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Jugendliche und Bewegung (Alexander G. Keul)[146]

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Spiel und Körper

Spiel umfasst unterschiedliche Felder: Im Vorschulalter gefallen Funktions- und Wiederholungsspiel (Rassel, Turnen), mit sechs Jahren werden Illusions- und Rollenspiele (Fantasietätigkeit) bevorzugt. Konstruktionsspiele (zielgerichtete Spiele) sind stets beliebt; Regelspiele (soziale Beziehungen) werden mit zunehmendem Alter gewählt und bestimmen die Erwachsenenwelt. Spiele vermögen vieles: sie haben die eigene Innenwelt zum Thema, setzen Gefühle frei, leisten seelische Hygiene/Katharsis. Eine Spieltherapie hilft Kindern, ihre Probleme auszudrücken, Lösungen zu suchen, sich zu entlasten.

Kindliche Motorik folgt dem Modelllernen und sucht Objekte und Personen zur Nachahmung. Die Aneignung der Umwelt, der geschickte Gebrauch von Sinnen und Muskeln wird unter „Psychomotorik“[147] zusammengefasst. Frühförderung arbeitet wesentlich mit spielerischer Bewegung. Ab etwa drei Jahren können Kinder geschlechtsspezifisches Verhalten der Erwachsenen richtig einstufen. Ab fünf Jahren wird eigene „Geschlechtskonstanz“ erlebt und auch logisch begründet.

Menschliche Körper sind nicht als Dinge mit fest bestimmten Eigenschaften zu sehen, sondern kulturpsychologisch als bedeutungshaltige Gebilde, deren Möglichkeiten im Handeln, oft dialogisch, gesucht und bestimmt werden.[148] Wie bei unbelebten Objekten lässt sich beim menschlichen Körper Objektivierung und Subjektivierung unterscheiden. Körperliches Handeln kann „objektiv“ ablaufen (Kraft, Balance), aber auch „subjektiv“ (Handlungsfähigkeit, Ausdruck).[149]

Bewegung und Sport

Die motorischen Fähigkeiten der Kinder steigern sich mit ihrem Alter, wobei Raumbedarf und Selbstständigkeit wachsen: aus dem „Krabbelkind“ wird der „Dreiradfahrer“, später der „Skateboarder“. Bewegungs-, Spielfreude und Forschungsdrang setzen eine Umwelt voraus, die diesen Bedürfnissen und Handlungsmotiven entgegenkommt. Umständlich Hergestelltes kommt bei Heranwachsenden schlechter an als natürlich Vorgefundenes. Kinder sind daher lieber im Wald, in „Gstättn“ oder Baugruben als auf „Spielflächen“. Ihre beliebtesten Wohnumfeld-Motive sind Garten, Wasser und Tiere.

Auch Sport, der zu den von der Gesellschaft akzeptierten Bewegungsritualen gehört, ist für Kinder und Jugendliche von großer Bedeutung. Sport ist Handlung, Reizsuche, Körpergefühl, Selbstzweck, Reaktionsvermögen, Können, Wiedererleben, Herausforderung, Ich-Bestätigung, Spiel und Risiko.[150]

Sport bietet auch die Chance intensiver sozialer Beziehungen, dient einer „Schärfung der Sinne“ und dem Erleben neuer eigener Kompetenz. Der jugendliche Bewegungsdrang kann auch als ein Ersatz für Initiationsriten gesehen werden: etwas riskieren, daran wachsen und damit zur Erwachsenenwelt gehören.[151]

Der Sport hat englische Wurzeln

Historisch gesehen liegen die Wurzeln des modernen Sports in England, wo die Oberschicht im 18. Jahrhundert Unterschicht-Angehörige Wett- und Preiskämpfe nach genauen Regeln austragen ließ. Die Oberschicht ahmte diese „sports“ später gerne selbst nach. Die Begriffe und Bedeutungen von „sportsman“, „gentleman“, „fair play“ entstanden. Ersten Schulsport (Rudern, Cricket) und Sportvereine gab es in England etwa ab 1830.

Die Industrialisierung und Urbanisierung öffnete den Sport (z. B. Football) für ein Massenpublikum. Es entstanden klassenspezifische Sportarten wie Pferderennen und Motorsport. Ab 1870 beeinflusste der britische Sport deutsche Gymnasiallehrer. Die Folge war eine nationale Turnbewegung neben der bürgerlichen Sportbewegung, nach 1900 entstanden die Arbeiter-Turnvereine.[152]

In einer Zeit zunehmender Bewegungslosigkeit ist körperliche Aktivität zu einem der wichtigsten gesundheitspolitischen Anliegen geworden.[153] Trotz aller Verknüpfung der Bereiche Bewegung und Sport sollten auch die alltäglichen Bewegungsformen nicht aus den Augen gelassen werden. Attraktive kleinräumige Alltagsumgebung mit guter Infrastruktur setzt menschliche Bewegung frei, autogerechte Weite friert sie ein.



[146] Kurzfassung von Ilona Holzbauer und Melanie Lanterdinger

[152] [Langenfeld 1987], S. 351-357.

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