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1.4. Bräuche (Manfred Seifert)

Tipp

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1.4.1. Zu einem zentralen Gegenstandsbereich der Volkskunde

Bräuche werden heutzutage fleißig gepflegt. Gerade in der jüngsten Zeit bieten sich hierzu viele Ratgeber an. Auf dem Buchmarkt findet man mittlerweile ein umfangreiches Sortiment an aufwendigen Fotobänden, trendigen Lifestyle-Reportagen, spekulativen Bekehrungsversuchen, aber auch ernsthaften Überlegungen zum Thema Brauch. Zugleich erscheinen Bräuche in mancher Hinsicht heute „aus den Fugen“ zu geraten, sich von ihrem vermeintlichen „Ursprung“ zu entfernen und insofern „falsch“ zu werden.

Der Volkskunde (hier ist das wissenschaftliche Fach und nicht die liebhaberische Passion gemeint, die ebenfalls ihre Berechtigung haben soll, sich jedoch nicht mit dem Wissenschaftsbegriff „Volkskunde“ trophäenhaft schmücken sollte) sind diese neuen Tendenzen bei der Ausübung von Bräuchen ein willkommener Anlass, um über das Brauchgeschehen, dessen Sinn und dessen Stellenwert in der Alltagskultur neu nachzudenken. Ist die Brauchforschung doch ein traditionell stark entwickeltes Arbeitsgebiet der Volkskunde?

Wie es von einer modernen Wissenschaft erwartet werden kann, fällt der Blick zunächst auf die zum Teil irritierenden Brauchentwicklungen in unserer Gegenwart. Hier werden u. a. neue Formen des Weihnachtsfestes, Entwicklungstendenzen beim Martinstag und die Halloween-Begeisterung, Veränderungen beim Aufstellen von Hochzeits- und Maibäumen sowie bei den Leonhardifahrten skizziert. Gerade um den Maibaum sind einige Neuerungen zu verzeichnen. Das zeigt, dass er als starkes Symbol aufgegriffen wird und auch Eingang in neue Trägerschichten (Frauenpartien, Kindergarten-, Dorf- und Stadtteilfeste) findet.

1.4.2. Brauchhandlungen in der Gegenwart

Da die Schar derer groß ist, die in den modernen Änderungen traditioneller Bräuche „Entstellungen“ und „Entehrungen“ einer wertvollen Überlieferung erkennen wollen, drängt sich die Frage auf, was denn der Begriff „Brauch“ eigentlich aussagt und wie er in wissenschaftlicher Weise bestimmt werden kann. In dieser Frage hat sich auch die Volkskunde seit ihren Anfängen vor über 200 Jahren deutlich gewandelt. Heute gilt, dass Bräuche eine Form des jeweils zeitgemäßen menschlichen Verhaltens sind. Um von einem Brauch sinnvoll zu sprechen, darf damit jedoch nicht einfach das gewöhnliche Alltagsverhalten bezeichnet sein. Es geht um spezielle Verhaltensformen.

Die Funktion von Brauch kann umschrieben werden als die eines Stützbalkens, der auch einmal kritisch überdacht und geändert werden kann, um ihn gewandelten Situationen und Bedürfnissen anzupassen. Brauch bedeutet somit nicht starre Festlegung, sondern Spielraum, das heißt prinzipielle Beweglichkeit und Offenheit, um auf mögliche Unzufriedenheiten und Reibungsprozesse reagieren zu können.

Nur wenn die Bräuche selbst von den Ausübenden und Organisatorinnen/Organisatoren nicht mehr als wesentlich eingeschätzt werden, bedürfen sie einer zusätzlichen Bedeutungserhöhung, wie sie heute regelmäßig über den Hinweis auf ihr altes Herkommen und ihre regionale Verwurzelung erfolgt. Üppiger Materialaufwand, aufwendig-dekorative Ausschmückungen und Heimatverklärungen sind in diesem Sinne vielfach nur die sprechenden Kennzeichen einer Brauchpflege, die im Grunde vom wirklichen – das heißt: sozial wirksamen – Brauchvollzug entfremdet ist.

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