Brauchtumspflege als bewusstes Bemühen um Erhaltung und Weiterentwicklung traditioneller Formen der Gestaltung des Gemeinschaftslebens, insbesondere der Feste, Festzeiten und Feiern im Jahres- und Lebenslauf der Menschen, ist in Salzburg eng mit dem Wirken der volkskulturellen Vereine verbunden. Sie waren es, die vor über 100 Jahren aufgerufen haben, dem im ausklingenden 19. Jahrhundert überall erkennbaren Verfall der Volkskultur entgegenzutreten. Aus dem Bemühen dieser Vereine wurde schließlich eine breite, bis heute wirksame Bewegung, die zu einer beachtenswerten Renaissance unserer Volkskultur geführt hat.
Dabei ist es eine bewegte Zeit, der die Brauchtumspflege im 20. Jahrhundert gegenübersteht: Zwei furchtbare Weltkriege, eine Zwischenkriegszeit voller politischer Spannungen, ein Missbrauchtwerden für eine Politik unmenschlicher Ausgrenzung in der NS-Zeit, ständig zunehmender technischer Fortschritt, der das Alltagsleben der Menschen grundlegend verändert; aber auch Mitwirken am Aufbau einer neuen, durch friedliches Zusammenleben der Völker wenigstens im westlichen Europa gekennzeichneten Welt verbunden mit dem Entstehen eines Vereinten Europas als riesiger Wirtschafts- und Kulturraum ohne Grenzen.
Die Bedeutung, die ein großer Teil der Bevölkerung in ganz Österreich der Volkskultur beimisst, nimmt in dieser Zeit ständig zu, ebenso die Zahl der volkskulturellen Vereine und ihrer Mitglieder. So gibt es in Salzburg heute (Stand 2002, für aktuelle Daten siehe die Homepage der Salzburger Volkskultur) 327 Heimatvereine, Volkstanz- und Brauchtumsgruppen, 101 Schützengemeinschaften, 148 Musikkapellen, 321 Chöre, 140 Amateurtheatergruppen und zahlreiche Volkslied- und Volksmusikgruppen mit zusammen rund 40.000 aktiven Mitgliedern.
Für die Führungskräfte in den volkskulturellen Verbänden und Vereinen zählen heute folgende Aufgaben zu wichtigen Anliegen gegenwärtiger Brauchtumspflege:
Heimat über Volkskultur erlebbar machen.
Stärkung des Gemeinschaftsbewusstseins durch Bräuche.
Aktives kulturelles Tätigsein in einer durch passives Konsumieren geprägten Welt.
Feste und Festzeiten durch Bräuche aus dem Alltag herausheben.
Erhalten und Neugestalten – Brauchtumspflege ist in Salzburg nicht beim Erhalten bzw. Wiederbeleben überlieferter Formen stehen geblieben; Anpassung an die Zeit, Erneuerung und Neugestaltung waren immer wichtige Anliegen.
Abgrenzung zur Kommerzfolklore, die Elemente der Volkskultur für rein kommerzielle Absichten unter Aufgabe jeglichen ideellen Wertmaßstabs und künstlerischen Anspruchs verwendet.
Volkskultur – Brücke hin zum anderen.
Brauchtumspflege als bewusstes Bemühen um Erhaltung und Weiterentwicklung traditioneller Formen der Gestaltung des Gemeinschaftslebens, insbesondere der Feste, Festzeiten und Feiern im Jahres- und Lebenslauf der Menschen, ist in Salzburg eng mit dem Wirken der volkskulturellen Vereine verbunden. Ja mehr noch: Das brauchtümliche Leben, wie wir ihm heute in Stadt und Land begegnen, wäre ohne das Wirken der volkskulturellen Vereine nicht denkbar.
Sie waren es, die vor gut 100 Jahren – getragen von einer sich im ganzen deutschsprachigen Österreich etablierenden bürgerlichen Heimatbewegung – aufgerufen haben, dem im ausklingenden 19. Jahrhundert überall erkennbaren Verfall der Volkskultur entgegenzutreten. Denn der damals auch in Salzburg einsetzende Wandel von der vorwiegend agrarischen, auf tradiertes und erfahrenes Wissen aufbauenden Gesellschaft in die auf Bildung setzende Gesellschaft des Industriezeitalters brachte nicht nur das Ende vieler kleiner Handwerksbetriebe, sondern vielfach auch das Ende von Tracht und Brauch.
Es waren zunächst alpine Gesellschaften wie der „Alpenverein“, der „Alpen-Club“, der „Touristen-Club“ und der „Edelweiß-Club“ (ihre Gründung fällt in die Zeit zwischen 1870 und 1880), zu deren Vereinszielen neben der Hauptaufgabe der touristischen Erschließung unserer Bergwelt und ersten Ansätzen einer Naturschutzbewegung auch Bestrebungen zur „Erhaltung alter Herkommen und Gebräuche, der nationalen Trachten, Lieder und Tänze“ zählen.
In den 1890er-Jahren, vor allem aber zu Beginn des 20. Jahrhunderts, entsteht dann eine ganze Reihe von Vereinen, deren Hauptziel die Wiedererweckung, Erhaltung und Pflege von Tracht und Brauch ist. Pionier und in mehrfacher Hinsicht beispielgebend ist dabei der 1891 gegründete „1. Salzburger Gebirgs-Trachten-Verein Alpinia“.
Aus dem Bemühen dieser Vereine wird schließlich eine breite, bis heute wirksame Bewegung, die zu einer beachtenswerten Renaissance unserer Volkskultur führt. Diese wiedergewonnene Volkskultur ist nun freilich nicht mehr das, was sie war, nämlich eine das ganze Leben des Menschen, Alltag, Arbeitswelt, Geselligkeit, Fest und Feier umfassende Kultur.
Die Volkskultur der Brauchtumspflege wird – befrachtet mit der Ideologie der Heimatbewegung – zu einer Fest- und Feierabendkultur, die Geborgenheit und Heimat vermitteln soll, wenigstens für die Zeit, in der man sich ihr zuwendet, eine Kultur mit romantischer Überhöhung, wie es aus dem Satz von Peter Rosegger klingt: „Wer seinem Volk das Lied wiedergibt, das Entschwindende, der gibt ihm seine Seele wieder.“ Damit nimmt man vom einst Vorhandenen nur noch das, was in das beschriebene Bild passt, also das Schöne und Edle, und verbindet es mit ästhetischen Idealen aus der Hochkultur, macht Volkskultur zur Volkskunst und zu einer Vorführ- und Bekenntniskultur.
Volkskultur erhält dadurch in der bürgerlichen Gesellschaft Ansehen und Wertschätzung, eine zweifellos wichtige Voraussetzung dafür, dass sich nun mehr und mehr Menschen in Stadt und Land in den Dienst der Brauchtumspflege stellen. Den Führungskräften der Salzburger Brauchtumspflege war es schon frühzeitig ein Anliegen, diese gepflegte Volkskultur wieder stärker in das Leben der Menschen einzubinden. Das ist vor allem in den letzten Jahrzehnten zum Teil auch gelungen und sicher ein Grund, dass die Zahl der volkskulturellen Vereine und ihrer Mitglieder bis heute beständig zugenommen hat.
Gegenwärtig gibt es in Salzburg 327 Heimatvereine, Volkstanz- und Brauchtumsgruppen, 101 Schützengemeinschaften, 148 Musikkapellen, rund 140 Amateurtheatergruppen und 321 Chöre (Stand: 2002) und zahlreiche Volkslied- und Volksmusikgruppen. Sie sind heute wichtige Träger des Kulturlebens und insbesondere des durch Tradition geprägten Gemeinschaftslebens in den Dörfern, Märkten und Städten unseres Landes, sie sind es, die wesentlich zur Gestaltung der Gemeinschaftsfeste und -feiern im Jahreslauf und im Lebenslauf der Menschen beitragen, die aber auch eine wichtige Aufgabe in der Geselligkeit erfüllen.
Die volkskulturellen Vereine sind heute in leistungsstarken Landesverbänden zusammengeschlossen; das sind der Landesverband der Salzburger Heimatvereinigungen, der Landesverband der Salzburger Schützen, der Salzburger Blasmusikverband, der Chorverband Salzburg, die Salzburger Landesarbeitsgemeinschaft für Volkstanz, das Salzburger Volksliedwerk und der Salzburger Amateurtheaterverband. Zusammen bilden sie den Landesverband Salzburger Volkskultur und sind eingebunden in das Referat Salzburger Volkskultur im Amt der Salzburger Landesregierung. Dort befindet sich auch die gemeinsame vom Land finanzierte Geschäftsstelle. Die vom Land mit beachtenswerten finanziellen Mitteln ausgestatteten Verbände geben den Vereinen und Gruppen zusammen mit dem Referat Beratung und organisatorische Hilfestellung und haben ein Netz an Fortbildungskursen bzw. Fortbildungsveranstaltungen aufgebaut.
Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass viele volkskulturelle Vereine – das betrifft insbesondere die Musikkapellen und Chöre – heute den Volkskulturbegriff weiter sehen und sich in ihrer Aufgabenstellung keineswegs nur der Pflege traditioneller Volkskultur annehmen, sondern auch offen sein möchten gegenüber allen musikalischen Richtungen und Epochen.
Unser Land hat in den gut 100 Jahren seit der Gründung der ersten Brauchtumsvereine eine bewegte Zeit durchschritten, die nicht nur geprägt ist durch die zwei Weltkriege, die unglückseligen politischen Spannungen der Zwischenkriegszeit, die furchtbaren menschlichen Verirrungen der NS-Herrschaft und eine durch friedliches Miteinanderleben in gegenseitiger Wertschätzung wenigstens der Völker Westeuropas geprägte Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch die gewaltigen technischen Erfindungen und Entwicklungen dieses Jahrhunderts, die das Leben der Menschen in vielen Bereichen grundlegend verändert haben, sind hier zu sehen.
Viele zu Beginn der bewussten Brauchtumspflege geborene Zielsetzungen und Anliegen sind trotz allem geblieben, haben aber durch die großen Veränderungen in allen Bereichen des Lebens einen anderen Hintergrund erhalten. Manche sind neu dazugekommen. Um sie zu verstehen, die Alten und Neuen, ist es notwendig, sich die wichtigsten Stationen dieser gut 100 Jahre Salzburger Brauchtumspflege, den Beginn, die Zeit der Ersten Republik, die Jahre der NS-Herrschaft und den Wiederbeginn nach dem Zweiten Weltkrieg, kurz zu vergegenwärtigen.
Die Zeit, in der Vereine beginnen, in „Erhaltung alter Herkommen und Gebräuche, der nationalen Trachten, Lieder und Tänze“ eine wichtige Aufgabe zu sehen – es sind das die Jahre von 1870 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 –, ist dadurch gekennzeichnet, dass damals, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, in Stadt und Land niemand mehr eine Tracht getragen hat und viele Bräuche abgekommen und – wenn überhaupt – so nur noch aus vager Erinnerung heraus bekannt waren. Folgende Gegebenheiten dieser Zeit sind aus heutiger Sicht erwähnenswert:
Den Vereinen fehlt in den Anfangsjahren ihrer Tätigkeit im Umgang mit der Tracht jegliches regionale Denken. Auf ihren Gründungsfotos sehen wir die Salzburger Vereine in Trachten aus Bayern, aus Tirol und aus dem Salzkammergut gekleidet. In der Brauchtumspflege gibt es zwar ein erfreuliches Bemühen um Wiedererweckung bereits abgekommener Bräuche. Diese werden aber – losgelöst von ihrer ursprünglichen Aufgabe und losgelöst von ihrer Bindung an eine bestimmte Festzeit und einen bestimmten Ort – bedenkenlos als touristische Attraktion genützt. So ist beispielsweise der Perchtentanz der Pinzgauer Tresterer zu Anfang des 20. Jahrhunderts im Sommer auf der Heimatabendbühne im Zentrum von Zell am See und – wie wir lesen – auch in der Stadt Hallein zu sehen. Das damalige Interesse der Vereinsmitglieder für die Bergwelt lässt zudem eine Almhüttenromantik entstehen, die nicht in unser heutiges Bild von Brauchtumspflege passt.
Der unbeschwerte Umgang mit Tracht und Brauch ruft Persönlichkeiten auf den Plan, die auf die Tätigkeit der „Gebirgs-Trachten-Erhaltungs-Vereine“, wie sich die meisten nennen, behutsam lenkend Einfluss nehmen. Nicht durch Kritik, sondern durch Beratung und Hilfestellung. Zu nennen sind hier vor allem der Salzburger Volkskundler Schulrat Karl Adrian (1861–1949) und der Schlosswirt von Hellbrunn, Leopold Brandauer II. (1865–1947). Es gelingt ihnen, unterstützt von tüchtigen Mitarbeitern, die durchaus vorhandene gute Absicht der Vereine in die richtigen Bahnen zu lenken.
Der in dieser Zeit bereits vorhandene Wunsch vieler Vereine, sich in Dachverbänden zusammenzuschließen, bringt nicht nur wichtige organisatorische Hilfestellungen bei der Durchführung gemeinsamer Feste. Auch die Möglichkeiten einer alle Vereine einschließenden Beratung werden dadurch wesentlich verbessert.
Als diesbezüglicher erster Schritt wird 1908 der „1. Österreichische Reichsverband für Alpine, Volks- und Gebirgs-Trachten-Erhaltungs-Vereine“ gegründet. Sitz des Verbandes ist bis zu seiner Auflösung im Jahre 1939 die Stadt Salzburg, was deutlich macht, dass von Salzburg im österreichweiten Bemühen um Tracht- und Brauchtumspflege besondere Initiativen ausgegangen sind. 1912 folgt die Gründung des Gauverbandes der Pongauer Trachtenvereine. Die Wiederbelebung des Pongauer Perchtenlaufes in St. Johann (1910) und Bischofshofen (1912) zählt zu den besonders bemerkenswerten Initiativen der Führungskräfte dieses ersten Gauverbandes. (Die letzten Perchtenläufe gab es in St. Johann 1867 und 1892, in Altenmarkt 1850; eine durchgehende Tradition weist der Pongauer Perchtenlauf nur in Gastein auf.)
Zur zu dieser Zeit bereits geplanten Gründung des Salzburger Landestrachtenverbandes und weiterer Gauverbände ist es durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges vorerst nicht mehr gekommen. Die Gründung des Gauverbandes der Pinzgauer Trachtenvereine erfolgt 1922; der Salzburger Landestrachtenverband entsteht 1926. Zur Verbandsgründung in den übrigen Bezirken kommt es erst nach dem Zweiten Weltkrieg.
Zu einem wichtigen Instrument der Information und Beratung der Vereinsmitglieder in den deutschsprachigen Ländern der Monarchie, aber darüber hinaus auch der an der Brauchtumspflege interessierten Bevölkerung, wird die ab dem Jahr 1912 vom Reichsverband herausgegebene „Oesterreichische Gebirgs- und Volks-Trachten-Zeitung“ mit monatlichen bzw. zeitweise sogar halbmonatlichen Nummern. Zusammen mit dem ab 1922 erscheinenden „Trachten-Taschen-Kalender“ (Erscheinungsort beider Publikationen ist Salzburg) gibt sie heute einen höchst interessanten Einblick in die Ziele, die die Verbände mit ihren Vereinen damals verfolgt haben. Wir erfahren aber auch von den Sorgen und Problemen, vor denen ihre Führungskräfte gestanden sind. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges bricht viele Initiativen, die in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts bereits zu schöner Entfaltung gekommen waren, abrupt ab.
Bald nach Ende des Ersten Weltkrieges wird die vor 1914 begonnene Arbeit – getragen von einer allgemeinen, im ganzen deutschsprachigen Mitteleuropa spürbaren Welle der Heimatbegeisterung – wieder aufgenommen und mit neuer, verstärkter Kraft weitergeführt.
Für Salzburger Trachtenvereine und Brauchtumsgruppen ging es – wie für die Vereine in ganz Österreich und Bayern – zunächst nur darum, alte, in Vergessenheit geratene Trachten, Bräuche, Lieder und Tänze wiederzuerwecken und zu erhalten. Und nachdem im damaligen Leben dafür kaum mehr ein Platz gegeben war, hat man neue Möglichkeiten geschaffen, die Vereinsanliegen sichtbar zu machen: die Bühne des touristischen Heimatabends und den Trachtenumzug. Das hat Brauchtumspflege im Grunde jedoch zu einer musealen Aufgabe gemacht.
Damit konnten sich die Führungskräfte in den Salzburger Verbänden nicht zufriedengeben. Ihnen ging es darum, Trachten wieder zu einer gern getragenen Kleidungsform der Menschen im Alltag und bei Festen und Feiern zu machen und Brauch, Lied, Musik und Tanz zu einem festen Bestandteil in der Gestaltung der besonderen Zeiten im Jahres- und Lebenskreis. Das konnte mit einem bloßen Erhalten überlieferter Formen nicht gelingen. Das erforderte in vielen Bereichen sinnvolles Anpassen an die Zeit und – wo es notwendig schien – behutsames Verändern und Neugestalten. Natürlich waren dazu großes Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Tradition und gute Kenntnis der historischen Entwicklung notwendig.
Leopold Brandauer II. und Schulrat Karl Adrian haben diesen Weg bereits in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts ansatzweise beschritten. Zum zentralen Anliegen wird er nun in den 1920er- und 1930er-Jahren für Kuno Brandauer (1895–1980), den Sohn von Leopold Brandauer II. Er wächst in dieser Zeit – unterstützt von vielen sachkundigen Mitarbeitern – zur großen Führungspersönlichkeit im Salzburger Landestrachtenverband heran und wird im Bemühen um Wiederbelebung, Erneuerung und Anpassung an die Zeit und im Einbringen neuer Gestaltungsideen zu einem unermüdlichen Motor in der Salzburger Trachten- und Brauchtumspflege. Zunächst als Schriftführer und ab 1931 als Verbandsobmann geht er damit den von seinem Vater und von Karl Adrian vorgezeichneten Weg mit großem Einsatz erfolgreich weiter.
In der Trachtenpflege darf dabei als genialer Schritt gewertet werden, dass Kuno Brandauer und seine Mitarbeiter ihre Vorlagen für die Trachtenerneuerung nicht in den biedermeierlichen Ausläufern mit ihren vorzugsweise dunklen, ja vielfach schwarzen Farben und schweren Stoffen suchten. Sie halten sich an die weiter zurückliegende farbenfrohe Zeit des Rokoko.
Zum Ausarbeiten von Vorschlägen für erneuerte Trachten für die Bevölkerung stellt Kuno Brandauer eine Kommission von Fachleuten zusammen. Erstes Ergebnis ihrer Arbeit ist eine vom Landestrachtenverband 1935 herausgegebene Trachtenmappe. Weitere Trachtenmappen folgen in den Jahren 1943, 1964 (im Grunde eine Neuauflage der Trachtenmappen des Jahres 1943) und 1981. Die Trachten für die Vereine entstehen mit Beratung durch Kuno Brandauer, wobei er hier das Ziel verfolgt, für jeden Verein – ausgehend von historischen Unterlagen aus dem Ort – eine eigenständige Tracht zu entwerfen. Dadurch entsteht bei den Vereinen eine reiche Trachtenvielfalt, wie wir das kaum in einem anderen Land finden. Neben dem Ziel einer Erneuerung geht es Kuno Brandauer auch darum, mit einzelnen Vereinstrachten, vor allem bei Schützen und Musikkapellen, historische Formen zu erhalten, um damit Einblick in die Salzburger Trachtenvergangenheit geben zu können.
In der Brauchpflege beschränkt sich Kuno Brandauer nicht nur darauf, Anregungen zur Wiederbelebung fast vergessener Bräuche zu geben, wobei ihm beispielsweise beim Aperschnalzen im Flachgau und im Rupertiwinkel eine großartige, bis heute anhaltende Belebung durch Einführung des Wettkampfgedankens gelungen ist (1.500 Aperschnalzer kommen heute jedes Jahr zum großen Rupertigau-Preisschnalzen zusammen). Er wagt mit der Erneuerung des Tanzes der Jakobischützen und mit dem Bindertanz das Experiment von Brauch-Innovationen, denn hier war die Tradition völlig abgerissen und die ursprüngliche Gestaltungsform nicht mehr bekannt.
Stand bisher die Aufgabe des Sammelns von Volksliedern im Vordergrund, geht es nun darum, die Leute wieder zum Singen, zum Singen der überlieferten Volkslieder zu motivieren. Zahlreiche Aufsätze der 1920er-Jahre berichten vom Schwinden des Volksliedes, verdrängt durch modische Schlager, und rufen zu seiner Wiedererweckung auf. Drei aus heutiger Sicht bedeutsame Initiativen zur Belebung des Singens seien hier genannt: das 1. Österreichische Volkslieder-Wettsingen in St. Johann im Pongau 1932, veranstaltet von Georg Windhofer mit seinem Heimatverein „Stamm“, die Herausgabe von Liedblättern und Liederbüchern und die von Tobi Reiser geleiteten Volksliedstunden. So lesen wir in einem Bericht der „Gebirgs-Trachten-Zeitung“, dass zur 25. Volksliedstunde im Flachgau am 3. März 1936 in Morzg 500 Besucher gekommen waren, um mit Tobi Reiser zu singen.
Die großen politischen Spannungen der Jahre der Ersten Republik machen auch vor der Brauchtumspflege und ihren Verbänden nicht Halt. Auch wenn alle drei politischen Lager, das christlich-soziale, das sozialistische und das nationale, Bedeutung und Wert der Brauchtumspflege betonen und es in Sachfragen kaum unterschiedliche Meinungen gibt, so sind doch in vielen in den Verbandsorganen veröffentlichten Beiträgen die Programme der politischen Parteien erkennbar. Da kann der Reichsverband noch so sehr seinen unpolitischen Charakter unterstreichen.
Der 1922 gegründete Bund der Arbeitertrachten-Erhaltungsvereine mit Sitz in Graz, der selbst offen bekennt, dass Volks- und Brauchtumspflege nicht unpolitisch sein kann und „der Arbeiter auch im Trachtenkleid Genosse sein will […]“, lässt das auch nicht gelten und erwidert 1928 in seiner Zeitung „Der Arbeiter-Trachtler“[213]:
„Man soll als ehrlicher Mensch und Trachtler nicht sich und andere belügen und sagen, man sei unpolitisch [...]. Der Trachtler, der beim Umgang den Himmel trägt, weiß es vielleicht gar nicht, wieviel politische Arbeit er dadurch leistet [...]. Man wirft uns vor, daß wir als Sozialisten keine Heimatliebe haben können. Wie falsch das ist [...]. Hohnlächelnd wird gefragt, wie sich Internationalismus und Heimattreue verträgt. Nichts einfacher als das. Kenne ich die Heimat und mein Volk, mit allem Guten und allen Fehlern, wie leicht fällt es mir da, auch die anderen Nationen und Völker mit ihren Vorzügen und Schwächen zu verstehen. Das paßt natürlich unseren Kriegshetzern und Waffenindustrien nicht [...]. Gar erst das Schlagwort ‚Nationalismus‘. Welch riesenhafter Schwindel verbirgt sich dahinter. Es gehört schon ein ziemliches Maß Eigendünkel dazu, sich einzubilden, daß der eigene Wert gestiegen ist und nur deshalb, weil die Keimzellen der Eltern sich diesseits der Grenzmale vereinigten, und daß man dadurch befugt ist, die Menschen jenseits dieser Grenzen als minderwertig anzusehen oder durch rohe Gewalt zu unterjochen [...].“ Wie war es möglich, dass das, was hier vor allem im letzten Teil in aller Deutlichkeit angesprochen wird, damals so viele nicht sehen konnten oder nicht sehen wollten?
In der Zeit der Diktatur der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei erhält die Volks- und Brauchtumsarbeit von Beginn an einen hohen Stellenwert. Es gibt umfangreiche finanzielle und organisatorische Hilfen, um das Bemühen um Volkstumspflege, wie es nun hieß, zu fördern und auszubauen. Allerdings um den Preis der totalen Kontrolle durch die Parteiführung und Aufgabe der Selbstständigkeit der Vereine.
Ein großer Teil der Trachtenvereine wird aufgelöst. Volkstumspflege ist der Partei so wichtig, dass man diese Aufgabe nicht einfach Trachtenvereinen und Trachtenverbänden überlassen will. Volkstumspflege musste Sache der ganzen „Volksgemeinschaft“ werden. Ziel ist eine „volkstumsmäßig“ intakte Dorfgemeinschaft, die über eine lebendige Volkskultur verfügt, die keine Schaustellung nötig hat, und in der sich Tracht, Volkslied, Volksmusik, Volkstanz und Brauch natürlich entfalten. Diesen von Fachleuten propagierten Vorstellungen steht jedoch äußerst widersprüchlich der straff durchorganisierte Parteiapparat gegenüber, der nichts unkontrolliert und unorganisiert gelassen hat.
1939 wird die monatlich erscheinende „Oesterreichische Gebirgs- und Volks-Trachten-Zeitung“ eingestellt, zuvor aber noch benützt, nationalsozialistisches Gedankengut bewusst zu machen. Dazu zählt auch jener unmenschliche und so folgenschwere Grundsatz nationalsozialistischer Politik und vor allem auch Kulturpolitik, wonach alle „rassefeindlichen“, „verjudeten“ und somit „schädlichen“ Elemente „auszuschalten“ seien.
Trotz der nun gegenüber vorher gänzlich veränderten Gesamtsituation kann in der Volks- und Brauchtumsarbeit des Landes im Großen und Ganzen aber doch der zuvor eingeschlagene Weg fortgesetzt und durch die größeren finanziellen und organisatorischen Hilfen in einigen Bereichen ausgebaut werden. So konnte insbesondere eine auch aus heutiger Sicht sehr gelungene vierteilige Trachtenmappe (1943) herausgegeben werden. Zu erwähnen ist hier auch die Gründung des Heimatwerkes Salzburg (1942). Dabei handelt es sich um kein Heimatwerk im heutigen Sinn, sondern um eine Institution, die über allen volkskulturellen Organisationen und Kräften des Landes stehen und diese zusammenfassen sollte. Kuno Brandauer wird zum Geschäftsführer dieses neuen Heimatwerkes bestellt. Die Vorhaben und Pläne dieser umfassenden Heimatwerksidee müssen durch den schrecklich tobenden Krieg Wunsch bleiben. In einer Zeit, in der der Großteil der Männer an der Kriegsfront steht und die Nachrichten vom Tod der Väter und Söhne von Jahr zu Jahr zunehmen, ist es für die Daheimgebliebenen kaum noch möglich, Motivation für Brauchtumsarbeit zu finden.
Durch das klare Bekenntnis der führenden Landespolitiker Landeshauptmann Josef Rehrl (ÖVP) und Landeshauptmann-Stellvertreter Franz Peyerl (SPÖ) zur großen Bedeutung, die der Volkskultur beim Bau einer neuen Heimat, eines neuen Österreich, zufällt, und die Bereitschaft des Landes, die Volks- und Brauchtumsarbeit auch entsprechend zu unterstützen, können bereits in den ersten Nachkriegsjahren wichtige Schritte gesetzt werden, die der Volkskultur neue Entfaltungsmöglichkeiten geben. Diese Hilfe ist notwendig, denn unser Land wird in dieser Zeit überflutet von amerikanischer Unterhaltungskultur, und die Zahl derer, die sich davon einnehmen lassen, ist groß.
Bereits im Jahr 1946 erfolgt die Wiedergründung des Salzburger Heimatwerkes, nun aber nicht als Fortsetzung der Ideen des Jahres 1942, sondern nach dem Vorbild der Schweiz als Verkaufsstelle für bäuerliche Handwerkskunst und Trachtenstoffe. Die dynamische und ganz im Volks- und Brauchtum verwurzelte Persönlichkeit Tobi Reiser wird mit der Leitung betraut. Er ist imstande, aus „seinem Heimatwerk“ nicht nur eine Verkaufsstelle zu machen. Das Heimatwerk wird eine wichtige Säule der Heimatpflege in Salzburg.
Zwei wichtige Anliegen stellt Tobi Reiser in den Vordergrund seines Wirkens: die Trachtenpflege und die Volksmusik-, Volkslied- und Volkstanzpflege. In der Trachtenpflege gelingt es ihm, das zu verwirklichen, was in den 1930er-Jahren und während der NS-Zeit nur Wunsch geblieben ist, nämlich eine breite Bevölkerung für die erneuerte Tracht zu gewinnen. Wegbereiter sind dabei eine Vielzahl von Trachtenschauen, die Tobi Reiser in allen Teilen des Landes zusammen mit seinen Musikanten und mit Singgruppen durchführt, weiters das Anbieten schöner Trachtenstoffe im Heimatwerk und die Errichtung einer Trachtenklasse an der Frauengewerbeschule Annahof (heute HBLA Annahof), die in einem einjährigen Spezialkurs bereits fertig ausgebildeten Schneiderinnen die Kenntnisse und Fertigkeiten für die Herstellung von Trachten vermittelt.
In der Volksmusikpflege ist es vor allem seine Saitenmusikgruppe, das Tobi Reiser Quintett, die aufhorchen lässt. Musik fürs Musizieren in der Stube, sich selbst zur Freude, aber auch zur Freude der Zuhörer. Über den Rundfunk gelangt diese Musik, die feinen Saitenklang mit der rhythmischen Kraft unserer Tanzmusik verbindet, in unzählige Stuben und löst nicht nur einen Siegeszug des von Tobi Reiser entwickelten Salzburger Hackbrettes aus. Sie motiviert Tausende junge Leute in ganz Österreich und Bayern, wieder selbst zu musizieren und sich der heimischen Volksmusik zuzuwenden. Tobi Reiser erweist sich auch als Meister der Tanzmusik, der es versteht, Menschen für den Volkstanz zu gewinnen.
Zur großen musikalischen Aufgabe wird für den Leiter des Salzburger Heimatwerkes aber das von ihm im Jahre 1946 begonnene und bald weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannte Salzburger Adventsingen. Es ist nicht nur Jahr für Jahr Anziehungspunkt für tausende Besucher. Vom Salzburger Adventsingen gehen auch wertvollste Anregungen und Impulse für die Volkslied- und Volksmusikpflege aus.
1948 kommt es zur Gründung der Dienststelle für Heimatpflege, des späteren Referates Salzburger Volkskultur. Der Landesbeamte Kuno Brandauer – in den 1930er-Jahren erfolgreicher Obmann des Landestrachtenverbandes, in der NS-Zeit Leiter der „Fachschaft Brauchtumspflege“ im NS-Kulturamt und Geschäftsführer des 1942 gegründeten Heimatwerkes – wird mit der Leitung betraut. Vorgegebene Aufgabe dieser amtlichen Stelle ist es, den im volkskulturellen Bereich tätigen Gruppen, Vereinen und Verbänden des Landes fachliche Beratung und Betreuung, aber auch organisatorische Hilfestellung zu geben.
Kuno Brandauer möchte die Landesverbände ganz in die Dienststelle einbinden, denn er sieht in den Verbänden wichtige Hilfseinrichtungen für die Umsetzung seiner heimatpflegerischen Ideen und Vorstellungen. Dies gelingt ihm auch, indem er selbst die Leitung der großen Landesverbände (Landesverband der Salzburger Heimatvereinigungen und Schützen und Salzburger Blasmusikverband) als gewählter Landesobmann übernimmt und bei den Musikkapellen den hoch qualifizierten Militärkapellmeister Professor Leo Ertl für die musikalische Leitung (Landeskapellmeister), bei den Schützen den Kastenhofbauer Alfred Neureiter für die Funktion des Landeskommandanten der Schützen (Schützenobrist) gewinnen kann. Gerade diese Verbindung von amtlicher Stelle und Verbandsleitung ist es, die die Dienststelle für Heimatpflege in den folgenden Jahren und Jahrzehnten zu einer für die Entfaltung des volkskulturellen Lebens im Land Salzburg wichtigen und erfolgreichen Einrichtung macht.
Vorrangiges Anliegen Kuno Brandauers wird nun die Tracht der Vereine. Über 120 Heimatvereine, Schützenkompanien und Musikkapellen kann er im Verlauf seines Wirkens zur Anschaffung einer von ihm meisterhaft wiedererweckten oder erneuerten Tracht begeistern. In der Brauchpflege schließt er an seine Initiativen der Zwischenkriegszeit an und setzt mit der Neugestaltung der „Wilden Jagd“ und der Hereinnahme des Glöcklerlaufes in die Stadt Salzburg neue Akzente. Auch an der Gestaltung des Salzburger Fackeltanzes zur Festspieleröffnung, einer besonders geglückten Brauch-Innovation, ist er beteiligt. Großes Interesse bringt Kuno Brandauer dem Salzburger Schützenbrauch entgegen, zu dessen Wiederbelebung er viel beitragen kann. 1953 und 1960 organisiert Kuno Brandauer große, landesweite Heimatfeste, um damit den Wert der Volkskultur entsprechend herauszustellen – für die Bevölkerung, aber auch für die Vereine selbst.
1960 tritt Kuno Brandauer in den Ruhestand. Nachfolger wird der nur um vier Jahre jüngere Landesbeamte Ferdinand Gietl. Er führt die Salzburger Heimatpflege ganz im Sinne von Kuno Brandauer, der ihn als Pensionist noch tatkräftig unterstützt, weiter. Nach dessen Pensionierung im Jahre 1965 wird der damals 50-jährige Lehrer Karl Merhaut mit der Dienststellenleitung betraut – eine glückliche Entscheidung, wie sich rasch zeigt.
Karl Merhaut geht fürs Erste daran, den beiden Landesverbänden, denen er wie Kuno Brandauer als gewählter Landesobmann vorsteht, eine feste organisatorische Struktur zu geben, indem er in allen Bezirken Bezirksverbände bzw. bei den Heimatvereinigungen Gauverbände mit tüchtigen Führungskräften gründet und diese zu den Säulen der Verbandsarbeit macht. (Bezirksorganisationen hat es zuvor nur in einigen Gauen in loser Form gegeben.) Die bereits bestehende Salzburger Landesarbeitsgemeinschaft für Volkstanz wird ebenfalls in die Dienststelle eingebunden. Nun erst ist es möglich, mit allen Mitgliedsvereinen bzw. Musikkapellen in Verbindung treten zu können.
Die zweite große Aufgabe, der sich Karl Merhaut stellt, ist die Schaffung von Fortbildungsmöglichkeiten vor allem für die Jugend (Jungbläserseminare für die Blasmusiker und Salzburger Brauchtumswochen für Volksliedsänger, Musikanten und Volkstänzer). Diese Wochen bilden noch heute den Kern des inzwischen stark ausgebauten Fortbildungsprogrammes des Referates Salzburger Volkskultur und seiner Verbände. Zu einem wertvollen Anreiz für die Weiterbildung der blasmusikalischen Jugend wird die in dieser Zeit eingeführte und vom verdienstvollen Landesjugendreferenten des Blasmusikverbandes Professor Peter Porenta über 30 Jahre geleitete Jungmusiker-Leistungsprüfung.
Ein dritter Schwerpunkt liegt bei Karl Merhaut in der Durchführung von großen Trachtenfesten. Er führt in den Bezirken die von den Musikkapellen, Heimatvereinen und Schützen gemeinsam durchgeführten Gaufeste ein und gestaltet 1970 ein besonders eindrucksvolles großes Landesfest. Die Herstellung von Filmdokumentationen über gegenwärtiges Salzburger Brauchtum bildet schließlich noch einen vierten Aufgabenbereich, den sich Karl Merhaut als Leiter der Salzburger Heimatpflege gestellt hat.
1974 wird der damals 35-jährige Hauptschullehrer Harald Dengg Nachfolger von Karl Merhaut, sowohl als Leiter der Dienststelle, die nun als selbstständiges Referat der Kulturabteilung zugeordnet wird, wie auch als gewählter Landesobmann der Landesverbände. Er bleibt Referatsleiter und gewählter Landesobmann der volkskulturellen Landesverbände bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2000.
Der Betreuungsbereich Landesverbände umfasst zu seiner Zeit den Landesverband der Salzburger Heimatvereinigungen mit sechs Gauverbänden, den Salzburger Blasmusikverband mit sechs Bezirksverbänden, den Landesverband der Salzburger Schützen mit sechs Bezirksverbänden; weiters die Salzburger Landesarbeitsgemeinschaft für Volkstanz und das Salzburger Volksliedwerk. (Der Chorverband Salzburg kommt erst im Jahre 2000 dazu. Die Chöre haben sich zuvor dem Oberösterreichisch-Salzburgischen Sängerbund mit Sitz in Linz angeschlossen.)
Beim Amtsantritt von Harald Dengg wird die von Karl Merhaut gegenüber früher wesentlich verbesserte Organisationsstruktur des Verbändebereiches bereits wirksam. Sie ermöglicht nicht nur einen wesentlich besseren Kontakt mit den Vereinen. Sie ist nun auch mit einer beträchtlichen Erweiterung der Leistungen, die von den Landes- und Bezirksverbänden erwartet werden, verbunden. Harald Dengg sieht in der Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen und Institutionen, die sich mit Volkskultur auseinandersetzen, ein wichtiges Anliegen. Das sind insbesondere der ORF mit seiner Abteilung Volkskultur, das Salzburger Heimatwerk, das Salzburger Bildungswerk, das Salzburger Musikschulwerk und das Salzburger Landesinstitut für Volkskunde. Und er möchte zudem, dass auch die vielen an der Volkskultur interessierten Menschen im Lande, die nicht einem Verein angehören, vom Referat – sofern sie es wünschen – eine Hilfestellung erhalten.
Um die wesentlich erweiterten Aufgaben bewältigen zu können, ist es notwendig, das Referat personell zu erweitern (bisher stand dem Referatsleiter nur eine Sekretärin zur Seite) und eine technisch gut ausgestattete, leistungsfähige Verbände-Geschäftsstelle einzurichten. Das gelingt schrittweise. 1979 erhält das Referat im Gebäudekomplex Petersbrunnhof im Nonntal ein schönes Bürogebäude. Im selben Jahr wird zur fachlichen Unterstützung die Anstellung eines Volkskundlers bewilligt (die Volkskundler des Referates bis 2000: Dr. Rotraut Acker, Dr. Michael Becker, Dr. Ernestine Hutter und Mag. Lucia Luidold); 1995 kann zusätzlich eine Fachkraft zur Beratung der vom Referat zu betreuenden 70 Heimatmuseen angestellt werden. 1980 wird Josef Wimmer Referatsmitarbeiter. Er ist in der Verbändebetreuung und im Volksmusikbereich bis heute eine wichtige Stütze des Referates. 1996 kann ein lang verfolgtes Ziel verwirklicht werden: Das Referat erhält im Areal Petersbrunnhof einen 225 m2 großen Proben- und Veranstaltungssaal.
Wichtige Anliegen des Referatsleiters und seiner Mitarbeiter im Referat und in den Verbänden sind in dieser Zeit:
Ausbau eines großen Netzes an Fortbildungsveranstaltungen während des ganzen Jahres und vor allem in den Ferien. (In den Sommerferien werden vom Referat Salzburger Volkskultur jährlich zehn Fortbildungswochen mit jeweils ca. 100 Teilnehmern durchgeführt.)
Bemühen um entsprechende Öffentlichkeitsarbeit, um den Wert der Volkskultur einer breiten Bevölkerung bewusst zu machen.
Herausgabe der Halbjahreszeitschrift „Salzburger Volkskultur“, einer heute in ganz Österreich geschätzten Publikation mit interessanten volkskundlichen Fachbeiträgen und Berichten über das volkskulturelle Leben in Salzburg. (Seit 1977!)
Herausgabe des Salzburger Brauchtums- und Veranstaltungskalenders.
Herausgabe volkskundlicher Fachbücher.
Herausgabe von Heften für die Volkslied- und Volksmusikpflege (bis jetzt, 2002, 45 Hefte mit nahe 1.500 für die Salzburger Volksmusik typischen Liedern und Instrumentalstücken).
Herausgabe von Liedblättern für die Schulen.
Durchführung einer Vielzahl an Vorbild-Veranstaltungen vor allem im Bereich Volksmusik und Blasmusik.
Unterstützung der Vereine bei der Durchführung von Veranstaltungen im inhaltlichen und organisatorischen Bereich.
Ausbau einer gediegenen Fachberatung und Fachbetreuung in den Bereichen Heimatmuseen, Brauch, Tracht, Volkslied, Volksmusik, Volkstanz und Blasmusik.
Aufbau einer volkskundlichen Fachbibliothek mit den Schwerpunkten Brauch, Tracht, Volksmusik, Volkstanz und Volkskunst.
Auf- und Ausbau eines Salzburger Volksliedarchivs, in dem heute bereits über 57.000 Volkslieder und eine Vielzahl von Instrumentalstücken EDV-mäßig aufbereitet sind.
Aufbau eines volkskundlichen Bildarchivs.
Schaffung eines vierjährigen Lehrerausbildungslehrganges für alpenländische Volksmusik an der Universität Mozarteum.
Die letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts sind gekennzeichnet von einem starken Anwachsen des allgemeinen Interesses an der Volkskultur, an der überlieferten Tracht, an den Bräuchen, an Volkslied, Volksmusik und Volkstanz, an der Blasmusik, an der Schützentradition, an der Mundart, am Amateurtheater und an den Heimatmuseen. Volksmusik- und Blasmusikveranstaltungen werden in Turnhallen verlegt, um dem großen Besucherzustrom gerecht werden zu können. Volkstanzfeste und Volkstanzabende sind beliebter Treffpunkt für Jung und Alt. Jubiläumsfeste unserer Musikkapellen, Schützenkompanien und Heimatvereine sind Höhepunkte im Veranstaltungssommer unserer Gemeinden, wobei es eine Freude ist, unsere heimatverbundenen Vereine in ihren schmucken Trachten zu erleben.
Bei Bräuchen, wie etwa dem Pongauer Perchtenlauf, dem Georgiritt oder dem Prangstangentragen im Lungau kann man Tausende Zuschauer zählen. Das Maibaumaufstellen wird zu einem Fest des ganzen Ortes. Das Salzburger Adventsingen, zu dem jährlich fast 40.000 Besucher ins Festspielhaus kommen und das Vorbild für eine Vielzahl kleinerer Adventveranstaltungen geworden ist, gibt der Volkskultur einen Stellenwert, der zuvor undenkbar war.
Den Musikkapellen, Schützenkompanien und Heimatvereinen gelingt es in erfreulichem Maße, die Jugend für eine Mitarbeit zu gewinnen. Die Mitgliederzahl all dieser Gemeinschaften ist größer als je zuvor. Viele musikbegabte junge Leute erlernen ein Musikinstrument und wenden sich der Volksmusik zu. Das Chorwesen erlebt einen großen Aufschwung, wobei viele Chöre auch das Volkslied gerne in ihr Liedprogramm einbeziehen. Mundartdichtertreffen machen das Erkennen des Wertes der heimischen Mundart deutlich. Unsere Tracht ist für viele Salzburger selbstverständliches Kleidungsstück geworden. Der Ausbau von Heimatmuseen, die längst vergessene Sachgüter zeigen, mit denen unsere Vorfahren ihr Leben gestaltet haben, ihren Arbeitstag und ihren Feierabend, ihren Alltag und ihre Feste, wird zu einem besonderen Anliegen vieler traditionsbewusster Menschen. Und schließlich ist das große allgemeine Interesse an der Volkskultur auch ausschlaggebend für die Politiker, den Ausbau des großartigen Salzburger Freilichtmuseums zu ermöglichen.
Wir können in dieser für die Volks- und Brauchtumspflege erfreulichen Erscheinung eine Gegenströmung zu Übertechnisierung, Automation und Globalisierung erkennen, sicher aber auch eine Ernte des bisherigen beharrlichen Bemühens um Wiederbelebung unserer Volkskultur in den vorangegangenen Jahrzehnten.
An die 40.000 Mitglieder wirken heute aktiv in den volkskulturellen Vereinen und Gemeinschaften des Landes Salzburg mit. Ehrenamtlich. (Das sind 8 % der Gesamtbevölkerung des Landes.) Und das in einer Zeit, der man nachsagt, sie sei ganz von Materialismus und passivem Konsumieren geprägt.
Noch nie wurden die Menschen so sehr umworben, zuzugreifen in einem unerschöpflichen Warenangebot. Das gilt auch für den kulturellen Bereich, der alles, was an kultureller Leistung je erbracht wurde – nicht zuletzt durch faszinierende technische Errungenschaften –, heute jedermann zugänglich macht. Noch nie waren die Verlockungen so groß, einzutauchen in eine von einer riesigen Industrie vorgefertigte Unterhaltung, die keinen persönlichen Beitrag des Zusehers mehr braucht.
Dass nun in dieser Zeit mehr Menschen als je zuvor bereit sind, sich für das Erhalten und Weiterentwickeln von Brauchtum und Volkskultur einzusetzen, in einem volkskulturellen Verein aktiv mitzuwirken und Mühe, Zeit, Kraft, Begabung und Können einzubringen, ohne daraus materiellen Nutzen zu ziehen, dürfen wir sicher als eines der besonders erfreulichen Zeichen unserer Zeit werten.
Was ist es nun aber, das heute so vielen Motivation für diesen Einsatz gibt, und was sind die Anliegen der Vereine, für die es sich lohnt, an ihrer Verwirklichung mitzuwirken? Die folgenden Abschnitte möchten die wichtigsten gegenwärtigen Anliegen der volkskulturellen Vereine im Bereich des Erhaltens und Weiterentwickelns von überlieferter Volkskultur kurz umreißen.
Die wichtigste Triebfeder unserer Vereine und ihrer Mitglieder, sich für die Erhaltung der Volkskultur einzusetzen, kommt aus der insgesamt hohen Wertschätzung, die der Volkskultur heute von vielen Menschen des Landes entgegengebracht wird. Diese Wertschätzung hängt stark mit der Suche nach Heimat zusammen. Heimat zu haben, ist in unserer globalisierten Welt nicht mehr selbstverständlich und für viele gerade deshalb zu einem großen Wert geworden.
Volkskultur, ob als Tracht, Brauch, Sprache, Lied, Musik, Tanz, Spiel oder handwerkliches Gestalten, ist als aus dem Volk herausgewachsene Kultur nun einmal in besonderer Weise imstande, Heimat erlebbar zu machen. Heimat ist vorrangig ein emotionaler Wert. Volkskultur spricht wie kaum etwas anderes das Gemüt der Menschen an, weil sie aus ihrem Gemüt heraus entstanden ist. Die Bedeutung von Brauchtum und Volkskultur ist durch das Aufheben der Grenzen, durch die Bildung des großen Wirtschafts- und Kulturraumes Europa in den letzten Jahren größer geworden, das Wirken der Vereine damit wichtiger.
Feste, Festzeiten und Feiern brauchen Bräuche, um zu richtigen Festen zu werden, denn die Bräuche sind die Hilfen, denen es gelingt, ein Fest mit seinem Inhalt über unsere Sinne und damit über unser Gemüt erlebbar zu machen. Ihre Sprache sind kleine und große Sinnbilder, meist fantasiereich erfunden – Geräusche und Klänge, Lieder und Musikstücke, kleine Spiele, Gerüche und besondere Speisen.
Was wäre – um einen Festkreis als Beispiel herauszugreifen – Advent, Weihnacht und Neujahr ohne die vielen Bräuche in dieser durch die Geburt des Heilandes, aber auch durch Dunkelheit und wieder stärker werdendes Licht geprägten Zeit des Jahres? Allein durch das Aufzählen der wichtigsten wird bewusst, wie sehr diese Festzeit von Bräuchen lebt und wie leer Weihnachten ohne sie wäre.
Bereits der Beginn der Adventzeit wird durch eine Vielzahl kleiner und großer Bräuche herausgehoben: durch die kirchliche Feier der Adventkranzweihe mit dem ersten Adventblasen, das anschließende Entzünden der ersten Adventkranzkerze, das Schmücken der Wohnungen mit Tannenreis, das Aufstellen abends beleuchteter Weihnachtsbäume vor so manchem Privathaus, vor allem aber auf Plätzen der Gemeinden, das weihnachtliche Schmücken der Geschäftsstraßen, die Advent- und Christkindlmärkte, die vielen kleinen und großen Adventsingen, das Einwässern der Barbarazweiglein, den Nikolaus- und Krampusbrauch und den Flachgauer Perchtenbrauch des Laufes der Wilden Jagd. Es folgt das noch in vielen Orten lebendige Anklöckeln und Frauentragen, das Keksbacken der Hausfrauen, Klotzenbrot und Maronibraten, das Krippenbauen, die vielen kleinen Bräuche zum Heiligen Abend mit den Krippenandachten in den Kirchen, den Weihnachtsfeiern in den Familien mit dem Aufstellen der Krippen, dem Entzünden der Kerzen des schön geschmückten Christbaumes und dem Auspacken der Geschenke.
Höhepunkt für viele ist der Besuch der mit festlicher Musik gestalteten Christmette, vielfach eingeleitet durch das Christkindlanschießen der Schützen und das Weihnachtsblasen einer Bläsergruppe der Musikkapelle. Nach einigen ruhigeren Tagen folgt Silvester mit dem mitternächtlichen Abfeuern der Leuchtraketen. Im Flachgau und in der Landeshauptstadt wird das neue Jahr von den Schützen lautstark begrüßt. Danach sind es die vielen Sternsinger, die ihren Glückwunsch zum Jahreswechsel in die Wohnungen bringen. Der Abend vor Dreikönig und der Dreikönigstag selbst werden durch den Pongauer Perchtenlauf, den Lauf der Rauriser Schnabelperchten und den Lauf und Tanz der Pinzgauer Tresterer, in der Stadt Salzburg und in mehreren Salzkammergutorten durch den Glöcklerlauf mit ihren kunstvollen Lichterkappen noch einmal zu einem Höhepunkt.
Viele dieser Bräuche leben in der Familie. Viele aber werden getragen von unseren volkskulturellen Vereinen, den Brauchtumsgruppen, Musikkapellen, Chören, Schützen und Volkslied- und Volksmusikgruppen. Das gilt nicht nur für den Weihnachtsfestkreis, das gilt für viele Feste, Festzeiten und Feiern im Jahreslauf und im Lebenslauf der Menschen. Alle volkskulturellen Vereine helfen immer wieder zusammen, jeder auf seine Weise, sie aus dem Alltag herauszuheben und für alle Beteiligten zu einem besonderen Erlebnis zu machen.
Brauchtumspflege ist eine wichtige Hilfe, um Gemeinschaft zu bauen, zu stärken und spürbar werden zu lassen. Das gemeinsame Proben und Planen, Vorbereiten und Gestalten von kleinen und großen Bräuchen und Festen lässt bei den Mitgliedern eines Vereines das Bewusstsein entstehen, hier gehöre ich dazu, hier werde ich gebraucht mit meinen Begabungen und Fähigkeiten, hier bin ich wichtig. Das Erleben, eingebunden zu sein in eine Gemeinschaft, ist vielen Menschen wichtig und ein wesentliches Motiv, sich einem Verein anzuschließen.
Dadurch, dass die Tätigkeit der volkskulturellen Vereine in erster Linie auf die Mitwirkung an der Gestaltung der Gemeinschaftsfeste und Feiern eines Ortes und seiner großen Bräuche ausgerichtet ist, sind diese Vereine heute die unverzichtbaren Baumeister für eine lebendige Ortsgemeinschaft. Die Gemeinden brauchen Bräuche und gemeinsame Feste und Feiern, soll im Ort Gemeinschaftsbewusstsein entstehen und immer wieder gefestigt werden. Viele Bewohner spüren das und bringen aus dieser Sicht dem Wirken der Vereine Wertschätzung entgegen – Wertschätzung, die den Mitgliedern eines Vereins wiederum Ansporn ist, sich für den Ort und seine Bewohner einzusetzen.
Der Blick zurück auf die Jahre der Ersten Republik und die Zeit der NS-Herrschaft zeigt, dass Heimatverbundenheit und Liebe zur Volkskultur leicht genützt werden können und auch immer wieder genützt wurden, um Patriotismus und nationales Denken zu wecken und zu stärken. Von dort ist der Weg nicht weit zu übersteigertem Nationalismus, wie wir ihm im zurückliegenden Jahrhundert, aber leider auch heute noch vielfach begegnen.
Übersteigerter Nationalismus hat immer und überall, wo er entstanden ist, Feindschaft, Krieg und Not in die Welt gebracht, weil er den Wert der zur Nation gehörenden Menschen überhöht und die anderen, die nicht dazugehören, abwertet, weil er das Anderssein zu einem Hindernis für ein Miteinanderleben macht, weil er Ausgrenzung betreibt, weil er mit dem Argument des Bedrohtseins Aggressionen weckt und – auch das gab es und gibt es immer noch – auf die Vertreibung und Vernichtung der zu Feinden gemachten anderen hinarbeitet.
Es ist – zurückschauend auf die NS-Zeit – sicher nicht richtig, mit der Volkskultur verbundene Menschen als für nationalistisches Gedankengut besonders empfänglich zu sehen. Tatsache aber ist, dass sich damals viele von ihnen mit ihrer Brauchtumsarbeit haben einbinden lassen in die NS-Politik, ohne sich Gedanken zu machen, wo der Weg dieser Partei hinführt und welch furchtbare Mittel dabei eingesetzt werden.
Liebe zur eigenen Heimat mit allem, was dazugehört, kann aber auch zum Gegenteil führen, kann helfen, Brücken zu bauen, und beitragen, dem anderen mit Verständnis und Wertschätzung zu begegnen. Wer in der eigenen Volkskultur einen besonderen Wert sieht, dem müsste es leicht fallen, auch die kulturellen Besonderheiten anderer Völker und Volksgruppen und damit die Menschen selbst zu achten, der muss eine Vorreiterrolle übernehmen im Bemühen, auch mit anderen Volksgruppen in einem Land friedlich und in gegenseitiger Wertschätzung zusammenzuleben.
Wir müssen heute zur Kenntnis nehmen, dass der Nationalismus in der Welt noch keineswegs überwunden und weiterhin Ursache für Unterdrückung, Krieg und Not in so vielen Teilen der Welt ist. Wir müssen aber auch sehen, dass heute das Zusammenleben mit den vielen Menschen im eigenen Land, die nicht Deutsch zur Muttersprache haben und aus einem ganz anderen kulturellen Umfeld kommen, noch nicht überall so gelöst ist, wie es sein sollte.
Für viele Vereine ist die Begegnung mit Volkstumsgruppen anderer Länder seit Langem ein wichtiges Ziel ihrer Tätigkeit, ein bewusster Beitrag zur Völkerverständigung und damit zum Frieden in der Welt. Was von vielen noch zu wenig gesehen wird, ist, dass heute das Zugehen in Wertschätzung auf die bei uns lebenden Menschen anderer Volksgruppen eine in dieser Hinsicht vorrangige Aufgabe sein müsste. Es gibt auch hier erfreuliche Ansätze. Vielleicht könnte daraus ein großes Anliegen gegenwärtiger Brauchtumspflege werden.
Es sind nicht primär glänzende Festspiele, die ein Land zu einem Kulturland machen, sondern das kulturelle Tätigsein jedes Einzelnen seiner Bürger. Unsere gegenwärtige Welt drängt die Menschen immer mehr in die Rolle des nur noch passiven Konsumierens von Kultur, des nur noch Zusehens und Zuhörens. Unsere volkskulturellen Vereine stellen sich dieser Entwicklung seit vielen Jahren bewusst entgegen. Für sie geht es in der Vereinsarbeit ausschließlich um das aktive kulturelle Tätigsein ihrer Mitglieder. Wenn wir sehen, dass sich heute an die 40.000 Menschen aktiv in die Musikkapellen, Heimatvereine und Brauchtumsgruppen, in die Volkslied-, Volksmusik- und Volkstanzgruppen, in die Chöre und Schützenvereine und in die Amateurtheatergruppen einbringen und meist Woche für Woche zusammenkommen, um in einer Gemeinschaft zu singen, zu musizieren, zu tanzen, Theater zu spielen, an der Vorbereitung und Gestaltung eines Brauches oder eines Festes zu arbeiten oder handwerkliche Volkskunst anzufertigen, so ist das eine Leistung, die nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.
Die Politiker des Landes Salzburg und seiner Gemeinden sehen den Wert dieser Arbeit und unterstützen volkskulturelles Wirken seit den Anfängen bewusster Brauchtumspflege, besonders aber in gegenwärtiger Zeit in dankenswerter Weise.
Die Schaffung von Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten für Führungskräfte von volkskulturellen Vereinen und Gruppen, aber auch für Mitglieder, ist seit vielen Jahren in allen Verbänden zu einer der wichtigsten Aufgaben geworden. Dabei sind es vor allem zwei Gründe, die diesem Anliegen eine besondere Vorrangstellung geben. Zum einen ist die früher selbstverständliche Weitergabe von Erfahrungen und Fertigkeiten, von Können und Wissen von einer Generation auf die andere im Bereich der Volkskultur im 20. Jahrhundert abgerissen. Spezielle, von Leuten geleitete Kurse, die sich die alten Traditionen noch aneignen konnten, sind imstande, dafür Ersatz zu geben. Zum anderen ist der Weg der Brauchtumspflege, Volkskultur vorzuzeigen, vorzuführen, auf die Bühne zu stellen, auch auf die Bühne Rundfunk und Fernsehen, verbunden mit dem Bemühen, der Darbietung möglichst hohe Qualität zu geben. Das ist in vielen Bereichen nur durch entsprechende Aus- und Fortbildung zu erreichen.
Heute erstellt das Referat Salzburger Volkskultur in Zusammenwirken mit den Verbänden Jahr für Jahr ein umfassendes Fortbildungsangebot, das vom Land Salzburg in dankenswerter Weise finanzielle Unterstützung findet. Im Bereich der Blasmusik gibt es jeden Sommer vier einwöchige Fortbildungsseminare für jeweils 100 (größtenteils jugendliche) Teilnehmer als spezielle blasmusikalische Ergänzung zum Musikunterricht in den Musikschulen. (Der qualitätsvolle Musikunterricht an den Musikschulen bildet gegenwärtig für junge Blasmusiker die wichtigste Aus- und Fortbildungsform.) Dazu kommen zahlreiche Fortbildungsveranstaltungen an Wochenenden während des Jahres. Der besonderen Bedeutung der Kapellmeisteraus- und -fortbildung wird durch Fortbildungskurse im Sommer, durch sechssemestrige Kurse mit wöchentlich einem Kursabend und durch Kapellmeistertage an Wochenenden Rechnung getragen. Für die vielen jungen Blasmusiker bilden die Jungmusiker-Leistungsprüfungen großen Anreiz, sich freiwillig besonders weiterzubilden. Für die Prüfung gibt es ein spezielles Vorbereitungsprogramm. Eine besondere Fortbildungsform für die ganze Musikkapelle stellen weiters die Konzert- und Marschmusik-Wertungsspiele dar.
Den Volksmusikanten und Volksliedsängern geben jeden Sommer die zwei bis drei Salzburger Musizierwochen für jeweils 100 Teilnehmer und mehrere Wochenendseminare während des Jahres die Möglichkeit einer gediegenen Weiterbildung. Ein umfangreiches Fortbildungsangebot ist auch für den Volkstanz entstanden: Volkstanzleiterlehrgänge und Volkstanzleitertreffen, darunter spezielle Kurse, wie z. B. „Volkstänze für Kinder und Jugendliche.“ Die Volkstanzkurse selbst werden in den einzelnen Gemeinden von Heimatvereinen, aber auch von Musikkapellen, Schützenvereinen, Turnvereinen und Jugendorganisationen sowie Schulen durchgeführt.
Auch im Bereich des chorischen Singens gibt es heute ein reichhaltiges Fortbildungsangebot für Sängerinnen und Sänger und insbesondere für Chorleiterinnen und Chorleiter: mehrtägige Chorleiterseminare, zwei sechssemestrige Chorleiterkurse mit wöchentlich einem Kursabend, Singwochen für Erwachsene und Jugendliche, Kinder- und Jugendsingwochen. Mit den seit vielen Jahren durchgeführten „Offenen Singen“ (z. B. Klessheimer Singstund, Flachgauer Singnachmittag, Lungauer Singstund, die Wochenendsingen mit dem Salzburger Bildungswerk) wird zum einen in unserer übermäßig auf das Vorführen ausgerichteten Kulturarbeit der Wert des Singens zur eigenen Freude betont, andererseits wird damit aber auch wertvolles Volksliedgut an Leiter von Chören und Singgruppen weitergegeben.
Eine über zwanzigjährige Tradition haben nun bereits die jährlichen „Sicherheitskurse“ für Prangerstutzen- und Gewehrschützen sowie für Kanoniere der Schützenkompanien, die auch Information über rechtliche Fragen, über den Schützenbrauch im Jahreslauf, über Geschichte des Schützenwesens, über sichere Handhabung und Wartung bringen, aber auch praktische Übungen mit einschließen. Informationsabende für Trachtenfragen, meist für einzelne Vereine, aber auch für die daran interessierte Bevölkerung eines Ortes, sind ein weiteres Angebot des Referates Salzburger Volkskultur und seiner Landes- und Bezirksverbände. Dazu kommen noch zahlreiche Informationsveranstaltungen für Obleute und Gruppenleiter zu allgemeinen Fragen der Vereinsführung. Jährliche Fortbildungsveranstaltungen gibt es auch – in Zusammenarbeit mit dem Salzburger Bildungswerk – für die Kustoden und Mitarbeiter in den Salzburger Heimatmuseen.
Sicher ist Brauchtumspflege zunächst auf das Erhalten überlieferter Formen ausgerichtet. Beständigkeit ist ein besonderer Wert jeder Traditionspflege. Aus der Wiederholung erwächst Vertrautwerden und Vertrautsein, erwächst das Gefühl, hier bin ich daheim. Wer sich allerdings der Mühe unterzieht, nachzufragen, seit wann es bestimmte Bräuche gibt und seit wann es sie in der heutigen Form gibt, wird rasch sehen, dass vieles, was uns heute altvertraut erscheint, noch gar nicht so alt ist. Dasselbe gilt für Volkslied und Volksmusik und insbesondere für die Tracht.
Die Führungskräfte der Salzburger Brauchtumspflege haben hier bereits vor 100 Jahren einen guten Weg vorgezeichnet und neben das Bemühen um Erhaltung alter Formen die Notwendigkeit von Erneuerung, von behutsamer Weiterentwicklung gestellt und – wo es um die Wiedererweckung von bereits Vergessenem gegangen ist – zu innovativer Neugestaltung angeregt. Eine Erneuerung oder Neugestaltung sollte allerdings in den großen Rahmen des bestehenden Volksgutes passen und so gut gelingen, dass sie angenommen wird.
Das musste bei mutigen Erneuerungen zu Diskussionen führen, denn über die Frage, wo der große traditionelle Rahmen seine Grenzen hat, gab es nie einheitliche Meinungen. Heute ist man sich jedenfalls einig darüber, dass es nicht Aufgabe der Führungskräfte eines Landesverbandes und schon gar nicht einer amtlichen Stelle sein soll, hier eine Entscheidung zu treffen. Wenn eine Neuerung von den Leuten, für die sie gedacht ist, angenommen wird, hat sie bestanden. Und wenn eine Erneuerung oder Neugestaltung zur Tradition wird, darf sie das als die größte Auszeichnung sehen. Vieles ist da im Laufe der Zeit erdacht worden – ob im Bereich von Lied und Musik oder von Brauch und Tracht –, was längst wieder vergessen ist.
Da darf man heute mit großem Respekt auf so manche Erneuerung von Kuno Brandauer im Bereich der Trachten- und Brauchpflege oder von Tobi Reiser im Bereich des Volksliedes und der Volksmusik schauen, um hier die Namen von zwei in dieser Hinsicht besonders begabten Persönlichkeiten zu nennen. Vieles von dem, was sie vor 50 und mehr Jahren neu gestaltet haben, lebt heute in schönster Weise, denken wir nur an den Bindertanz (1924), den Jakobischützentanz (1929), die Wilde Jagd (1948) oder den Altsalzburger Fackeltanz (1951). Die beiden sind aber keineswegs die Einzigen, die imstande waren, unsere Volkskultur zu bereichern.
Aus dem Bereich der Brauchpflege ist hier als Beispiel einer aus heutiger Sicht geglückten Brauchinnovation der letzten Zeit der Gollinger Perchtenlauf mit seinem Sommer- und Winterspiel zu nennen und als Beispiel für lebendige Weiterentwicklung die Krampus- bzw. Perchtenmasken. Mit der Übertragung der Maske der Pongauer Teufelspercht auf den Krampusbrauch ist es hier zu einer Brauchbelebung und Weiterentwicklung der geschnitzten Holzmasken gekommen, die einzigartig ist.
Eine ständige Ausweitung des Musikrepertoires gibt es bei der instrumentalen Volksmusik durch das Erfinden immer neuer Melodien im durch Tradition vorgegebenen Stil. Im Bereich des Volksliedes gibt es zwar vereinzelt geglückte Neuschöpfungen. Hier würde man sich heute aber mehr Kreativität wünschen ebenso auch bei der Tracht. In der Volkstanzpflege hat man bisher auf Erneuerung, auf Weiterentwicklung oder Neugestaltung ganz verzichtet. Die Führungskräfte in den volkskulturellen Verbänden und insbesondere die Leitung des Referates Salzburger Volkskultur unterstützen heute jedes Bemühen um Erneuerung oder Neugestaltung im großen Rahmen des Bestehenden.
Im Zusammenhang mit einer Neugestaltung erhebt sich natürlich immer wieder auch die Frage, warum Neugestaltung nicht über den traditionellen Rahmen hinausgehen kann. Innerhalb dieses Rahmens bleibt Neugestaltung im Grunde beschränkt auf die Ausbildung von Variationen zum bereits Vorhandenen. Nun, die über den traditionellen Rahmen hinausgehende Neugestaltung gibt es natürlich bereits längst, vielfach zusammen mit dem Bemühen einer Verbindung bzw. Vermischung mit volkskulturellen Elementen anderer Länder, insbesondere im Bereich der Musik. Die Ergebnisse dieser Neugestaltung werden aber – zumindest zurzeit – nicht als Teil der eigenen Volkskultur empfunden.
Aus der gegenwärtigen Sicht der volkskulturellen Verbände und Vereine ist es nicht Aufgabe der Brauchtumspflege, sich um Neugestaltung in diese Richtung zu bemühen. Da steht nach wie vor die Anregung einer kreativen Weiterentwicklung im traditionellen Rahmen im Vordergrund. Was heute aber doch – im Gegensatz zu früher – gesehen wird, ist die Notwendigkeit, solchen über den traditionellen Rahmen hinausgehenden Neugestaltungen positiv, offen und mit Interesse zu begegnen und zu erkennen, dass sie eine wertvolle und vor allem sehr lebendige Bereicherung des kulturellen Lebens bringen und bereits imstande waren, manche Erstarrung in der bisherigen Brauchtumspflege aufzubrechen.
Das Benützen von Elementen der Volkskultur für rein kommerzielle Absichten – dafür steht der Begriff Kommerzfolklore – gibt es im Grunde, seit es bewusste Brauchtumspflege gibt. Ideeller Wertmaßstab oder künstlerischer Anspruch wird dabei völlig aufgegeben. Die aus der Volkskultur genommenen Motive werden dabei mit aus dem modischen Bereich kommenden, publikumswirksamen Klischees verbunden. Angestrebt wird massenhafter Konsum. Somit ist das gut, was beim Publikum ankommt.
Kommerzfolklore war und ist für die Brauchtumspfleger meist ein Ärgernis. Aber nicht, weil daraus mittlerweile ein wichtiger, gewinnbringender Zweig einer gigantischen Unterhaltungsindustrie geworden ist, sondern vor allem, weil es im Grunde schwer möglich ist, eine für die breite Bevölkerung klar erkennbare Unterscheidung hin zu nicht kommerziell benützter Volkskultur zu treffen. Die kommerzielle Seite war an einer Unterscheidung nicht nur nie interessiert, sie hat im Gegenteil im Musikbereich etwa ganz gezielt den heute durch die Arbeit der Volksmusikpflege in der Bevölkerung positiv besetzten Begriff Volksmusik verwendet.
Frau Universitätsprofessorin Dr. Gerlinde Haid, Vorstand des Institutes für Volksmusikforschung und Ethnomusikologie an der Kunstuniversität Wien, damals Generalsekretärin des Österreichischen Volksliedwerkes, hat sich beim 7. Salzburger Landessymposion – es war dem Thema „Volksmusik in Salzburg“ gewidmet – im Oktober 1986 in einem viel beachteten Referat mit dieser Kommerzfolklore aus der Sicht der Volksmusik auseinandergesetzt. Das Referat ist in der Broschüre „Salzburg Diskussionen – Volksmusik in Salzburg, VII. Landessymposion am 4. Oktober 1986. Schriftenreihe des Landespressebüros Salzburg“[214] abgedruckt. Ihr überaus lesenswertes Referat sei hier auszugsweise wiedergegeben:
„Heimat- und Brauchtumspflege und Volksmusikvereine machen die Kommerzfolklore verantwortlich für die Begriffsverwirrung in der Volksmusikszene. Der Kommerz ist aber doch wohl nur die letzte und eigentlich logische Konsequenz in einem Prozeß der Entfremdung, der tiefer greift und dessen Wurzeln weiter zurückliegen. Es ist ein Prozeß, der dem einfachen Menschen die selbstverständliche, alltägliche Kultur nimmt und an ihre Stelle volkstümliche ‚Versatzstücke‘ stellt. Wenn wir Volksmusikveranstaltungen, Volksmusiksendungen oder sogenannte Heimatabende anschauen, so müssen wir zugeben, daß das auch die Volksmusik- und Brauchtumspflege macht, wenn sie Volkslieder, Volksmusikstücke und Volkstänze herausgelöst aus ihrem ursprünglichen Lebenszusammenhang auf die Bühne stellt. Aber das hat mit Vermarktung noch nichts zu tun, werden sie sagen. Doch, es hat. Denn während sich umfassende, ins alltägliche Leben integrierte Kultur selbstverständlich jeder Vermarktung widersetzt, bieten sich die Versatzstücke geradezu von selber zum Ausverkauf an, gerade in der Volksmusik. Die herrliche Vielfalt, die uns in der lebendigen, authentischen Volksmusik gegenübertritt, gerinnt auf der Bühne zur von den Medien vervielfältigten Einfalt, und was man einst als besonders typisch und urtümlich vor den Vorhang gerufen hat, endet schließlich im Kommerz mit der massenhaften Verbreitung schlechter Zerrbilder. Ich möchte nicht sagen, daß die Volksmusikpflege das alles zu verantworten hat, aber ich glaube, daß sie diese Prozesse selbstkritisch beobachten sollte.“
Nun, sich immer wieder grundsätzlich mit der eigenen Arbeit, mit der Entwicklung der Volkskulturpflege insbesondere vor dem Hintergrund der Kommerzfolklore auseinanderzusetzen, ist zweifellos eine wichtige Aufgabe jedes Brauchtumspflegers. Im Zusammenhang mit dem oben zitierten Absatz stellt sich für uns die Frage, ob Volkskultur in unserer Brauchtumspflege heute vorrangig Vorführkultur ist oder ob es nicht doch gelungen ist, Brauch, Tracht, Volkslied, Volksmusik und Volkstanz wieder in das Leben wenigstens eines Teiles der Menschen unseres Landes einzubinden.
In dieser Frage müssen wir die einzelnen Bereiche der Volkskultur differenziert sehen. Für die Salzburger Trachtenpflege war es von Beginn an Ziel, unsere Tracht wieder zu einer selbstverständlich getragenen Kleidung möglichst vieler Menschen zu machen. Das blieb zwar lange Zeit Wunschdenken, konnte aber – vor allem durch große diesbezügliche Anstrengungen des Salzburger Heimatwerkes mit seinem Leiter Tobi Reiser – in den 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahren in erfreulichem Maße verwirklicht werden.
In der Brauchpflege haben sich die Vereine in erster Linie um die großen wiederbelebten „Schaubräuche“ wie den Pongauer Perchtenlauf, den Lauf der Pinzgauer Tresterer, die „Wilde Jagd“, den Glöcklerlauf, das Aperschnalzen, das Festschnalzen der Herreiter, den Altsalzburger Bindertanz oder den Jakobischützentanz angenommen. Das sind im Grunde Vorführbräuche. Das Verdienst der Salzburger Brauchtumspflege ist es, dass diese Bräuche heute alle als Beitrag zur Gestaltung der Festzeit, für die sie entstanden sind, aufgeführt werden. Ein Tresterertanz auf der sommerlichen Heimatabendbühne ist heute nicht denkbar.
In der Volkslied- und Volksmusikpflege müssen wir sehen, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg trotz großen Bemühens um Wiederbelebung zunächst ein Tief gegeben hat. Bis auf ganz wenige Gruppen spielte damals niemand mehr Volksmusik. Hier konnte eine Neubelebung interessanterweise gerade durch das Herausführen der Volksmusik aus dem bisherigen Umfeld, dem Wirtshaus, durch das Auf-die-Bühne-Stellen erreicht werden. Diese Neubelebung ist eng mit dem Namen Tobi Reiser und dem Beispiel, das er mit seiner instrumentalen Volksmusik, insbesondere seiner Saitenmusik, und dem Salzburger Adventsingen gegeben hat, verbunden. Tobi Reiser hat der Volksmusik kammermusikalische Qualität gegeben, ohne ihr die große rhythmische Kraft zu nehmen, hat sie auf die Bühne – sogar auf die Bühne des Festspielhauses – gestellt und für den Rundfunk attraktiv gemacht. Damit konnte er nicht nur einen neuen großen Zuhörer- und Liebhaberkreis erschließen. Er hat damit vielen, vor allem jungen Menschen, Anreiz gegeben, selbst ein Instrument zu erlernen und Volksmusik zu spielen. Das Salzburger Musikschulwerk hat diesem Wunsch Rechnung getragen und Möglichkeiten zum Erlernen von Volksmusikinstrumenten geschaffen. Heute ist Volksmusik als Hausmusik in zahlreichen Familien lebendig und damit in einer neuen Aufgabenstellung in das Leben vieler Menschen eingebunden.
Daneben hat aber auch die Tanzlmusik – ausgehend von den Musikkapellen – in den letzten zwei Jahrzehnten einen ganz beachtlichen Aufschwung genommen und der Volksmusik wieder die alte Aufgabe, nämlich für das Gelingen der Geselligkeit da zu sein, erschlossen. Über 70 Tanzlmusikgruppen gibt es heute in Salzburg. Ihr Spielort ist vorwiegend das Wirtshaus. Diese hoch erfreuliche Entwicklung ist nicht von selbst gekommen. Hier hat eine zielstrebige, gute Arbeit des Referates Salzburger Volkskultur und seiner Verbände und insbesondere auch des Salzburger Musikschulwerkes erfreuliche Früchte getragen. Im Bereich des Singgruppensingens warten wir noch auf einen ähnlichen Aufschwung. Hier müssen wir aber festhalten, dass es in Salzburg heute über 400 Chorgemeinschaften gibt und viele von ihnen auch in der Pflege des Volksliedes eine wichtige und selbstverständliche Aufgabenstellung sehen.
Was den Volkstanz betrifft, stand bei den Vereinen lange Zeit die Tanzvorführung bei Heimatabenden im Vordergrund. Doch auch hier ist, zumindest bei einem Teil der Heimatvereine und Volkstanzgruppen, in den letzten zwei Jahrzehnten die Durchführung von kleinen und großen Volkstanzfesten, die die Volkstanzfreunde aus der ganzen Bevölkerung zum Mittanzen einladen, zu einer immer wichtigeren Aufgabe geworden.
Wir können also die zuvor gestellte Frage, ob es unserer Brauchtumspflege gelungen ist, Volkskultur wieder in das Leben wenigstens eines Teiles der Menschen unseres Landes einzubinden, sicher positiv beantworten. Wir dürfen aber beim zweifellos wichtigen und erfreulichen Bemühen in diese Richtung eines nicht übersehen: Wir leben in einem Veranstaltungs- und Medienzeitalter. Veranstaltungen und (neue) Medien gehören zum Leben des heutigen Menschen. Wer im Bewusstsein der gesamten Bevölkerung sein will – und Volkskultur möchte keine Kultur einiger weniger sein –, muss die Veranstaltungsbühnen und Rundfunk sowie Fernsehen nützen. Brauchtumspflege will und soll mit dabei sein. Und sie kann es mit gutem Gewissen tun, solange sie verantwortungsbewusst überlegt, was auf die Bühnen passt und was nicht, solange sie für Bühne und Fernsehen andere Präsentationsformen findet wie die Kommerzfolklore und solange die Bühne ein Randbereich der Brauchtumspflege ist, der eigentliche Lebensraum von Volkslied, Volksmusik, Volkstanz, Tracht und Brauch aber das Leben selbst.
Die Förderung der Brauchtumspflege war der Landespolitik Salzburgs – das gilt für alle politischen Richtungen – zu allen Zeiten des so bewegten 20. Jahrhunderts ein wichtiges Anliegen. Und zwar aus mehrfacher Sicht: Brauchtum ist eine wesentliche Hilfe, wenn es um die Stärkung von Heimat- und Landesbewusstsein, um die Stärkung von Gemeinschaftssinn und um Identitätsstiftung geht. Brauchtum ist ein wertvolles Kulturgut, ein Schatz, der einem Land Wert gibt, der es interessant macht und für Gäste mit ein Grund sein kann, ein Land zu besuchen. Brauchtum ist eine wertvolle Brücke, Zugang zu finden zu den Menschen, Zugang über das Gemüt. Es kann auch Hilfe sein, Verständnis zu wecken für Menschen, die aus einem anderen Kulturkreis kommen, Verständnis für das Anderssein des anderen. Brauchtum kann auch benützt und missbraucht werden, Heimat- und Landesbewusstsein zu übersteigertem Nationalismus umzufunktionieren, der mit dem Bild der Bedrohung arbeitet und die anderen, die nicht dazugehören, zu Feinden macht. Vom übersteigerten Nationalismus ist der Schritt nicht weit zu Rassismus.
Wir wissen heute, wie viel Not und Leid Nationalismus und Rassismus über unser Land und über die Welt gebracht haben. Und wir wissen, dass Nationalismus und Rassismus noch keineswegs überwunden sind. Wir wissen, dass der deutsche Nationalsozialismus Brauchtumspflege bzw. „Volkstumsarbeit“, wie es damals genannt wurde, sehr bewusst zur Umsetzung seiner politischen Ziele eingesetzt hat, und damals viele in der Brauchtumspflege engagierte Österreicher – die meisten sicher nicht ahnend, wohin der Weg dieser Diktatur führt – bereit waren, den diesbezüglichen Wünschen der Parteifunktionäre nachzukommen. Und wir wissen auch, dass sich in der konfliktgeladenen Zwischenkriegszeit Brauchtumsvereine haben hineinziehen lassen in die damals schwelenden parteipolitischen Auseinandersetzungen und damit auch die Vereinsarbeit mit politischem Konflikt belastet worden ist.
Das hat dazu geführt, dass sich die volkskulturellen Verbände in ganz Österreich zu Beginn der Zweiten Republik sehr klar auf überparteiliches Wirken festgelegt haben. Nicht nur in den Statuten. Überparteilichkeit ist seitdem ein echtes, immer wieder betontes und verwirklichtes Anliegen volkskultureller Tätigkeit, das – sollte sich ein Verein einmal nicht daran halten – von den Verbänden auch entsprechend eingefordert wird. (Überparteilichkeit hat nichts mit „unpolitisch“ zu tun. Vereinsarbeit, die zum Gelingen des Gemeinschaftslebens in den Gemeinden beiträgt, kann nicht unpolitisch sein.)
Dass dieser Weg nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in der Brauchtumspflege tatsächlich umgesetzt werden konnte, ist nicht nur den besonnenen volkskulturellen Führungskräften dieser Zeit zu danken, die bemüht waren, alle in der Brauchtumsarbeit tätigen Menschen zu kameradschaftlicher Zusammenarbeit zusammenzuführen. Viel haben dazu in Salzburg auch die führenden Landespolitiker, allen voran Landeshauptmann Josef Rehrl und Landeshauptmann-Stellvertreter Franz Peyerl, beigetragen, indem sie alle Salzburger, auch die, die zuvor Anhänger des NS-Regimes waren, eingeladen und aufgerufen haben, einen Neubeginn zu finden und gemeinsam eine neue Heimat zu bauen.
Landeshauptmann-Stellvertreter Franz Peyerl, der sich als hoch angesehener und von allen Bürgern geschätzter sozialistischer Politiker in der in dieser Hinsicht schwierigen Zeit klar zum Wert der Volkskultur bekannt hat und bereit war, die Ressortverantwortung über die Brauchtumspflege zu übernehmen, ist es insbesondere zu danken, dass Brauchtumsarbeit nach dem Zweiten Weltkrieg in Salzburg glaubwürdig als überparteiliches, nicht mit nationalsozialistischem Gedankengut durchsetztes Anliegen gesehen werden konnte.
Einer Auseinandersetzung mit der Frage der Rolle der Volkskultur in der NS-Zeit, konkret mit der Frage, wie weit Brauchtumspflege in der NS-Zeit mitgeholfen hat, dem Gedanken der Ausgrenzung mit all seinen Folgen in der Bevölkerung Boden zu geben, ist man lange Zeit ausgewichen. Diese Auseinandersetzung ist aber notwendig, um der Möglichkeit einer Wiederholung entsprechend entgegentreten zu können.
Überparteilichkeit in der volkskulturellen Arbeit erhält ihren Wert aber keineswegs nur im Vermeiden von folgenschweren Entwicklungen, wie wir sie aus der Vergangenheit kennen. Auch in einer gesicherten Demokratie ist es gut, wenn es Plattformen gibt, in denen Menschen unterschiedlicher politischer, weltanschaulicher oder religiöser Richtungen kameradschaftlich zusammenarbeiten, wie das in unseren Heimatvereinen und Brauchtumsgruppen, in unseren Musikkapellen, Chören und Schützengemeinschaften und in unseren Volkslied-, Volksmusik- und Volkstanzgruppen der Fall ist. Diese Vereine und Gruppen sind wichtige Keimzellen für ein Klima des friedlichen Miteinanderlebens der Menschen in unserem Land. Menschen, die miteinander singen, musizieren, tanzen oder Bräuche und Gemeinschaftsfeste gestalten, werden – sollten sie sich außerhalb des Vereines als politische Kontrahenten gegenüberstehen – in Konfliktsituationen sicher anders aufeinander zugehen, als Menschen, denen diese Plattform überparteilicher Zusammenarbeit fehlt.
Es wird daher wichtig sein, sich weiterhin für das Beibehalten des Weges der Überparteilichkeit in der volkskulturellen Vereins- und Verbandsarbeit einzusetzen. Es ist ein Weg, der nicht von selbst gelingt. Man muss ihn immer wieder aufs Neue bewusst gehen, auch dann, wenn damit einmal kurzzeitig Vorteile verwehrt bleiben. Von den Politikern erwarten wir, dass sie den Wert dieses Weges für unser Land und seine Entwicklung sehen und die Verbände und Vereine dabei unterstützen.
Die Tätigkeit der volkskulturellen Vereine und Verbände ist auch heute aufgebaut auf Freude an unserer Volkskultur, insbesondere an Brauch und Tracht, am Singen, Musizieren, Tanzen, Spielen und Gestalten, sowie auf der Bereitschaft der Vereinsmitglieder, sich mit dieser Tätigkeit unentgeltlich, also ehrenamtlich, in den Dienst der Mitmenschen zu stellen und auch ihnen Freude zu schenken. Was die Vereine damit unserem Land und seinen Menschen geben, kann nicht hoch genug geschätzt werden. Unser Zusammenleben wäre ohne ihren Beitrag um vieles ärmer und farbloser.
Es fehlt heute nicht an anerkennenden Worten vonseiten der weltlichen und geistlichen Führungskräfte des Landes. Dieses Aussprechen der Wertschätzung ist wichtig. Noch wichtiger aber ist es, die Rahmenbedingungen zu geben, die notwendig sind, damit sich ehrenamtliches Vereinsleben entfalten kann. Dazu gehört heute auch die Unterstützung durch entsprechend ausgebildete, bezahlte Kräfte. Das Land hat im Laufe der letzten Jahrzehnte zahlreiche wichtige, heute nicht mehr wegzudenkende Rahmenbedingungen geschaffen, die zu einer beachtenswerten Aufwärtsentwicklung in so vielen Bereichen der Volkskultur beigetragen haben.
Zu diesen höchst wertvollen Rahmenbedingungen gehört vor allem das Referat Salzburger Volkskultur im Amt der Salzburger Landesregierung als zentrale volkskulturelle Beratungs- und Betreuungsstelle. Es wurde gleich nach Ende des Zweiten Weltkrieges, damals unter der Bezeichnung „Dienststelle für Heimatpflege“, vom Land eingerichtet. Wichtige weitere Hilfestellungen wurden dann – neben der Bereitstellung von Förderungsmitteln für die Vereine – die Einrichtung einer gut ausgestatteten Geschäftsstelle für die volkskulturellen Verbände im Referat Salzburger Volkskultur und die Ausstattung der Verbände mit finanziellen Mitteln, die eine gute Betreuung der Vereine, vor allem aber die Durchführung zahlreicher, von besten Fachleuten geleiteten Fortbildungsveranstaltungen bzw. -wochen ermöglichte. Nicht übersehen werden darf hier aber auch die Unterstützung, die von anderen kulturellen Einrichtungen kommt, insbesondere die Arbeit von Radio Salzburg und seiner Abteilung Volkskultur mit steter Berichterstattung über Bräuche und beispielgebende volkskulturelle Veranstaltungen und der Ausstrahlung von täglich drei Stunden Volksmusik.
Diese Hilfestellungen des Landes, des ORF und weiterer kultureller Einrichtungen haben Früchte getragen und zu einem Aufblühen des volkskulturellen Lebens sowohl in quantitativer wie auch qualitativer Hinsicht geführt, wie man es vor 40 oder 50 Jahren nicht für möglich gehalten hätte. Es ist zu hoffen, dass diese Hilfestellungen weiter anhalten, und blühende, von ehrenamtlich tätigen Vereinen getragene Volkskultur weiterhin festen Bestand im Kultur- und Gemeinschaftsleben der Menschen unseres Landes bildet.
Die enge, kameradschaftliche Zusammenarbeit, wie es sie unter den Führungskräften der volkskulturellen Verbände Salzburgs gibt, ist einzigartig in den österreichischen Bundesländern. Sie hat bereits 50-jährige Tradition und wurde vom ersten Leiter des Referates Salzburger Volkskultur Kuno Brandauer grundgelegt. Von ihm kam zu Anfang der 1950er-Jahre die Idee, die volkskulturellen Verbände in das Referat einzubinden und zu wichtigen Hilfseinrichtungen des Referatsleiters zu machen. Gelungen ist das dadurch, dass Kuno Brandauer als Referatsleiter in halbamtlicher und halbehrenamtlicher Funktion die Führung der großen Landesverbände als von den Vereinen gewählter Landesobmann übernommen hat.
Damit war nicht nur eine für Österreich einmalige Unterstützung der volkskulturellen Verbände durch das Amt vorgegeben, sondern auch die enge Zusammenarbeit der Verbände untereinander grundgelegt, ihr gemeinsames Auftreten bei Festen und Feiern, aber auch wenn es darum ging, den ressortverantwortlichen Landesrat von der Notwendigkeit einer Erweiterung der Unterstützung der Verbandsarbeit zur Umsetzung neuer Aufgaben zu überzeugen. Diese Ausweitung der Unterstützung war immer wieder notwendig, denn die gute Betreuung der Vereine und das reiche Fortbildungsangebot haben zu einer dynamischen Entfaltung des volkskulturellen Vereinslebens geführt und die Verbände damit ständig zu neuen Anstrengungen herausgefordert.
Die Sicherstellung der weiteren engen Zusammenarbeit der Verbände war auch wichtiges Anliegen, als man sich 1996/97 zu einer Änderung der Verbandsstruktur mit einem Aufteilen der Verantwortung auf mehrere Führungspersönlichkeiten entschloss. Bis dahin war der Leiter des Referates Salzburger Volkskultur zugleich auch Landesobmann des Salzburger Blasmusikverbandes, des Landesverbandes der Salzburger Heimatvereinigungen und des Landesverbandes der Salzburger Schützen.
Kernpunkte der neuen Verbandsstruktur waren die Gründung des Landesverbandes Salzburger Volkskultur als Dachverband für alle volkskulturellen Landesverbände. Damit sollte die Verbände übergreifende Zusammenarbeit weiterhin gesichert sein. Weiters der Übergang auf ehrenamtliche Landesobleute für jeden Landesverband und – zur Unterstützung der ehrenamtlichen Landesobleute – die Schaffung der neuen Funktion „Geschäftsführer der volkskulturellen Verbände“ als vom Land bezahlter Dienstposten. Der Geschäftsführer ist zugleich Leiter der weiterhin dem Referat angeschlossenen Geschäftsstelle der Landesverbände.
Diese Neugestaltung fällt zusammen mit erneuten großen Herausforderungen im volkskulturellen Bereich als Folge einer großen Globalisierungswelle, ausgelöst durch die EU-Erweiterung mit dem Beitritt Österreichs. Um diesen neuen Herausforderungen erfolgreich begegnen zu können, ist aber nicht nur eine weiterhin enge Zusammenarbeit der volkskulturellen Verbände untereinander notwendig. Es bedarf auch einer Öffnung dieser Zusammenarbeit hin zu Einrichtungen und Institutionen, die den Volkskulturbegriff weiter sehen bzw. für die Volkskultur nur ein Teilbereich ihres viel weiter gefassten kulturellen Wirkens ist. Und es bedarf auch eines Sich-Öffnens hin zu neuen Themen und Aufgaben. Die traditionelle Volkskultur ist heute gefestigt genug, um sich auf diese Öffnung ohne Sorge einlassen zu können und aus dieser Öffnung für sich den Gewinn zu ziehen, den sie für einen erfolgreichen Weg in die Zukunft braucht.