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Bader auf dem Land (Friedrich R. Besl)

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Woher kamen die Bader?

Seit wann gab es die Bader? Was trieben sie? Und warum sagen wir manchmal noch heute: „Ich gehe zum Bader“, wenn wir zum Arzt gehen? Über die Bader und ihre Badstuben wollen wir auf den folgenden Kurztextseiten und unter „Mehr zum Thema“ berichten.[29][30]

Wir müssen davon ausgehen, dass Menschen schon immer das Bedürfnis hatten, sich manchmal zu reinigen. Sie suchten Flussbäder auf oder Thermen, sie badeten im Dampf erhitzter und besprengter Steine. Wir Menschen nördlich der Alpen bezogen unsere heutige Badekultur ursprünglich von den Römern, denn Germanen und Slawen bevorzugten es, im kalten Wasser ihrer Flüsse zu baden.

Klöster waren es, die das römische Badewesen mit gemauerten Badehäusern und Badeöfen zu uns brachten. Seither kennen wir dreierlei Bäder: das Dampf-Schwitzbad, das Heißluft-Schwitzbad und das Voll- oder Wannenbad. Das üblichste war hierzulande seit jeher das Dampf-Schwitzbad. In einem Raum, genannt „Badstube“, war ein Ofen errichtet, auf dem Bach- oder Feldsteine aufgeschichtet waren. Dieser Ofen wurde von einem Nebenraum aus mehrere Stunden lang beheizt, bis die Steine auf ihm so heiß waren, dass darauf versprengtes Wasser verdampfte. In der Badstube saßen an den Wänden ringsum die Badegäste und schwitzten, bis sie von einem Badeknecht oder einer Baddirn „abgefleht“, d. h. abgespült wurden.

Wie die Badstuben entstanden

Das Betreiben einer Badstube war im früheren Mittelalter vor allem den Klöstern vorbehalten, die erkannt hatten, dass körperliche Reinigung Gesundheitspflege war. (Schon Benedikt von Nursia hatte um 530 n. Chr. in seinen Regula Benedicti Vorschriften über den Gebrauch des Bades erlassen.) Die Idee einer entgeltlich von allen zu benützenden warmen Badstube war um 1100 zu einem Handwerk geworden.

Betreiber einer solchen Badstube war alsbald ein Meister, der je nach Bedarf mehrere Gesellen, Gesindeleute und auch Lehrlinge – Ehalten[31] – anstellte, nämlich als gelernte Fachleute den Lasser, der Spezialist für das Schröpfen und den Aderlass war, den Scherer, der Haarschnitt und Bartscheren besorgte und einen Junger, den Lehrling, der mindestens drei Jahre lernen musste. Neben diesen gab es als wichtigsten Hilfsarbeiter den Schröpfer, der Wasser und Holz herbeizuschaffen hatte, die Öfen heizte und Wasser auf die heißen Steine sprengte oder zum Vollbad in die Wannen goss. Außer ihm gab es nach Bedarf weitere Badeknechte.

Neben den männlichen gab es auch weibliche „Ehalten“, nämlich die „Mannsdienerinnen“ und die „Frauendienerinnen“. Vor allem waren da die „Rybarinne“, die Reiberinnen für Frauen und Männer, die „Strählerin“ zum Kämmen der Frauen, die „Gewandhüterin“ im „Huetgaden“ – der Garderobe – und die gewöhnlichen „Baddirnen“, die auch das Abspülen besorgten. Zwischen dem badenden Mannsvolk und den immer sehr leicht bekleideten Mannsdienerinnen kam es natürlich zu Intimitäten, die zur Badeprostitution wurde.

Die Bader: Ein Handwerk, zünftisch gelernt

Das Handwerk der Bader – denn ein solches war es, solange es sie gab – war in sich organisiert wie andere Handwerke auch. Anderswo hießen sie „Zunft“ oder Gilde, in Salzburg nannten sie sich „ein gantzes handtwerch“, Zeche oder Mittel. Die Zeche ging aus der konfessionell betonten Bruderschaft hervor. An ihrer Spitze stand der Zechmeister, der alle Jahre neu gewählt wurde.

Zur Zeche gehörten die einzelnen Betriebe, in unserem Fall die Badstuben, die einem Meister gehörten. Er beschäftigte zwei Fachkräfte: den „Lasser“ und den „Scherer“. Der Lasser war zuständig für das Schröpfen oder den Aderlass und sein Arbeitsplatz war die Lassbank. Der Scherer besorgte das Scheren der Bärte und die Haarpflege, das Zwagen (Haarewaschen) und das Scheren.

In der Regel hielt der Meister noch einen Junger (Lehrling), der bei entsprechendem Fleiß und Interesse drei Jahre lernen musste, ehe er zur Gesellenprüfung zugelassen wurde. Diese bestand aus einer theoretischen und einer praktischen Prüfung, bei der er Kenntnisse über den menschlichen Körper und die Herstellung von Salben und Pflastern haben musste. Nach abgelegter Prüfung musste er eine – in Salzburg – dreijährige Wanderschaft antreten und öfter die Meister wechseln.

Am Ende der Wanderzeit konnte er eine freie Gerechtsame[32] suchen. Am günstigsten war eine solche zu bekommen, wenn er die Witwe oder Tochter eines Meisters fand, die er heiraten konnte. Erst dann konnte er bei einer zuständigen Baderzeche um Zulassung zur Meisterprüfung ansuchen.

Vom Scherer zum Barbier

Im 15. Jahrhundert begannen die Scherer aus den Badstuben auszuziehen und Barbiere zu werden. Ursprünglich waren die Scherer mit den Badern und (Ader-)Lassern zusammen aus den Klöstern gekommen; sie waren aufeinander angewiesen. Die Scherer ließen die Bärte ihrer Kunden in der heiß-feuchten Luft der Badstuben weich werden, ehe sie ihre Arbeit begannen. Als man dort aus Holzasche und Wasser Lauge herstellen konnte und aus Lauge und zerlassenem Unschlitt Seife zu machen verstand, hatten sie ein Mittel zur Erweichung der Bärte gefunden und waren auf die dampfende Badstube nicht mehr angewiesen. Und da man eine Barbierstube rascher und billiger einrichten konnte und zudem eine größere Nachfrage nach ihr bestand, trennten sich viele Scherer von den Badern, nannten sich Barbiere und machten sich selbständig.

Die Barbiere hatten nicht nur den Vorteil, rasch eine billige Werkstatt zu finden, sondern auch mobil zu sein. Sie waren nicht an ein aufwändiges Lokal angewiesen, sondern konnten Hausbesuche bei ihren Kunden machen. Während man in der Badstube Kunden nur mit den Schröpfköpfen schröpfen konnte, war der Aderlass überall möglich. Und wenn der Bader immer noch halb nackt in Dampf und Nässe schwitzte, trug der Barbier längst bürgerliche Kleidung. Gerade das aber verschaffte ihm höheres Ansehen, machte ihn ratsfähig. Nur im Erzstift Salzburg gab es seit 1515 eine Ausnahme: Erzbischof Leonhard von Keutschach beschränkte die Zulassung von Barbieren, um die Existenz der Bader zu schützen.

Der Beginn der „Wundtartzeney“

Warum Bader und Barbiere sich immer mehr der Wundarznei zuwandten, hatte Gründe, die weit in der Vergangenheit lagen. Lange bevor Bader ihre Badstuben einrichteten, lag das gesamte Medizinalwesen in den Händen von Klerus und Klöstern. Um die Wende zum zweiten Jahrtausend zog sich die Kirche aber daraus zunehmend zurück und auf dem Vierten Laterankonzil im Jahr 1215 untersagte Papst Innozenz III. Geistlichen wie Mönchen endgültig jegliche Ausübung der Medizin und Chirurgie.

Es war nahe liegend, dass die Bader äußere Gebrechen – also Verletzungen, Geschwüre und Ausschläge – an den fast nackt vor ihnen in der Badstube Befindlichen als erste feststellten. Aus alter Überlieferung hatten sie gelernt, hier Abhilfe zu schaffen und mit ihnen natürlich auch die Lasser und die Scherer. Eine schon lange zuvor geübte Tätigkeit war das Schröpfen und der Aderlass. Das eine zog dem Körper aus fein geritzter Haut mit so genannten Schröpfköpfen Blut ab, der Aderlass öffnete meist in einer Armbeuge mit einem Lasseisen eine Vene und ließ das Blut hervorsprudeln. Beide Methoden der „Skarifikation“ (des Aufschlitzens) dienten der Bluterneuerung durch vorhergehende Blutabnahme und waren seit alters her eine bewährte Heilmethode.

So entstanden chirurgische Hilfskräfte, die aus ihrer Praxis lernten und so im Laufe der Zeit Meister in der „kleinen Chirurgie“ wurden. Schon 1472 schrieb in Salzburg die Handwerksordnung vor, dass sie den Verlauf und die Namen der Blutgefäße im menschlichen Körper kannten. Im Lauf der Badergenerationen lernten sie den menschlichen Körper zwar sehr gut kennen; ein Eingriff in das Innere dieses Körpers blieb ihnen aber bis ins 19. Jahrhundert verboten.

Es gab ganz vorzügliche Wundärzte ...

Können und Fertigkeiten der Bader waren verschieden und hingen vom Talent, vom Interesse und vom Fleiß des Einzelnen ab. Auch in Salzburg kennt die Geschichte des handwerklichen Medizinalwesens, wie man die Wundarznei damals auch nannte, sehr gute und gewissenhafte Vertreter ihres Fachs wie auch nachlässige und stümperhafte sowohl in der Stadt wie auch auf dem Land.

Das Erzbistum war politisch in Land- und Pfleggerichte unterteilt, die Verwaltung und Aufsicht über ihr Gebiet wahrzunehmen hatten, so auch über die Tätigkeit der Bader. Diese Aufsichtspflicht wurde allerdings oft sehr nachlässig gehandhabt.

Ein Beispiel, wie es überall hätte sein sollen, erbrachte das Land- und Pfleggericht Abtenau am 22. Februar 1628, wie das Notularbuch[33] des Urbargerichts Abtenau aufweist. Der „Pader, Wundtarzt und Bürger in der Abbtenau“ Meister Hanns Hindterperger legte hier Zeugnis seines Könnens und seiner Erfolge als Wundarzt ab. Er führt einen Wolf Erlbacher aus Rußbach an, der sich in das linke Bein gehackt hatte, das ihm darauf eitrig geworden war. Ein anderer erlitt an offenem Feuer im Gesicht und an den Augen Verbrennungen, dass er 14 Tage nichts sehen konnte. Dem Hans Schober aus Annaberg hat ein „Trähling“[34] den Fuß zweimal gebrochen und den Knöchel zerquetscht. Ein weiterer Fall war eine Schussverletzung in den Rücken mit Austritt an der Brust, die ein Nachbar dem Blasy Schöffeneckher zugefügt hatte. Meister Hanns Hindterperger konnte alle diese Verletzungen nachweislich vollständig heilen.

... aber auch Quacksalber und Stümper

Im Allgemeinen war aber das medizinische Niveau auf dem Land bis zum 19. Jahrhundert schlecht. Wenn sie bei einem Landbader in die Lehre gegangen waren, war ihre Ausbildung meist dürftig gewesen und die Gesellenprüfung mangelhaft. Wenn sie sich nicht bemühten, auf der Wanderschaft zu einem guten Meister zu kommen, blieben sie Zeit ihres Lebens Stümper. Erst nachdem im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts das Collegium medicum gegründet worden war, interessierte die Regierung auch das Medizinalwesen auf dem Land.

Nachdem der Landesfürst Erzbischof Max Gandolf Graf von Kuenburg 1677 den Auftrag zur Gründung des Collegium medicum erteilt hatte – das dann mit hofrätlicher Bürokratie und Beschaulichkeit zehn Jahre ohne nennenswertes Ergebnis arbeitete –, wurde schließlich der Radstädter Arzt Dr. Franz Duelli beauftragt, die ländlichen Bader- und Wundarztoffizinen zu visitieren und Bericht zu erstatten. Der Bericht Duellis gibt ein erschütterndes Zeugnis von den desolaten Zuständen im Medizinalbereich des Erzstifts. Völlig Ungeeignete und in ihrem Beruf Ungeprüfte erheirateten oder kauften eine Gerechtsame und betrieben sie in völliger Unkenntnis. Der Erwerb einer Gerechtsame erfolgte nicht zur gewissenhaften Ausübung der Heilkunde, sondern zur Altersversorgung, wobei den Kranken mehr Schaden als Nutzen zugefügt wurde. Dabei konnten die Bader sich und ihre Familie oft nicht ernähren und mussten sich vielfach anderwärts als Hilfsarbeiter verdingen. Dadurch haben die „Stimpler und Störer“ (die Quacksalber und Kurpfuscher) stark überhand genommen, während die Badermeister immer stärker „liederlich und verdrunckhen“ wurden. Auch hatten diese oft eine mangelhafte Ausbildung und man hatte ihnen bei der Zeche nur die Prüfungstaxe abgenommen, ohne sie ordentlich zu prüfen.

Bürokratie im Bereich der Medizin im 18. Jahrhundert

Der Schlendrian des Hofrates[35] mitsamt dem Collegium medicum erboste Erzbischof Colloredo, der am 21. Dezember 1774 „Unserem Hofrat hierüber Unser Billiges Mißvergnügen zu erkennen“ gab. Aber noch 13 Jahre später lieferten die Mitglieder dieses Kollegiums Beispiele ihrer nachlässigen Haltung.

Im August 1789 war in Koppl, wie schon im Jahr zuvor, die Ruhr ausgebrochen. Der Chirurg (Wundarzt) Günther hatte dem Hofrat über einschlägige Symptome berichtet und Heilverfahren vorgeschlagen. Landschaftsphysikus DDr. Sylvester Barisani gab dazu aber nur ein Gutachten ab und stellte eine Therapie auf, ohne das Krankheitsgebiet zu visitieren. Es war wie zu Pestzeiten, als Bader und Wundärzte die Kranken zu versorgen hatten, während die Ärzte in akademischer Isolation verharrten, bis die Seuche erloschen war.

Das Problem des Collegium medicum war, dass hier Ärzte tätig waren, deren Wissen ebenso erstarrt war wie das der Wundärzte. Diese lebten allerdings aus der Praxis der von ihnen behandelten Krankheitsfälle, während die meisten Medici dieser Praxis tunlichst auswichen. Besonders die in der Stadt niedergelassenen Ärzte fanden an der Verwaltungsarbeit mehr Gefallen als an der Krankenbehandlung. So war es für sie typisch, dass sie beim Ausbrechen einer Seuche den Wundärzten sogar den „Lazarettwartdienst“[36] überließen, das heißt jede körperliche Berührung der Kranken wie der Verstorbenen.

Der Niedergang der Badstuben

Im beginnenden 18. Jahrhundert nannte sich der Bader bereits Wundarzt oder gar Chirurgus, selbst wenn seine ärztlichen und chirurgischen Fähigkeiten miserabel waren. Aus der Badstube war eine „Wundarztoffizin“ geworden; die Arbeit machte nun zumeist der Meister alleine, der sich bald „Prinzipal“ nannte, oder mit einem Gesellen.

Damit kamen die Badstuben mehr und mehr ab und der Meister, der sich hauptsächlich auf das Bad verlassen hatte, musste einem Wundarzt Platz machen. Wundarznei betrieben aber auch die Barbiere und damit kam es zum Konkurrenzstreit, den oft nur die Obrigkeit schlichten konnte. Wie wir den Bildern alter Wundarztoffizinen entnehmen können, sah es dort aber auch nicht aus wie in einer Arztordination. Vor allem hatte man von Antisepsis und Asepsis[37] keine Ahnung. So lagen bei Operationen Instrumente auf dem Fußboden um den Wundarzt herum, der mit Händen operierte, die er sich zwischen zwei Patienten nicht oder nur oberflächlich gewaschen hatte. Gegen Schmerzen konnte der Patient auf einen lederüberzogenen Holzstab beißen oder man drückte einen Nerv ab oder er bekam einen „Schlafsaft“[38], der aber starke Nebenwirkungen hatte.

Für wundärztliche Tätigkeit wurde als Honorar verlangt: Für den Verband einer Schädelwunde bei Verletzung der Schädelknochen 4 Schilling (ß); für Gesichtswunden sowie alle von Waffen verursachten Wunden, die genäht und verbunden wurden, 1 Gulden (fl); für Stiche in den Leib und andere empfindliche Stellen sowie Verlust von Gliedern, Schussverletzung, Oberarmbruch und offene Brüche ebenfalls 1 fl; für Bauchwunden und die Einrenkung von Gliedern 2 fl.[39]

Und der Rückgang der Wundarznei

Das strenge Zunftsystem, das verlangte, das Handwerk so auszuüben wie es nach altem Herkommen Brauch war und die Ausbildung der Lehrlinge nach den alten, überlieferten Methoden durchzuführen, ließ die Salzburger Wundärzte hoffnungslos rückständig werden. Akademisch ausgebildete Ärzte gaben, selbst wenn sie mehr wussten, ihr Wissen an die unter ihnen stehenden Handwerksmediziner nicht weiter und wollten eine möglichst sichere Stellung in der Hauptstadt erlangen. Das änderte sich erst nach 1695.

In diesem Jahr gründete nämlich Erzbischof Johann Ernst Graf von Thun das St. Johanns-Spital in Mülln[40]. 1695 wurde der Männertrakt, 1704 der für Frauen eröffnet. Ursprünglich war zwar ein ständig anwesender Arzt nicht vorgesehen. Zur Leistung ärztlicher Hilfe kam täglich ein Medikus aus der Stadt in das Spital. Ab 1790 wurde die Spitalsarztstelle in ein Primariat umgewandelt und ein Sekundararzt beigestellt. Schon 1697 wurde dem Spitalsarzt ein Chirurgus und Barbier unterstellt. Aber erst 1805 kam es zur Trennung der medizinischen und der chirurgischen Abteilung.

Eine verstärkte und kompetente Ärzteschaft, von der schließlich ein Teil bereit war, sich auch auf dem Land niederzulassen, ergab einen verstärkten Konkurrenzkampf zwischen Wundärzten und Ärzten. Es eröffnete sich für sie damit eine zweite Front: beim Kampf gegen die Quacksalber einerseits und gegen die Ärzte andererseits, bei dem sie unterliegen mussten. Konnte in Ländern außerhalb Salzburgs, etwa in Österreich, ein Geselle nur Meister werden, wenn er vor der medizinischen Fakultät die Meisterprüfung abgelegt hatte, waren die Salzburger „Chirurgi“, wie sie sich gerne nannten, simple Bader-Wundärzte geblieben; ihre Ausbildung fand nach handwerklichem Brauch und Herkommen statt.

Die Geschichte mit den Bauernbadln

Neben den Ärzten und den Quacksalbern gab es für die Bader eine weitere Konkurrenz auf dem Land, die zwischen Kurpfuschern und Quacksalbern, zwischen Stimplern und Störern lag: die Bauernbadln, auch Dörr- und Brechelbäder oder Haarbäder[41] genannt. Es waren Schwitzbäder und wurden in der Regel ohne eigenen Bader von den Bauersleuten selbst betrieben, wann immer sie angeheizt waren.

Lange bevor Baumwolle bei uns ihren Einzug hielt und Kunstfasern erfunden worden waren, kleidete sich die ländliche Bevölkerung in Wolle und in Leinen; wer Seide trug, gehörte zur Oberschicht. Woll- wie Leinenstoffe wurden aus natürlichen Fasern gewonnen, dem Haar vom Schaf und dem Haar vom Flachs. Um letzteres zu erhalten, bedurfte es längerer Zubereitung des Flachses, aus dem es gewonnen wurde. So mussten die gemähten Halme zuerst wie Heu getrocknet, dann aber zusätzlich gedörrt werden, damit die Hülsen der Halme gebrochen und die Flachsfasern, das so genannte Haar, freigelegt werden konnten. Dieses Dörren der Flachsschwaden geschah in den Brechel- oder Haarbadln. Diese standen in der Nähe von Gehöften. Es waren kleine Gaden[42], die einen von außen heizbaren steinernen Ofen hatten, von dem aus das Innere der Hütte beheizt werden konnte. Dadurch dörrte der ausgebreitete Hanf und konnte mit dem Brechelholz gebrochen werden.

Die in der Hütte herrschende Hitze nützte das Bauernvolk, um sich daraus ein Schwitzbad zu bereiten, indem man auf den Steinen des Ofens Wasser verdampfen ließ. Als Badegäste saßen Männlein und Weiblein nackt oder nur spärlich bekleidet ringsum.

Und wofür die Bauernbadln sonst noch gedient haben

Es wären keine Menschen gewesen, hätten sie sich in den, Bauernbadln, in denen der Flachs gedörrt wurde und sie Schwitzbäder nahmen, nur mit dem Schwitzen begnügt. Es gab da immer welche, die statt des Wassers Schnaps aufgossen, die Schwitzenden betrunken und sexuell begierig machten. Die geistliche Obrigkeit nannte das ein „Fornikationsdelikt“ – Unzucht also – und begann, ihre Sachwalter auszuschicken, um die Herde dieser Unzucht – die Bauernbadln – zu verbieten.

Besonders häufig waren sie bei den Bauern inner Gebirg anzutreffen, wo fast bei jedem Gehöft so ein Haarbad zu finden war. Gegen solche Konkurrenz waren denn auch die Inhaber ehafter Badstuben[43] in den Märkten und Dörfern des Landes. War die Abnahme des Badebetriebes ohnehin schon empfindlich genug, nahmen ihnen die Bauern mit ihren Brechelbädern auch die letzte Kundschaft weg. So waren sie froh, dass der Hofrat zu Salzburg strenge Visitationen der Brechelbäder anordnete und die Bauernbadln verbot.

Trotzdem wurden sie bei vielen Bauern weiter betrieben. Man versuchte sogar, ihnen einen legalen Anstrich zu geben, indem ein Meister oder Geselle von einer ehaften Badstube zum Schröpfen geholt wurde. Und da man Brechelbäder brauchte, solange Flachs angebaut wurde, blieben sie weiter bestehen – manche sogar bis heute.

Die beginnende Revolution im Medizinalwesen

Ende des 18. Jahrhunderts war dem Handwerk der Bader und Wundärzte der Untergang schon vorbestimmt. Wurde einerseits die Nachfrage nach Bädern durch private, nicht ehafte gedeckt, waren es nun in der Wundarznei endlich akademisch ausgebildete Ärzte, die die Arbeit der Handwerkschirurgen übernahmen.

Neben der schon immer bestehenden natürlichen Konkurrenz der einzelnen Baderbetriebe untereinander nahmen die niedergelassenen Mediziner eine immer stärkere Stellung im Medizinalwesen ein, zumal diese vom Collegium medicum stark unterstützt wurden, wenn sie sich auf dem Land niederließen. Es konnte beobachtet werden, dass es in der Residenzstadt schon mehr Mediziner als Wundärzte gab, wobei jene ihr größeres Wissen zu nützen wussten, während die Wundärzte auf ihrem schon veralteten Wissensstand verharrten. Darüber hinaus kontrollierten nun Ärzte sowohl Ausbildung und Examen der sich nun „Chirurgi“ nennenden Zunft der Bader und Wundärzte, sie kontrollierten deren Tätigkeiten in den Städten wie auf dem Land.

Seit Mitte des 18. Jahrhunderts waren die Handwerkschirurgen den bestellten Amtsärzten (Stadt- oder Landphysici) unterstellt und die früher nach Handwerksbrauch durchgeführten Visitationen der Offizinen fanden nun nicht mehr durch Organe des Handwerks, sondern nur durch den zuständigen Physikus statt.

Der Neubeginn der Medicina universalis

Eine Änderung der bis zuletzt unbefriedigenden Zustände des Medizinalwesens trat erst nach der Säkularisation[44] des Erzbistums ein. Es hielten sich zwar immer noch einige wenige Bader und Wundärzte, doch hatten sie als Handwerk ihren Einfluss verloren. Aber es dauerte noch mehr als sieben Jahrzehnte, bis sie von der Bildfläche verschwunden waren.

Das Erste war die Abschaffung des alten Handwerksrechts in der Form der alten Gerechtsamen, die übertragbar waren. Ab 1804 hat der Zünfteverband zu bestehen aufgehört. Zur Ausübung des handwerklichen Medizinalwesens berechtigte in Hinkunft nur mehr eine persönlich erteilte Konzession, die nicht übertragbar war. War die Gerechtsame noch verkaufbar, bedeutete also eine finanzielle Rücklage, so erlitt damit der Besitzer einen erheblichen finanziellen Verlust. Die neue Gewerbeordnung von 1859 bedeutete dann die völlige Abkehr vom alten Gewerberecht.

Damit war das ursprüngliche Baderwesen aufgelassen, die Wundärzte hatten eine vielfache Wandlung erfahren und wurden zunehmend durch Ärzte ersetzt. Aber schon in den 40er-Jahren des 19. Jahrhunderts zeichnete sich das Ende dieses Heilberufes ab.

Mit einer Verordnung des Unterrichtsministeriums vom 15. April 1872[45] wurde bestimmt, dass das Doktorat der gesamten Heilkunde nur mit drei Rigorosen erlangt werden kann. Wundärztliche Diplome konnten nur mehr bis Ende des Jahres 1875 erworben werden. Damit hatte dieser Beruf zu bestehen aufgehört.



[30] [Ärzte, Bader, Chirurgen]

[31] Ehalten, auch Ehehalten = das gesamte Gesinde der Badestube.

[32] Gerechtsame = Vererbbare bzw. veräußerbare Nutzungsrechte an Grundstücken, hier besonders in Verbindung mit einer Gewerbeausübung.

[33] Notular-, auch Notlbuch = Verzeichnis der gerichtsanhängigen Fälle.

[34] Trähling (Drähling) = ein zum Flößen zurechtgehackter Baumstamm mit etwa 120 cm Länge.

[35] Die Arbeit der hofrätlichen Juristen bestand in der Prüfung und Begutachtung vorliegender Probleme durch alle Instanzen, nicht aber in deren Bewältigung. (Siehe „Ruhr in Koppl“ in diesem Absatz.)

[36] Archiv der Stadt Salzburg (AStS), BU 31, Prot. v. 14. und 25. August 1581.

[37] Antisepsis = Vernichtung von Krankheitserregern; Asepsis = Keimfreiheit.

[38] Schlafsaft = der Saft aus der Alraune (Mandrágora), Bilsenkraut, Stechapfel und Schlafmohn, der über einen Schwamm von den Schleimhäuten aufgenommen wurde.

[39] Archiv der Stadt Salzburg (AStS), Zunftarchiv (ZA) 706, Art. 30.

[41] Haarbadln = kleine Hütten zum Trocknen des so genannten „Haars“, des Flachses. Sie waren auch als „Brechelstuben“ bekannt, in denen nach dem Trocknen des Flachses das „Brecheln“ stattfand, das die Hüllen der Halme entfernte und das Haar, die Flachsfaser freilegte, die danach gesponnen werden konnte.

[42] Gaden = Raum, Hütte.

[43] Ehaft = gesetzmäßig, gesetzlich.

[44] Säkularisation = die Einziehung oder Nutzung kirchlichen Besitzes durch weltliche Macht.

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