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Die bürgerliche Hausfrau (Ulrike Kammerhofer-Aggermann)[104]

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Die Institution „bürgerliche Hausfrau“

Die bürgerliche Hausfrau war über zwei Jahrhunderte eine Institution des familiären wie des gesellschaftlichen Lebens. Dieses Frauenbild, teils auch durch die bürgerliche Frauenbewegung produziert und gefördert, hielt bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Erst das amerikanische Frauenideal der 1950er-Jahre („Partygastgeberin“) ersetzte dieses eherne Standbild. Darauf folgte das Bild der berufstätigen Frau, die Haushalt und Küche stillschweigend und möglichst unauffällig nebenher erledigen musste. 1999 waren 15 % der Salzburger Frauen Hausfrauen. Frauenerziehung war somit immer auch auf das Wohl und Interesse der Männer ausgerichtet.

Bis ins 18. Jahrhundert wurde unter der Hausfrau die Ehefrau verstanden, sie war die ranghöchste, wirtschaftsführende weibliche Person im Haushalt (v. a. Handwerkerfrauen). Erst mit der Vergesellschaftung des Bildungs-Bürgertums seit dem Ende des 18. Jahrhunderts bildete sich ein neuer Stand mit spezifischer Wohnsituation und eigenen Lebensumständen aus (Stadtwohnung ohne Betrieb). Die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts neu entstandene Schicht orientierte sich vielfach am Adel und versuchte, dessen „gepflegte Untätigkeit“ mit den Idealen ihres neu konstituierten Standes zu vereinen.

Aus dieser Situation entwickelte sich die Institution der bürgerlichen Hausfrau, die es einerseits der adeligen Dame gleichtun und ihren Stand repräsentieren, andererseits aber sparsam und fleißig die Hauswirtschaft führen sollte. Vom 19. Jahrhundert an gehörte zudem die „schlichte Natürlichkeit“ zum Inbegriff bürgerlicher Lebensweise – ein Ergebnis subtiler Konstruktion.

Das „Hausgemachte“ als Wertmaßstab der Hausfrau

Das Hausgemachte wurde im 19. Jahrhundert zum Wertmaßstab der Hausfrau. Ein neues Frauenideal wurde entwickelt, das bis heute den Frauen immer wieder vor Augen gehalten wird. Mit Können, Fleiß und Sparsamkeit aus wenig mehr zu machen, war Grundstrategie des bürgerlichen Wirtschaftens, der bürgerlichen Gastlichkeit. Die neuen Kochbücher jener Zeit zeigen eine Kompositionssucht, entstanden aus dem Bestreben, mit billigen Zutaten und mit perfektem gestalterischen Aufwand eine unendliche Vielfalt an unterschiedlichen Einzelgerichten zu erzielen.

Eine Fülle von warmen Vorspeisen und Zwischengerichten ist für diese Zeit typisch. Die feinen Strudel und ihre Wiener Abwandlungen (Kipferl, Tascherl, Schnecken usw.), Pastetchen und Fleurons, die Germspeisen und Rouladen erlebten eine Verfeinerung und Weiterentwicklung, die bis heute einen Teil des Rufs der Wiener Küche ausmachen.

Entsprechend der gesellschaftlichen Situation entstand eine neue Form der Gastlichkeit, die „Biedermeiergeselligkeit“ mit Hausball, Hausmusik, Kaffeejause, Tarockabend. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde zum bürgerlichen Zeitalter. Die biedermeierlichen Hausgesellschaften wurden schließlich durch eine stark national geprägte Festkultur abgelöst.

Jours, Salons und Soireen

Im Großbürgertum des 19. Jahrhunderts wurde es Mode, einen Salon zu führen oder zumindest einen „Jour fixe“ im Beamtenbürgertum abzuhalten, einen wöchentlichen, 14-tägigen oder monatlichen Besuchsnachmittag. Die „Jours“, bzw. als erweiterte Form die „Salons“ (geistige Zentren und Treffpunkt von Interessensgruppen) und die „Soireen“ (Abendgesellschaften als Einzelveranstaltungen oder in den Salons), dienten der Aufrechterhaltung der Bekanntschaften, dem Austausch von Neuigkeiten und sie boten die Möglichkeit, zwanglos Anliegen vor- und Informationen anzubringen.

Dabei musste grundsätzlich nichts aufgewartet werden – es konnten einfache Brote, Bäckerein und die berühmten „Canapés“ (kleinste Brötchen) gereicht werden. Dazu wurden meist Tee, seltener Kaffee, Dessertweine oder Spirituosen angeboten. Hausmusik, Gedicht- und Liedvortrag und „lebende Bilder“ der Eingeladenen und Gastgeber waren selbstverständlich.

Jene Gesellschaften waren Teil der privaten Gastlichkeit und dennoch untrennbar mit den Repräsentationspflichten des Amtes und des Standes verbunden. Die Frau war dabei Aushängeschild und Repräsentantin ihres Mannes. Auch an ihr, ihren Haushaltsfähigkeiten, ihren Manieren, ihrer „schöngeistigen“ Bildung und ihrem Aussehen wurden sein Ansehen und seine Ehre gemessen.

Offizielle Gesellschaften im 19. Jahrhundert

Das große Gastmahl – ob Abend-, Mittagessen oder Einladung für die Großfamilie oder die Berufspartner des Mannes und ihre Frauen – stellte den Höhepunkt häuslichen Lebens dar, so wie einst in der Barockzeit im Adel. Nicht nur an Lebens- und Jahresfesten gab es Gastmähler, sondern die Repräsentationspflichten wurden zum eigentlichen Anlass.

Die Diners und Soupers waren die Meisterprüfung der Hausfrau, sie konnten das Ansehen des Hausherrn vermehren oder vernichten. Hier wurde nach Rang und Namen alles eingeladen, was für die beruflichen und gesellschaftlichen Beziehungen notwendig war. Dass dies, besonders in mittelbürgerlichen Verhältnissen, wo nur eine beschränkte Zahl an Personal verfügbar war, für die Hausfrau nicht nur Management, sondern auch physische und psychische Schwerarbeit bedeutete, wird vielfach deutlich. Diese Gastmähler mit ihren in Österreich typischen Gängen (Suppe, Rindfleisch oder warme Vorspeise, Braten bzw. Fisch und Mehlspeise) wurden zelebriert.

Nicht nur zu großen Gastmählern wurde geladen, im bürgerlichen Milieu waren Gäste zum Mittag- oder Abendessen üblich. Ein wesentliches Gastgeschenk und auch die Verpflichtung zu einem solchen, gab es noch nicht. Blumen für die Hausfrau oder Konfekt sollten der Gastgeberin für ihre Mühe danken. Ein wesentliches „Gastgeschenk“ auf anderer Ebene war das im Vorzimmer auf dem Visitenkartentablett hinterlassene Trinkgeld für das Hauspersonal.

Vom „Kränzchen“ bis zur Ballsaison

Die Kaffeegesellschaft und das Schokoladetrinken breiteten sich im 19. Jahrhundert immer weiter im bürgerlichen Bereich aus. Das „Kränzchen“ als Inbegriff der Damengesellschaft verlieh 1848 in Stuttgart einer der ersten deutschen Frauenzeitungsbeilagen den Namen. Kaffee war in der biedermeierlichen Zeit eine Seltenheit, das änderte sich, bedingt durch Wirtschaftskrisen und Kriege bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts nur langsam. So war auch Tee ein „übliches“ Getränk bei solchen Gesellschaften.

Diese Damengesellschaften wurden unumgänglich durch mitgebrachte Handarbeiten gekrönt, die vielerlei Anlass zur Unterhaltung gaben und im Wesentlichen der Herstellung der Aussteuer und aller modischen Details für Haushalt und Toilette dienten. „Frauenthemen“ wie Familie, Mode, Liebe standen im Zentrum der Konversation. Bildungsfragen, Literatur und Musik nahmen erst langsam Eingang in die Gespräche der Damengesellschaften.

Der Ausdruck „Kränzchen“ wurde von diesen Gesellschaften auf jene Bälle übertragen, die besonders der Anbahnung von Heiraten dienten. Die bürgerlichen Hausbälle wurden mit dem Ende des 18. Jahrhunderts immer beliebter. Die Form ihrer Abhaltung war durch die jeweiligen Landesgesetze geregelt.

Bürgerliche Gastlichkeit – gestern und heute

Bürgerliche Gastlichkeit, speziell jene des 19. Jahrhunderts, stellt sich als ein Netz ritualisierter Bestandteile dar. Sie war gekennzeichnet durch hohen Einsatz von Zeit und Mitteln. Wohnungseinrichtung, Wohnungsaufteilung und Gebrauchsgegenstände waren auf die Gastlichkeit als grundlegender Bestandteil des Freizeit- und Wohnverhaltens ausgerichtet. Die Hausfrau, als „hohe Priesterin“ der Gastlichkeit, wurde für ihre Pflichten erzogen und ausgebildet, sie erfüllte einen großen Teil der Arbeiten, die in Zusammenhang mit Gastlichkeiten im Hause standen.

Das Anwachsen der Städte, die Informationsfülle der Mediengesellschaft, die Mobilität in jeder Hinsicht und nicht zuletzt die Individualisierung, zu der Frauenbildung und -emanzipation gehören, haben dem Bildungsbürgertum und seinen Lebensformen ein Ende bereitet und neue, den gegenwärtigen Lebensbedingungen entsprechende Freizeit- und Kommunikationsformen entstehen lassen.

Das gesellschaftliche Spiel der Selbstdarstellung ist ein anderes geworden, Gastlichkeit gehört nur noch am Rande dazu. Die Strukturen dieser prestigehaften Gesellschaftsspiele, die Distanzierungs- und Abgrenzungsstrategien, zu denen auch die Verwendung von Ritualen gehört, haben sich aber nicht gewandelt, sondern nur auf andere Ebenen verlagert.



[104] Kurzfassung von Ilona Holzbauer

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