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3.12. Semana Santa in Andalusien (Günther Jontes)[107]

Tipp

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3.12.1. Semana Santa – „Die heilige Woche“

Die Karwoche war in den österreichischen Alpenländern bis zum Aufkommen der Aufklärung im 18. Jahrhundert von zahlreichen individuellen Bußübungen geprägt. Schon unter Maria Theresia von Österreich (1740–1780) und den Salzburger Bischöfen als Landesherren gab es eine Zurückdrängung und Abschaffung dieser zum Teil sehr aufwendigen Brauchübungen. Heute erinnert nur mehr wenig an die einstige Fülle barocker Volksfrömmigkeit.

Wer sich im christlichen Europa eine Vorstellung von dem machen will, was bei uns einst diese „heilige Zeit“ im Jahr bedeutete, der muss in die romanisch-mediterrane Welt blicken, wo in Spanien, Portugal, Italien, auch Malta noch hoch entwickelte Brauchformen als volkstümliche Massenkultur existieren.

Spanien ist gegenwärtig das absolute Zentrum der Theatralik der Karwoche als Büßerzeit. Vor allem in den großen Städten Andalusiens ist die farbigste Zeit die Semana Santa, die „heilige Woche“. Es werden besonders prunkvolle Prozessionen, getragen von den sozialen Verbänden, den Bruderschaften, abgehalten, die zu ganz bestimmter Stunde, ausgehend von ganz bestimmten Kirchen, auf einer genau festgelegten Umgangsroute stattfinden.

3.12.2. Semana Santa: historische und kulturelle Grundlagen

Die Semana Santa („heilige Woche“, Karwoche) ist ein formvollendeter Ausdruck der glutvollen stolzen Haltung und der gegensätzlichen Charakterzüge der Spanier. Auch heute noch wird dieses Fest mit grandiosem Überschwang im äußeren Aufwand gefeiert.

Die Buntheit des Geschehens, die Pracht der Requisiten und die feierlich-festliche Stimmung der Mitwirkenden lassen sich aus mehreren Wurzeln erklären – zum einen sind es wesentliche Elemente katholischer Glaubensübung mit ihrer starken Symbolik und belehrenden Umsetzung zur Läuterung des sündigen Menschen, zum anderen ist es die Lust an der Darstellung biblisch und literarisch vorgegebener Handlungen.

Die „heilige Woche“ als jährlich gespielte Wiederholung der Leiden Christi erreichte ihre größte Prunkentfaltung im „Siglo de Oro“, dem goldenen 17. Jahrhundert, und hat sie im Grunde bis heute beibehalten.

3.12.3. Die spanischen Prozessionen der Karwoche

Unter den Manifestationen spanischer Frömmigkeit nehmen Prozessionen einen besonderen Rang ein, da sie am eindringlichsten die Öffentlichkeit städtischer Strukturen zum Schauplatz haben. Besonders gepflegt werden auch Wallfahrten (z. B. Santiago de Compostela) und Fronleichnamsfeste.

Zu solchen Anlässen werden Straßen, Plätze, öffentliche Gebäude und Privathäuser reich geschmückt, letztere häufig auch frisch angemalt. Teppiche aus kunstvoll gelegten Blumen und duftenden Gewürzpflanzen bedecken die Strecke, über die der Umgang schreitet. Die Teilnehmer der Prozessionen tragen ihrer Funktion entsprechend traditionelle Kleidung prachtvoller Ausstattung und Auszierung.

In den Bußprozessionen der Semana Santa zeigt sich ein besonders hoch gesteigerter Marienkult, wo die Kultfigur der trauernden Gottesmutter in Pracht, Zier und Verehrung weit über der des Kreuz schleppenden Christus steht.

3.12.4. Bruderschaften als Träger der Karwochenbräuche

Am ursprünglichsten und lebendigsten haben sich alte spanische Bruderschaftsbräuche der Karwoche in Andalusien und seinen größten und historisch bedeutsamsten Städten Sevilla, Granada und Cordoba erhalten.

Die Gründungen von Karwochenbruderschaften unterlagen dem allgemein gesellschaftlichen Kontext. Diese geistlichen Laienbünde waren zum Teil auf Berufsgruppen hin orientiert, was teilweise auch heute noch spürbar ist. Sie waren und sind die Träger und Gestalter der prunkvoll gestalteten Prozessionen der Semana Santa.

Die Organisationsformen haben sich bis heute nicht wesentlich verändert. Neu ist, dass ein Register angelegt wurde, aus dem der Name der Bruderschaft und der traditionelle Prozessionsweg hervorgehen, um ein Konkurrenzstreben, wie es zur Gründerzeit der unterschiedlichen Bruderschaften der Fall gewesen ist, zu vermeiden. Um besonderes Aufsehen zu erregen, entstand im 16. Jahrhundert zum Beispiel die öffentliche Selbstgeißelung, die sowohl bei weltlichen als auch geistlichen Autoritäten großen Anstoß erregte.

3.12.5. Semana Santa: Ablauf der Prozession

Eine Prozession während der Semana Santa beginnt damit, dass sich zur genauen festgesetzten Stunde das Tor der Bruderschaftskirche öffnet und der Aufmarsch der „Nazarenos“ („Kapuzenbekleidete“) beginnt. Jeder der sogenannten „Büßer“ hält eine Kerze in der Hand, manche schleppen ein Kreuz und geben damit der Prozession den eigentlichen Sinn.

Nach dieser Gruppe kommt feierlich schreitend der Vorstand der Bruderschaft, der die ältesten Mitglieder, die „größten Brüder“, umfasst. Jeder von ihnen trägt einen Würdenstab. Sie gehen direkt vor der ersten der beiden Tragebühnen, dem „Paso del Cristo“ mit seiner lebensgroßen Plastik des Kreuz schleppenden Christus.

Die sogenannten „Costaleros“ sind die für den Ablauf der Prozession wichtigsten und wegen ihrer Funktion auch am stärksten beanspruchten Männer, tragen und manövrieren sie doch die tonnenschweren „Pasos“ die lange Wegstrecke. Bei den ersten „Pasos“ steht in der Mitte ein vergoldetes hölzernes Podest mit einem großen Kreuz. Der Höhepunkt des Prozessionszuges ist der „Paso del palio“ („Paso mit dem Baldachin“), der ganz der Gottesmutter geweiht ist. Die Prozessionen der Semana Santa in Andalusien ergeben mit ihren Kostümen und den künstlerisch wertvollen Statuen heute wie einst ein sinnbetörendes Bild.



[107] Kurzfassung von Ilona Lindenbauer, Langtext-Version HIER.

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