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Wie stark ein Kult an einem Ort, in einer Region ausgeprägt war, lässt sich am besten ermitteln, wenn man verschiedenartige Kultzeugnisse heranzieht. Den wichtigsten Einstieg vermitteln Kalendarien. Vom Kalender leiten sich die Datierungen nach Heiligentagen her, die sich im hohen Mittelalter allmählich durchsetzten. Eine noch stärkere Bedeutung eines Heiligen leuchtet auf, wenn sein Tag als Termin für Abgaben und Leistungen galt.
Kalendarien leiten oft Handschriften ein, in denen die Messformulare für die einzelnen Tage stehen. Der mit einem eigenen Messformular vertretene Heilige steht im Einklang mit dem Festeintrag im Kalender und mit der Predigt. Besonders in den Klöstern besorgt man sich zu den verehrten Heiligen die Vita oder Legende, um sie am betreffenden Tag vorzulesen.
Von besonderer Bedeutung für die Kultgeschichte sind die Weihnotizen (z. B. Urkunden), da sie Jahr, Tag, Objekt (z. B. Kirche, Kloster) und dessen Patrozinien, oft auch die eingeschlossenen Reliquien und die Konsekrationen überliefern. Das große Spektrum der Kultzeugnisse zeigt auch die Vielfältigkeit der Heiligenverehrung auf, die sich von der Liturgie bis ins Wirtschaftsleben erstreckt.
Heilige schützen nicht nur die ihnen geweihten Kirchen und Klöster, als deren eigentliche Herren sie gelten (denn an sie richten sich ausdrücklich die Schenkungen), sondern auch die Menschen, die ihren Namen tragen, Adelsgeschlechter, Stände und Berufe, Bruderschaften, Städte, Bistümer und Länder.
Die Weitergabe der Namen der Eltern und Großeltern und der Taufpaten, die Verehrung des Heiligen des Tauftages, des Kirchen- oder Altarpatrons, des Patrons einer Bruderschaft oder einer Wallfahrt können bei der Wahl der Taufnamen wirksam werden. In den letzten Jahrzehnten werden zwar nach wie vor Heiligennamen gewählt, doch die Heiligenverehrung an sich spielt dabei kaum mehr eine Rolle. So hat auch der Geburtstag den Namenstag als Gedenktag an den persönlichen Patron verdrängt.
Für Städte stieg vielfach der Patron der Hauptkirche zum Patron für das Gemeinwesen auf. Als besonders mächtig begriff man den Schutz, wenn sein Grab in der Kirche lag oder wenn man wenigstens Reliquien von ihm verehren konnte. In politischen Auseinandersetzungen traf man eine Stadt auch dadurch, dass man ihre Reliquien wegnahm. Vor allem da, wo sich die Reformation sehr stark auswirkte, erlebte die Heiligenverehrung samt Bruderschafts- und Wallfahrtswesen große Einbrüche, doch im Zeitalter der Gegenreformation und des Barocks gab es eine neue Blütezeit.
Neben die ganz persönlichen Namenspatrone treten die Patrone für Gemeinschaften – wie die Bruderschaften und Zünfte. Von ihnen unterscheiden wir die Patronate der einzelnen Heiligen, d. h. ihre Zuständigkeit für bestimmte Anliegen. Derartige Patronate erwachsen aus Vita und Legende, in denen meist auch die Attribute wurzeln, die ihrerseits wieder Patronate auslösen können.
Der heilige Florian z. B. gilt als Patron gegen Feuer- und Wassergefahr, gegen Dürre und Unfruchtbarkeit der Felder. Seine auch heute noch bestehende Popularität drückt sich in vielen Hausschutzbildern und auf den Darstellungen der Feuerwehrfahne aus. Der heilige Leonhard gilt als der große Viehpatron, doch war das nicht sein ursprüngliches Patronat. Zu Lebzeiten galt seine Sorge vor allem den Kranken und Gefangenen, deren Befreiung er anstrebte (Gefangenenpatronat).
Ebenso wichtige Patronate haben der heilige Ulrich (Wasserpatronat) und die heilige Barbara (Sterbepatronat). Das Reisepatronat des heiligen Christopherus erfuhr in den letzten Jahrzehnten eine Wiederbelebung, sodass sich auch heute noch manche Autofahrer ihm anvertrauen. Ansonsten hat heute (auch in der älteren Generation) die Heiligenverehrung in der Form von Patron und Patronat nicht mehr jene Bedeutung, die ihr noch im 19. und frühen 20. Jahrhundert zukam, wenngleich auch für das Internet nach einem Patron gesucht wird. Das Patronat des heiligen Antonius von Padua – als Wiederbringer verlorener Sachen – scheint sich am längsten gehalten zu haben.