In vielen Hochzeitsbräuchen kommt nach wie vor zum Ausdruck, dass die Hochzeit ihrem Namen alle Ehre macht und im wahrsten Sinne des Wortes eine „hohe Zeit“ ist. Aber nicht nur für das Brautpaar, auch für deren Familien, ja für den ganzen Ort bedeutet eine Hochzeit ein besonderes Ereignis. Dass eine Hochzeit bevorsteht, dies verkündete früher schon die Brautfuhr oder der Kammerwagen, wenn dieser festlich geschmückt, mit Möbel und Hausrat beladen, die Aussteuer der Braut auf ihren künftigen Hof brachte.
Verschiedenste Sitten und Bräuche begleiten das Brautpaar an diesem Ehrentag, sie weisen auf den Wechsel vom Stand der Ledigen in den der Verheirateten hin, man findet Abschiedsriten, Lärm- und Fruchtbarkeitsbräuche, Glück- und Segenswünsche für das Brautpaar und den neuen Hausstand sowie Bräuche, die Unheil und Schaden fernhalten sollten. Viele dieser Bräuche freilich haben heute ihren ursprünglichen Sinn verloren und tragen nur mehr zur Unterhaltung im Ablauf einer Hochzeit bei.
Wie bei allen großen Ereignissen im Leben wurde zunächst dem Zeitpunkt einer Hochzeit große Bedeutung geschenkt. Es gab Glücks- und Unglückstage, die Fasten- und die Adventzeit werden auch heute noch gemieden, während die Faschingszeit, der Frühling und der Herbst die beliebten Zeiten für eine Eheschließung sind.
Die Sorgen bei den Vorbereitungen zu einer Hochzeit bezüglich Einladung, Mahl, Sitzordnung, Kleidung, Geschenke etc. waren früher sicher nicht so groß wie heute, denn all diese Fragen wurden durch „Brauchtum und Tradition“ geregelt. Und es war allgemein üblich, dass bei jeder Hochzeit ein „Hochzeitslader“ nicht nur die Gäste einlud, sondern auch als Festleiter für den klaglosen Ablauf sorgte.
In Salzburg findet man gegenwärtig nur mehr wenige Hochzeitslader, die mit dem Bräutigam oder alleine zu Verwandten und Nachbarn des Brautpaares gehen, um diese zur Hochzeit einzuladen. In der Regel wurde dem Hochzeitslader eine Liste mit den Namen der Einzuladenden vom Brautpaar übergeben. Dabei wurden die „Gödenleut“, also die Paten, zuerst eingeladen, dann Verwandte und Nachbarn.
Aus Salzburg sind keine eigenen Ladsprüche überliefert, mit denen zur Hochzeit geladen wurde; viele Hochzeitslader haben sich hier selbst einige Sprüche zusammengereimt. Eine derartige Einladungsformel, mit welcher noch vor 50 Jahren gelegentlich im Raum Grödig zur Hochzeit geladen wurde, lautet:
„Wir können es nicht unterlassen, zur Ehre Gottes Euch heimzusuchen, weil es sich aus sonderbarer Schickung zugetragen hat, dass der geehrte Bräutigam … mit der geehrten Braut das Hl. Sakrament der Ehe antreten. Sie haben von der geistlichen und weltlichen Obrigkeit den Ehrentag erhalten, er ist ausgestellt worden auf Montag, den … wo das Ehrenmahl abgehalten wird. Da werden wir uns frühzeitig zusammenfinden beim Racklwirt in Grödig. Um 10 Uhr begeben wir uns in das hochwürdige Gotteshaus.
Nach vollendetem Gottesdienst begeben wir uns wieder in besagtes Gasthaus, wo das Ehrenmal abgehalten wird. Da bekommt Jedes 5 Speisen und 1 Liter Bier und zahlt 50 Schilling dafür. Indem Ihr nun auf das Freundlichste gebeten und eingeladen seid, so wird Euer Erscheinen die Brautpersonen ungeheuer erfreuen. Mir geht jetzt nicht mehr ab als die Bitte, um den edlen Handschlag. Reichen Sie die Hände her, wir brauchen nicht mehr!“[1552]
Gedruckte Hochzeitseinladungen und Anzeigen haben heute dem Hochzeitslader die Aufgabe des Einladens abgenommen, aus Zeitmangel und Kostengründen (das Brautpaar musste den Hochzeitslader ja bezahlen und dieser war auf seinem Einladungsrundgang oft tagelang unterwegs) hat sich sein Einladungsgang aufgehört. Die Einladung selbst nimmt bei Hochzeiten eine wichtige Rolle ein. Sie stellt die Beziehung und die Verbindung zwischen dem Brautpaar auf der einen und der Dorfgemeinschaft auf der anderen Seite dar. Eine große Hochzeit, wie sie in ländlichem Bereich auch heute üblich ist, erforderte viele Gäste, „Mitwirkende“, die aber erst zur Teilnahme gewonnen werden mussten. Sicher muss an dieser Stelle an die Kosten erinnert werden, die dem Gast auf einer Hochzeit entstanden. Für das Mahl, was infolge der vielen Speisen nicht billig war, für Getränke und für den Tanz (Halbauf) musste der Eingeladene selbst aufkommen. Hinzu kam noch das „Weisat“, das Hochzeitsgeschenk.
Für einen bestimmten Personenkreis, die Verwandten, Paten, die guten Freunde und Nachbarn, war die Annahme der Einladung Pflicht und eine Absage wurde als Beleidigung aufgenommen. Man wird sich eines Schmunzelns nicht enthalten können, wenn man bei Franz Zillner liest:
„Bei diesen Ladungen ist es die Aufgabe des Hochzeitsladers, seine Sprüche gut anzubringen, die sich bisweilen in den abgelegensten Winkeln Versteckenden aufzufinden und durch seine Schwänke den Vorgeschmack fröhlicher Hochzeitsstimmung zu erwecken“.[1553]
Viele erhaltene Ladsprüche etwa aus dem benachbarten Bayern, schildern daher genau den Ablauf einer Hochzeit, die Reihenfolge der vielen Speisen, loben den Keller und die Kochkunst des Wirtes und das gute Spiel der Musikanten. Als Beispiel sei hier ein Einladungsspruch aus dem benachbarten Berchtesgadener Land angeführt:
„Braut und Bräutigam schicken mich her
und lassen euch schön grüßen;
und es ist ihr und mein einfach Gebitt,
ihr möcht’ so gut sein
und euch zur Freud und Hochzeit finden ein.
Und möcht euch am elften Oktober
um 9 Uhr vormittags ‚Zum Triebenbacher’ hinbegeben,
wo die Braut und der Bräutigam warten ergeben.
Und dann den Brautleuten geben das Geleit
über Gasse und Straßen
hin zur Pfarrkirch wohlbekannt,
dort wird sich wohl ein hochgeweihter Priester einfinden
und die christlichen Leut zusammenbinden,
daß sie niemand wird wieder lösen können,
als der allmächtige Gott und der bitt’re Tod.
Nachher werden wir sie zurückgeleiten Zum Hochzeitsschmaus in’s Gastwirtshaus. Dort wird aufgesetzt ein Ripperl Fleisch und eine Gabel Kraut. Und der Wirt, der laßt sich nicht lumpen, Bier und Wein ist in den Humpen. Und solang das Hackbrett wird klingen wird jung und alt umeinanderspringen, und wir werden lustig sein und uns freu’n. Zur Ehe haben sich nämlich versprochen: der (Heislmoda, vom Spornhofhäusl am Salzberg) und die (Punzn Ev vom Punzn in der Schönau). Diese zwei Brautpersonen laden euch ein und bitten euch, durch ein ehrenvolles Erscheinen, ihren hochzeitlichen Ehrentag verherrlichen zu helfen. Wir gehen ‚Zum Triebenbacher’, wo wir eine hellklingende Musik hören, wie es bei allen Hochzeiten der Brauch ist. Nun ist euch die Einladung bekannt, auf den elften Oktober, gebt mir die Hand auf euer Kommen.“[1554]
Auch der besondere Schmuck des Hochzeitladers und seine festliche Kleidung sollten den Zweck verfolgen, schon bei der Einladung Vorfreude und Anreiz zur Teilnahme an der Hochzeit zu erzeugen.
Im städtischen Bereich waren zuerst größere Einladegruppen aus Verwandten und Freunden des Brautpaares üblich, die dann auf Grund einer veränderten Konzeption des Festes und durch Verbote der Obrigkeit immer mehr reduziert wurden.[1555] Diese „Einladegruppen“ fallen in den Zeitraum des 14. und 16. Jahrhunderts. Ab Mitte des 15. Jahrhunderts beauftragte man, nach dem Vorbild des Adels, Boten mit dem Einladungsgang, auch die Stadt- und Ratsdiener wurden zu diesen Gängen gerne herangezogen. Ab 1500 entstand dann, wahrscheinlich in den großen süddeutschen Städten zuerst, das Gewerbe des Hochzeitsladers. Besonders Handwerker fanden im Laden einen willkommenen Nebenverdienst. Im Adel und Bürgertum ging man im 18. Jahrhundert zur schriftlichen Einladung über, der Hochzeitslader ist nur mehr auf Hochzeiten ärmerer Leute zu finden.
Die ländlichen Gebiete haben viele städtische Einflüsse später übernommen, und so findet man den Hochzeitslader, welcher tatsächlich zur Hochzeit ladet, im ländlichen Bereich erst ab dem 18. Jahrhundert. Vor allem das Aufkommen schriftlicher Einladungen – ebenfalls wieder nach städtischem Vorbild – trug wesentlich dazu bei, dass der Hochzeitslader seiner Aufgabe, nach der er ja letztlich auch benannt wurde, immer seltener nachkommen musste.
Eine Salzburger Verordnung aus dem Jahre 1621 ist einer der frühesten Belege dafür, dass der Hochzeitslader neben seiner Einladetätigkeit auch schon die Aufgabe eines Festleiters innehatte. „Wegen seines Ladens und auff dem Hochzeittag gehabter Bemühung“ standen ihm damals ein Lohn von 4 Gulden zu.[1556] Wahrscheinlich wird auf die Salzburger Hochzeitslader des 19. und 20. Jahrhunderts jenes Bild zutreffen, welches 1923 von Emil Lehman wie folgt beschrieben wird:
„Da erscheint der Prokurator als eine sehr wichtige und bedeutende Person. Er ist der Beistand des Brautpaares, der sie auf alle Stücke ständig aufmerksam macht, die zu einer ordentlichen Hochzeit gehören. Er ist ihr Fürsprecher, für das wortkarge, im Reden wenig geschickte und bewanderte Bauernvolk völlig unentbehrlich. Er ist der Vermittler zwischen den Brautleuten und ihren Eltern, Verwandten, dem Geistlichen und der Behörde, der immer weiß, was nötig ist und wie es sich gehört. Er sucht sie aber auch mit Gott selbst in die richtige Beziehung zu setzen und ist mit seinen Gebetsanweisungen ihr geistlicher Berater. Natürlich ist er auch der Festredner im engeren Sinn, der an der Tafel seines Amtes waltet und den Humor nicht fehlen lässt. So ist es ein vielfältiges Geschäft, das er zu besorgen hat und das ohne Umsicht und Kenntnisse, ohne Anstand und Geschicklichkeit nicht zu vollführen ist."[1557]
Vom Hochzeitslader als Festleiter wurden und werden gewisse Fähigkeiten erwartet und für die dörfliche Gemeinschaft nimmt er besonders heute eine wichtige Funktion ein. Von seiner Person kann es abhängen, ob die alten Bräuche rund um dieses Thema weiter überliefert und gepflegt werden, ob Neuerungen Eingang in das Dorfleben finden, ob Altes durch Neues ersetzt wird etc. Dabei ist vor allem das Wissen um die Bräuche eine Voraussetzung und es gehört zu den Aufgaben einer zeitgemäßen Heimatpflege, den Hochzeitsladern die Tragweite und Bedeutung ihres Amtes klarzumachen und sie in ihren vielfältigsten Aufgaben zu unterstützen. In Salzburg wird dieser Forderung durch jährliche Treffen aller Hochzeitslader in vorbildlicher Weise nachgekommen.
Der Hochzeitslader wird aber nicht nur zu großen Hochzeiten geholt, auch auf kleineren Hochzeiten will man auf seine Erfahrung und Kenntnis nicht verzichten. Die Tätigkeit des Hochzeitladers ist dabei nicht auf einen bestimmten Ort beschränkt, in der Regel wendet man sich aber an den örtlichen Lader.
„Der Hochzeitslader wird heute schon recht früh verständigt, oft ein halbes Jahr auch. Alle beide (Brautpaar) kommen dann knapp vor der Hochzeit, meist sind sie schon im Brautstand, man sagt ihnen dann, dies braucht’s und jenes braucht’s, und gibt ihnen Informationen. Was braucht der Bräutigam zur Hochzeit, was die Braut, dies sagt man ihnen, und die ganze Hochzeit wird vorher durchbesprochen. Und auch das Brautpaar sagt, was es will.“[1558]
„Oft kommt das Brautpaar drei Monate vor der Hochzeit oder auch sehr knapp davor. Das Brautpaar kommt und sagt, sie bräuchten einen Hochzeitslader. Datum und Uhrzeit wird besprochen, ich sage ihnen dann, wann sie da sein sollen, manche fragen, was sie besorgen müssen, welche Ansteckbüschl, wird dies heute noch gemacht, ich mache sie auf alles aufmerksam, was sie brauchen, worauf sie achten müssen, die Hochzeit wird genau durchbesprochen.“[1559]
Heute gibt es im Flachgau 58 und im Pongau 31 Hochzeitslader, in den übrigen Salzburger Gauen ist ein derartiger Festleiter weniger üblich. In der Regel sorgt ein Hochzeitslader, wenn er amtsmüde wird, selbst für einen entsprechenden Nachfolger, der über bestimmte Fähigkeiten und auch über ein entsprechendes Organisationstalent verfügen muss. Gehörten die Hochzeitslader lange Jahre durchwegs dem bäuerlichen Stand an, so ist dies heute nicht mehr der Fall und unter den Festleitern findet man die verschiedensten Berufsgruppen.
Eine eigene Kleidung, eine Art „Amtstracht“, ist nicht üblich, vielmehr trägt der Hochzeitslader bei seiner Tätigkeit bei einer großen Bauern- oder Trachtenhochzeit einen Trachtenanzug, meistens den „Salzburger Anzug“ oder die Lederhose. Handelt es sich um keine Trachtenhochzeit, passt sich auch er mit seiner Kleidung entsprechend an. Die Kleidung des Hochzeitsladers ist also entweder der jeweiligen Mode oder der landschaftsüblichen Tracht angepasst. Sein Gewand war zurzeit, als er noch als Einlader tätig war, insofern auffallend, da er am Wochentag eine festliche Kleidung trug und damit schon auf ein besonderes Ereignis aufmerksam machte. Jedoch nicht die Kleidung, sondern bestimmte Schmuck- und Ziergegenstände und vor allem der Ladstecken waren und sind die Kennzeichen des Hochzeitsladers.
Die Entwicklung des Ladsteckens zum Utensil des Hochzeitsladers liegt im Ungewissen. Der Stecken wird einerseits mit dem geschichtlichen Botenstab in Verbindung gebracht, in welchen Botschaften gekerbt wurden[1560] und der von Hof zu Hof geschickt wurde, um auf diese Weise Nachrichten zu übermitteln.[1561] Auch mit dem Symbol der alten Königsboten, dem Botenstab, wurde der Ladstecken in Zusammenhang gebracht.[1562] Im 16. und 17. Jahrhundert soll sich demnach diese Übernahme des Stabes als Zeichen des Hochzeitsladers abgespielt haben. Aber auch praktische Überlegungen sind hier mit einzubeziehen. So wird von Boten berichtet, die lange Stöcke und Spieße mit sich führten, womit sie die Hunde fernhalten konnten und mit deren Hilfe sie auch breitere Gräben und andere Hindernisse auf ihrem Weg überwinden konnten.[1563]
In der Regel ist der Ladstecken unserer Hochzeitslader heute entweder mit einem Blumenbuschen, bunten Bändern, seltener mit Schnitzereien geschmückt und verziert. Die Zeit des Dreißigjährigen Krieges ist bekannt für die Ausstattung der Kleidung mit Schleifen und Bänder und vielleicht fällt der Schmuck des Hochzeitsladers und seines Stabes mit Bändern und Blumenbuschen in diese Zeit. Denn neben dem Ladstecken ist ein schöner Blumenbuschen am Rock des Hochzeitsladers sein weiteres Kennzeichen.
„Wir tragen einen Blumenbuschen mit langen Bändern daran, ca. 30 cm, meist zwei oder drei Bänder. Für diesen Blumenbuschen mit den Bändern ist die Kranzlbraut verantwortlich, sie muss diesen Buschen besorgen“.[1564]
Diesen Blumenbuschen trägt der Hochzeitslader an der linken Seite seines Rockes. Neben dem Blumenbuschen war in einigen Orten als Schmuck auch ein „Armkranzl“, ein Kranz aus Wachsblumen, der am linken Arm getragen wurde, bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts üblich. Der „Hutbuschn“, ein weiterer Blumenbuschen am Hut des Hochzeitsladers, ist gegenwärtig kaum mehr zu finden, da heute nur mehr selten Hüte von Hochzeitsladern bei ihrer Tätigkeit getragen werden. Dazu dürfte das Auslösen des Hutes, der dem Hochzeitslader im Laufe einer Hochzeit immer wieder entwendet wurde, entscheidend beigetragen haben.
Die Aufgaben des Hochzeitsladers beginnen eigentlich schon lange vor der Hochzeit, indem er dem Brautpaar mit Rat und Tat sowie seiner Erfahrung und dem Wissen über die ortsüblichen Bräuche bei den Hochzeitsvorbereitungen behilflich ist. Er weiß, wen das Brautpaar persönlich einladen muss, wer beim Mahl frei geht, welche Aufgaben die Kranzlbraut hat dergleichen. Am Hochzeitstag selbst ist er für den reibungslosen Ablauf des Festes verantwortlich. Große Hochzeiten beginnen auch heute noch um 10 Uhr vormittags, wenngleich die Nachmittagshochzeiten immer häufiger werden. Früher war stets ein Gasthaus der Treffpunkt der Hochzeitsgäste, wo vor dem Kirchgang von den Hochzeitsgästen die Morgensuppe, eine Würstelsuppe eingenommen wurde. Danach war der „Morgendank“ üblich, belehrende Worte an das Brautpaar und die Hochzeitsgäste durch den Hochzeitslader. Der Morgendank des Hochzeitladers Josef Prechtl aus Grödig wurde in den 1960er-Jahren wie folgt aufgezeichnet:
„Geehrte Anwesende!
Jetzt ist der Augenblick gekommen, wo wir uns in die Kirche begeben müssen. Bevor wir uns aber dorthin begeben, möchte ich als Hochzeitslader einige ernste Worte an Euch richten: Im Namen des geehrten Brautpaares drücke ich die große Freude aus für den zahlreichen Besuch und begrüße auch alle auf das freundlichste. Hochgeehrtes Brautpaar, Ihr werdet nun bald das Sakrament der Ehe antreten, und auf ein jedes heiliges Sakrament bereitet sich ein guter Christ vor. Ihr habt Euch schon vorbereitet durch den Empfang der heiligen Beichte und Kommunion. Damit aber diese Vorbereitung stets vollständig erneuert werde, ist es jetzt notwendig, dass ihr Euch im Geiste sammelt und in der Kirche zu Gott betet. Ihr macht einen wichtigen Schritt für Euer ganzes Leben. Denn die Braut verlässt ihre Heimat und ihr Vaterhaus und folgt ihrem Bräutigam wie einst Rebecca ihre Heimat und ihr Vaterhaus verlassen und ihrem Bräutigam Isaak gefolgt war. Der Bräutigam führt seine Braut heim, um mit ihr ein neues Leben im neuen Stande zu beginnen. Es ist für Euch ein Schritt zu einem neuen Leben und zu einem neuen Stande. Zu jedem wichtigen Schritt braucht der Mensch Ratschläge. Die besten Ratschläge werdet Ihr hören aus dem Munde Eures Seelsorgers. Höret denselben aufmerksam an, denn er ist Euch eine Stütze für Euer ganzes Leben! Der Gang zum Altar soll für Euch ein Gang zum Glück werden. Glücklich wird der Mensch durch den Segen Gottes und diesen empfanget Ihr, wenn Ihr darum bittet. Darum vergesst nicht, während des Hochzeitamtes Gott um Segen zu bitten. Ihr sollt glücklich werden. Macht auch Eure verstorbenen Eltern, Geschwister und Angehörige glücklich, indem Ihr für sie betet, dass Gott sie im Jenseits glücklich mache.
Geehrte Anwesende! Die geehrten Brautleute laden Euch ein, sie auf dem Gang zur Kirche zu begleiten, daselbst der Kopulation und dem Hochzeitsamte beizuwohnen, und sie bitten um Euer Gebet. Und sie laden Euch zugleich ein, nach dem Gottesdienst sie in das Gasthaus zu begleiten und am Hochzeitsmahle und an der Unterhaltung teilzunehmen. Der heutige Tag soll ein Freuden- und Ehrentag werden für alle anwesenden Hochzeitsgäste und Teilnehmer, besonders aber für die Brautleute. Das walte Gott!“
Im Anschluss daran stellt der Hochzeitslader den Zug zur Kirche zusammen, wobei stets die Musikkapelle und die teilnehmenden Vereine den Anfang machen. Während der Trauung in der Kirche hat der Hochzeitslader seinen Platz in einem der Chorstühle. Er zeigt dem Brautpaar an, wann es sich setzen kann, er hält die Ringe zur Trauung bereit, organisiert den Opfergang, falls ein solcher üblich ist. Wird in der Kirche der Johanniswein gereicht, ein früher allgemein üblicher Brauch, so zählt das Einschenken des Weines zu den Aufgaben des Hochzeitsladers in der Kirche.
In einigen Ortschaften wie in Wals, Siezenheim oder Thalgau fand bis in die jüngste Zeit und selten auch heute ein so genanntes Hochzeitslaufen statt. Die jungen, ledigen Burschen, die an der Hochzeit teilnehmen, haben dabei, nur mit einer Unterhose bekleidet, eine Strecke auf einer Wiese um die Wette zu laufen – daher auch der Ausdruck „Gattihosenlaufen“. Der Hochzeitslader reicht den Läufern vor dem Start noch ein Glas Wein, gibt das Startzeichen und nimmt in diesem Lauf die Funktion des Schiedsrichters ein. Nach dem Lauf führt er den Hochzeitszug in das Gasthaus, wo er dafür zu sorgen hat, dass jeder Hochzeitsgast den ihm zustehenden Platz erhält.
Noch vor dem Mahl findet vielerorts der „Brauttanz“ statt, für dessen Organisation und Ordnung der Hochzeitslader Sorge tragen muss. Das Mahl wird in einigen Orten von Musikanten mit entsprechenden Weisen umrahmt, der so genannten „Tafelmusik“. Nach dem Mahl sammelt der Hochzeitslader für diese Musikanten ein Trinkgeld ein, wobei er meist einen Teller benützt, auf den er als Unterlage ein Notenblatt legt.
Rund um die Hochzeit spielt das Weisen eine bedeutende Rolle. Weisen, darunter versteht man die Übergabe des Hochzeitsgeschenkes an das Brautpaar, das Geschenk selbst heißt demnach „das Weisat“. Im Ablauf der Hochzeit nimmt das Weisen einen eigenen, oft recht lange andauernden Programmpunkt ein. Mit den Worten: „Richt’s euch her zum Weisen!“ oder mit einem eigenen Weisatspruch fordert meist nach dem Mahl der Hochzeitslader die Gäste auf, ihre Hochzeitsgeschenke zu übergeben.
Als ein Beispiel für einen derartigen Weisatspruch, also die Aufforderung des Hochzeitsladers, nun die Geschenke an das Brautpaar zu übergeben, sei folgender Spruch des ehemaligen Hochzeitsladers Heinrich Gstettner aus Großgmain angeführt:
„Für’s Festmahl sei nun herzlich dankt
i glaub bei jedem hats aber jetzt glangt,
gut is g’wesen, ein Lob dem Herrn
und auch der Kuchl, alle Ehren.
Aber jetzt hat i no a kloane Bitt,
i moan es tut a jeder mit,
wir lassens Brautpaar recht hoch leben,
und stellen uns auf zum Weisat geben.
Es is net hart und hat koa Ziel,
ein jeder kann weisen, was er will,
seis a Kopfbandl, a Kindergwandl,
a Kochlöffl mit an goldenen Stiel,
oder gar a Automobil,
a goldene Uhr mit an Taler dran
ja, und wenn einer meint, er muss an Tausender weisen,
so wird’s ihm das Brautpaar bestimmt net verweisen.
So und jetzt meine lieben Leutln
Aufstelln tun wir uns drauß vor der Tür,
damit ma kommen geschlossen zum Brautpaar für.“
Der Brauttisch wird abgeräumt, die Brautkerze angezündet und die Gäste nehmen mit ihren Geschenken vor dem Saal Aufstellung. Dann werden sie von der Musik mit einem Marsch hereingespielt. Zuerst weisen die Vereine, der Kirchenchor überreicht sein Geschenk mit einem Ständchen, dann gratuliert jeder Hochzeitsgast einzeln dem Brautpaar und übergibt sein Geschenk. Dabei bekommt der Gratulant vom Hochzeitslader ein Glas Wein gereicht mit dem er auf das Wohl des Brautpaares anstößt. Haben alle Hochzeitsgäste ihre Weisatgeschenke abgegeben, dann erhalten sie gleichsam als Dank einen Extratanz, den Weisattanz.[1565]
berhaupt durchziehen die verschiedenen Tänze die ganze Hochzeitsfeier im Gasthaus. Eine Hochzeit, auf der nicht getanzt wird, gilt als eine „halbe Sache“. Der Tanz trägt ja letztlich dazu bei, immer wieder Abwechslung in den Ablauf der Hochzeit zu bringen. So wird auch der allgemeine Tanz wiederholt durch eigene Ehren- oder Extratänze für bestimmte Gäste und Gästegruppen (Vereine, Nachbarn) unterbrochen. Der Hochzeitslader ruft jeden Extratanz eigens auf; die Einteilung dieser Tänze ist genauso seine Aufgabe wie er auch darauf zu achten hat, dass niemand „Unbefugter“ an diesen Extratänzen teilnimmt. Dieses so genannte „Dreintanzen“ war früher eine der Hauptgründe für eine Rauferei.
Das Brautstehlen zählt bei Hochzeiten gegenwärtig wohl zu den bekanntesten und auch am häufigsten durchgeführten Bräuchen. Es wird als Rest des einstigen Brautraubes gedeutet. Heute dient das Brautstehlen der Unterhaltung und Abwechslung im Rahmen der Hochzeitsfeier. Aber auch einen wirtschaftlichen Hintergrund kann man darin sehen. So sollen und können auch andere Gasthäuser des Ortes aufgesucht werden, denen das Brautpaar vielleicht verpflichtet ist und die anlässlich einer Hochzeit im Ort ihren Verdienst haben sollen. Dass sich dieses Brautstehlen in geordneten Bahnen abspielt und nicht die ganze Hochzeitsfeier dadurch zerrissen wird, obliegt dem Geschick des Hochzeitsladers. Er hat dafür zu sorgen, dass möglichst die ganze Hochzeitsgesellschaft mit den Musikanten auf Brautsuche geht, er selbst schreitet dabei mit einer Laterne dem Zug voran.
Für Gäste, die nicht am Mittagsmahl teilgenommen haben und erst im späteren Verlauf des Nachmittags oder am Abend zur Hochzeitsfeier kommen können, wird vom Hochzeitslader abends, wenn alle vom Brautstehlen zurückgekehrt sind, noch einmal zum Weisen aufgefordert. In einigen Orten wird überhaupt erst am Abend geweist.
Der letzte Auftritt des Hochzeitsladers ist der so genannte „Abdank“. Dabei handelt es sich um ein in Versen verfasstes Werk des Hochzeitsladers, indem er den Gästen, Kellnerinnen, Musikanten und dem Wirt dankt, worin er aber auch lustige Begebenheiten des Hochzeitstages zusammenfasst. Vielfach handelt es sich beim Abdank auch um schablonenhafte Sätze, die auf bestimmte Hochzeitsgäste umgemünzt werden. Vielfach wird der Abdank auch schon vom Hochzeitslader Tage vorher vorbereitet. Im Anschluss an diesen Abdank, bei dem es an Witz und Humor nicht fehlen sollte, wird als letzte Aufgabe des Hochzeitsladers im Rahmen der Hochzeitsfeier das Brautpaar mit einer Laterne „hinausgeleuchtet“. Damit sind seine vielfältigen Aufgaben beendet und nun kann der Hochzeitslader selbst noch die Hochzeit mit den verbleibenden Hochzeitsgästen gebührend mitfeiern.
[1552] Hochzeitslader Prechtl (†) aus Grödig, aufgenommen 1960.
[1553] [Zillner 1889], S. 435.
[1554] [Kriss 1947], S. 127.
[1555] [Dettmer 1976], S. 73 u. 94.
[1556] [Dettmer 1976], S. 212.
[1557] [Lehmann 1923], S. 27.
[1558] Lettner, Johann, ehemaliger Hochzeitslader in Thalgau.
[1559] Forsthuber, Peter, ehemaliger Hochzeitslader in Seekirchen.
[1560] [Staudacher 1923], S. 266.
[1561] [Wiedemann 1936], S. 248.
[1562] [Spamer Sitte und Brauch], S. 174.
[1563] [Lauffer 1954], S. 22.
[1564] Lettner, Johann, ehemaliger Hochzeitslader in Thalgau.