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Kulturträger Musik (Lorenz Wagenhofer)

Lorenz Wagenhofer, Bezirkskapellmeister Flachgau, Leiter des Musikschulwerkes Flachgau IV[5101] gab Marina Wimmer am 18. Juni 2003 im Referat Salzburger Volkskultur ein Interview.

Als Musiklehrer haben Sie viel mit musizierender Jugend zu tun. Welche musikalischen Interessen hat die Jugend heute und wie integrieren Sie diese in ihren Unterricht?

Die musikalischen Interessen sind sehr breit gestreut. Einen sehr großen Anteil macht bei mir in der Musikschule die Blasmusik aus. Mit 50 Prozent der Gesamtschülerzahl hat sie einen hohen Stellenwert. Im Landesvergleich ist dies sicherlich ein hoher Prozentsatz. Einen weiteren Anteil machen zum Beispiel die Schlagwerke aus, bei den Bläsern die Querflöte, wo ganz ein großer Andrang bei den Jugendlichen ist. Schlagwerk kann man auch etwas früher beginnen, man kann von der musikalischen Früherziehung ab dem 7. Lebensjahr an mit dem Instrument vertraut werden und dann in den richtigen Schlagwerkunterricht eintreten. Bei der Querflöte ist es meistens ein bisschen später, weil es doch schwieriger und anstrengender für die Kinder ist. Welche Literatur die Kinder spielen, hängt sehr stark vom Alter ab. Die ganz Kleinen haben im Kinderliederbereich eine ganz große Freude und wenn sie älter werden, kommt natürlich die moderne Musik ganz stark zum Tragen. Das berücksichtigen natürlich auch die Lehrer, indem sie auch diese Literatur einbauen. Meistens sind die Lehrer so ausgebildet, dass sie für das eigene Instrument Arrangements machen können und für sich selbst Begleitungen schreiben.

Worin sehen Sie die Bedeutung und den Stellenwert einer Musikkapelle in einem Dorf?

Ich sehe einen ganz hohen Stellenwert. Und zwar ist sie für mich einer der wichtigsten Kulturträger im örtlichen Bereich. Ich weise auch immer darauf hin, dass in der Musikkapelle auf Qualität sehr viel geachtet wird und dass unter einem bestimmten Niveau – wo es nur mehr um Lautstärke geht – nicht musiziert wird, sondern dass einerseits die Qualität in der Harmonie und dass andererseits die Literaturauswahl sehr bewusst vorgenommen wird. Und das Bewusstsein, als Kulturträger im örtlichen Bereich tätig zu sein, ist ja eine Verantwortung der führenden Personen, die die Kapelle leiten – Obmann und Kapellmeister sind da auch sehr gefordert. Miteinbezogen werden müssen natürlich auch das Interesse der Kapelle und das Interesse der Zuhörer, das hier eine gute Mischung herauskommt. Es soll nicht nur der Kapellmeister seine Literatur spielen und die Musiker wollen das nicht mehr oder die Zuhörer werden, weil es ihnen nicht gefällt, immer weniger bei den Konzerten. Andererseits sollte es auch nicht so sein, dass nur die Hauptinteressen von manchen musikinteressierten Gruppen vertreten sind – es sollte eine bunte Mischung sein. Ein Blasorchester ist als eine der wenigen Musikformationen imstande, die riesige Breite abzudecken, die in der Musik geboten wird – angefangen vom klassischen Bereich, über die Bläserensembles bis hin zum großen symphonischen Blasorchester etc. Es gibt eine riesige Bandbreite, die andere Formationen in dieser Art gar nicht abdecken können. Eine Musikkapelle hat sicherlich einen Einfluss auf das dörfliche Miteinander. Bei den ganzen Festlichkeiten, die im dörflichen Bereich stattfinden – zum Beispiel zu Erntedank – hat die Musik immer einen wichtigen Stellenwert.

Worin liegt für Sie die Zukunft der Blasmusik im Land Salzburg? Welche Bedeutung haben insbesondere der Landesverband und die Bezirksverbände?

Für mich ist wichtig, dass mit Freude, mit „Herz“ musiziert wird. Eine gewisse Qualität setzt man natürlich voraus, aber das persönliche Sich-Vertiefen in die Musik ist für mich ein ganz wesentlicher Punkt, der in unserer Gesellschaft ein bisschen ins Hintertreffen rückt, weil unsere Zeit so schnelllebig ist. Ein Musikstück richtig zu vertiefen, dazu hat man irgendwie keine Zeit mehr, weil einfach ein Programm nach dem anderen perfekt gespielt werden muss. Es hat auch keiner mehr Verständnis dafür, dass Fehler passieren können – der Zuhörer ist sehr kritisch geworden und der Musiker ist immer mehr gefordert.

Die Qualitätsansprüche unserer Zuhörer steigern sich ständig, wodurch die Blasmusik gefordert ist, auch Spezialgebiete perfekt zu spielen. So ist zum Beispiel ein Marsch ganz anders zu interpretieren als ein Pop Song oder ein Wiener Walzer, drei verschiedene Ebenen in diesem kleinen Bereich – und wenn man dann zusätzlich Solisten im Gesang dazunimmt usw. ist immer jedes einzelne Werk eine spezielle Herausforderung, hat eine spezielle Stilistik. Und das muss man als Blasmusik natürlich möglichst sauber interpretieren. Der Zuhörer hat immer das Original im Ohr, aber die Blasmusik klingt eben immer nach Blasmusik und das so fein zu interpretieren ist wirklich eine hohe Kunst und eine große Herausforderung.

Der Landesverband hat eine sehr große Bedeutung dahingehend, dass Visionen von anderen Bundesländern bzw. von ganz Europa und darüber hinaus eine größere Breite und ein größeres Blickfeld bekommen. Der Bezirksverband hat früher meines Erachtens eine ganz wichtige Rolle gespielt – früher war der Bezirkskapellmeister der Botschafter der neuen Literatur, hat neue Stücke vorgestellt, neue Informationen weitergegeben, die sich heute über Internet jeder holen kann. Es kann sich jetzt jeder über neue Stücke informieren, die Wichtigkeit der Funktion hat sich ein bisschen verändert. Ich denke, eine beratende Funktion ist heute auch noch da – und auch noch wichtig.



[5101] Anm. der Redaktion: läuft heute unter dem Namen Musikum Hof. Stand: Mai 2019

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