten lediglich mit der Konvention, und einige gezielte Hinweise auf die Gefährlichkeit des Spiels würden durchaus ausgereicht haben. Das Erzählen von Schauergeschichten, die vor allem die noch unverheirateten Frauen und Mädchen erschrecken sollten, gehörte schließlich zum Standardrepertoire der Spinnstubenkultur und ihrer Eheanbahnungsriten.[2474]

Die Ebene der populären Erzählkultur kompliziert die Unterscheidung von Fiktion und Realität noch einmal, da der plötzliche Auftritt des schwarzen Manns im heiteren Spinnstubengeschehen damals schon ein geläufiger Erzähltopos war.[2475]

All diese weit ausholenden Überlegungen laufen auf einen denkbar schlichten Sachverhalt hinaus: Das Nachäffen der dem Geistlichen reservierten Trauungszeremonie scheint für die Teilnehmer selbst ein gefährliches Spiel gewesen zu sein, das hart an Frevel grenzte. Zumindest konnten sie rückblickend und unter dem Fragedruck der Inquisition nicht ausschließen, dass diese Interpretation vielleicht doch eine gewisse Plausibilität besaß. Man darf nicht vergessen, dass die Scheidung von Sakralem und Profanem zu den Prinzipien gegenreformatorischer Religionspolitik gehörte und dass die Kirche nun insbesondere den Klerus und seine Insignien nicht mehr in die Sphäre der Volksvergnügungen hineinziehen lassen wollte[2476] (vgl. Anhang). Das markiert den wunden Punkt, der das Umschlagen der Bewertung des eigenen Handelns möglich machte: man könnte in seinem festlichen Übermut vielleicht doch etwas zu weit gegangen sein ... Daraus speiste sich ein schlechtes Gewissen, das der Hexenjustiz die willkommenen Angriffsflächen bot, um den mit der Ernsthaftigkeit des vormodernen Spielsinns vorgetragenen Scherz in ein teuflisches Ritual zu transformieren. Scherzhochzeiten haben, wie etwa die Nürnberger Bettlerhochzeit von 1506 zeigt[2477] nichts mit ehelicher Fruchtbarkeit zu tun, sondern dienen in ihrer karnevalesken Logik der verkehrten Selbstthematisierung der sozialen Ordnung. Intendiert war lediglich eine Hochzeitsparodie, ein spielerischer Akt der Grenzüberschreitung, der den herrschenden Konventionen spotten und der eigenen Belustigung dienen sollte. Getroffen werden sollten die Selbstgefälligkeiten einer sozialen Ordnung, die sich – vergeblich – darum bemühte, die Unwägbarkeiten des Lebens in Besitzkategorien zu pressen und wahrscheinlich auch die moralische Heuchelei des einen oder anderen Gruppenmitglieds.[2478] Aber in der symbolischen Auflehnung gegen die offizielle Kultur, in der Ironisierung des eigenen gesellschaftlichen Ausschlusses aus ihr, formierte sich ein latentes Konfliktpotenzial, das erst durch den massiven Gegenangriff der Inquisition voll ins Bewusstsein trat. Dass man, ohne sich gänzlich im Klaren darüber zu sein und ohne es wirklich gewollt zu haben, etwas getan haben könnte, was dann unverhofft auf einen zurückschlägt, war eine neue, abstraktere Bewusstseinsstruktur, die erst die gegenreformatorische Propaganda in das moralische Gewissen der Bevölkerung gesenkt hatte.[2479] Ein Seitenblick auf das Schicksal der Frevler in der populären Erzähl- und Sagenmotivik genügt, um sich die alttestamentarische Härte dieses Rückschlags vor Augen zu führen. In den Buß- und Strafpredigten der Volksmissionare war es immer wieder ausgemalt worden: Gott duldet die Frevler nicht bis zum Jüngsten Tag, sondern straft sie sogleich und drakonisch.

Die Vorstellung vom Frevel war mit der Bergbaukultur aufs Engste verbunden, und sie fand – vielleicht aufgrund der konfessionellen Spannungsmomente – ihre stärkste Ausprägung im alpinen Raum.[2480] Im Grunde handelte es sich dabei um eine Zuschreibung von außen, in der sich die Launenhaftigkeit des Bergsegens indirekt spiegelt. Der bäuerlichen Umwelt erschien die Montanökonomie, wo dem schnellen Reichtum der ebenso plötzliche Verfall entsprach, als allzu risikobeladene wirtschaftliche Sondersphäre, ja tendenziell als obskures Glücksrittertum.[2481] Um diese verwegene Abweichung von den auf vergleichsweise geringem Niveau stabilen agrarischen Wirtschaftsformen rankten sich die Sagen, die unermüdlich dieselbe selbstgerechte Geschichte erzählen: Die von ihrem plötzlichen Reichtum berauschten Bergknappen werden übermütig, freveln wider Gott und werden dafür mit aller Härte bestraft. Sie verstoßen gegen die Gebote der Selbstbescheidung, die nicht nur religiöser Natur sind, sondern auf denen auch die Ökonomie der Subsistenz beruht.[2482] Es ist aufschlussreich genug, dass der Vorwurf, der gegen sie, ähnlich wie später gegen die aus der bäuerlichen Ordnung ausbrechenden textilindustriellen Heimarbeiter, erhoben wird, den luxurierenden Bedürfnissen ihrer Lebensweise und speziell den ihnen zugeschriebenen üppigen Festgelagen gilt. Als das Graubündner Bergstädtchen Plurs 1618 durch einen gewaltigen Bergsturz verschüttet wurde, führte ein eifriger Pfarrer diese „Strafe Gottes“ in einer Flugschrift postwendend auf die Sittenverderbnis der Plurser und insbesondere auf eine kurz zuvor „mit niegesehener Pracht“ gefeierte Hochzeit zurück.[2483] Für ihre andere Lebensführung wurden die Bergleute von ihrer bäuerlichen, aber auch städtischen Umwelt pauschal unter Frevelverdacht gestellt, und es hat den Anschein, als hätten sie dem gerade in wirtschaftlich schlechten Zeiten nicht viel entgegensetzen können. Wenn diese angstbesetzte Disposition mit dem Auftreten der „strafenden Hand“ der Inquisition ineinander fiel, bedurfte es der Folter oft gar nicht, damit der Strom der Selbstbezichtigungen alles mit sich riss.

Dennoch bleibt von der subjektiven Disposition der Angeklagten her ein Bedarf an tiefer schürfenderen Erklärungen, weshalb ausgerechnet die krassesten Selbstbezichtigungen häufig nicht erfoltert werden mussten. Gegenwehr und Überwältigung lagen mitunter für uns unfassbar nahe beieinander. Es scheint die modernen, der beruhigenden Selbstrelativierung dienenden Pufferzonen des schlechten Gewissens in dieser von religiösen Absolutheiten geprägten Struktur des Schuldbewusstseins noch nicht gegeben zu haben. Dass man so rasch ‚umkippte‘, sich nach anfänglichem Widerstreben der oktroyierten Rollen dann plötzlich so bereitwillig annahm und sie mit den eigenen Fantasien ausgestaltete, verweist auf andere, porösere Grenzziehungen zwischen innen und außen, auf ein anderes, im Detail nur schwer zu entzifferndes Konzept vormoderner Individualität.[2484]

Heiraten zu können wie alle anderen auch, wurde für die Armen zur Utopie entrückt. Der Teufel, von dem die Praunmaidl sich noch naiv vorstellte, er besäße einen langen schwarzen Schwanz[2485] war in Wirklichkeit ein reichlich abstrakter und fantastisch umstreitbarer Gesell geworden. In den Salzburger Hexenprozessen – und das bezeichnet ihre besondere Tragik – wurde er auf diejenigen zurückgeworfen, die ex professione an ihn glauben mussten. Im Widerspiel der sich grotesk aufschaukelnden Höhenflüge der theologischen und populären Hexenfantasien, die sich in nichts nachgaben und sich nichts nachsehen konnten, wurde das gesellschaftliche Trauerspiel ausgekämpft und ausgetragen.

Die Ramingsteiner Prozesse schienen sich dem Ende zuzuneigen, man bereitete schon die Freilassung der beiden letzten Häftlinge vor, als sie noch einmal eine dramatische Wende erfuhren. Fassungslos berichtete der Mooshamer Pfleger am 26. März 1689 an das Salzburger Hofgericht, gerade in dem Moment, in dem er Rosina Khäzstallerin die Nachricht von ihrer Haftentlassung überbringen wollte, habe diese sich selbst der Zauberei bezichtigt und ihn „gefragt, was sye für ain Straff verschuldt habe“.[2486] Mitte April schon wird sie ins peinliche Verhör genommen. Es verlief denkbar lapidar. Sie gibt alles zu, denkt nicht im Entferntesten daran, Widerstand zu leisten. Als Teilnehmer am Hexensabbat nennt sie neben der – bereits hingerichteten – Bettlergretl, von der sie denunziert worden war, nur bereits verstorbene Personen und fügt, als wollte sie dem Wahnsinn ein Ende bereiten, ausdrücklich hinzu, „sonssten niemants“.[2487] Ihr Tänzer sei „das schwarze Mändl“, also der Teufel höchstpersönlich gewesen. So argumentiert man, wenn man niemanden bezichtigen will als sich selbst. Ich glaube nicht, dass diese 52-jährige Köhlerswitwe ihre Situation nicht richtig einschätzen konnte.[2488] Sie hatte miterleben müssen, wie ihre nächsten Bekannten sie ans Messer lieferten und mit diesem traurigen Triumph in den Tod gegangen waren, und nun wollte sie auch nicht mehr leben. Das ist nicht irrational. Es mag eine Rolle gespielt haben, dass sie sich keine Chance mehr ausrechnete, ins „normale“ Leben zurückzukehren. Wer unterstützt schon eine alte Bettlerin, die in einen Hexenprozess verwickelt war, wer im Ort kann es sich leisten, nicht von ihr abzurücken? Niemand besaß ein feineres Gespür für den sozialen Tod als die Bettler, die ihre Angewiesenheiten tagtäglich am eigenen Leib zu spüren bekamen.

Es hat den Anschein, als habe sich in der Tragödie um Rosina Khäzstallerin etwas gebrochen, als habe ihr Realitätssinn, der auf die Richter wie Todessehnsucht gewirkt haben mag, die Ramingsteiner Prozesslawine zum Stillstand gebracht.[2489] Der ebenso ungeheuerliche wie kaum von der Hand zu weisende Eindruck, sie könnte die Hexenjustiz in ihrer Verzweiflung zum Selbstmord benutzt haben, wirft ein so krasses Licht auf die Absurdität dieser Prozesse, dem sich wohl auch die Vertreter der lokalen Obrigkeit nicht entziehen konnten. Jedenfalls fielen die Pfleggerichtsverhöre gegen Anna Zeinerin, die letzte noch in Haft befindliche Angeklagte, auffallend knapp aus, und das letzte Verhörsprotokoll stimmte nahezu im Wortlaut mit dem Schlussverhör gegen Anna Grimmingin überein, die kurz zuvor freigelassen worden war: „... uneracht ihr 20 wolempfintliche Ruethenstraiche geben worden, ist sy Const. doch bestendig auf ihrem Laugnen verhart und von ihr nichts zu bringen gewesen.“[2490]

Das hört sich beinahe so an, als sei das Pfleggericht des grausamen Spiels überdrüssig geworden und habe der hohen Inquisition keine weiteren Anhaltspunkte mehr liefern wollen. Wenn das paternalistische Absicht war, so war sie erfolgreich: Anna Zeinerin wurde Anfang Juli 1689 aus der Haft entlassen. Im Namen des Hofrats nahm am 12. August 1689 Dr. Sebastian Zillner, Salzburgs oberster Hexenkommissar, die Exekution der Rosina Khäzstallerin mit Befriedigung zur Kenntnis, „dardurch die Kheichen völlig geraumbt worden“. Gleichwohl erging an den Mooshamer Pfleger der Befehl, „daß Ihr das alldort sich befindende Fahl-Peill biß auf weitere Verordnung darinnen behalten sollet“.[2491] Susanna, die 5-jährige Tochter der hingerichteten Maria Stöcklin, wurde gegen ein Kostgeld von 30 fl. im Jahr einem Radstädter Torwächter zur Aufzucht übergeben, Salome, die ältere, von ihrem Paten beim Wirt und Fleischhacker Balthasar Seitlinger in Ramingstein in Dienst gegeben, „biß es sein Brodt selbsten suechen und gewinnen khan“.[2492] Aber es war etwas zerbrochen, Schloss Moosham hatte für die Bevölkerung sein Gesicht verändert, das Märchen von der gnädigen und gerechten Herrschaft hatte seine Glaubwürdigkeit verloren. Man schaut von dort oben tief in den Lungau hinein, in dem ein raues Klima vorherrscht.[2493]

Anhang

Faschingshochzeit vor dem Kadi[2494]

Geistlicher erstattet Strafanzeige gegen einen alten Brauch

REGENSBURG (KNA) – Strafanzeige gegen die Veranstalter einer „Faschingshochzeit“, die vor einer Woche in Wörth a. d. Donau (Landkreis Regensburg) über die Bühne ging, hat ein 50jähriger Pfarrer aus der Nachbarschaft gestellt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt wegen Verdachts der Religionsbeschimpfung durch Mißbrauch geistlicher Kleidung und religiös-liturgischer Zeremonien, wie es der einschlägige Paragraph 166 des Strafgesetzbuchs umschreibt. Pfarrer Wilhelm Schulze, der in der Zeitung von dem in der Oberpfalz weit verbreiteten Brauch erfahren hatte, wollte mit seinem Schritt nach eigenem Bekunden ein Signal gegen das „Nachäffen“ von Zeremonien setzen, die ihren Platz in der Kirche hätten.

Bei der vor einer Ausflugsgaststätte bei Wörth gefeierten „Faschingshochzeit“ habe es zwar keine solchen Entgleisungen gegeben wie bei der blasphemischen Büttenrede, die kürzlich das Erzbischöfliche Ordinariat Bamberg zu einer Anzeige veranlaßt hatte. Allein die liturgische Verkleidung zu Juxzwecken genüge, um das religiöse Empfinden zu verletzen, argumentierte der Geistliche. Das Bischöfliche Ordinariat in Regensburg äußerte sich zu dem konkreten Fall der Wörther Faschingsbraut Kreszentia zwar nicht, verurteilte jedoch die Nachahmung liturgischer Handlungen zum „Gaudium“.

Veranstalter und Akteure des in der bajuwarischen Volksseele verankerten Brauchs reagierten betroffen auf die Einschaltung der Justiz. Es habe sich doch um nichts „Ordinäres“ gehandelt, sondern um eine alte Tradition, an der noch niemand Anstoß genommen habe, verteidigte sich Gastwirt Jakob Wagner und verwies auf seine als Ministranten tätigen Buben. Daß plötzlich so allergisch auf den ehrwürdigen Brauch reagiert werde, könne er sich nur mit dem schweren Stand erklären, den die Kirche in der modernen Gesellschaft habe, und mit einer daraus resultierenden stärkenden Empfindlichkeit. Pfarrer Schulze freilich ist es ernst: Er erinnert die Akteure der Faschingsgaudi an ihre eigene Hochzeit und fragt, ob sie etwas, das zum „Heiligsten in ihrem Leben“ gehöre, zu einem Ulk entarten lassen wollten.



[2343] Erstveröffentlicht in: Historische Anthropologie. Kultur–Gesellschaft–Alltag. 2. Jg. Heft 2, 1994, S. 165–192.

[2344] Für Hinweise und Kritik danke ich Rainer Beck, Helmut Bräuer, Ulrike Gleixner, Eva Labouvie, Michael Mitterauer und Helfried Valentinitsch.

[2345] Faschingshochzeiten erfreuten sich seit dem 17. und 18. Jahrhundert einer steigenden Popularität. – Moser, Hans: Die Geschichte der Fasnacht im Spiegel von Archivforschungen. In: Bausinger, Hermann (Hg.): Fasnacht. Beiträge des Tübinger Arbeitskreises für Fasnachtsforschung. Tübingen 1964, S. 33f. – Dörrer, Anton: Tiroler Fasnacht innerhalb der alpenländischen Winter- und Vorfrühlingsbräuche. Wien 1949, S. 54. – Schuhladen, Hans: Faschingshochzeiten als Spielformen. In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 1991, S. 61–101.

[2346] Salzburger Landesarchiv (SLA), Malefizakten Pflege Moosham, Tamsweg Fach XXXIII, Akt 142, S. 28 und 40. – Der aus 75 Einzelstücken bestehende Akt 142 (im folgenden zitiert als: MA 142) enthält die gesamten, etwa 150 Folioseiten umfassenden Verhörprotokolle der Ramingsteiner Prozesse.

[2347] MA 142, S. 30–34.

[2348] Steinlechner, Leopold: Gedenkschrift zur Geschichte der Bergwerke in früheren Zeiten von Ramingstein im Lungau. Leoben 1871, S. 5f. – Zur Lokalgeschichte vgl. auch: Kürsinger, Ignaz von: Lungau. Historisch, ethnographisch und statistisch aus bisher unbenützten urkundlichen Quellen. Salzburg 1853, S. 327–349. – Allgemein: Hildebrandt, Reinhard: Augsburger und Nürnberger Kupferhandel 1500–1619. Produktion, Marktanteile und Finanzierung im Vergleich zweier Städte und ihrer wirtschaftlichen Führungsschicht. In: Kellenbenz, Hermann (Hg.): Schwerpunkte der Kupferproduktion und des Kupferhandels in Europa 1500–1650. Köln–Wien 1977, S. 190–224.

[2349] Ludwig, Karl-Heinz; Fritz Gruber: Salzburger Bergbaugeschichte. Ein Überblick. Salzburg–München 1982, S. 33. – Koller, Fritz: Wolf Dietrichs Wirtschaftspolitik. In: Fürsterzbischof Wolf Dietrich von Raitenau – Gründer des barocken Salzburg. Ausstellungskatalog. Salzburg 1987, S. 148.

[2350] Stromer, Wolfgang von: Die Struktur von Produktion und Verteilung von Bunt- und Edelmetallen an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit und ihre bestimmenden Faktoren. In: Kellenbenz, Hermann (Hg.): Precious Metals in the Age of Expansion. Stuttgart 1981, S. 13–26. – Zu den Krisenfaktoren des Salzburger Bergbaus: Ludwig, Karl-Heinz; Fritz Gruber: Gold- und Silberbergbau im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Das Salzburger Revier von Gastein und Rauris. Köln–Wien 1987, S. 299–349.

[2351] Ludwig, Karl-Heinz; Fritz Gruber: Salzburger Bergbaugeschichte. Ein Überblick. Salzburg–München 1982, Tab. 6, S. 70. – Zur Problematik dieser Zahlen vgl. Ludwig, Karl-Heinz; Fritz Gruber: Salzburger Bergbaugeschichte. Ein Überblick. Salzburg–München 1982, S. 57f.

[2352] Ludwig, Karl-Heinz: Bergbau, Migration und Protestantismus. In: Reformation – Emigration. Protestanten in Salzburg. Ausstellungskatalog. Salzburg 1981, S. 38–48. – Florey, Gerhard: Protestanten im Lungau und Pinzgau, im Defereggental und am Halleiner Dürrnberg. In: Reformation – Emigration. Protestanten in Salzburg. Ausstellungskatalog. Salzburg 1981, S. 77f.

[2353] Der auf 1000–1200 m Meereshöhe gelegene „Lungau ist bloß eine weitschichtige Alpe“ (Hueber, Joseph Benedikt: Topographische Beschreibung der Landschaft Lungau im Fürstenthume Salzburg. Salzburg 1796, S. 23), und die wenig personalintensive Weide- und Viehwirtschaft bot kaum Ausweichmöglichkeiten für arbeitslos gewordene Bergleute. – Zur Ackerbausituation: Hübner, Lorenz: Beschreibung des Erzstiftes und Reichsfürstenthums Salzburg in Hinsicht auf Topographie und Statistik. Bd. 2. Salzburg 1796, S. 529–531. – Zu den schrumpfenden Erwerbschancen der unterbäuerlichen Schichten in der alpinen bzw. voralpinen „Höhenlandwirtschaft“ des 17./18. Jahrhunderts und ihrer beschränkten Arbeitskraftnachfrage: Becker, Peter: Leben und Lieben in einem kalten Land. Sexualität im Spannungsfeld von Ökonomie und Demographie. Das Beispiel St. Laubrecht 1600–1850. Frankfurt/New York 1990, S. 104–122. – Beck, Rainer: Unterfinnung. Ländliche Welt vor Anbruch der Moderne. München 1993, S. 334–347.

[2354] Gruber, Fritz; Karl-Heinz Ludwig: Der Metallbergbau. In: Dopsch, Heinz; Hans Spatzenegger (Hg.): Geschichte Salzburgs. Stadt und Land. Bd. 2, Teil 4. Salzburg 1991. – Pferschy, Gerhard: Die Arbeitswelt des steirischen Bergwesens in der Barockzeit. In: Lust und Leid. Barocke Kunst – barocker Alltag. Ausstellungskatalog. Graz 1992, S. 340. – Auch für den endgültigen Niedergang des Bergbaus im 19. Jahrhundert konstatierte Kürsinger als Alternative für die Knappen lediglich Auswanderung oder Bettel: Kürsinger, Ignaz von: Lungau. Historisch, ethnographisch und statistisch aus bisher unbenützten urkundlichen Quellen. Salzburg 1853, S. 328.

[2355] Koller, Fritz: Wolf Dietrichs Wirtschaftspolitik. In: Fürsterzbischof Wolf Dietrich von Raitenau – Gründer des barocken Salzburg. Ausstellungskatalog. Salzburg 1987, S. 149.

[2356] Salzburger Landesarchiv, Bergwesen Oberamt Lungau 1680–1700, Fasz. 83/3, Amt- und Parteisachen 18.

[2357] Heilfurth, Gerhard: Bergbaukultur in Südtirol. Bozen 1984, S. 246–257. – Kretzenbacher, Leoplod: „Bauernhochzeit“ und „Knappentanz“. Zur Kulturgeschichte der „Volkskundlichen Festspiele“ in Steiermark. In: Scharfe, Martin (Hg.): Brauchforschung. Darmstadt 1991, S. 27–46.

[2358] Diese Ambivalenz spiegelt sich etwa im Glauben an gute und böse Berggeister: Petzoldt, Leander: „Knappentod und Güldenfluss“. Zu den Bedingungen bergmännischer Folklore in Tirol. In: Ammann, Gert; Meinrad Pizzinini (Hg.): Silber, Erz und weißes Gold. Bergbau in Tirol. Ausstellungskatalog. Schwaz 1990, S. 395–397. – Heilfurth, Gerhard: Der Vorstellungskreis vom „Berggeist“ bei Georg Agricola und seinen Zeitgenossen. In: Leobener Grüne Hefte 108 (1967), S. 1–28. – Zur Lebensweise der Salzburger Bergleute: Ludwig, Karl-Heinz; Fritz Gruber: Gold- und Silberbergbau im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Das Salzburger Revier von Gastein und Rauris. Köln–Wien 1987, S. 104–133. – Mitterauer, Michael: Produktionsweise, Siedlungsstruktur und Sozialformen im österreichischen Montanwesen des Mittelalters und der frühen Neuzeit. In: Mitterauer, Michael: Grundtypen alteuropäischer Sozialformen. Haus und Gemeinde in vorindustriellen Gesellschaften. Stuttgart–Bad Cannstatt 1979, S. 148–193.

[2359] Das Leben der Bergleute sei „voller Schrecken und Gefahr“, und von den Lagerstätten heißt es: „Denn die Gänge hören schließlich einmal auf, Metalle zu spenden, während die Äcker immer Feldfrüchte zu tragen pflegen. Allein je weniger beständig die Ausbeute der Bergleute ist, desto reicher ist sie; daher findet man, wenn man die Abrechnung macht, das, was an Beständigkeit fehlt, durch Reichtum ausgeglichen.“: Agricola, Georg: Zwölf Bücher vom Berg- und Hüttenwesen (1556). Reprint München 1977, S. 3f.

[2360] Allerdings mit ausgeprägt apologetischer Tendenz: Ortner, Franz: Reformation, katholische Reform und Gegenreformation im Erzstift Salzburg. Salzburg 1981, S. 137ff.

[2361] Ludwig, Karl-Heinz: Bergbau, Migration und Protestantismus. In: Reformation – Emigration. Protestanten in Salzburg. Ausstellungskatalog. Salzburg 1981, S. 42f.

[2362] Florey, Gerhard: Geschichte der Salzburger Protestanten und ihrer Emigration 1731/32. Wien–Köln–Graz 1977. – Walker, Mack: The Salzburg Transaction. Expulsion and Redemption in Eighteenth-Century Germany. Ithaca–London 1992. – Galter, K.: Die Transmigration steirischer Protestanten nach Ungarn und Siebenbürgen. In: Evangelisch in der Steiermark. Glaubenskampf – Toleranz – Brüderlichkeit. Ausstellungskatalog. Graz 1981, S. 80–85.

[2363] Vgl. etwa die Bettelmandate vom 7. November 1670, 24. Oktober 1675 und 22. Juli 1680: SLA Generalia. Bd. 11, S. 1148; Bd. 12, S. 311–313 und S. 575. – Zur Salzburger Bettelpolitik vgl. auch den dritten, unveröffentlichten Teil der in Anm. 20 angeführten Diss. von Heinz Nagl (zit. als: SLA, Nagl, Ms., S. 369–389)

[2364] Nagl, Heinz: Der Zauberer-Jackl-Prozeß. Hexenprozesse im Erzstift Salzburg 1675–1690. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 112/113 (1972/73), S. 385–539 und 114 (1974), S. 80–241. – Dienst, Heide: Hexenprozesse auf dem Gebiet der heutigen Bundesländer Vorarlberg, Tirol (mit Südtirol), Salzburg, Nieder- und Oberösterreich sowie des Burgenlandes. In: Valentinitsch, Helfried (Hg.): Hexen und Zauberer. Die große Verfolgung – ein europäisches Phänomen in der Steiermark. Ausstellungskatalog. Graz/Wien 1987, S. 265–290, bes. S. 271–275. – Valentinitsch, Helfried: Die Verfolgung von Hexen und Zauberern im Herzogtum Steiermark – eine Zwischenbilanz. In: Valentinitsch, Helfried (Hg.): Hexen und Zauberer. Die große Verfolgung – ein europäisches Phänomen in der Steiermark. Ausstellungskatalog. Graz/Wien 1987, S. 297–316.

[2365] Im Hostienfrevel erblickte man die diabolische Negation jenes prononcierten Eucharistiekults, der von der gegenreformatorischen Religionspolitik ins Zentrum der Mobilisierung katholischer Glaubensvorstellungen gerückt worden war, nicht zuletzt um den Herausforderungen der protestantischen Kritik am Altarssakrament zu begegnen: Burke, Peter: Helden, Schurken und Naiven. Europäische Volkskultur in der frühen Neuzeit. München 1985, S. 246. – Valentinitsch, Helfried: Der Vorwurf der Hostienschändung in den innerösterreichischen Hexen- und Zaubereiprozessen (16.–18. Jahrhundert). In: Zeitschrift des Historischen Vereins für Steiermark 78 (1987), S. 5–14, bes. S. 9. – Nagl, Heinz: Der Zauberer-Jackl-Prozeß. Hexenprozesse im Erzstift Salzburg 1675–1690. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 114 (1974), S. 106–111.

[2366] Im 16. Jahrhundert hatte es dort lediglich zwei, auf der älteren Schicht des populären Schadenzaubers beruhende Zaubereiprozesse (1584/1588) gegeben: Kürsinger, Ignaz von: Lungau. Historisch, ethnographisch und statistisch aus bisher unbenützten urkundlichen Quellen. Salzburg 1853, S. 501. – Klein, Herbert: Die älteren Hexenprozesse im Lande Salzburg. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 97 (1957), S. 36f.

[2367] Kürsinger, Ignaz von: Lungau. Historisch, ethnographisch und statistisch aus bisher unbenützten urkundlichen Quellen. Salzburg 1853, S. 502 f. – Nagl, Heinz: Der Zauberer-Jackl-Prozeß. Hexenprozesse im Erzstift Salzburg 1675–1690. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 112/113 (1972/73), S. 469–471.

[2368] Byloff, Fritz: Hexenglaube und Hexenverfolgung in den österreichischen Alpenländern, Berlin–Leipzig 1934, S. 86–142.

[2369] In Ramingstein 1686: Kürsinger, Ignaz von: Lungau. Historisch, ethnographisch und statistisch aus bisher unbenützten urkundlichen Quellen. Salzburg 1853, S. 346.

[2370] Ludwig, Karl-Heinz: Bergbau, Migration und Protestantismus. In: Reformation – Emigration. Protestanten in Salzburg. Ausstellungskatalog. Salzburg 1981, S. 46. – Ortner, Franz: Reformation, katholische Reform und Gegenreformation im Erzstift Salzburg. Salzburg 1981, S. 165ff. – Florey, Gerhard: Geschichte der Salzburger Protestanten und ihrer Emigration 1731/32. Wien–Köln–Graz 1977, S. 60ff.

[2371] Ludwig, Karl-Heinz; Fritz Gruber: Salzburger Bergbaugeschichte. Ein Überblick. Salzburg–München 1982, S. 57.

[2372] 1783 hatte Ramingstein 770 Einwohner: Kürsinger, Ignaz von: Lungau. Historisch, ethnographisch und statistisch aus bisher unbenützten urkundlichen Quellen. Salzburg 1853, S. 329.

[2373] Vgl. meine Kurzbiografie der Angeklagten in: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 1988, S. 128–130.

[2374] MA 142, S. 21 (Verhör vom 2. Oktober 1688).

[2375] MA 142, S. 38 (Verhör vom 4. Jänner 1689).

[2376] Die „Tendenz zum eigenen kleinen Hausbesitz“ scheint sich in den alpinen Bergbaurevieren allerdings nur zögernd und erst seit dem 16. Jahrhundert durchgesetzt zu haben: Heilfurth, Gerhard: Der Bergbau und seine Kultur. Eine Welt zwischen Dunkel und Licht. Zürich 1981, S. 87. – Pferschy, Gerhard: Die Arbeitswelt des steirischen Bergwesens in der Barockzeit. In: Lust und Leid. Barocke Kunst – barocker Alltag. Ausstellungskatalog. Graz 1992, S. 342.

[2377] Dies ist vermutlich nur die positive Formulierung für die Auflösung der bäuerlich-traditionellen Hausgemeinschaft durch montangewerbliche Strukturen: Mitterauer, Michael: Produktionsweise, Siedlungsstruktur und Sozialformen im österreichischen Montanwesen des Mittelalters und der frühen Neuzeit. In: Mitterauer, Michael: Grundtypen alteuropäischer Sozialformen. Haus und Gemeinde in vorindustriellen Gesellschaften. Stuttgart–Bad Cannstatt 1979, S. 184.

[2378] MA 142, S. 3 (Verhör vom 6./7. Juli 1688).

[2379] MA 142, S. 16.

[2380] Am prägnantesten hat diesen seit ca  1500 anwachsenden Trend wohl der Straßburger Sprachakrobat Johann Fischart formuliert: „Almuser oder Allmauser“: Fischart, Johann: Aller Practick Großmutter (1572). neu hg. v. Wilhelm Braune. Halle 1891, S. 9. – Allgemein: Schubert, Ernst: Mobilität ohne Chance: Die Ausgrenzung des fahrenden Volkes. In: Schulze, Winfried (Hg.): Ständische Gesellschaft und soziale Mobilität. München 1988, S. 113–164. – Hunecke, Volker: Überlegungen zur Geschichte der Armut im vorindustriellen Europa. In: Geschichte und Gesellschaft 9 (1983), S. 480–512, bes. S. 494ff und S. 502ff. – Stekl, Hannes: Gesellschaftliche Außenseiter im barocken Österreich. In: Gutkas, Karl (Hg.): Prinz Eugen und das barocke Österreich. Salzburg–Wien 1985, S. 221–228.

[2381] So die bezeichnende Beobachtung eines Reisenden nach der Einstellung des Ramingsteiner Bergbaus im Jahre 1778: Vierthaler, Fr. M.: Meine Wanderungen durch Salzburg, Berchtesgaden und Österreich. Teil 1. Wien 1816, S. 141.

[2382] Byloff – und das muss man ihm zugute halten – war über den Kretinismus, der ihm in den Quellen entgegentrat, spürbar erschüttert: Byloff, Fritz: Bettelvolk. Der letzte große Zaubereiprozeß von Schloß Moosham 1688/89. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 79 (1939), S. 27–31, hier S. 30f. – Im 19. Jahrhundert wies der benachbarte obersteirische Bezirk Murau die höchste Behindertenrate Österreichs auf, und auch Tamsweg lag weit über dem Landesdurchschnitt. Die auffällige Häufung von Taubstummen und Blinden steht vermutlich in Zusammenhang mit dem dort besonders verbreiteten Ziehkinderphänomen, das eine direkte Folge der erhöhten Heiratsschranken für besitzlose Unterschichten und des rapiden Anstiegs nichtehelicher Geburten war: Ortmayr, Norbert: Sozialhistorische Skizzen zur Geschichte des ländlichen Gesindes in Österreich. In: Ortmayr, Norbert (Hg): Knechte. Autobiographische Dokumente und sozialhistorische Skizzen. Wien–Köln–Weimar 1992, S. 354f und S. 372–375. – Klammer, Peter: Auf fremden Höfen. Anstiftkinder, Dienstboten und Einleger im Gebirge. Wien–Köln–Weimar 1992, S. 95.

[2383] Spitzreiter = Vortreter mit Seitengewehr beim hochzeitlichen Kirchgang: Schmeller, Johann Andreas: Bayerisches Wörterbuch. Bd. 2/1. Reprint München 1985, Sp. 694, d. h. eine Art Ehrengarde des Brautführers und der Braut.

[2384] MA 142, S. 17.

[2385] Obwohl die Hexenrichter im Verhör vom 17. September 1688 einräumen mussten, dass sie „wegen dessen Thum- und Narheit ... khein Worth recht verstehen khönnen“, besaßen sie die Impertinenz, dieses Trauerspiel von einem Auftritt als Geständnis zu werten, denn schließlich, so ihr ungeheuerliches Resümee, „hat er alles so deutlich und klar gezaigt mit seinen Geberdten ...“: MA 142, S. 14.

[2386] Mitterauer betont die geringen Wiederverheiratungschancen von Bergmannswitwen: „Wir müssen deshalb bei Bergleuten in einem viel größeren Ausmaß als sonstwo in der vorindustriellen Gesellschaft mit unvollständigen Familien und Familienresten rechnen, die schwer um einen ausreichenden Lebensunterhalt zu kämpfen hatten.“: Mitterauer, Michael: Produktionsweise, Siedlungsstruktur und Sozialformen im österreichischen Montanwesen des Mittelalters und der frühen Neuzeit. In: Mitterauer, Michael: Grundtypen alteuropäischer Sozialformen. Haus und Gemeinde in vorindustriellen Gesellschaften. Stuttgart–Bad Cannstatt 1979, S. 193.

[2387] Roper, Lyndal: Ödipus und der Teufel. In: Blauert, Andreas; Gerd Schwerhoff (Hg.): Mit den Waffen der Justiz. Zur Kriminalitätsgeschichte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Frankfurt/M. 1993, S. 47.

[2388] MA 142, S. 10.

[2389] MA 142, S. 10.

[2390] MA 142, S. 10.

[2391] MA 142, S. 12.

[2392] MA 142, S. 12.

[2393] MA 142, S. 12

[2394] MA 142, S. 19.

[2395] Dülmen, Richard van: Imaginationen des Teuflischen. Nächtliche Zusammenkünfte, Hexentänze, Teufelssabbate. In: Dülmen, Richard van (Hg.): Hexenwelten. Magie und Imagination vom 16.–20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 1987, S. 103 und S. 107.

[2396] MA 142, S. 12.

[2397] MA 142, S. 11.

[2398] MA 142, S. 15.

[2399] MA 142, S. 5.

[2400] Hauptstaatsarchiv München (HstA), Hexenakten 10a, fol. 471.

[2401] Der Keim der Legendenbildungen war in den Aussagen der Salzburger Prozessopfer bereits angelegt. So antwortete der 8–9-jährige Bettelbub Peterl N. am 28. September 1678 auf die Frage, wer ihm das Mäuslmachen beigebracht habe: „Der Jaggl so die Khinder hinweckhnimbt.“: Hauptstaatsarchiv München (HStA), Hexenakten 10c, fol. 173.

[2402] Hauptstaatsarchiv München (HStA), Hexenakten 10a, fol. 476. – Dieses Verhörprotokoll ist ediert in: Dienst, Heide: Vom Sinn und Nutzen multidisziplinärer Auswertung von Zaubereiprozeßakten. Zur Entstehung einer diesbezüglichen Datenbank in Österreich. In: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 100 (1992), S. 363–373, hier S. 370f.

[2403] Nagl, Heinz: Der Zauberer-Jackl-Prozeß. Hexenprozesse im Erzstift Salzburg 1675–1690. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 112/113 (1972/73), S. 475 und 114 (1974), S. 162 und S. 173. – Diese Zufluchtsmöglichkeit ergab sich nicht zuletzt daraus, daß es selbst erfahrenen Hebammen oft schwerfiel, einen definitiven Schwangerschaftsnachweis zu führen: Gleixner, Ulrike: Hebammen als Amtsfrauen und Gutachterinnen auf dem Land. Eine Fallstudie (Altmark 18. Jahrhundert). In: Wunder, Heide; Christine Vanja (Hg.): Weiber, Menscher, Frauenzimmer. Frauen in der ländlichen Gesellschaft 1500–1800, Göttingen 1996.

[2404] Roper, Lyndal: Ödipus und der Teufel. In: Blauert, Andreas; Gerd Schwerhoff (Hg.): Mit den Waffen der Justiz. Zur Kriminalitätsgeschichte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Frankfurt/ M. 1993, S. 43.

[2405] Vgl. auch: Ginzburg, Carlo: Der Inquisitor als Anthropologe. In: Habermas, Rebekka; Nils Minkmar (Hg.): Das Schwein des Häuptlings. Sechs Aufsätze zur Historischen Anthropologie. Berlin 1992, S. 42–45.

[2406] Schindler, Norbert: Die Entstehung der Unbarmherzigkeit. Zur Kultur und Lebensweise der Salzburger Bettler am Ende des 17. Jahrhunderts. In: Schindler, Norbert: Widerspenstige Leute. Studien zur Volkskultur in der frühen Neuzeit. Frankfurt/M. 1992, S. 258–314, bes. S. 308.

[2407] Hauptstaatsarchiv München (HStA), Hexenakten 10b, fol. 112.

[2408] Zum Problem der „fremden“ Emotionalität vgl. den bewegenden Artikel von: Rosaldo, Renato I.: Der Kummer und die Wut eines Kopfjägers. Über die kulturelle Intensität von Emotionen. In: Berg, Eberhard; Martin Fuchs (Hg.): Kultur, soziale Praxis, Text. Die Krise der ethnographischen Repräsentation. Frankfurt/M. 1993, S. 375–401.

[2409] Roper, Lyndal: Witchcraft and Fantasy in Early Modern Germany. In: History Workshop Journal 32 (1992), S. 19–43. – Roper, Lyndal: Ödipus und der Teufel. In: Blauert, Andreas; Gerd Schwerhoff (Hg.): Mit den Waffen der Justiz. Zur Kriminalitätsgeschichte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Frankfurt/ M. 1993, S. 32–53, bes. S. 37f.

[2410] MA 142, S. 1.

[2411] Klein, Herbert: Die älteren Hexenprozesse im Lande Salzburg. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 97 (1957), S. 43f. – Ähnliche Fälle bei: Brunner, Walter: Hexen und Zaubereiprozesse im Bezirk Murau. In: Zeitschrift des Historischen Vereins für Steiermark 78 (1987), S. 196f und S. 219.

[2412] Schindler, Norbert: Die Entstehung der Unbarmherzigkeit. Zur Kultur und Lebensweise der Salzburger Bettler am Ende des 17. Jahrhunderts. In: Schindler, Norbert: Widerspenstige Leute. Studien zur Volkskultur in der frühen Neuzeit. Frankfurt/M. 1992, S. 270ff.

[2413] Brunner, Walter: Hexen und Zaubereiprozesse im Bezirk Murau. In: Zeitschrift des Historischen Vereins für Steiermark 78 (1987), S. 197.

[2414] Ludwig, Karl-Heinz; Fritz Gruber: Gold- und Silberbergbau im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Das Salzburger Revier von Gastein und Rauris. Köln–Wien 1987, S. 111f.

[2415] MA 142, S. 10 (Verhör vom 14. September 1688).

[2416] MA 142, S. 4 (Bericht an das Salzburger Hochgericht vom 10. Juli 1688).

[2417] MA 142, S. 2 (Verhör vom 25. Juni 1688).

[2418] MA 142, S. 20 (Verhör vom 25. September 1688).

[2419] MA 142, S. 1 (Verhör vom 5. Juni 1688).

[2420] MA 142, S. 1 (Verhör vom 5. Juni 1688).

[2421] MA 142, S. 10.

[2422] Vgl. auch: Valentinitsch, Helfried: Der Vorwurf der Hostienschändung in den innerösterreichischen Hexen- und Zaubereiprozessen (16.–18. Jahrhundert). In: Zeitschrift des Historischen Vereins für Steiermark 78 (1987), S. 9–14.

[2423] MA 142, S. 1.

[2424] MA 142, S. 1.

[2425] MA 142, S. 1.

[2426] Brunner, Walter: Hexen und Zauberei in der Volksüberlieferung des oberen Murtales. In: Valentinitsch, Helfried (Hg.): Hexen und Zauberer. Die große Verfolgung – ein europäisches Phänomen in der Steiermark. Ausstellungskatalog. Graz/Wien 1987, S. 359.

[2427] Selbst unter der Folter ist aus ihr darüber „nichts herauszubringen gewest“ (MA 142, S. 13).

[2428] MA 142, S. 11.

[2429] MA 142, S. 13.

[2430] MA 142, S. 13.

[2431] MA 142, S. 13.

[2432] MA 142, S. 13. – Auffallend ähnlich die Urteilsbegründung gegen einen 70-jährigen Münchner Greis vom 9.l.1666, der ein Ungewitter gemacht habe, „darin durch die Wolken gefahren und nackend zur Erde gefallen“: Riezler, Sigmund von: Geschichte der Hexenprozesse in Bayern. Stuttgart 1896. Neudruck: Aalen 1968, S. 285. – Die Pfarre Stadl, nicht in Kärnten, sondern im obersteirischen Murtal gelegen, war im Übrigen ein Zentrum des Geheimprotestantismus: Brunner, Walter: Der Geheimprotestantismus 1600 bis 1781. In: Evangelisch in der Steiermark, S. 77f.

[2433] MA 142, S. 15.

[2434] Schubert, Ernst: Arme Leute. Bettler und Gauner im Franken des 18. Jahrhunderts. Neustadt/Aisch 1983, S. 223–233.

[2435] MA 142, S. 15.

[2436] MA 142, S. 13.

[2437] MA 142, S. 13.

[2438] MA 142, S. 2.

[2439] MA 142, S. 2.

[2440] MA 142, S. 13.

[2441] MA 142, S. 13.

[2442] MA 142, S. 2.

[2443] MA 142, S. 10.

[2444] Schindler, Norbert: Die Entstehung der Unbarmherzigkeit. Zur Kultur und Lebensweise der Salzburger Bettler am Ende des 17. Jahrhunderts. In: Schindler, Norbert: Widerspenstige Leute. Studien zur Volkskultur in der frühen Neuzeit. Frankfurt/M. 1992, S. 295f.

[2445] MA 142, S. 11.

[2446] Am Ende ihres Verhörs vom 16. September 1688 hieß es, sie sei „toto timida“, dass man nicht wisse, ob das von der Angst vor der Strafe oder ihrer Besessenheit durch den Teufel herrühre (MA 142, S. 12).

[2447] „Rainzen“ ist vermutlich eine Dialektvariante von „raunzen“, „gölzen“ wahrscheinlich auf „Gälz“ = weibliches Jungschwein zurückzuführen: Schmeller, Johann Andreas: Bayerisches Wörterbuch. Bd. 2/1. Reprint München 1985, Sp. 108 und Bd. 1/2, Sp. 910.

[2448] MA 142, S. 13.

[2449] So stellte sich im steirischen Prozess gegen den 22-jährigen Bettler Hans Glaser, genannt „Grindiger Hansel“, von 1659 bezeichnenderweise heraus, „daß seine Aussagen über die Zauberei auf Gerüchten beruhten, die er von anderen Bettlern und im Wirtshaus gehört hätte“: Valentinitsch, Helfried: Bettlerverfolgung und Zaubereiprozesse in der Steiermark. Der Prozeß gegen den „Grindigen Hansel“ in Rottenmann 1659. In: Mitteilungen des Steiermärkischen Landesarchivs 35/36 (1986), S. 105–129, hier S. 114. – Zu den Legendenbildungen um die Salzburger Hexenprozesse: Nagl, Heinz: Der Zauberer-Jackl-Prozeß. Hexenprozesse im Erzstift Salzburg 1675–1690. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 112/113 (1972/73), S. 407ff und 114 (1974), S. 228. – Dengg, Michael: Lungauer Volkssagen. Tamsweg 1922, S. 183ff, S. 190ff und S. 196–198.

[2450] Schindler, Norbert: Die Entstehung der Unbarmherzigkeit. Zur Kultur und Lebensweise der Salzburger Bettler am Ende des 17. Jahrhunderts. In: Schindler, Norbert: Widerspenstige Leute. Studien zur Volkskultur in der frühen Neuzeit. Frankfurt/M. 1992, S. 308. – Auf die Bildung von Erzähltraditionen über den Sabbat in Regionen intensiver Hexenverfolgung verweist: Klaniczay, Gabor: Der Hexensabbat im Spiegel von Zeugenaussagen in Hexen-Prozessen. In: Kea. Zeitschrift für Kulturwissenschaften 5 (1993), S. 31–54.

[2451] MA 142, S. 5.

[2452] MA 142, S. 19. – „Rockhlrais“ = Besuch mit dem Spinnrocken oder anderen weiblichen Arbeiten in einem anderen Haus: Schmeller, Johann Andreas: Bayerisches Wörterbuch. Bd. 2/1. Reprint München 1985, Sp. 47.

[2453] Zur Arbeitsgeselligkeit der frühneuzeitlichen Spinnstuben: Medick, Hans: Spinnstuben auf dem Dorf. Jugendliche Sexualkultur und Feierabendbrauch in der ländlichen Gesellschaft der frühen Neuzeit. In: Huck, Gerhard (Hg.): Sozialgeschichte der Freizeit. Untersuchungen zum Wandel der Alltagskultur in Deutschland. 2. Aufl. Wuppertal 1982, S. 19–49. – Schenda, Rudolf: Von Mund zu Ohr. Bausteine zu einer Kulturgeschichte volkstümlichen Erzählens in Europa. Göttingen 1993, S. 105–114.

[2454] MA 142, S. 17 und S. 19.

[2455] MA 142, S. 19.

[2456] MA 142, S. 19.

[2457] Roper, Lyndal: The Holy Household. Women and Morals. In: Reformation Augsburg. Oxford 1989, S. 132ff.

[2458] Eine wertvolle Schilderung des bäuerlichen Lungauer Hochzeitsrituals im 18. Jahrhundert, die in den wesentlichen Punkten mit den Riten der Bettlerhochzeit übereinstimmt, findet sich in: Hübner, Lorenz: Beschreibung des Erzstiftes und Reichsfürstenthums Salzburg in Hinsicht auf Topographie und Statistik. Bd. 2. Salzburg 1796, S. 537–546. – Allgemein auch: Blickle, Peter: „Zu mercklichem Nachtheil gemeines Nutzens“. Die Bauernhochzeit im Mittelalter. In: Schultz, Uwe (Hg.): Das Fest. Eine Kulturgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart. München 1988, S. 92–104. – Hartinger, Walter: Religion und Brauch. Darmstadt 1992, S. 157–170.

[2459] Vgl. auch Deneke, Bernward: Hochzeit. München 1971, S. 42–18.

[2460] MA 142, S. 19.

[2461] MA 142, S. 19.

[2462] Vgl. auch Nola, Alfonso di: Der Teufel. Wesen, Wirkung, Geschichte. München 1993, S. 384.

[2463] MA 142, S. 15.

[2464] MA 142, S. 19

[2465] MA 142, S. 10 und S. 11. – Der Tausch von Verlobungs- und Eheringen zwischen den Brautleuten scheint sich auf dem Land z. T. erst im Laufe der frühen Neuzeit oder gar erst im 19. Jahrhundert durchgesetzt zu haben: Bächtold, Hanns: Die Gebräuche bei Verlobung und Hochzeit mit besonderer Berücksichtigung der Schweiz. Basel–Straßburg 1914, S. 151ff. – Hartinger, Walter: Religion und Brauch. Darmstadt 1992, S. 165.

[2466] Bei den meisten anderen Angeklagten hingegen gewinnt man den Eindruck, als sei die Erinnerung an das Hochzeitsspiel durch die Sabbatbeschuldigung geradezu überdeckt worden.

[2467] MA 142, S. 11.

[2468] Das gesellige Spiel von Maskierung und Demaskierung, von Verfremdung und sozialer Reidentifizierung bildet den Kern fastnächtlicher Vermummungsbräuche: Jeggle, Utz: Spiel und Gesetz. Zum Regelwerk dörflicher Fasnacht. In: Sund, Horst (Hg.): Fas(t)nacht in Geschichte, Kunst und Literatur. Konstanz 1984, S. 188–198.

[2469] Es ist immerhin interessant genug, dass der Besitzteufel, in der Festansprache des Brautführers beschworen, schon im offiziellen Lungauer Hochzeitsritual in der Gestalt des Ehezanks auftrat: „dann wo der Fried ist, da ist auch Gott, und wo der Fried nicht ist, da ist der Teufel.“: Hübner, Lorenz: Beschreibung des Erzstiftes und Reichsfürstenthums Salzburg in Hinsicht auf Topographie und Statistik. Bd. 2. Salzburg 1796, S. 546f.

[2470] Dülmen, Richard van: Fest der Liebe. Heirat und Ehe in der frühen Neuzeit. In: Dülmen, Richard van (Hg.): Armut, Liebe, Ehre. Studien zur historischen Kulturforschung. Frankfurt/M. 1988, S. 67–106. – Becker, Peter: Leben und Lieben in einem kalten Land. Sexualität im Spannungsfeld von Ökonomie und Demographie. Das Beispiel St. Laubrecht 1600–1850. Frankfurt/New York 1990, S. 164.

[2471] SLA Hofratsprotokolle 1677/1, fol. 296f. – Da man Bettlern und Vaganten nach der katholischen Sakramentenlehre die Heirat kaum grundsätzlich verwehren konnte, ging man in Salzburg 1680 dazu über, sie nach erfolgter Verheiratung sofort des Landes zu verweisen (SLA, Nagl, Ms. 385).

[2472] Zu den anwachsenden Heiratsschranken für Unterschichten auch: Mitterauer, Michael: Vorindustrielle Familienformen. Zur Funktionsentlastung des ‚ganzen‘ Hauses im 17. und 18. Jahrhundert. In: Mitterauer, Michael: Grundtypen alteuropäischer Sozialformen. Haus und Gemeinde in vorindustriellen Gesellschaften. Stuttgart–Bad Cannstatt 1979, S. 74 und S. 93. – Hartinger, Walter: Bayerisches Dienstbotenleben auf dem Land vom 16. bis 18. Jahrhundert. In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 38 (1975), S. 629. – Becker, Peter: Leben und Lieben in einem kalten Land. Sexualität im Spannungsfeld von Ökonomie und Demographie. Das Beispiel St. Laubrecht 1600–1850. Frankfurt/New York 1990, S. 206–219. – Klammer, Peter: Auf fremden Höfen. Anstiftkinder, Dienstboten und Einleger im Gebirge. Wien–Köln–Weimar 1992, S. 75ff.

[2473] Sie scheint im Volksglauben bezeichnenderweise nur in versprengten Einzelelementen, nicht aber als geschlossener Ritualkomplex existiert zu haben. Nicht einmal das fabulierfreudige „Handwörterbuch des Aberglaubens“ weiß von ihr zu berichten: Hoffmann-Krayer, Eduard; Hanns Bächtold-Stäubli (Hg.): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Bd. 4. Berlin–Leipzig 1931/32, Sp. 173f.

[2474] Vgl. etwa: Birlinger, Anton: Volksthümliches aus Schwaben. Nachdruck: Hildesheim/New York 1974 (EA Freiburg i. Br. 1861/62), S. 430f. – Binder, Gottlieb: Aus dem Volksleben des Zürcher Unterlandes. In: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 25 (1925), S. 110. – Glaettli, K. W.: Zürcher Sagen. Zürich 1959, S. 24f und S. 86. – Analog dazu erklärt sich die Beliebtheit der Teufelsmasken im Maskenbrauch vornehmlich dadurch, dass man mit ihnen Kinder und vor allem Frauen am meisten erschrecken konnte: Moser, Hans: Zur Geschichte der Maske in Bayern. In: Schmidt, Leopold (Hg.): Masken in Mitteleuropa. Volkskundliche Beiträge zur europäischen Maskenforschung. Wien 1955, S. 114f. – Hoffmann-Krayer, Eduard: Die Fastnachtsgebräuche in der Schweiz. In: Geiger, Paul (Hg.): Kleine Schriften zur Volkskunde von Eduard Hoffmann-Krayer. Basel 1946, S. 57. – Grass, Nikolaus: Der Kampf gegen Fasnachtsveranstaltungen in der Fastenzeit. In: Zeitschrift für Volkskunde 53 (1956/57), S. 227. – Ludwig, Karl-Heinz; Fritz Gruber: Gold- und Silberbergbau im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Das Salzburger Revier von Gastein und Rauris. Köln–Wien 1987, S. 111f.

[2475] Vgl. eine ähnliche, kontextuell allerdings eher auf verschärfte Nachbarschaftskontrolle verweisende und als das „irritierendste Problem des Datenmaterials“ charakterisierte Geschichte aus dem Jahr 1699 bei: Meili, David: Hexen in Wasterkingen. Magie und Lebensform in einem Dorf des frühen 18. Jahrhunderts. Wetzikon 1979, S. 65 und S. 114–119.

[2476] Schindler, Norbert: Karneval, Kirche und verkehrte Welt. Zur Funktion der Lachkultur im 16. Jahrhundert. In: Schindler, Norbert: Widerspenstige Leute. Studien zur Volkskultur in der frühen Neuzeit. Frankfurt/M. 1992, S. 138–140.

[2477] Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis 16. Jahrhundert. Bd. 11 (Nürnberg, Deichsler). Leipzig 1874, S. 705. – vgl. auch Graus, Frantisek: Organisationsformen der Randständigen. Das sogenannte Königreich der Bettler. In: Rechtshistorisches Journal 8 (1989), S. 235–255, bes. S. 246. – Reale Bettlerhochzeiten dagegen bei: Lassotta, Friedrich-Arnold: Formen der Armut im späten Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit. Untersuchungen vornehmlich an Kölner Quellen des 14. bis 17. Jahrhunderts. Bd. 1. Köln 1993, S. 237. – Schindler, Norbert: Die Entstehung der Unbarmherzigkeit. Zur Kultur und Lebensweise der Salzburger Bettler am Ende des 17. Jahrhunderts. In: Schindler, Norbert: Widerspenstige Leute. Studien zur Volkskultur in der frühen Neuzeit. Frankfurt/M. 1992, S. 280.

[2478] Wie hoch die Binnenfunktion zu veranschlagen ist, zeigt die Scherzhochzeit des Tremsbütteler Gesindes von 1829, bei der die Knechte zwei Dienstmägde miteinander „trauten“, weil die Mägde sich bei einem rein weiblichen Treffen auf dem Dorfplatz vierzehn Tage zuvor zum Spaß Männernamen zugelegt hatten: Kramer, Karl-Sigismund: Volksleben in Holstein (1550–1800). Eine Volkskunde aufgrund archivalischer Quellen. Kiel 1987, S. 196–201. – Durch die Geschlechter-Neckerei hindurch wird die Empfindlichkeit sichtbar, mit der die ledigen Männer auf jeglichen Übergriff der Frauen auf ihre – privilegierte – männliche Sphäre reagierten.

[2479] Ein ungleich entwickelteres religiöses Schuldbewusstsein bewies der – protestantische – Knecht Hans Schacht, der im Tremsbütteler Fall von 1829 den Pfarrer gemimt hatte: er gab zu, er „habe den Pastor vorgestellet“, und setzte sofort hinzu, „aber er habe nichts Schlimmes gesagt“: Kramer, Karl-Sigismund: Volksleben in Holstein (1550–1800). Eine Volkskunde aufgrund archivalischer Quellen. Kiel 1987, S. 197. – Allgemein dazu: Kittsteiner, Heinz D.: Die Entstehung des modernen Gewissens. Frankfurt–Leipzig 1991.

[2480] Heilfurth, Gerhard; Ina-Maria Greverus: Bergbau und Bergmann in der deutschsprachigen Sagenüberlieferung Mitteleuropas. Bd. 1: Quellen. Marburg 1967, S. 208 und S. 590ff.

[2481] Petzoldt, Leander: „Knappentod und Güldenfluss“. Zu den Bedingungen bergmännischer Folklore in Tirol. In: Ammann, Gert; Meinrad Pizzinini (Hg.): Silber, Erz und weißes Gold. Bergbau in Tirol. Ausstellungskatalog. Schwaz 1990, S. 400.

[2482] „Was die Anthropologie betrifft, so bilden Risikominimierungsstrategien den ‚harten Kern‘ der sozialen Logik vormoderner Gesellschaften oder Ökonomien.“: Groh, Dieter: Strategien, Zeit und Ressourcen. Risikominimierung, Unterproduktivität und Mußepräferenz – die zentralen Kategorien von Subsistenzökonomien. In: Groh, Dieter: Anthropologische Dimensionen der Geschichte. Frankfurt/M. 1992, S. 89.

[2483] Heilfurth, Gerhard; Ina-Maria Greverus: Bergbau und Bergmann in der deutschsprachigen Sagenüberlieferung Mitteleuropas. Bd. 1: Quellen. Marburg 1967, Nr. 704, S. 656–658.

[2484] Davis, Natalie Zemon: Bindung und Freiheit. Die Grenzen des Selbst im Frankreich des sechzehnten Jahrhunderts. In: Davis, Natalie Zemon: Frauen und Gesellschaft am Beginn der Neuzeit. Studien über Familie, Religion und die Wandlungsfähigkeit des sozialen Körpers. Berlin 1986, S. 7–18. – Sabean, David: Kommunion und Gemeinschaft. Abendmahlsverweigerung im 16. Jahrhundert. In: Sabean, David: Das zweischneidige Schwert. Herrschaft und Widerspruch im Württemberg der frühen Neuzeit. Berlin 1986, S. 65f.

[2485] MA 142, S. 11.

[2486] MA 142, S. 47.

[2487] MA 142, S. 48.

[2488] Byloff sprach mit Juristenblick von „vollständiger Verkennung der Prozeßlage“: Byloff, Fritz: Bettelvolk. Der letzte große Zaubereiprozeß von Schloß Moosham 1688/89. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 79 (1939), S. 31.

[2489] Ein vergleichbar dramatischer Vorgang, nämlich die Tragödie um den 33-jährigen blinden slowenischen Bettler Andree Debellack, hatte schon die Salzburger Prozesse im Frühjahr 1679 für fast ein halbes Jahr aussetzen lassen: Nagl, Heinz: Der Zauberer-Jackl-Prozeß. Hexenprozesse im Erzstift Salzburg 1675–1690. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 112/113 (1972/73), S. 523: Obwohl er durch die Prozesse seine gesamte sechsköpfige Familie verloren hatte und alle Stufen der Tortur über sich ergehen lassen musste, war ihm kein Geständnis abzuringen. Als die Richter ihn bei seiner Freilassung neugierig fragten, woher er diese Widerstandskraft beziehe, erteilte er ihnen, auf die Passion anspielend, die vernichtende Antwort, es „hete Unser Herr auch vill leiden müessen“ (Hauptstaatsarchiv München (HStA), Hexenakten 10c, fol. 324).

[2490] MA 142, S. 60 (Verhör vom Juni 1689).

[2491] MA 142, S. 69.

[2492] MA 142, S. 70 und S. 73.

[2493] Hübner, Lorenz: Beschreibung des Erzstiftes und Reichsfürstenthums Salzburg in Hinsicht auf Topographie und Statistik. Bd. 2. Salzburg 1796, S. 519f. – Kürsinger, Ignaz von: Lungau. Historisch, ethnographisch und statistisch aus bisher unbenützten urkundlichen Quellen. Salzburg 1853, S. 12–19.

[2494] „Süddeutsche Zeitung“, vom 21. 2. 1984, S. 15.

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