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5.12. Bräuche im ehemals fürstlichen Berchtesgaden (Franz Schned)

5.12.1. Kurztext[1656]

5.12.1.1. Advent- und Weihnachtszeit in Berchtesgaden

Für seine Darstellung von Bräuchen rund um die Weihnachtszeit hat Franz Schned – ein ehrenamtlicher Kreisheimatpfleger – Befragungen vor Ort durchgeführt. Bis heute haben sich im Raum Berchtesgaden in der Adventzeit die Engelämter, das Fraubeten und das „Klöcklsingen“ – an den ersten drei Donnerstagen im Advent tragen neben dem Kirchenchor vor allem Kinder Adventlieder vor und bitten um Spenden – erhalten. Der Advent ist auch die Zeit des „Guatlbackens“ (Guatl = Plätzchen, Weihnachtsgebäck).

Ein regionaler Nikolausbrauch ist der Butt(e)nmandllauf, der Gemeinsamkeiten mit dem Mitterndorfer Nikolospiel, einem Benediktinerspiel des 17. Jahrhunderts, aufweist.[1657] In den Gnotschaften[1658] Loipl und Winkl, Gemeinde Bischofswiesen, wird der heilige Nikolaus vom Nikoloweibl (in Winkl von einem Engel), von Krampussen und den Buttenmandln (= Gestalten, in ausgedroschenes Stroh gehüllt, mit Larven, die an Tiere bzw. spätmittelalterliche Dämonen erinnern)[1659] begleitet.

Das Weihnachtsfest ist von Rauchbräuchen geprägt, was sich auch in der Benennung der Speisen an den drei Rauchabenden (Heiliger Abend, Silvester und 5. Jänner) als „Rachnudeln“ oder „Rauchbrot“ niederschlägt. Mit dem Weihnachtsgeschehen sind in Berchtesgaden die Bräuche der Berchtesgadener Bergknappen und der Berchtesgadener Weihnachtsschützen verbunden.

5.12.1.2. Nikolaus und Butt(e)nmandl

In den Gnotschaften Loipl und Winkl, Gemeinde Bischofswiesen, findet alljährlich der Buttenmandllauf statt, welcher auf ein Manuskript aus dem Jahr 1642 zurückgeht. Die Buttenmandln sind – wie die Krampusse – Begleiter des heiligen Nikolaus. Während in Loipl das Nikoloweibl zu den Vertrauten des Nikolaus zählt, ist es in Winkl ein Engel. Der Brauch wird vom sogenannten Buttenmandl-Meister, der über die Teilnahme der Personen und ihre Funktion entscheidet, weitergegeben. Seine Zeichen sind die „Meister-Rolle“, eine Maske, die „Meister-Larve“, das Meisterhorn (Kuhhorn) und eine große Kuhglocke, deren Klang die Anwesenheit des Meisters signalisiert.

Die Buttenmandln tragen im Gegensatz zum Krampus, einer teufelsähnlichen Gestalt mit Ketten und Weiderute, eine Tiervermummung mit „Fellmaske“ und umgeschnallte Kuhglocken. Nach dem aufwendigen Vorgang des Ankleidens versammeln sich die Läufer auf der Koller-Höhe. Erst nach dem Gebet beginnt der Lauf: Vorneweg schreitet der Nikolaus, neben ihm das Nikoloweibl, dahinter laufen die Buttenmandln und Kramperl. In den Häusern beschenkt der Nikolaus unter Mithilfe des Nikoloweibls die wartenden Kinder. Nach dem Beschenken wird die Stube „ausgramt“, d. h., die Buttenmandln sorgen dafür, dass die Bewohner das Haus verlassen.

5.12.1.3. Die Berchtesgadener Bergknappen

Der Zunft (tatsächlich eine Bruderschaft) der Bergknappen wurde in Berchtesgaden im Jahr 1617 der Zunftbrief, 1628 die Präsentationsfahne verliehen. Die Bergknappen drücken ihre religiöse Verbundenheit in zahlreichen kirchlichen Bitt- und Dankfeiern aus. Im Weihnachtsfestkreis nimmt der Dreikönigstag, mit dem das Zunftjahr beginnt, eine besondere Stellung ein. Zusätzlich zur Bergweihmesse in der Stiftskirche in Berchtesgaden wird die Bergweihe, die seit 1528 urkundlich erwähnt ist, abgehalten.

Die Bergleute versammeln sich in Halbparade (weißer Bergkittel mit weißer Hose, Arschleder, Schachthut ohne Federbusch) und gehen gemeinsam mit dem Pfarrer und den Ministranten in den Berg. Die Bergleute tragen brennende Kerzen, ihnen voraus geht ein Bergmann mit dem kleinen Zunftkreuz. Während der Prozession wird das Evangelium nach Matthäus (5,13–16), Markus (8,34–38), Lukas (12,35–40) und Johannes (1,1–14) verlesen, und der freudenreiche, der schmerzhafte und der glorreiche Rosenkranz werden gebetet. Gemeinsam singen die Teilnehmer vor dem am Schacht aufgestellten und mit brennenden Kerzen geschmückten Christbaum „Stille Nacht! Heilige Nacht!“. Türen und Tore werden mit „C+M+B“ und der jeweiligen Jahreszahl angeschrieben. Beim Pumpenhaus über Tage werden die Solepumpen der Soleleitung nach Bad Reichenhall gesegnet und mit Weihrauch beräuchert. Nach der Zeremonie sitzen die Bergleute in der alten Kaue zusammen; Geistlichkeit, Mesner, Zunftmeister und Werksleiter werden im Fürstenzimmer des Salzbergwerkes bewirtet.

5.12.1.4. Die Berchtesgadener Weihnachtsschützen

Zwischen Untersberg, Göll und Watzmann geht es zur Weihnachtszeit laut zu, und zwar dann, wenn die Berchtesgadener Weihnachtsschützen ihre Böllerschüsse abgeben. Seit 1925 sind sie zu den „Vereinigten Weihnachtsschützen des Berchtesgadener Landes“, einer Vereinigung mit ordentlichen Statuten, zusammengeschlossen. Die 17 Vereine haben 3.000 Mitglieder, darunter 1.100 aktive Schützen. Mit ihren Schüssen begleiten die Weihnachtsschützen in Berchtesgaden das Weihnachtsgeschehen.

Acht Tage vor Weihnachten beginnt das nachmittägliche Christkindlanschießen zum Klang der Kirchenglocken, bei dem das Christkind durch Böllerschüsse empfangen wird. In der Kirche in Unterstein wird am Heiligen Abend die geschmückte Fahne der Weihnachtsschützen aufgestellt.

Am Heiligen Abend versammeln sich die Weihnachtsschützen um ca. 23 Uhr bei ihren Schützenständen. Eine halbe Stunde vor der Christmette erreicht das Schießen seinen Höhepunkt, um mit dem Einsetzen des Glockengeläutes zur Mitternachtsmette zu verstummen. Zu Silvester wird kurz vor Mitternacht das alte Jahr „außigschossn“, d. h. verabschiedet. Nach dem Jahreswechsel wird das neue Jahr mit Schüssen begrüßt.

5.12.2. Langtext

5.12.2.1. Einleitung

Als ehrenamtlichen Kreisheimatpfleger interessieren mich die Bräuche im ehemals fürstlichen Berchtesgaden, das 1810 – nach 800 Jahren hoheitlicher Selbstständigkeit – zum Königreich Bayern kam, besonders. In der frühen Literatur des 19. Jahrhunderts werden diese Bräuche in ihren Abläufen geschildert (z. B. August Hartmann). Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts werden die Bräuche rund um die Weihnachtszeit in der Literatur stets als vorreligiöse heidnische Kulte gesehen, die ins Christentum eingeflossen sind. Heute gibt es dazu vielfältige Meinungen in der Bevölkerung und neue Literatur, die Bräuche wieder in ihrer geschichtlichen Entwicklung zeigt. Nachfolgend befassen wir uns mit Bräuchen und Besonderheiten, die sich bis heute erhalten haben und stellen sie aus der Sicht der Bevölkerung dar, ohne die heute beliebten Deutungen zu hinterfragen. Wir beginnen in der Adventzeit mit „Klöcklsingen“, Engelämtern, Fraubeten, dem Buttenmandl-Lauf und spannen den Bogen hin zum Weihnachtsfest, wo wir Rauchbräuche, die Bräuche der Berchtesgadener Bergknappen und der Berchtesgadener Weihnachtsschützen betrachten. Dieser Darstellung liegt eine vom Autor durchgeführte Befragung von Personen vor Ort zugrunde.

5.12.2.2. Heiligentage

Mehrere Heiligentage spielen in der Adventzeit im Volksbrauch noch eine bedeutende Rolle. Am 4. Dezember ist der Tag der heiligen Barbara. Es ist allgemein üblich, an diesem Tag Kirsch-, Zwetschgen- oder Schlehdornzweige zu besorgen und diese frisch geschnitten in ein Gefäß mit Wasser zu geben. An Weihnachten sollen die Zweige aufblühen. Die Tochter des heidnisch römischen Feldherrn Dioskurus wurde von ihrer Magd zum christlichen Glauben bekehrt, worauf die Todesstrafe stand. Im Jahr 306 wurde sie von ihrem Vater eigenhändig enthauptet. Der Legende nach hat sich ihr Gewand auf dem Weg zum Gefängnis an einem Kirschzweig verfangen, den sie in einen Krug mit Wasser gegeben hatte. Am Tag ihres Martyriums habe dieser Zweig zu blühen angefangen. Die am 4. Dezember im Gedenken an die heilige Barbara geschnittenen Zweige werden mit der Geburt Jesu in Verbindung gebracht. Die weihnachtliche Blütenpracht in Zusammenhang mit dem neuen Leben bringt Glück.

Am 8. Dezember (Mariä Empfängnis) beginnen die Hausfrauen von jeher mit dem weihnachtlichen Backen. Das Fest der heiligen Lucia, die als Lichtbringerin verehrt wird, fällt auf den 13. Dezember. Der Legende nach lebte die heilige Lucia in Syrakus (Sizilien) und starb als Märtyrerin im Jahr 304 zur Zeit der Christenverfolgung unter Kaiser Diokletian.

Am 22. Januar wird der heilige Vinzenzius gefeiert. Er ist der Schutzheilige der Forstleute und Holzknechte. In Ramsau wird dieser Tag heute noch als der große Feiertag begangen. Nach einem feierlichen Hochamt in der Pfarrkirche kommt man anschließend beim Oberwirt (ehemalige Fürstpröpstliche Stiftstaverne) zusammen. Dabei wird nicht nur gespeist, sondern auch über frühere Erlebnisse (Ramsau war einst auch Schwerpunkt der Salinenholzwirtschaft) erzählt und gesungen. Es ist für das gesamte Forstamt ein ganztägiger Feiertag.

5.12.2.3. „Klöcklsingen“, „Klökösingen“

An den drei ersten Donnerstagen im Advent ist es zum „Klöcklsingen“ (= anklocken oder anklopfen). Dieser Heischebrauch wurde und wird heute noch in verschiedenen Regionen, u. a. im alpinen Bereich, Ober- und Niederbayern und nicht zuletzt im ehemals fürstlichen Berchtesgadener Land, geübt. Gleichzeitig wünscht man auch frohe Festtage. Das „Klöcklsingen“ war stets für arme Leute (unverheiratete Erwachsene, verkleidet als Hirten) ein Gabensammeln vor dem Fest. Vor wenigen Jahren zogen einheimische Sänger (meist drei Männer) mit alpenländischen Vorweihnachtsliedern von Haus zu Haus, allerdings ohne sich von den Hausleuten Gaben zu erwarten. Heute sind es hauptsächlich Kinder, die diesen Brauch ausüben.

Im Ortsteil Maria Gern, Markt Berchtesgaden, gehen die Kinder (Buben und Mädchen) als Hirten verkleidet ab 17.00 Uhr bis ca. 19.30 Uhr von Haus zu Haus und singen Adventlieder, zum Beispiel die Herbergsuche und dergleichen. Sollten Kinder, die noch nicht schulpflichtig sind, dabei sein, werden diese von den Eltern oder anderen Erwachsenen unauffällig begleitet. Seit dem Jahr 2000 geht auch der Kirchenchor gemeinsam „Klökösingen“, um den Brauch nicht aussterben zu lassen. Geschenke oder Geld will man wohltätigen Zwecken zur Verfügung stellen. Am letzten Donnerstag vor dem Heiligen Abend wird auf keinen Fall zum „Klökösingen“ gegangen; es handelt sich um eine Losnacht, es könnten böse Geister mitgehen, was Unglück bedeuten würde.

5.12.2.4. Engelämter

Im Advent werden in den Kirchen die Rorate oder Engelämter gefeiert (d. s. Hochämter mit Incensation, d. i. Beräucherung des Altars und der Gläubigen; im salzburgischen und oberösterreichischen Salzkammergut heißt auch das Hochamt am Christtag „Engelamt“, im Gegensatz zum „Hirtenamt“, der Mette am Heiligen Abend). Obwohl diese früher täglichen Hochämter heute auf die Adventsonntage beschränkt sind, sind sie nach wie vor sehr beliebt und gut besucht. Die Orgel mit Chor wird heute weitgehend von einheimischen Volksmusikgruppen ersetzt. Diese feierlichen Engelämter wurden für ganze Familien gelesen, heute für mehrere und teilweise auch für ganze Gnotschaften.[1660] Das Adventkranzbinden mit kirchlicher Weihe fällt ebenfalls in diese Zeit, wobei auch noch vereinzelt statt des Adventkranzes ein sogenanntes „Paradeisei“ aufgestellt wird. Das sind vier rote Nikolo-Äpfel, mit je einer Kerze darauf und mit verzierten Holzstäben verbunden, die jeweils an den vier Adventsonntagen angezündet werden. Der aus „Tannendaxen“ (Tannengrün) oder Fichten gebundene Adventkranz wird auf den Tisch gestellt, bei dem gebetet wird.

5.12.2.5. Nikolaus und Buttenmandl-Lauf

Am 5. Dezember, dem Vorabend seines Festtages, kommt im Markt Berchtesgaden der Nikolaus in bischöflichen Gewändern mit Rauchmantel, Mitra auf dem Kopf und Stab in der Hand. Er wird von „Kramperln“ – mit Tierfell und kurzen Hörnern verkleidet – kettenrasselnd begleitet. In den letzten Jahren haben sich aus der näheren Umgebung auch Buttenmandl-Passen (Gruppen) dazugefunden. Ansonsten besucht der Nikolaus nach vorheriger Absprache am 6. Dezember die Familien mit Kindern in den Häusern zur Bescherung. Im Markt hingegen wird in der Öffentlichkeit oft ein regelrechtes „Treiben“ veranstaltet, das vor allem die jungen Burschen und Mädchen sich in großer Zahl einfinden lässt.

Ein Nikolausbrauch besonderer Art ist der „Buttenmandl-Lauf“ in den Gnotschaften Loipl und Winkl, Gemeinde Bischofswiesen. Alljährlich treten am ersten Adventsonntag in der Gnotschaft Loipl und am zweiten Adventsonntag in der Gnotschaft Winkl in ausgedroschenes Stroh gehüllt, mit Tierlarven verkleidet, vermummte Gestalten auf, die den Nikolaus begleiten. Das Jahr 1642 datiert ein streng gehütetes, von einem ehemaligen Buttenmandl-Meister verfasstes Manuskript über die Rituale, des Buttenmandl-Laufs, der nur in den genannten Gnotschaften stattfindet. Der Buttenmandl-Meister ist der Bewahrer dieser Tradition.

5.12.2.5.1. Wahl des Buttenmandl-Meisters

An einem Novembertag lädt der jeweils für ein Jahr amtierende Buttenmandl-Meister die Teilnehmer des Vorjahres zur Versammlung ein. Dabei wird beraten, ob die neu angemeldeten Anwärter mitlaufen dürfen oder nicht. Mitlaufen dürfen sie heute grundsätzlich alle. Sie müssen aber mindestens 16 Jahre alt, ledig und gut beleumundet sein. Wer als Krampus dabei sein will, muss schon dreimal Buttenmandl gewesen sein. Die Neulinge sind nicht dabei, wenn über sie beraten wird. Sie erfahren erst acht Tage vor dem Lauf, ob sie mitmachen dürfen.

Bei dieser Versammlung wird alljährlich mit einfacher Stimmenmehrheit ein neuer Buttenmandl-Meister gewählt. Mindestens dreimal muss er selbst Buttenmandl gewesen sein. Er allein bestimmt dann den Nikolaus und seinen Begleiter, was bis zuletzt geheim gehalten wird. Dieser Begleiter ist in Loipl ein Nikolo-Weibl, das auch von einem Burschen dargestellt wird. Frauen und Mädchen dürfen keinerlei kultische Maskengestalt verkörpern. Anstatt des Nikolo-Weibls begleitet in der Gnotschaft Winkl ein Engel den heiligen Nikolaus. Das Ritual läuft genau so ab wie in Loipl. Im Laufe der Versammlung übergibt der alte Buttenmandl-Meister dem neu gewählten als Zeichen seiner Würde die „Meister-Rolle“, eine große Kuhglocke, eine Maske sowie die „Meister-Larve“ und das Meisterhorn (ein Kuhhorn). Die große Kuhglocke mit ihrem tief dröhnenden Klang signalisiert später beim Lauf, dass der Meister dabei ist.

5.12.2.5.2. Verkleidung der Buttenmandln

Der Buttenmandl-Lauf beginnt mit dem Verkleiden und Maskieren, was heute regelmäßig gleichzeitig in fünf verschiedenen Lehen (Bauernhöfen) in Loipl erfolgt. Das Verkleiden in der verschlossenen Tenne ist für die Buttenmandln eine sehr anstrengende Prozedur. Da liegen die Burschen zunächst auf dem Boden auf ausgedroschenem Stroh. Zwei Männer ziehen die Lagen aus Stroh mit groben Stricken zusammen, stemmen sich mit dem Fuß gegen den „lebenden“ Strohballen, wickeln, zurren und zupfen ihn zurecht. Dann heben sie ihn auf und stellen ihn vor. Eine lange rote Zunge aus Stoff hängt aus dem „Fellmaskenmaul“. Die Öffnungen für Augen und Mund sind grob ausgeschnitten und schwarz umrändert. Die Buttenmandln tragen eine ausgesprochene Tiervermummung im Gegensatz zum Krampus mit einer Teufelsverkleidung. Um den Leib bekommen sie schließlich Kuhglocken geschnallt, die später weithin erschallen. Der Krampus wird in eine Verkleidung mit schwarzer Maske gesteckt, erhält Ketten und eine Weidenrute. Zwei bis zweieinhalb Stunden dauert es, bis alle vermummt, maskiert und richtig ausstaffiert sind.

5.12.2.5.3. Zusammenlaufen der Buttenmandln mit Bescherung

Bei Einbruch der Dunkelheit kommen die verkleideten Buttenmandln aus den fünf Bauernhöfen zu einem ganz bestimmten Treffpunkt (Wegkreuzung oberhalb der Grabenmühle) in Loipl zusammen. Von dort wird gemeinsam zum Dürrlehen (Bauernanwesen in Loipl) gelaufen, wo der Nikolo und das Nikolo-Weibl abgeholt werden. Gemeinsam geht es nun zum „Zusammenlaufen“ auf die Koller-Höhe (Bezeichnung nach dem Lehen). Hier wird kein Zuschauer geduldet. Etwa 300 Meter Respektabstand erfordert die „religiöse“ Vorbereitung, bei der alle ihre Masken abnehmen. Ein Vaterunser für die verstorbenen Buttenmandln, ein Gegrüßet-seist-du-Maria, ein Engel-des-Herrn sind die weiteren Gebete. Abschließend besprengt die alte Bäuerin vom Kollerlehen mit einem Tannenzweig jedem mit Weihwasser die Stirn. Der Meister erklärt nun die ganze Laufroute, und mit lautem Glockengeläut und Kettengerassel setzt sich die gespenstische Buttenmandl-Schar im Dunkel, oft bei hohem Schnee (Loipl liegt auf rund 850 Metern Seehöhe), in Bewegung.

Vorneweg schreitet der Nikolaus, neben ihm das Nikolo-Weibl, dahinter läuft die ganze Schar Buttenmandln und Kramperl. Wehe dem Zuschauer, der es riskiert, vor dem heiligen Nikolaus herzulaufen. Er bekommt die Ruten der Teufel zu spüren. Bei den vorbestimmten Lehen wartet die ganze Nachbarschaft in der Stube, die meistens brechend voll ist, auf die unheimliche Gruppe mit wild anschwellendem Lärm. In der Stube wird es schließlich ganz still. Die Buttenmandln drängen herein, schlagen mit den Ruten auf den Tisch, schreien wild durcheinander. Dann erscheint der heilige Nikolaus in der Stubentür, klopft dreimal würdevoll mit seinem Bischofsstab auf den Boden, und es wird mit einem Mal absolut still. Der Nikolaus und das Nikolo-Weibl mit dem geflochtenen Korb gehen in die Ecke zum Stubentisch unter dem Herrgottswinkel, wo sich eine dicht gedrängte Kinderschar aufhält. Und nun beginnt die Zeremonie des Beschenkens. Alle Buttenmandln müssen sich dabei niederknien – zum Zeichen, dass der heilige Nikolaus auch über die bösen Geister herrscht und sie von den Kindern fernhält. Von den größeren Kindern lässt er sich Gedichte, Gebete und dergleichen aufsagen, lobt und tadelt, je nachdem. Andächtig lauschen die Kinder den Worten des Nikolaus und mit glänzenden Augen nehmen sie dann vom Nikolo-Weibl die Geschenke entgegen; meist sind es Äpfel, Nüsse oder ein paar Süßigkeiten. Mit Gebeten schließt die fromme Bescherung.

Hernach bricht der wildeste Teil dieses doppelgesichtigen Brauches aus – das „Stub’nausramma“ (Stube ausräumen). Die aufgeregten Buttenmandln kommen dabei in wüste Handgemenge. Sie zerren die Erwachsenen mit Gewalt durch die Haustür in die kalte Winternacht und so mancher Halbwüchsige will sich dabei mit den Buttenmandln kraftmäßig messen. Die jungen Mädchen kommen dabei auch nicht zu kurz. Zimperlich wird bei einer solchen Aktion nicht vorgegangen. Der Spruch „Ausgramt muaß wern“ hat sehr wohl einen tieferen Sinn. Dieses Ausräumen gilt für alle in der Stube, auch für die Großmutter, die allerdings auf sanfte Art vor die Tür gesetzt wird. Eine breite Spur des verloren gegangenen Strohs zieht sich aus dem Haus. Wie es danach in den Stuben aussieht, kann sich jeder selbst ausmalen. An den folgenden Tagen verrät das verloren gegangene Stroh wieder einmal deutlich den Weg des Buttenmandl-Laufs.

5.12.2.5.4. Die Buttenmandln

Der Buttenmandl-Lauf wurde im Zuge nationalromantischer Strömungen als ein besonders altes Beispiel einer Verschmelzung von Bräuchen aus verschiedenen alten Kulturen gedeutet. Der christliche Brauch von der Einkehr des heiligen Nikolaus pflegt den alten, erzieherischen Grundsatz von der Belohnung des Guten und Bestrafung des Bösen. Die vielen Begleitgestalten des heiligen Nikolaus sind hier wohl auch noch von christlichen Überlieferungskreisen bestimmt. Die Buttenmandln wurden gerne als der „ursprüngliche Charakter“ gesehen. Ihre Kleidung aus ausgedroschenem Stroh und die Tierköpfigkeit wurden oft als Darstellung von Fruchtbarkeitsgeistern gedeutet. Seit der Zeit der naturmythologischen Sehnsucht des 19. Jahrhunderts werden sie als winterliche Dürrmasken gedeutet, die in den Bereich agrarischer Kultgedanken gehören. Vielfach haben sich in den letzten zwei Jahrhunderten volkstümliche und zeitbedingte Meinungen zu den Entstehungsgeschichten von Figuren und Bräuchen überlagert. Kritische Analysen zum gegenwärtigen Traditionsverständnis hat Hans Schuhladen geleistet, die allerdings, wie er selbst darstellt, nicht den Bedürfnissen der „Brauchträger“ entsprechen. So bestehen heute in Berchtesgaden folgende Meinungen:

Die weibliche Begleitung des heiligen Nikolaus wird als ein einzigartiges Brauchelement in der heutigen Zeit angesehen. Die in dem aufgezeigten Dokument erwähnte Zahl zwölf der Buttenmandln versinnbildliche im Jahreskreis die bei den Alten Weih- und Losnächte genannten Vollmondnächte, in denen die Rügegerichte stattfanden. Das Nikolo-Weibl vereinige symbolisch christliche Mutterliebe und Fürsorge mit einem vorchristlichen Kultwesen des Wachstums. Das heute noch sogenannte „Stubenausräumen“ symbolisiere ebenfalls nichts anderes als Freimachen von dem alten Bösen und das neue, wachstumsfördernde Licht-Hereinbringen. Es ist die Zeit des wachsenden Tages und der kürzer werdenden Nächte. Ein Neuanfang werde bildlich vergegenwärtigt. Die Strohmasken (einfache frühe Masken aus Naturmaterialien der Landwirtschaft) würden – in der Meinung der Bevölkerung – auf den Winter hinzeigen, das Rütteln solle den Menschen aus dem langen Winterschlaf zu neuer Lebenskraft entfalten und das Böse in die Finsternis vertreiben. Das Wort „butten“ wird als butteln = rütteln, Glockenrütteln verstanden. Dagegen könnte man auch anführen, dass die „Buttn“ ein großer Tragkorb ist, und Figuren in Stroh gehüllt, mit Krampuslarven und solchen Butten, in denen sie Kinder mitnehmen, schon im frühen 16. Jahrhundert in der protestantischen Karikatur des katholischen Nikolausbrauches dargestellt sind. Das vorerwähnte Schriftstück des Buttenmandl-Meisters aus Loipl schließt mit der Mahnung: „Dieser Sitt und Brauch der Alten – wir im vorgenannten Sinn erhalten.“ Dieser Spruch ist in Österreich und Deutschland der Wahlspruch der großen Gebirgstrachtenerhaltungsvereine, die ab 1900 entstanden und nach Kontinuität und Tradition suchten.

5.12.2.6. Das „Wachrütteln“ der Bäume

Den Brauch des Wachrüttelns kannte man noch vor wenigen Jahren in verschiedenen Gnotschaften. Bevor man nach dem Christmettenamt heimkam und ins Haus ging, wurden die Obstbäume gerüttelt bzw. angeklopft. Dabei wurde u. a. folgender Spruch gesagt:

„Bam, Bam wach auf, setz deine Blüahei auf. Trag recht vui Äpfi oder Birn bet grad für’n Bauern, aa für die Dirn.“

Ein Pendant zum „Wachrütteln der Bäume“ ist das sogenannte „Impwecken“: Man ging zu den Bienen, räucherte und besprengte die Körbe oder Kästen und sprach dazu: „Auf, auf in Gott’s Nam, / helfts wiederum z’sam; / bringts der Kirch a Wachs / und uns an Hönig, / an guaten, und net zwenig.“

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das Buttenmandl-Laufen und andere Bräuche im Bewusstsein der Berchtesgadener heute noch „nach altem Ritus“ stattfinden. Die vielen Versuchungen einer folkloristischen Vermarktung – diese gab es, wie Bestrebungen der Pflege, schon seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts – haben ihrer Ansicht nach „nicht gegriffen“, weil die Menschen vor Ort „noch ganz in ihrem Element hinter dem Brauch stehen“, ihn erleben und von seiner Authentizität überzeugt sind.

5.12.2.7. „Fraubeten“

Das „Fraubeten“, das noch nach dem letzten Krieg in Ettenberg stattgefunden hat, hat sich in der Zwischenzeit insofern gewandelt, als sich beim „Eck-Lehen“, Gnotschaft Hinterettenberg, die Teilnehmer dieses Brauches an den Abenden des 7. und 8. Dezember in der Stube einfinden. Abends werden beim „Eckei“ (Ecklehen) der freudenreiche und der schmerzhafte Rosenkranz gemeinsam gebetet, zahlreiche sogenannte „Heiligenbilder“ und Kerzen schmücken die Stube. Nach einer kurzen Pause werden der glorreiche Rosenkranz und die Lauretanische Litanei gebetet. Für die verstorbenen Hausleute, Nachbarschaft und andere Abwesende sowie für die Gefallenen und Verstorbenen der drei Ettenberger Gnotschaften werden „Vaterunser“ gebetet. Danach wird als kleiner „Hoagascht“ gemütlich bei Bier und Guatl (= Plätzchen, Weihnachtsgebäck) zusammengesessen.

5.12.2.8. Rauchbräuche

Am ersten Adventsonntag wird geweihter Weihrauch zum Rauchen aufgelegt (Bereithalten für die kommenden Raunächte/Rauchnächte). Nach dem Nikolaustag (6. Dezember) wird die Weihnachtskrippe aufgestellt. Das Christkind und die Heiligen Drei Könige sind im Figurenreigen noch nicht dabei. Es ist auch die Zeit des überall noch gebräuchlichen „Guatlbackens“ für die Hausfrau. Die Kinder schreiben ihre Wunschzettel fürs Christkind und legen diese auf den Balkon oder vor das Fenster und beschweren sie mit einem Stein, damit sie nicht verloren gehen, bevor sie das Christkind abholt. Verschiedentlich werden auch, wie früher, Heiligenbilder oder sakrale Figuren zwischen den einzelnen Familien zum Verbleib für ein bis zwei Tage herumgereicht. Eine Woche vor Weihnachten wird die Stube, insbesondere der Herrgottswinkel (Herrgottswinkel = die Ecke hinter dem Esstisch in der Stube), mit Tannengrün (mundartlich „Dänner-Taxa“) ausgeschmückt.

Im bäuerlichen Anwesen wird mit den Stallarbeiten früher als sonst begonnen, denn erst nach dem Räuchern wird zu Abend gegessen. An den drei Rauchabenden Heiliger Abend, Silvester und 5. Jänner – aber wirklich nur an diesen – gibt es sogenannte „Honignudeln“ mit Kompott (getrocknete Zwetschgen oder Apfelkompott), wobei es sich bei den Nudeln um selbst gemachte Rohrnudeln (d. s. Buchteln bzw. Dampfnudeln) handelt, die von der Mutter oder Bäuerin speziell für den Abend mit Rosinen in einem Reindl gebacken werden. Danach werden die Nudeln mit zerlassener Butter (mit Honig vermischt) übergossen, die in die Nudeln einzieht und ihnen einen eigenen Geschmack verleiht. Diesen Rauchnudelbrauch gibt es nur in der Gnotschaft „Stoa“ = Oberstein, Markt Schellenberg. In den Gnotschaften Ettenberg hingegen wird das Rauchbrot angeschnitten, dazu gibt es das Kletzenbrot und ein Glas Schnaps.

An den Raunächten wird abends nicht nur geweihräuchert, sondern auch gebetet. Der Vater geht mit seinem ältesten Sohn (oder einem anderen Kind) in sämtliche Räume des Hauses und der Stallung. Der Vater trägt das bereitgestellte Rauchgefäß – vereinzelt noch ein altes Holzbügeleisen –, in dem der Weihrauch auf Buchenholzglut liegt; der Begleiter trägt das Gefäß mit Weihwasser und einen Wedel (Tannenzweig). Während des Rauchens und Betens sprengt der Begleiter mit dem Weihwasser; der Vater betet das „Heilig, heilig, heilig bist Du Herr aller Mächte und Gewalten ...“ und die Rosenkranz-G‘sätzel des freudenreichen, des schmerzhaften und des glorreichen Rosenkranzes. Beim Rundgang wird jedes Stück Vieh angeraucht und besprengt, auch der Laib Brot wird angeraucht. Beim Umgang um das Haus oder Anwesen sprechen der Vater und das ihn begleitende Kind zum Schluss die Worte: „Gott Vater, Gott Sohn, Gott Heiliger Geist“.

Die übrigen Familienmitglieder schicken sich mit der Mutter an, in der Stube gemeinsam um den Esstisch vor dem Herrgottswinkel den Rosenkranz zu beten – wenn nicht alle drei G‘sätzel, dann zumindest den freudenreichen Rosenkranz. Hier wird besonders darauf geachtet, dass es zu keinem sogenannten „Außibeten“ (Hinausbeten, wenn ein Kind oder irgend ein anderer Familienangehöriger nicht zu Hause ist, ganz gleich aus welchen Gründen immer) kommt. Das könnte für das abwesende Familienmitglied Unglück bedeuten. Sobald der Vater mit dem Rauchen im Haus und Stall fertig ist, geht er noch ein- bis dreimal rauchend um das Haus bzw. das ganze Anwesen. Danach kommen er und seine Begleitung in die Stube zurück und beten den Rosenkranz bis zum Ende mit. Während des ganzen Vorganges steht eine große starke und geweihte Kerze (Mettenkerze), die mit einer Schleife verziert ist, in der Mitte des Tisches. Beiderseits der Mettenkerze stehen zwei kleine Kerzen (schlank, ohne Schleife), die verschiedenfärbig, meist rot, aber auch grün, blau oder gelb, sein können. Die geweihten Kerzen sind noch nicht angebrannt, bevor mit dem Beten begonnen wird. Es ist niemals eine angebrannte oder gebrauchte Kerze zu dieser Zeremonie aufgestellt. Auf dem Tisch liegt eine mit sakralen Motiven bestickte Decke (Rauchdecke).

Entweder vor dem Beten oder aber – was meistens der Fall ist – nach Beendigung des Rauchens mit den Gebeten, begibt sich der Vater oder Bauer mit seinem Handböller vor das Haus und gibt seinen Rauchschuss (einen, zwei oder drei) ab, zum Zeichen, dass die Handlung abgeschlossen ist und die Nachbarn auf dem Land (in den Ortschaften wird nicht geschossen) es deutlich vernehmen können. Diese Art der Nachbarverständigung erfahren wir in weiteren Brauchhandlungen draußen in den Gnotschaften immer wieder. Das Ritual wird an allen drei Raunächten genau und streng eingehalten und heute noch als selbstverständlich empfunden.

Zwischen den Raunächten, also vom Heiligen Abend bis Heilig-Drei-König vermeiden es die Hausfrauen tunlichst, einen Waschtag zu veranstalten, denn es bringt Unglück. In der Nacht vom 5. auf den 6. Jänner kann die Frau „Perscht“ (Percht) ihren gefürchteten Besuch abstatten. Sie begutachtet Ordnung und Sauberkeit. Den Unordentlichen schneidet sie den Bauch auf und gibt den vorgefundenen Unrat hinein. Man kann die Frau „Perscht“ auch freundlich stimmen, indem man ihr eine Brotzeit (Rohrnudeln mit Kompott) bereitstellt, was vielerorts noch gebräuchlich ist.

5.12.2.9. Die Berchtesgadener Bergknappen und ihre berufsständischen Bräuche

Im Bewusstsein ihrer Unentbehrlichkeit für die Wirtschaft ihres fürstlichen Landes haben sich die Bergknappen im gemeinschaftlichen und sozialen Eigeninteresse zu einer Standesorganisation zusammengeschlossen (Zunft der Bergknappen). Daraus haben sich früh eigenständige Bräuche entwickelt, die sich, der alltäglichen Gefahren bewusst, berufsbezogen in kirchlichen Bitt- und Dankfeiern bis heute besonders ausdrücken. Mit der Verleihung des Zunftbriefes im Jahr 1617 setzte eine reichhaltigere Gestaltung des gemeinschaftlichen Auftretens in der Öffentlichkeit mit eigener Präsentationsfahne (1628 verliehen) ein. Die religiöse Verbundenheit der Bergknappenvereinigung zeigt sich u. a. in der kirchlichen Bergweihe, der Beteiligung an heiligen Festtagen, Wallfahrten und im Weihnachtsfestkreis.

„Am Hl. Dreikönigstag beginnt das Zunftjahr mit der Bergweihmesse in der Stiftskirche in Berchtesgaden. Die Bergweihe selbst ist in der Dreikönigsoktav meist an einem Freitag angesetzt und wird vom Pfarrer der katholischen Pfarrei St. Andreas gehalten. Nach der Schicht nehmen die Bergleute vor dem alten Verwaltungsgebäude (Mitterberghaus) des Salzbergwerkes in Halbparade (weißer Bergkittel mit weißer Hose, Arschleder, Schachthut ohne Federbusch), die Angestellten ebenfalls in Halbparade (aber statt Schachthut mit Schiffchenmütze) Aufstellung und erwarten den Pfarrer mit Ministranten und Mesner. Rauchfaß, Schiffchen, Weihwasserkessel und Aspergill tragen die Bergleute. Nach dem Anfangsgebet in der alten Kaue erfolgt die Einfahrt zu Fuß durch die Moserrösche in den Frauenberg. Voraus geht ein Bergmann mit dem Kleinen Zunftkreuz, anschließend gehen die Bergleute mit brennenden Kerzen, in der Mitte der Pfarrer im Rauchmantel und der Klerus, dahinter die Angestellten. Die am Stollenmundloch des Frauenbergstollens zur Erinnerung an das Anschlagen dieses Stollens im Jahre 1559 angebrachte Marmortafel mit der Muttergottes und dem Jesuskind wird mit Weihwasser besprengt und mit Weihrauch inzensiert.

Das erste Evangelium nach Matthäus (5, 13–16) wird im Streckenabzweig Frauenberg-Hauptschachtricht / Bayernschurf / Manzenschachtricht / Zeitlmayer-Wasserschachtricht vom Pfarrer gesungen. Dieses sogenannte Salzevangelium hat folgenden Text: ,Ihr seid das Salz der Erde. Wenn aber das Salz schal wird, womit soll man es salzen? Es taugt zu nichts mehr, man wirft es hinaus und es wird von Menschen zertreten. Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf dem Berge liegt, kann nicht verborgen bleiben. Auch zündet man kein Licht an und stellt es unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter. Dann leuchtet es allen, die im Hause sind. So leuchte euer Licht vor den Menschen, damit sie euere guten Werke sehen und den Vater preisen, der im Himmel ist‘. Anschließend das Fürbittgebet ,Halte ab, o Gott, von diesem Ort die Bosheit der bösen Geister und bewahre alle, die hier arbeiten vor Unfall und schlagenden Wettern! Durch Christus unseren Herrn. Und der Segen des allmächtigen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes komme herab auf euch und bleibe immerdar‘.

Als zweites Evangelium wird das Evangelium des hl. Markus (8, 34–38) im Streckenkreuz Kaiser-Franz-Werk-Ankehrschachtricht / Lerchenfeldschachtricht / Zubau zum Prinzessin-Hildegard-Schacht gesungen: ,In jener Zeit rief Jesus das Volk herbei samt den Jüngern und sprach: Wenn jemand mir nachfolgen will, so verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir! Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren, wer aber sein Leben meinetwillen verliert und um des Evangeliums willen, wird es retten. Was nützt es den Menschen, wenn er die Welt gewinnt, aber seine Seele verliert? Denn was kann ein Mensch geben als Entgelt für seine Seele? Wer sich meiner und meiner Worte schämt, dessen wird auch der Menschensohn sich schämen, wenn er kommt in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln‘. Es folgt das Fürbittgebet ,Segne, Herr, allmächtiger Gott, diesen Ort! Gib, daß hier herrsche Gesundheit, Hilfsbereitschaft, Güte, Treue zu Deinem Gesetz und Dankbarkeit gegenüber Gott dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist. Und der Segen möge bleiben über diesem Ort und über allen, die hier arbeiten jetzt und allezeit’.

Das dritte Evangelium, das des hl. Lukas (12, 35–40) wird vor der Gedenktafel für den Prinzregenten Luitpold von Bayern, im Kaiser-Franz-Sinkwerk gesungen: ,In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Eure Lenden seien umgürtet und habt brennende Lampen in euren Händen! So sollt ihr Menschen gleichen, die auf den Herrn warten, bis er von der Hochzeit heimkommt, um ihm sogleich zu öffnen, wenn er kommt und anklopft. Wohl den Knechten, die der Herr bei seiner Ankunft wachend findet! Wahrlich, ich sage euch, er wird sich gürten und sie Platz nehmen lassen und umhergehen, um sie zu bedienen. Mag er um die zweite oder dritte Nachtwache kommen und trifft er sie so an, dann wohl ihnen! Das aber beachtet: Wenn der Hausvater wüßte, zu welcher Stunde der Dieb kommt, so blieb er wach und ließe in sein Haus nicht einbrechen. So haltet auch ihr euch bereit, denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr es nicht erwartet‘. Es folgt das Fürbittgebet: ,Allmächtiger, ewiger Gott! Du bist inmitten deiner Schöpfung überall zugegen und allerorten wirksam. Erhöre unser Gebet und wie du diesen Salzberg erschaffen hast, so bleibe auch sein Beschützer! Bewahre ihn vor allen Widerwärtigkeiten und Gefahren, unter dem Beistand deines Heiligen Geistes möge stets in Dankbarkeit und Treue gedient werden. Durch Christus unseren Herrn‘.

Weiter führt der Weg zum Füllort am Wittelsbacherschacht. Hier wird aus dem hl. Johannesevangelium (1, 1–14) gesungen: ‚Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden und ohne Wort ist nichts geworden von dem, was geworden ist. In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht ergriffen. Ein Mann trat auf, von Gott gesandt, sein Name war Johannes. Der kam, um Zeugnis abzulegen, Zeugnis für das Licht. Alle sollten durch ihn zum Glauben kommen. Er war nicht selbst das Licht, nur Zeugnis geben sollte er für das Licht. Da kam das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, in die Welt. Er war in der Welt. Die Welt ist durch ihn geworden und doch hat die Welt ihn nicht erkannt. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden: Denen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Geblüte, nicht aus dem Wollen des Fleisches, nicht aus dem Wollen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt. Und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des Eingeborenen vom Vater, voll der Gnade und der Wahrheit‘.

Es folgen die Fürbitten ,Wir bitten Dich, o Herr, sei uns, Deinen Dienern gnädig um der Verdienste Deines heiligen Bischofs und Bekenners Rupertus Willen! Seine Fürbitte möge uns vor allen Widerwärtigkeiten und Gefahren bewahren durch Christus unsern Herrn. Mit himmlischem Segen möge gesegnet, beschützt und behütet werden dieses Bergwerk und alle, die hier arbeiten im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes‘. Gemeinsam singen die Teilnehmer vor dem am Schacht aufgestellten und mit brennenden Kerzen geschmückten Christbaum ,Stille Nacht, Heilige Nacht‘.

Auf dem Weg durch den Berg werden nacheinander der freudenreiche, der schmerzhafte und der glorreiche Rosenkranz abwechselnd von zwei Vorbetern (Bergknappen) und den übrigen Teilnehmern gebetet. Während der Bergweihe werden Türen und Tore mit C + M + B und der jeweiligen Jahreszahl angeschrieben. Durch den Fremdenausfahrtsstollen am Ferdinandberg übertage angekommen, geht es über den Achensteg zum Pumpenhaus. Hier werden die Solepumpen der Soleleitung nach Bad Reichenhall gesegnet und mit Weihrauch beräuchert und die folgenden Gebete und Fürbitten gebetet:

,Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn. Der Himmel und Erde erschaffen hat. Herr, erhöre mein Gebet. Und laß mein Rufen zu Dir kommen. Der Herr sei mit Euch. Und mit Deinem Geiste. Lasset uns beten: Deine Werke, o Gott, verkünden überall Deine Weisheit und Güte. Dort ernährst Du die Menschen durch den Ertrag der Felder, dort durch Handel und Gewerbe. Hier verschaffst Du uns Unterhalt durch den Reichtum, den Du in Deiner Güte in unserem Berge niedergelegt hast und der durch diese Pumpen weitergeleitet wird. Hunderte verdienen ihr tägliches Brot. Wir erkennen in Dankbarkeit diese Wohltat. Und darum, o Vater im Himmel, sind wir hier versammelt, um unsere Abhängigkeit von Dir zu bekennen. Wir danken Dir für die empfangenen Wohltaten und bitten Dich um Fortsetzung derselben, in Überzeugung, daß jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk von Dir, dem Vater des Lichtes, kommt, daß alles und jedes Gedeihen von Deiner Gnade und Deinem Segen abhängig ist.

In diesem Glauben und Vertrauen auf das Wort Deines Sohnes ,Um was immer ihr den Vater in meinem Namen bitten werdet, das wird er euch geben‘, bitten wir Dich: Sieh herab auf uns, Deine Kinder! Wir danken Dir für alle Wohltaten des vergangenen Jahres und bitten Dich, erhalte uns diesen Schatz Deiner Gnade! Bewahre diese Maschinen und alle, die hier arbeiten, vor jeglichem Unglück! Durch Christus, unseren Herrn. Heil und Friede, o Herr, laß hier wohnen! Heil und Friede allen, welche hier ein- und ausgehen. Lasset uns beten: Dich, ewiger Vater verehrt die ganze Schöpfung. Dich preisen die Himmel. Dir rufen alle Cherubim und Seraphin ihr Heilig-Heilig zu. Alle verkünden Dein Lob. Selbst die Erzeugnisse des Menschen verkünden Deine Herrlichkeit, weil Du ihnen von Deinem Geist mitgeteilt hast. So verkünden auch diese Pumpen Deine Weisheit und Güte. Segne und bewahre sie und alle, welche hier arbeiten! Durch Christus unseren Herrn. Lasset uns lobpreisen den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist. Lasset uns ihn lobpreisen und anbeten in Ewigkeit. Lasset uns beten.

Jesus Christus, Du König der Herrlichkeit! Ewiger Sohn des Vaters! Du bist auf dieser Erde in Knechtsgestalt erschienen. Du hast den Stachel des Todes überwunden. Du sitzest zur Rechten des Vaters. Du wirst einst wiederkommen zu richten die Lebenden und die Toten. Gläubig erwarten wir Dich. Und wir bitten Dich, komm Deinen Dienern zu Hilfe, die Du erlöst hast mit Deinem kostbaren Blut! Laß unsere Namen dereinst genannt werden in der Zahl der Heiligen! Herr, rette Dein Volk und segne Deine Erde! Leite Deine Diener und sei ihr Schutz. Erhalte in Liebe und Eintracht alle, die da vorgesetzt und untergeordnet sind! Laß uns Dein Erbarmen erfahren, die wir auf Dich vertraut haben! Auf Dich vertrauen wir und werden nicht zuschanden werden in Ewigkeit. Lasset uns beten. Dein Geist durchströme unsere Herzen! So wie das Herz des heiligen Apostels Johannes von wahrer Gottesliebe durchströmt worden ist, so beseele auch die Herzen aller, die hier arbeiten und aller, die vom Salze genießen werden mit Liebe und Eintracht! Um all dieses bitten wir Dich durch die Ausgießung des zum Andenken und zur Ehre des heiligen Apostels Johannes geweihten Weines. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Der Friede Gottes bleibe mit uns allen‘.

In der neuen Kaue vor dem Kruzifix werden dann der Haussegen sowie die Vaterunser um Gottes Schutz und Segen im neuen Jahr, um die Verschonung vor Unfällen und für alle Verstorbenen und Gefallenen gebetet. Mit Tedeum, dem feierlichen Segen und allen guten Wünschen zum neuen Jahr endet die Bergweihe. Danach sitzen die Bergleute noch in einer gemütlichen Runde in der alten Kaue zusammen. Geistlichkeit, Mesner, Zunftmeister und Werksleiter werden seit altersher im sogenannten Fürstenzimmer des Salzbergwerkes bewirtet. Urkundlich ist die Bergweihe angeblich bereits im Jahre 1528 erwähnt, vermutlich wird sie schon seit dem Anschlagen des Petersbergstollen im Jahre 1517 gehalten.“[1661]

5.12.2.10. Die Berchtesgadener Weihnachtsschützen

Der burschenschaftliche Brauch des Schießens zur Weihnachtszeit ist eine charakteristische Besonderheit im ehemals fürstlichen Berchtesgaden. Es ist beeindruckend, in diesen Abenden und Nächten den fortwährenden Widerhall der Böllerschüsse zu hören, das Aufblitzen des Böllerfeuers wahrzunehmen und plötzlich wieder die winterliche Weihnachtsstille zwischen Untersberg, Göll und Watzmann zu erleben und die feierliche Stimmung mit nach Hause zu nehmen. Träger des Brauches, der sich bei verschiedenen festlichen Anlässen während des Jahres,[1662] besonders aber im Weihnachtsfestkreis zeigt, sind die 1925 zu einer Vereinigung mit ordentlichen Statuten zusammengeschlossenen „Vereinigten Weihnachtsschützen des Berchtesgadener Landes“. Es sind 17 Vereine mit rund 3.000 Mitgliedern, davon 1.100 aktive Schützen. Damit sich der Gast oder Auswärtige einen Begriff von der Wirkung dieses Brauches der Weihnachtsschützen machen kann, darf erwähnt werden, dass allein an Weihnachten und Neujahr jährlich etwa 1.500 Kilogramm Böllerpulver (Schwarzpulver) verschossen werden.

Rudolf Kriss – Volkskundler und Heimatpfleger aus Berchtesgaden – schreibt u. a., dass die Voraussetzung des brauchtümlichen Schießens der Besitz von Waffen ist, und hierzu waren die bäuerlichen Lehensträger (Bauern) der einstigen Fürstpropstei von Berchtesgaden, die ein selbstständiges Fürstentum darstellte, in alter Zeit aus Gründen der Landesverteidigung sogar verpflichtet. Den ältesten Beleg finden wir im sogenannten „Landbrief“ von Berchtesgaden, der im Jahre 1377 von Propst Ulrich I. erlassen wurde. Einträge in den Stiftsrechnungen besagen, dass Ende des 16. Jahrhunderts regelmäßig Schießübungen abgehalten wurden. Das „Fürstliche Berchtesgadenerische Ratsprotokoll vom Jahre 1666, Bl. 117, 26. Oktober Weihnachtsschießen“ bezeugt als ältestes Dokument das in Rede stehende Brauchtum. Aus der Abfassung geht zunächst hervor, dass es sich um einen von alters her bestehenden Volksbrauch handle. Vergleicht man die Arbeiten von Johann F. Schatteiner über die Dürrnberger Schützen, so wird darin ein fürstliches Privileg des Festschießens ersichtlich. Häufig bringt die Bevölkerung dieses Salutschießen mit den seit dem 19. Jahrhundert oft bemühten vorchristlichen Lärmbräuchen in Verbindung und will im Glockenläuten und Peitschenknallen Vorläufer sehen. Die Sehnsucht nach einer Kontinuität von naturverbundenen Verhaltensweisen lässt diese vielfach als falsch erwiesenen Meinungen heute wieder aufleben.

In demselben Ratsprotokoll finden wir gleichzeitig den Hinweis auf ein Schießverbot, das die aufkommenden Spannungen zwischen Volksmeinung und kirchlicher Erneuerung aufzeigt. Es heißt darin, „dass das Schießen gar nicht die Ehre Gottes fördere“. Die Verbote des 18. Jahrhunderts zeigen dabei den Einfluss des aufgeklärten Absolutismus, im 19. und 20. Jahrhundert häuften sich Verbote aus Gründen der Ordnung und Sicherheit. In den 40er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts (1940–1945) standen politische Interessen und solche der Vermeidung von regimefeindlichen Übergriffen im Vordergrund. Die Berchtesgadener Weihnachtsschützen haben diese Verbote überlebt, ganz gleich welcher Begründung sie waren. Rudolf Kriss schreibt in der Einleitung seines Buches: „Wenn an Weihnachten die Täler und Höhen des Berchtesgadener Landes widerhallen vom Geschützdonner ungezählter Einzelfeuer, Rotten und Salven, die aus schweren fahrbaren Böllern sowohl wie aus leichteren, eigens zu diesem Zweck angefertigten Pistolen oder Handböllern abgefeuert werden, wenn für die Augen der zum mitternächtlichen Christamt wandernden Kirchgänger im raschen Aufblitzen der Schüsse sekundenlang die Reihen der einzelnen Schützenketten sichtbar werden, dann vermag jedermann klar zu erkennen, dass er es mit einem im Volksleben tief verwurzelten, alten Brauch zu tun hat.“

5.12.2.10.1. Christkindlanschießen

Abgesehen von dem adventlichen Schießen vor und nach dem Ritual der drei Rauchnächte beginnt am 17. Dezember das Christkindlanschießen (= das Christkind durch das Schießen empfangen). Jeden Nachmittag um 15.00 Uhr läuten die Kirchenglocken bis 15.15 Uhr. Zur gleichen Zeit begleiten die Böllerschüsse der „Vereinigten Weihnachtsschützen des Berchtesgadener Landes“ das Geläute. Aus allen Gnotschaften und abgelegenen Lehen auf den Anhöhen der umliegenden Berge werden Einzelschüsse vor dem Haus oder Anwesen abgegeben, die das gesamte Land in feierliche Stimmung für das Hochfest des Weihnachtsfestkreises bringen.

Am Heiligen Abend nach dem Christkindlschießen (letztes Schießen dieser Art vor Weihnachten) verlassen die Weihnachtsschützen ihre Häuser und begeben sich zwischen 22.00 und 23.00 Uhr auf den Weg zum Schützenstand. Jeder Verein der Weihnachtsschützen hat seinen ganz bestimmten eigenen Standplatz. Diese Schützen-Standorte bezeichnet man heute noch mit der früheren Bezeichnung „Passen“. Sie haben sich aus der Ortssituation um den Markt Berchtesgaden ergeben. Da geschlossen bebaute Orte zum Schießen nicht in Frage kommen, haben die Schützenvereine untereinander ganz bestimmte Standplätze auf den Anhöhen rings um die seinerzeitige Landesresidenz eingenommen. Auf diese Weise konnten die Weihnachtsschützen ihr gebräuchliches Schießen eindrucksvoller zur Geltung bringen. Heute gruppieren sie sich nahe den Kirchen, wie es sie damals nur in den beiden Märkten Schellenberg und Berchtesgaden sowie in dem Pfarrdorf Ramsau mit Taverne an der Salzstraße über den Hirschbichlpass in den Pinzgau und Tirol gab.

Schützen, die zu Fuß zum Standplatz kommen, geben meist nach Verlassen des Hauses oder Anwesens ihren Schuss ab und so kann man aus der Ferne bereits die Einzelschüsse der sich versammelnden Schützen hören. Diese Vorausbenachrichtigung oder dieses Zusammengehen bezeichnen wir als „Zuawaschiaßn“ (Herankommen). Eine halbe Stunde vor der Christmette erreicht das Schießen seinen Höhepunkt – auch im Lärm. Von den Standplätzen aus geben die Weihnachtsschützen in ununterbrochener Folge Einzelschüsse, Schnellfeuer und dröhnend widerhallende Salven in Gemeinschaft von oft bis zu 50 Schützen und mehr ab. Unmittelbar vor Beginn der Mette in den Kirchen, mit Einsetzen des Glockengeläutes, wird es fast unheimlich still. Es fällt kein Schuss mehr aus dem Handböller. Zur Wandlung werden die obligatorischen sechs Wandlungsschüsse abgefeuert, wie bei jedem festlichen Hochamt.

Der Heilige Abend ist bis zum Christkindlschießen ein Fasttag, und die Fahne der Weihnachtsschützen in der Schönau wird vor dem Schießen geschmückt und in der Kirche in Unterstein aufgestellt. Dort verbleibt sie bis zum Stephanitag (26. Dezember). Eine Ausnahme der Weihnachtsschützen in Schönau ist das sogenannte „Abläutschiaßn“. Etwa bis 15 Minuten nach der Mette (Christmesse) um 24.00 Uhr schießen die Weihnachtsschützen vom „Hanauer Stein“ aus (Bezeichnung nach dem hiezu gehörigen Hanauer-Lehen) mit Bläsern und bengalischer Beleuchtung, im Hintergrund der Grünstein und die Kulisse des 2.714 Meter hohen Watzmann. Danach treffen sich die Schützen in ihrem „Schützenkaser“ auf dem Hanauer Stein, einer ziemlich steilen felswandartigen Anhöhe gegenüber der Kirche und dem Rathaus.

5.12.2.10.2. Silvesterabend: „Außischiaßn“ und Neujahrsanschießen

Der Silvesterabend gilt als die zweite Rauchnacht. Wiederum nach dem Weihräuchern in Haus und Stallung sowie um das Haus bzw. Anwesen herum und den Gebeten in der Stube mit der brennenden Mettenkerze werden die drei (ein bis drei) Rauchschüsse abgefeuert. Die Weihnachtsschützen versammeln sich wieder gegen Mitternacht auf ihren Ständen. Sie kommen heute mit dem Fahrzeug in die Nähe des Standplatzes oder gehen zu Fuß dorthin. Auf dem Hinweg werden wieder die Einzelschüsse abgegeben (wiederum das „Zuawaschiaßn“). Im Gegensatz zum Heiligen Abend wird anstatt einer Viertelstunde eine halbe Stunde vor Mitternacht das alte Jahr „außigschossn“ (hinausgeschossen bzw. verabschiedet).

Bis Schlag 12.00 Uhr Mitternacht erfährt das Schießen aus allen Rohren der Handböller und Kanonen einen absoluten Höhepunkt, der sich dann etwa zehn bis fünfzehn Minuten in das neue Jahr erstreckt, was man als „Neujahrsanschießen“ bezeichnet. Danach wird es wieder still in den schalldurchdröhnten Tälern und Anhöhen. Das neue Jahr beginnt. In den meisten Vereinen wird vor jedem Schießen und nachher am Stand gebetet; so auch beim Zwölfuhrläuten während der kurz eintretenden Pause. Bei einigen Vereinen ist es heute noch Brauch, zur Ehrung der jeweiligen Honoratioren bzw. Persönlichkeiten durch Einzelschützen oder eine Schützengruppe sogenannte „Standerl“ zu schießen.

Auch hier gibt es eine Besonderheit: Am Jahreswechsel, wenn die Böller still geworden sind, ändern sich die aufgestellten und beleuchteten Jahreszahlen am „Herzogberg“ (Anhöhe südöstlich über dem Markt Berchtesgaden; vom Ort aus gut sichtbar). Dabei geben die Weihnachtsschützen, „die Herzogberger“ oder „Hiazberger“ genannt, zwölf Schuss aus ihren schweren Kanonen ab.

Quellennachweis

[Brugger/Dopsch/Kramml 1991] Brugger, Walter; Dopsch, Heinz; Kramml, Peter F. (Hg.): Geschichte von Berchtesgaden. Stift, Markt, Land. 3 Bde. Berchtesgaden 1991–2002.

[Helm 1929] Helm, A.: Das Berchtesgadener Land im Wandel der Zeit. Hauptbd. und Ergänzungsbd. Berchtesgaden 1929 und 1982 (Archiv des Berchtesgadener Landes 2).

[Irlinger/Roth 1996] Irlinger, Walter; Roth, Hans: Die Zunft der Berchtesgadener Bergknappen. Geschichte, Brauchtum und Zunftgegenstände. 1. Aufl. Berchtesgaden 1996.

[Kriss 1970] Kriss, Rudolf: Brauchtum, Folklorismus und Fremdenverkehr im Berchtesgadener Land. In: Harmening, Dieter [u. a.] (Hg.): Volkskultur und Geschichte. Festgabe für Josef Dünninger zum 65. Geburtstag. Berlin 1970, S. 200–209.

[Kriss 1966] Kriss, Rudolf: Die Weihnachtsschützen des Berchtesgadener Landes und ihr Brauchtum. Berchtesgaden 1966.

[Kriss 1941] Kriss, Rudolf: Das Berchtesgadener Weihnachtsschießen und verwandte Bräuche. Wien 1941.

[Kriss 1933] Kriss, Rudolf: Die religiöse Volkskunde Altbayerns. Dargestellt an den Wallfahrtsbräuchen. Baden bei Wien 1933 (Das Volkswerk 3).

[Kriss 1947] Kriss, Rudolf: Sitte und Brauch im Berchtesgadener Land. München-Pasing 1947 (Berchtesgadener volkskundliche Schriften 3).

[Schatteiner 1998] Schatteiner, Johann F.: Der Dürrnberger Schwerttanz – Geschichte, Verein und Aufführungspraxis. Mit einem Anhang über die Bergknappenmusikkapelle und das Schützenwesen. In: Kammerhofer-Aggermann, Ulrike (Hg.): Bergbau. Alltag und Identität der Dürrnberger Bergleute und Halleiner Salinenarbeiter in Geschichte und Gegenwart. Salzburg 1998 (Salzburger Beiträge zur Volkskunde 10), S. 233–306.

[Schuhladen 1984a] Schuhladen, Hans: Zur Geschichte von Perchtenbräuchen im Berchtesgadener Land, in Tirol und Salzburg vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Grundlagen zur Analyse heutigen Traditionsverständnisses. In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 1983/84 (1984), S. 1–29.



[1656] Kurzfassung von Melanie Wiener-Lanterdinger.

[1658] „Gnotschaft“ ist heute noch alltägliches Wort im ehemals fürstpröpstlichen Berchtesgaden, das die Vorläufer der heutigen Gebietskörperschaften „Gemeinden“ bezeichnet. Gnotschaften sind ursprünglich Ansiedlungen oder Einzelhöfe in sogenannten Rodungsinseln, die topografisch deutlich erkennbar eingegrenzt, auf gegenseitige Hilfe angewiesen, durch Wege oder Pfade zueinander kommen konnten und so eine gewisse Einheit bildeten.

[1659] [MoserDR 1993], S. 46–49.

[1660] „Gnotschaft“ ist heute noch alltägliches Wort im ehemals fürstpröpstlichen Berchtesgaden, das die Vorläufer der heutigen Gebietskörperschaften „Gemeinden“ bezeichnet. Gnotschaften sind ursprünglich Ansiedlungen oder Einzelhöfe in sogenannten Rodungsinseln, die topografisch deutlich erkennbar eingegrenzt, auf gegenseitige Hilfe angewiesen, durch Wege oder Pfade zueinander kommen konnten und so eine gewisse Einheit bildeten.

[1661] [Irlinger/Roth 1996], S. 42–49. – Mit freundlicher Genehmigung des Verlags Plenk.

[1662] Der Autor beabsichtigt, bezüglich der Formen dieses Brauches im Jahreskreis, eine Bestandsaufnahme vor Ort zu machen. Dem Brauch wird nachgegangen, um Aussagen darüber zu erhalten, wie sich die Rituale in den verschiedenen Vereinen und Gnotschaften bewahrt oder verändert haben.

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