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Medienkompetenz in der Informationsgesellschaft (Alexander Gautsch)

Informationsflut in der Informationsgesellschaft[181]

Die neuen elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten – z. B. das Internet, die DVD, die CD-ROM, der Mobilfunk, der digitale Rundfunk etc. – wirken sich vielfältig auf unsere Gesellschaft aus. Unter anderem nimmt der Umfang der auf uns einwirkenden Informationen rasant zu. Traditionelle Medien – z. B. das Fernsehen, die Printmedien – wurden kaum abgelöst, sie existieren nach wie vor parallel zu den neuen. Oft wird in Konsequenz von einer Informationsflut gesprochen.

Es tobt ein Kampf um eine der wertvollsten nicht erneuerbaren Ressourcen, um unsere Aufmerksamkeit. Und je mehr Daten auf immer mehr Kanälen versendet werden, desto geringer wird die Wahrscheinlichkeit, dass sie die Adressaten letztendlich auch erreichen. Unsere Signalverarbeitungskapazität ist grundsätzlich beschränkt[182], vorbeiströmende, oft irrelevante Kurzzeit-Information löst nicht selten eine Reizüberflutung und abnehmende Wahrnehmung aus.[183]

Genau genommen könnte sich jeder selbst entscheiden, ob und wie intensiv er sich dieser Flut eigentlich aussetzen will. Kann man in diesem Zusammenhang folglich überhaupt noch von einer Informationsflut sprechen? Die Angst etwas zu verpassen, wird allerdings von den Medien selbst geschürt und sie ist oft der Hauptanreiz, Informationen zu konsumieren und stets „up to date“ zu bleiben.[184]

Informationsmangel inmitten der Informationsflut

Einerseits fühlen wir uns durch das Überangebot von Informationen überflutet, anderseits verlieren wir uns oft in diesem Dschungel und finden nicht, was wir suchen. Herrscht inmitten der Informationsflut ein Informationsmangel oder sollten wir eher von einer der Medienwirklichkeit unangemessenen kulturtechnischen Praxis als von einer Informationsflut sprechen?[185]

Zumindest ist besser der Begriff einer „Signal- oder Datenflut“ zu verwenden. Denn genau genommen werden keine Informationen, sondern nur Signale und Daten von den Medien übertragen. Die eigentliche Information „entsteht“ erst beim Empfänger, nachdem er die Daten empfangen und interpretiert hat. Das Ergebnis dieser Interpretation ist vor allem von dessen kulturellem Umfeld und seinen Vorkenntnissen abhängig. Ohne entsprechende Sprachkompetenz und Medienkompetenz hat beispielsweise auch diese CD-ROM für die AnwenderInnen nur einen sehr geringen Informationswert.[186]

Wir sind quantitativ über- und qualitativ unterinformiert[187]. Verschiedene Trends sind dafür verantwortlich, dass traditionelle Formen der Informationsbewältigung nicht mehr greifen: die Lösung der Information vom physischen Trägermedium, die große Menge und Vielfalt, die Überschreitung kultureller Grenzen und die Demokratisierung der Informationsproduktion[188].

Wissensmanagement in neuen Bildungswelten

Die Bildung und das Lernen sind sowohl ein Ergebnis als auch unverzichtbare Voraussetzungen von gesellschaftlichen Modernisierungsprozessen. Dem humanistischen Ideal, die Menschwerdung des Menschen durch eine umfassende Persönlichkeitsbildung zu erreichen, wird zunehmend der Rang abgelaufen. Die sinkende Halbwertzeit von erworbenem Wissen hat die Anforderungen an die Bildung in den letzten Jahren grundlegend verändert. Lernen auf Vorrat wird durch ein lebensbegleitendes Lernen verdrängt[189].

Lernen in der Informationsgesellschaft kann mit Begriffen wie Individualisierung, Dezentralisierung, Kommunikation und Kooperation charakterisiert werden. Die Fähigkeit, sich verändernde Wissensbestände permanent anzueignen, lässt sich rein durch Verfügungswissen nicht mehr erreichen. Vielmehr geht es um den Erwerb von Orientierungswissen und Referenzwissen[190]. Überspitzt formuliert könnte man sagen, dass Bildung von Wissensmanagement abgelöst wird, das rationell, effizient und möglichst in „realtime“ Lösungen anbietet[191].

Mit dem Übergang in neue Bildungsformen verändern sich nicht nur die Unterrichtsformen, sondern auch die Rollen in Lern- und Bildungswelten. LehrerInnen werden zu „ModeratorInnen“, die nicht primär Wissen vermitteln, sondern vor allem die SchülerInnen in ihrer Lernorganisation und ihren Lernprozessen unterstützen[192]

Medienkompetenz

Vor allem eine Schlüsselqualifikation gewinnt mit der Verbreitung der neuen Medien in unserer Informationsgesellschaft zunehmend an Bedeutung: die „Medienkompetenz“. Dieter Baake definiert diese als die Fähigkeit, in die Welt aktiv aneignender Weise auch alle Arten von Medien für das Kommunikations- und Handlungsrepertoire von Menschen einzusetzen[193].

Die Medienkompetenz schließt das Nutzen, das effektive Selektieren und das entsprechende Interpretieren von Medien mit ein. Dazu zählt aber auch die Fähigkeit, Daten multimedial gestalten und für das Internet aufbereiten zu können. Weiters ist es wichtig, Bedeutungen und Auswirkungen von Medien auf eine Gesellschaft zu reflektieren, zu bewerten und Chancen beziehungsweise Gefahren aus unterschiedlichen Sichtweisen erkennen zu können.[194]

Diese „Kulturtechnik“ zu entbehren wird in Zukunft dazu führen, von ausgewählten Informationen abgeschnitten zu sein. In diesem Zusammenhang könnte man den Begriff des „Digitalen Analphabetismus“ prägen. Bereits jetzt werden traditionelle und neue Medien nicht mehr gleichermaßen bedient. Die erst genannten dienen oftmals nur mehr der Bekanntmachung einer Internet-Adresse, unter der man den eigentlichen Inhalt der Botschaft erfährt.

Mediennutzung[195]

Um die neuen Medien überhaupt zufriedenstellend nutzen zu können, sollten die AnwenderInnen vorerst einmal im Stande sein, die Schnittstelle, den Computer zu bedienen. Dazu gehört nicht nur die Kompetenz, mit bestimmter Software umgehen zu können, sondern sich auch einige Grundkenntnisse über die Hardware anzueignen. Die zukünftigen Technologien erweitern jährlich die Zubehör-Palette der Multimedia-PCs, wobei die teilweise komplizierte Inbetriebnahme von einem Einsatz nicht selten abhält. Der Kauf eines Modems beispielsweise öffnet einem noch lange nicht das Tor in das weltweite Netz. Natürlich versuchen die Hersteller die Installation und Handhabung ihrer Geräte möglichst simpel zu gestalten. Von diesem Ziel sind allerdings noch einige weit entfernt.

Infolge sollte auch das Bedienen von Programmen bzw. Internetseiten gelernt sein. Dabei geht es nicht so sehr um das Beherrschen einiger weniger, sondern viel mehr um das Sensibilisieren auf die Möglichkeiten verschiedener Bedienoberflächen: was könnten beispielsweise unterstrichene Wörter auf Internetseiten bedeuten, warum verändert sich der Cursor, wie ist eine Maus einzusetzen … In den letzten Jahren haben sich zwar einige Usability-Richtlinien[196] herauskristallisiert, viel zu oft werden diese allerdings von Herstellern zugunsten von schicken Grafik-Designs oder Animationen ignoriert. Die Bedienung von Programmen wurde dadurch nicht einfacher.

Medieninhalte selektieren[197]

Bei der Benutzung des Internet ist die Fähigkeit, einen Browser bedienen zu können nicht die einzige Voraussetzung für einen effektiven Nutzen. Natürlich kann der User mit vorhandenen Adressen arbeiten und abhängig von angegebenen Links zu anderen Seiten weitersurfen. Diese Art von Recherche ist jedoch sehr eingeschränkt und stößt sehr bald an ihre Grenzen.

Bei der großen Anzahl von weltweit im Internet veröffentlichten Seiten ist es notwendig, Filterkriterien zu finden, um das große Angebot ökonomisch durchforsten zu können. Es reicht nicht aus, die Adressen der besten Suchmaschinen zu kennen, der User soll auch über den Aufbau einer Suchmaschine Bescheid wissen, um eine mögliche Struktur verfolgen zu können. Es macht einen Unterschied, ob ein Robot[198] von selbst weltweit nach Stichwörtern sucht, oder ob eine Seite unter bestimmten Schlagwörtern „manuell“ eingeordnet wird. Im zweiten Fall wird man beispielsweise eine Homepage nur dann finden, wenn diese bei den Suchdiensten angemeldet wurde.

Zudem ist es wichtig, durch geeignete Schlagwortkombinationen beziehungsweise Zitate die Suchergebnisse einzuschränken. Dafür kann es kein einheitliches Rezept, sondern nur Richtlinien geben. Um mit Komplexitäten dieser Art umzugehen und geeignete Tools anwenden zu können, müssen systematische Kenntnisse erworben werden. Benötigt wird Orientierungswissen, strategisches Wissen und Entscheidungsfähigkeit[199].

Medieninhalte interpretieren[200]

Um mit Multimedia und Netzen umgehen zu können, muss eine neue Lesefähigkeit erworben werden, die nicht allein auf Sprachkompetenz beruht. Hatte man es bisher – abgesehen vom Rundfunk – hauptsächlich mit statischen Texten und Bildern zu tun, ist es nun erforderlich, Bilder und dynamische Vorgänge zu analysieren und zu interpretieren; vor allem da Bilder und Videos von Rezipienten authentischer gewertet werden.

Neben der Bewertung benötigen die Anwender auch die Kompetenz der Entschlüsselung von Botschaften. Informationen entstehen immer in Situationen und bestimmten soziokulturellen Zusammenhängen. Bei den angebotenen Informationen im Internet ist der soziokulturelle Kontext, der Situationsbezug oftmals nicht erkennbar. Um eine „Rekontextualisierung“ herzustellen, sind spezifische interpretative Fähigkeiten notwendig. Es fehlen ein gemeinsamer Wahrnehmungsraum und nonverbale Zeichen und es verändert sich die Raum-Zeit-Ordnung[201].

Bei der Nutzung des Internet können sehr unterschiedliche Funktionalitäten und Kommunikationsräume wahrgenommen werden, in denen jeweils unterschiedliche Kommunikationskulturen praktiziert werden. Im Hinblick auf virtuelle Umgebungen wird zukünftig eine spezifische Wahrnehmungsfähigkeit erworben werden müssen[202].



[181] Bezeichnung für die nachindustrielle Gesellschaft, in der nicht mehr hauptsächlich materielle Waren produziert werden, sondern immer mehr Information hergestellt, verarbeitet, sortiert und aufbereitet wird.

[182] [Zimmer 2000], S. 33, S. 39.

[184] [Heinisch 2002], S. 343–344.

[186] [Heinisch 2002], S. 342. Hier stellt die Kommunikationswissenschaft eine klare Fortführung der Rezeptions-, Reproduktions- und Konsumationstheorien der Kulturwissenschaften dar. Vgl. [SchwedtE 1964]. – [SchwedtE 1970].

[187] [Levy 1998-2003] „Die große Tragödie unserer Gesellschaft ist, dass wir quantitativ über- und qualitativ unterinformiert sind. Wir wissen bedeutend mehr als unsere Vorfahren, doch wir wissen es bedeutend weniger gut. Wir müssen besser informiert werden im wahrsten Sinne des Wortes: auf bessere Weise, nicht durch mehr Information. Zu oft geht das Spektakuläre dem Wesentlichen vor, das Wichtige wird von Unfällen und Verbrechen überlagert, das Bedeutsame vom Sensationellen verdrängt. Überbordende Quantität und unzureichende Qualität bewirken eine ernsthafte Desinformation, die viele Leute daran hindert, klarzusehen und Zusammenhänge richtig zu erkennen.“ (Pierre Levy, Informationschef Europarat)

[192] [Gautsch 2000] S. 18–20.

[195] [Gautsch 2000], S. 23–24.

[196] Usability = Bedienbarkeit

[198] Automatismus, der die Datenbank eines Suchdienstes aktualisiert und auf dem aktuellen Stand hält.

[200] [Gautsch 2000], S. 26–28.

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