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3.6. Von solennischen[95] Umgängen und Kirchfahrten (Werner Rainer)

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3.6.1. Pilgerfahrten und Prozessionen unter Fürsterzbischof Marcus Sitticus

Der größte Teil der barocken Wallfahrtsorte geht auf ein Gnadenbild zurück und gründet auf der Ansicht, dass das Heil nicht nur von einer Reliquie, sondern auch von gnadenreichen Darstellungen erlangt werden könnte. Die größte Gruppe der Salzburger Wallfahrten stellen die marianischen dar.

Hatten Wallfahrten der Salzburger zu den Gräbern der Bistumsgründer eine lange Tradition, so sind die nachtridentinischen Wiederbelebungen durch Marcus Sitticus von Hohenems (1612–1619) nicht allein unter dem Aspekt der Rekatholisierung des Erzbistums zu betrachten. Diese Pilgerfahrten waren auch identitätsstiftend im Sinne einer Zusammengehörigkeit im Reichsfürstentum Salzburg, dessen Existenz an der Jahreswende 1611/12, durch den Einmarsch des übermächtigen bayrischen Nachbarn, „fünf ganze Monate lang nicht in kleiner, sondern höchster Gefahr“ schien, wie Johannes Stainhauser in seiner Chronik für Fürsterzbischof Marcus Sitticus[96] betonte. Durch solche gemeinsame Unternehmungen, die sich oft über mehr als einen Tag erstreckten, wurde auch ein Gefühl der Zusammengehörigkeit in „diesem allgemeinen Vaterland“ hervorgerufen.

Die theatralisch in Szene gesetzten Schauumgänge des Hohenemsers hatten Vorbildwirkung weit über seine siebenjährige Regierungszeit hinaus: Noch die Karfreitagsprozession von 1712 folgte der Ordnung von 1613.

3.6.2. Reformen unter Hieronymus Colloredo

Was der romtreue Gegenreformator Fürsterzbischof Marcus Sitticus als Werkzeug zur Erweckung, d. h. Vertiefung der Frömmigkeit des einfachen Mannes erachtete, musste dem Aufklärer Hieronymus Graf Colloredo (1772–1803), dem letzten regierenden Fürsterzbischof, als oberflächliches religiöses Tandwerk erscheinen. Colloredo sah in den Wallfahrten nur überflüssige Zeitvergeudung und wies Klerus wie weltliche Behörde in den Jahren 1785 bis 1787 mehrfach in Mandat und Verordnungen an – auch gegen den Widerstand der Bevölkerung –, Wallfahrten, Umgänge und Prozessionen zu unterbinden. Ebenso wurden die Bruderschaften, die von Marcus Sitticus als Träger der Wallfahrten und Prozessionen – nach einer tief greifenden Umgestaltung – auserkoren worden waren, nun Zug um Zug bei den Festen all ihres Gepränges entkleidet.

Begonnen wurde bei den „Reduzierungen“ mit der Verordnung über das Heilige Grab in der Karwoche. 1785 kam es zum Verbot der Wallfahrten mit Übernachtungen, mit Hofrat-Beschluss vom 4. Mai 1789 hatte dann auch die traditionelle Pilgerfahrt der Pinzgauer zu unterbleiben. Die Fronleichnamsprozessionen wurden immer kürzer, die Bruderschaften und Zünfte durften sie nicht mehr begleiten, schließlich wurde angeordnet, aus den Baldachinen und Fahnen Paramente (Textilien für gottesdienstliche Zwecke) machen zu lassen, das Übrige zu verkaufen und den Erlös den Armen zu geben. 1787 wurden der Nachtchor und das Läuten bei Nacht verboten, damit niemand im Schlaf gestört werde. Das Volk vergaß aber in seiner Frömmigkeit die Feste nicht: Noch 1797 wurde der Fürst bei seinem Aufenthalt in Gastein um Wiederzulassung der „abgebrachten Prozessionen“ ersucht.



[95] Solennisch, d. h. feierlich, festlich

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