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Alte Handwerksberufe (Angelika Kromas, Gottfried Steinbacher)[254]

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Das Ende der Landhandwerke

Der Rückgang der ehemals weit verbreiteten Landhandwerke zeigt einen Strukturwandel in der Wirtschaft und der Landwirtschaft, im Konsumverhalten und in der Gesellschaft an. Er ist die Folge eines im 19. Jahrhundert einsetzenden Übergangs von der Agrargesellschaft über die Industrialisierung zur modernen Dienstleistungsgesellschaft.

Die Landhandwerke sind eng mit der vorindustriellen Wirtschaftsform verbunden. Das Land Salzburg war sehr lange ein Agrarland. Der größte Teil der Bevölkerung arbeitete in der Landwirtschaft. In dem größeren, gebirgigen Landesteil dominierte die Viehzucht und in der Folge die Landwirtschaft. Der Ackerbau im kleineren, flachen Landesteil war wesentlich geringer.

Noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts arbeiteten in den Dörfern und Kleinstädten viele Handwerker mit einem breiten, auf die landwirtschaftliche Kundschaft abgestimmtes Waren- und Dienstleistungsangebot, das sich auch durch die 1859 erschienene Gewerbeordnung nicht wesentlich verändert hatte.

Nachhaltige Veränderungen im Handwerk

Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg begann sich allmählich und in unterschiedlicher Geschwindigkeit eine nachhaltige Veränderung im Handwerk abzuzeichnen. Durch industriell hergestellte Waren und durch den kulturellen Wandel verloren viele herkömmliche Landhandwerke an Bedeutung: die Schmiede durch die Motorisierung/Technisierung der Landwirtschaft und den damit verbundenen Rückgang der Pferde, die Müller durch Zentral- /elektrische Hausmühlen, die Schneider durch Konfektionswaren ... Aus dem gleichen Grund aber entstanden auch neue Handwerksberufe (wie Installateur, Elektriker).

Nach dem Zweiten Weltkrieg führten der „Wiederaufbau“ und der Beginn der „Konsumgesellschaft“ auch im Land Salzburg zu einem enormen wirtschaftlichen Wachstum im gewerblich-industriellen Bereich und im Fremdenverkehr. Die Landwirtschaft ging zurück; gleichzeitig nahm die Mechanisierung und Ausstattung mit Maschinen in den verbliebenen Betrieben zu. Dem alten Landhandwerk war damit die Grundlage entzogen.

Dorfschneider und Dorfschuster

Der Betrieb eines Schneiders auf dem Land war meistens ein Einmannbetrieb. Nur fallweise wurde ein Geselle beschäftigt. Nach drei Gesellenjahren konnte man zur Meisterprüfung antreten, dabei war ein dreiteiliger Anzug von der Abmaß über den Zuschnitt bis zur Anprobe anzufertigen. Bis etwa 1960 ging man auch noch auf die Stör. Der Name „Stör“ kommt nach dem 32-bändigen Werk von Grimm unter anderem davon, dass der Handwerker, der zum Bauern kam, die gewohnte Ordnung auf dem Bauernhof gestört hat. Günther Jontes zeigt dagegen auf, dass der Begriff aus der Handwerkersprache kommt, da der Störhandwerker die unter Aufsicht einer Zunft stehenden Bereiche nicht stören, also nur am Lande arbeiten durfte. Am Sonntag nach der Kirche kamen die Bauern und machten den Störtermin aus. Der Bauer hatte den Lodenstoff gegen eigene Wolle eingetauscht und bestellte nun für alle männlichen Hausbewohner Anzüge. Die Arbeit bei größeren Bauern dauerte bis zu zwei Wochen.

Auch der Dorfschuster ging auf die Stör. Einen Schuhhandel im heutigen Sinn gab es nicht. Die Schusterwerkstatt (bestehend aus einem Raum) befand sich meist im Wohnhaus. Erzeugt wurden hauptsächlich Arbeitsschuhe mit Ledersohlen, mit Holznägeln zusammengenagelt und mit Flügelnägeln beschlagen. Weiters gab es Haferlschuhe (starke Halbschuhe) und die Goiserer.[255] Bei großen Bauern waren ab und zu bis zu dreißig Paar Schuhe anzufertigen. Die Arbeit dauerte bei einer Störgruppe von zwei bis drei Mann etwa eine Woche.

Ein besonderer Tag war der Sebastianitag, der Tag des Schutzpatrons der Schuster und Schneider. An diesem Tag durfte nicht gearbeitet werden, sonst hieß es, bekäme man Abszesse am Hintern. Dahinter verbirgt sich ein Relikt der alten Zunftfeiertage, die in Salzburg von Erzbischof Hieronymus Colloredo 1772/73 abgeschafft worden waren.

Wagner und Schmied

Nach Erzählung des Wagnermeisters Franz Oberreiter (Hüttau) hat sich in der Arbeitsweise des Wagnergewerbes im Laufe der Jahrzehnte bis ca. 1955 im Wesentlichen nicht viel geändert. Erzeugt wurden im Lehrbetrieb alle landwirtschaftlichen Fahrzeuge, Geräte und Hilfsmittel oder zumindest deren Präzisionsteile wie Räder und Deichseln, denn häufig wurden die Ladeflächen aus Stangenholz von den Bauern selbst verfertigt (Fahrnisse wie Heuwagen, Mistwagen, Goaßl – kleiner einspänniger Pferdeschlitten, Blochwagen – ein Rungenwagen zum Holztransport). Neben den Wagen wurden noch Scheibtruhen und Radlböcke (beides einrädrige Transportkarren mit zwei Handgriffen) hergestellt, sowie sämtliche Holzstiele für die landwirtschaftlichen Werkzeuge. Die maschinelle Einrichtung des Wagnerbetriebes bestand meistens aus einer mit Wasser betriebenen Turbine, die Hobelmaschine, Bandsäge, Bohrmaschine und Drehbank antrieb.

Für den Schmied war die Hauptarbeit das Beschlagen der vom Wagner angefertigten Wagen und Schlitten. Weiters wurden noch Vierkantsperrketten für die „Ziacherschlitten“ (Schlitten zum Schleifen von Baumstämmen) und die Schlagketten für die Fuhrschlitten angefertigt. Der Hufschlag wurde im Lehrbetrieb nur für Rösser vorgenommen. Bei den Pferden musste zuerst der nachgewachsene Hufteil abgeschnitten und geraspelt werden. Das Hufeisen wurde in der Esse erwärmt und in die richtige Passform gebracht, sodann auf den Huf kurz aufgebrannt. Nach der Abkühlung wurde das Hufeisen abgeschliffen und mit acht Nägeln am Huf befestigt. Bei Ochsen war die Arbeit mit viel mehr Vorsicht durchzuführen. Die Arbeit wurde fast immer alleine betrieben, zur Hilfe beim Hufbeschlag waren meistens der Bauer oder sein Knecht dabei, und für andere Arbeiten, wo man Hilfe brauchte, musste ein Familienmitglied helfen.

Der Müller

Als Beispiel für die seinerzeit fast in allen Orten des Pongaues bestehenden Mühlen wird die Erzählung des letzten Arlermüllers aus Wagrain herangezogen.[256] In dieser ursprünglichen Mautmühle (einer Lohnmüllerei) brachten die Bauern ihr Getreide und hatten als Mahllohn zehn Prozent des Mahlgutes an den Müller abzutreten. Durch diese Naturalentlohnung kam der Müller in den Besitz einer größeren Menge Mehl, die er nicht selbst aufbrauchen, aber auch nicht verkaufen konnte. So entstand die mit dem Mautmühlrecht verbundene „Schwarzbäckerei“, das heißt, der Müller durfte aus dem zurückbehaltenen Mehl Brot backen, jedoch nur Schwarzbrot aus Roggenmehl, daher der Name „Schwarzbäckerei“.

Früher brachten alle Bauern, die keine eigene „Gmachmühle“ (Privatmühle für Eigenbedarf) besaßen, ihr Getreide zum Müller. Die Zufuhr des Getreides erfolgte durch die Bauern mit ihren eigenen Zugtieren in Zweiradkarren. Das angelieferte Getreide wurde in Hohlmaßen (Salzburger Metzen) aufgezeichnet, dann gewogen und ins Mahlbuch eingetragen. Durch verschiedene Mahlvorgänge wurden verschiedene Mehlsorten erzeugt, die dann in Säcke gefüllt wurden. Der „Vorschuss“ enthielt hohe Kleieanteile und wurde als Viehfutter und für „speres“ Suppenbrot gebraucht; das feinste „Mundmehl“ war der festtäglichen Krapfenerzeugung vorbehalten.

Anfang der 1950er-Jahre, nach der Elektrifizierung der Bauernhöfe, schafften sich viele Bauern elektrische Hausmühlen an. Weiters folgte das Ende der Lebensmittelbewirtschaftung, ein Arbeitskräftemangel in der Landwirtschaft und der Ernteertrag im Bergbauernbetrieb war gering – alles Gründe, den Getreideanbau einzustellen und damit war auch die Existenzgrundlage der Mühlen nicht mehr gegeben.

Die Gerber und die Sattler

Obwohl Häute, Felle und Leder in der heutigen Zeit durchaus von Bedeutung sind, kann man sich kaum vorstellen, welch bedeutende Rolle sie und die mit ihrer Verarbeitung beschäftigten Gewerbe (Gerber, Kürschner, Riemer, Sattler, Kummeter, Säckler, Taschner und Beutler) in der Welt von gestern hatten. Die Rot- oder Lohgerber erzeugten in pflanzlicher Gerbung aus Eichen- und Fichtenrinde (Lohe) große schwere Häute für Sattler und Schuster. Die Weißgerber produzierten in mineralischer Gerbung mit Salz und Alaun dünneres, edleres Bekleidungsleder aus Kalbs-, Schaf- und Ziegenfellen. Die Sämischgerber oder Ircher stellten durch Walken mit Fett oder Tran wasserdichtes Leder aus Schaf- und Ziegenhäuten her.[257]

Das von den Rotgerbern hergestellte Grobleder wurde vom Sattler zu Zaum- und Sattelzeug verarbeitet. Dieses Gewerbe erlangte große Bedeutung angesichts der Vorliebe der Fürsten für ihre Marställe und der Verwendung der Pferde als bäuerliche Arbeitstiere.

Neben dem Zaumzeug fertigte der Sattler auch alle anderen Riemen an, verzierte ihre Ränder mit Zierstichen, schlug mit blanken Nieten Muster ein, nähte echte Kaurimuscheln an, reihte verschieden große Hängescheiben auf und montierte mannigfachen Messingzierrat, den er vom Metallgießer bezog; zusätzlich ließen sich noch mit dem Reißeisen Muster in das Blankleder ziehen. Die Sattlerei war früher ein Handwerk, das seinen Inhaber gut ernährte. Der Beruf wurde nicht nur als Auftragsarbeit zu Hause ausgeübt, sondern sehr häufig auch „auf der Stör“, dem Verrichten der Arbeit am jeweiligen Bauernhof.

Der Säcklermeister

Die Säckler („lat. Bursarius, … jener Handwerker der in steiferem Leder als der Taschner und Beutler arbeitet, Ranzen, Felleisen, Coffer- und Stuhl-Überzüge und dergleichen macht“[258]) gingen in Salzburg nach dem Ersten Weltkrieg zu Grunde, als es keine Beutel, Hosen, Unterwäsche und Taschen für das Militär mehr herzustellen gab. Auf dem Land stellten sie in alten Zeiten auch die Mühlsäcke (Mühlbeutel) her, die während des Mahlvorgangs stark geschüttelt wurden und dabei am Boden streiften. Zum Schutz vor Abnützung wurden diese etwa zwei Drittel von unten herauf mit einem Lederbesatz versehen.

Die spezielle Verarbeitung von echtem Sämisch-Rotwildleder erfordert umfassende Sachkenntnis. Unter „Rotwild“-Leder versteht man nicht Hirschleder, sondern im Sommer erlegtes Wild (Reh, Gams, Hirsch). Es wird besonders geschätzt, da zu dieser Zeit die Poren am kleinsten sind. Die Säckler betreiben heute (seit etwa 1910 und bestimmt durch die damals aufkommende Trachtenmode) hauptsächlich die Maßanfertigung von Lederhosen aller Art, Herren-Oberbekleidung, Damenröcke und -kostüme, in gediegener, formbeständiger Handwerksarbeit aus ausgewähltem hochwertigem Wildleder. Dazu bietet der angeschlossene Handel gut abgestimmte Lodenjanker, Strickspenzer, Westen, Hirtenhemden, Kniebundstrümpfe usw.

Beim ledernen Beinkleid sind seit alters her die Lang- und Kniebundhosen bekannt, dann die Gsasshosen, die der heutigen Lederhose die Rundnaht weitergaben, dazu Hosenschäfte und Schurze. Die gelben, weil ungefärbten Langhosen der bäuerlichen Tracht kamen im Laufe des 18. Jahrhunderts ab. Die kniekurze „Kurzlederne“ tauchte erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts in Salzburg auf. Neben dem Bedarf der einheimischen Bevölkerung kamen in den 1960er- und 70er-Jahren vermehrt Aufträge von den Gästen des zunehmenden Fremdenverkehrs. Wenn die elterlichen Betriebe von den Nachkommen übernommen werden, so ist das Gewerbe des Säcklermeisters eines der wenigen, das auch in Zukunft weiterbestehen wird.

Der Weber, der Klampferer und die Kohlbrenner

Früher waren besonders die Leinenweber, aber auch die Wollweber, in fast allen Orten unserer Salzburger Gegend vertreten und übten ihren Beruf teils zu Hause in der eigenen Werkstatt oder auf der Stör aus. Sie erzeugten die Stoffe für Leintücher, Tischtücher und Leibwäsche, den „Rass“ oder „Räss“ für das Alltagsgewand (Kette aus Leinen, Schuss aus Wolle) und die Wollstoffe als Grundlage für den Walkloden. Die meisten Bauern hatten einen eigenen Webstuhl, der als Rohwebstuhl zur Verfügung stand und vom Weber eingerichtet werden musste. Der Bauer stellte das aus dem gebrechelten Flachs gewonnene und gesponnene Garn bzw. die Schafwolle zur Verfügung. Die Webarbeiten waren auf den Winter beschränkt, weil die Bauern vorher den Flachs vorbereiten mussten und die Frauen das Garn zu spinnen hatten. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm der Anbau von Flachs immer mehr ab und hörte schließlich ganz auf. Damit verschwand auch das Weberhandwerk.

Der Beruf des „Klampferers“ (Klempner oder Spengler) ist – wenn man eine seiner Hauptfunktionen auf dem Lande betrachtet, nämlich die Herstellung von Hausrat aus Blech und das „Kesselflicken“, das von umherziehenden Handwerkern oft auch ausschließlich ausgeübt wurde – ausgestorben. Der Klampferer zog von Bauer zu Bauer und von Haus zu Haus, um die kaputten Blechgefäße, bzw. -geschirre zu flicken. Mit Lötlampe und Lötkolben, Blechschere, kleinem Amboss und Hammer wurden die Pfannen und Reindl, Häferl und Eimer von ihm geflickt und genietet. Mit anderem Aufgabenbereich setzt sich dieses Gewerbe der Bearbeitung von gehämmertem und gezogenem Blech durch Biegen, Bördeln und Löten[259] in der modernen Spenglerei (z. B. Dachrinnen) fort.

Für frühere Verhältnisse ebenso wichtig war der Kohlenbrenner. Von ihm wurde die Holzkohle nach der bewährten Art und Weise, so wie von den Vorfahren überliefert, hergestellt. Diese wurde zur Befeuerung der Schmiedeessen benötigt, aber auch Eisenwerke benötigten größere Mengen an Holzkohle. Aus diesem Grund wurde das Gewerbe des Kohlenbrenners auch noch bis Ende des 19. Jahrhunderts betrieben.



[254] Kurztextseiten 1 und 2 von Angelika Kromas, 3 bis 8 von Ilona Holzbauer und Ulrike Kammerhofer-Aggermann

[255] Schwere, doppelt genähte Arbeitsschuhe, die im Winter mit Eisenstiften beschlagen wurden; benannt nach ihrem Haupterzeugungsort Bad Goisern/OÖ.

[256] Die Erzählung umfasst den Zeitrahmen bis ca. 1950.

[257] [Reith 1990], S. 84f.

[258] [Schmeller 1985], Band 2/1, S.p. 222. – Den Niedergang der Säckler nach dem Ersten Weltkrieg hat Alma Scope dargestellt in: [Kammerhofer-Aggermann/Scope 1993].

[259] [Reith 1990], S. 124–127.

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