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Vom Leichladen zum Gedenkbrett (Willi Sauberer)

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Der alte Brauch der Totenbretter

Die Anbringung von Totenbrettern in freier Natur ist ein alter Brauch, der vielerorts in Vergessenheit geriet. Einst war er im gesamten süddeutschen Raum verbreitet einschließlich des Salzburgischen, Nord- und Südtirols, Böhmens und der Schweiz. Im Land Salzburg sind solche Gedenkbretter nur noch in Rückzugsgebieten üblich. Charakteristisch sind diese Bretter zur Erinnerung an die Toten und deren Wirken noch für den Bayerischen Wald.

Ursprünglich diente das Totenbrett tatsächlich der Aufbahrung im Sterbehaus, der Überführung des Leichnams und der Bestattung. Zum Transport wurde der Tote, in Tücher gehüllt, auf das Brett gebunden. Auf dem Friedhof ließ man ihn mit dem Brett in die ausgehobene Grube hinab oder vom Brett in das Grab rutschen, worauf er mit dem Brett zugedeckt wurde. Der Salzburger Volkskundler Karl Zinnburg zitiert dazu das alte Lied „Der Tod, der Brettlrutscher“. Die Redensart „er ist vom Brettl g’rutscht“ war im gesamten süddeutschen Raum gebräuchlich. Dem Totenbrett (Leichladen) wurde eine wichtige Bedeutung zugeschrieben: Am Friedhof ruhte der Leichnam des Verstorbenen unter dem Grabmal. An der Totenbrett-Stätte dachte sich der Volksglaube die Seele, und mancherorts vermutete der Aberglaube die arme Seele bis zur Fäulnis des Holzes im Fegefeuer, weswegen die Bretter in ein Moor gelegt wurden.

Die Toten- und Gedenkbretter im Land Salzburg

Von den Totenbrettern ist schon in einem altbairischen Gesetzeswerk aus dem 6. bis 8. Jahrhundert, die Rede. Im Elsbethener Bergland wurde „seit alters her“ die Bezeichnung „Rebretter“ verwendet, die an das um 1200 entstandene Nibelungenlied anklingt, wonach der tote Siegfried auf einen „rê“ gelegt wurde. Die Aufstellung erfolgte senkrecht oder waagrecht, gelegentlich wurden die Bretter im Wald oder in einem Moor auf den Boden gelegt. Um 1900 wurden im Land Salzburg noch 1200 Totenbretter nachgewiesen, Mitte der 1970er-Jahre waren es 150 in rund zwanzig verschiedenen Modellen. Sinnsprüche mahnen mitunter den Leser:

„Vielleicht ist deine Sterbestund’ in Gottesrat schon jetzt kund“.

In Salzburg fanden sich die Totenbretter vorwiegend im nördlichen Mitterpinzgau und außer Gebirg – im nördlichen Flachgau, im Raum Aigen, Elsbethen, Koppl, Hof, Faistenau, aber auch im Tennengau. In diesen Gebieten sind Gedenkbretter teilweise bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts angebracht worden (so im Aigner Park am Rande der Landeshauptstadt in den Jahren 1939, 1945 und 1958). Im Raum Lofer–St. Martin–Weißbach werden örtlich noch heute[81] die Namen der Verstorbenen auf Gedenkbretter geschrieben, die an Stadeln im Gelände angebracht sind und mitunter ein Dutzend und mehr Namen enthalten.

Die Gedenkbretter im Bayerischen Wald

Im Bayerischen Wald sind die Totenbretter immer noch für das Landschaftsbild charakteristisch und erweisen sich sogar als Impulsgeber für moderne Kunstwerke. In Sankt Englmar mit nicht einmal 1500 Einwohnern wurden 1993 238 Totenbretter an 57 Standorten festgestellt. In dieser Kleingemeinde ruhte noch 1935 ein Toter „vom Sterben bis zur Beerdigung“ auf einem Brett.

Übergangslos wurden auch im Bayerischen Wald die Totenbretter zu Gedenkbrettern, zunächst für die Familienangehörigen. Im 20. Jahrhundert wurden verstorbene Mitglieder der örtlichen Vereine auf diese Weise geehrt, was gleichförmige Gedenkbrettreihen zur Folge hatte, die sich mitunter um ein Kruzifix gruppieren. Vereinzelt werden Totenbretter an der Stelle des eingetretenen Todes als Ersatz für Kreuze oder Marterln angebracht. Die Sprüche auf den Englmarischen Toten- bzw. Gedenkbrettern beweisen, dass in den letzten hundert Jahren nie eine längere Unterbrechungsphase eintrat. Von 156 Sprüchen weisen lediglich zwölf Textwiederholungen auf. Es wurde also nur sehr selten „abgeschrieben“. Vier- bis sechszeilige, meist gereimte Sprüche dominieren. Nur wenige Zweizeiler finden sich. Die längsten Texte haben 20, in einem Fall sogar 22 Zeilen. Auch sie erinnern an die Kürze des Erdenlebens:

„Geflügelt eilt mit uns die Zeit / In eine lange Ewigkeit.“


[81] Anm. der Redaktion: Stand 2004

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