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4.5. Der 8. Dezember (Helga Maria Wolf)

4.5.1. Mariä Erwählung – „Mariä Empfängnis“

Das Hochfest Mariä Erwählung, das mit seinem vollen Namen „Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“ heißt, ist das am meisten missverstandene Fest des Kirchenjahres. Der Feiertag hat nichts mit der immerwährenden Jungfräulichkeit der Muttergottes zu tun, die seit dem 4. Jahrhundert lehramtlich festgelegt ist, sondern mit ihrer Erbsündefreiheit. Gegenstand des Festes ist der Glaube, dass Maria „durch ein einzigartiges Gnadenprivileg des allmächtigen Gottes im Hinblick auf die Verdienste Christi Jesu, des Erlösers des Menschengeschlechtes, von jedem Makel der Erbsünde unversehrt bewahrt worden ist“, wie Pius IX. 1854 definiert hat.

Die Christen im Osten feierten um das Jahr 700 ein Fest der Empfängnis der heiligen Anna am 9. Dezember. Gemeint war damit die wunderbare Mutterschaft der betagten Anna. Das Fest kam über das damals byzantinische Unteritalien nach England und Frankreich. In diesen Ländern erhielt es bald den Akzent des Lebensbeginnes Marias ohne Erbsünde. Obwohl bekannte Theologen des Mittelalters Bedenken geäußert hatten, approbierte Sixtus IV. 1476 das Fest der „Empfängnis der unbefleckten Jungfrau Maria“. Clemens XI. dehnte es 1708 auf die ganze römisch-katholische Kirche aus. Das Dogma der Erbsündefreiheit untermauerte später die Festfeier.[991]

4.5.2. Ein kirchlicher Feiertag

Kaiser Ferdinand III. (1608–1657) schrieb das Ende des Schwedenkrieges der Immaculata zu. Deshalb gelobte er 1647, dass in seinen Ländern das Fest der Unbefleckten Empfängnis am 8. Dezember öffentlich als Feiertag zu begehen sei. Im 17. Jahrhundert wurden Gnadenbilder mit der Darstellung der Immaculata vor allem durch den Jesuitenorden weit verbreitet. Die gegenreformatorische Druckgrafik schuf Bildzeugnisse didaktischen Charakters. „Es sind sozusagen Lehrbilder des großen mystischen Geheimnisses, das gerade in der Gegenreformation besondere Bedeutung gewann“, stellt der Kunsthistoriker Hans Aurenhammer fest. Vorbilder findet er beim Italiener Guido Reni (1575–1642), dessen Gemälde im 19. Jahrhundert zu den beliebtesten Motiven des populären Wandschmuckes zählten, und bei Bartolomé Esteban Murillo (1618–1682), dem Maler der katholischen Vorstellungswelt Spaniens.[992]

Sowohl im Codex Iuris Canonici (CIC) 1917, der bis 27. November 1983 in Geltung war, als auch im neuen CIC zählt der 8. Dezember zu jenen Hochfesten, an denen die Gläubigen zur Teilnahme an der Messfeier – außer bei einem schwerwiegenden Grund – verpflichtet sind.[993] Dies galt laut Kirchenrecht auch in den Jahren 1938 bis 1945. Im Konkordat 1933/34 war Mariä Empfängnis einer der sieben staatlich anerkannten kirchlichen Feiertage. Die Geltung des Konkordates war während der NS-Zeit unterbrochen, die grundsätzliche Gültigkeit für die Republik Österreich wurde allerdings in der Folgezeit wieder akzeptiert. Für Mariä Empfängnis gab es eine Sonderregelung, der Tag wurde seit dem 18. November 1955 wieder als Feiertag festgesetzt.[994] 1,5 Millionen Menschen beteiligten sich damals an einer Unterschriftenaktion zur Wiedereinführung.

4.5.3. „Mariä Empfängnis“

Der 8. Dezember ist wohl der am meisten missverstandene Feiertag des Kirchenjahres. „Mariä Empfängnis“ hat nichts mit ihrer geistgewirkten Schwangerschaft zu tun. Mit seinem vollen Namen heißt es „Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“. Für die Geschäftswelt ist der 8. Dezember seit der Gesetzesänderung aus 1990, die das Offenhalten der Geschäfte ermöglicht, der Spitzentag unter den Einkaufstagen im Advent. Im Advent 2001 – nur wenige Jahre, nachdem die Geschäftsleute den Marienfeiertag zum Einkaufstag gemacht hatten – konnten sie österreichweit 180 Millionen Euro lukrieren, die umgangssprachliche Interpretation von Marie (Geld) Empfängnis hat wieder einmal gesiegt.

„Das Christkind spart nicht“, heißt es in einer Pressemitteilung vom 18. Dezember 2001. „Der Marienfeiertag, der heuer auf einen Samstag fiel, war der Spitzentag im heurigen Weihnachtsgeschäft. Da sich kalenderbedingt kein verlängertes Wochenende ergab, nutzten viele Konsumenten diesen Tag zum Weihnachtsshopping.“ Die Umsatzsteigerung gegenüber dem Vorjahr lag bei 26 %. (Quelle: Österreichisches Institut für Gewerbe- und Handelsforschung/IfGH)

Inzwischen scheint man sich an den Einkaufstag gewöhnt zu haben, und die kirchliche Kritik wird leiser. 2001 gab nur der für Sozialfragen zuständige Linzer Diözesanbischof Maximilian Aichern zu bedenken: „Wer sich am 8. Dezember ins Gewühl der Supermärkte und Einkaufsstraßen stürzt, möge sich ehrlich fragen, ob das die Lebensqualität ist, die man von einem Tag der eigenen Arbeitsruhe erwartet [...]“[995]

Verwendete Literatur

[Adam 1979] Adam, Adolf: Das Kirchenjahr mitfeiern. Seine Geschichte und seine Bedeutung nach der Liturgieerneuerung. Freiburg im Breisgau 1979.

[Aurenhammer 1956] Aurenhammer, Hans: Marianische Gnadenbilder in Niederösterreich. Wien 1956.

[Beinert 1987] Beinert, Wolfgang (Hg.): Lexikon der katholischen Dogmatik. Freiburg im Breisgau [u. a.] 1987.

[Codex iuris canonici 1917] Papst Bendikt XV. (Hg.): Codex iuris canonici. Romae 1917.

[Codex iuris canonici 1983] Papst Johannes Paul II. (Hg.): Codex iuris canonici. Kavelear 1983.



[991] [Adam 1979], S. 173. – [Beinert 1987], S. 356.

[993] [Codex iuris canonici 1917], Can. 1247 § 1 bzw. [Codex iuris canonici 1983], Can. 1246 § 1 und Cann. 1247 und 1248 § 2 bzw. [Codex iuris canonici 1917], Cann. 1248 und 1249.

[994] Freundliche Mitteilung des Institutum Liturgicum, Salzburg.

[995] [Presse] (2001-12-10).

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